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Full text of "Briefwechsel des Ministers und Burggrafen"

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Briefwechsel 



des 



Ministers und Burggrafen von Marienburg 

Theodor von Schön 



mit 



&. I. Pertz und J. Gr. Droysen. 



Mit Anlagen. 



Herausgegeben 



von 



Franz Rühl. 






LEIPZIG. 

VERLAG VON DUNCKEE & HÜMBLOT. 

1896. 



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IV. 



Einleitung. 



-»•■♦ ■ 



J_Jie nachfolgenden Briefwechsel würden auf volle Beachtung 
Anspruch haben, auch wenn sie lediglich Beiträge zur Kenntniss 
des Lebens und der Anschauungsweise eines der hervorragendsten 
preussischen Staatsmänner lieferten, der nicht nur in den ent- 
scheidendsten Momenten die Geschicke des Staats hat mitbestimmen 
helfen, sondern der auch durch seine lange und reich gesegnete 
Verwaltung der heimischen Provinz bei seinen altpreussischen Lands- 
leuten ein unverlöschliches Andenken hinterlassen hat. Die Natur 
der Gegenstände aber, um welche sich der grösste Theil dieser 
Briefe dreht, bringt es mit sich, dass wir es zugleich mit Geschichts- 
quellen ersten Banges für die ruhmreichste Epoche der Monarchie 
zu thun haben. Der Briefwechsel Schön's mit Pertz ist durch 
die von Pertz übernommene Lebensbeschreibung Steines veranlasst 
worden, der mit Droysen durch dessen Studien für seine Bio- 
graphie York's; alles Uebrige schliesst sich nur als eine Art Bei- 
werk daran an. 

Die hier gebotenen neuen Mittheilungen, welche frühere Ver- 
öffentlichungen vielfach ergänzen, werden daher in weiten Kreisen 
willkommen sein und am meisten in der Provinz, auf deren ruhm- 
würdigste That sich so viele von ihnen beziehen. Bereits die Proben, 
welche 1876 in der Schrift „Zu Schutz und Trutz am Grabe Schön's, 
von einem Ostpreussen'' aus diesen Briefen vorgelegt worden sind, 
haben nicht verfehlt, ein gewisses Aufsehen zu machen. Wir haben 
daher alle Ursache, den Familien von Schön und Droysen dankbar 
zu sein, dass sie die vollständige Herausgabe dieser Schriftstücke 
gestattet haben. 

Von den einzelnen Briefen haben mir die von Pertz und 
Droysen im Original vorgelegen, ebenso die Briefe Schön's an 
Droysen, zu dem grösseren Theil der letzteren auch noch die 
Concepte. Dagegen sind für die Briefe von Schön an Pertz 
ausschliesslich die Concepte benutzt worden, und obwohl Schön sich. 



IV Einleitung. 

Pertz gegenüber sehr vorsichtig auszudrücken pflegte, ist es daher 
nicht unmöglich, dass in den wirklich abgesandten Briefen die eine 
oder andere Wendung verändert worden ist. Ich habe kein Be- 
denken getragen, auch einige Stellen aus den Concepten mitzu- 
theilen, welche in den abgesandten Briefen unterdrückt worden 
sind, weil sie mir für die Sache oder für die Person des Schreibers 
von Wichtigkeit zu sein schienen; natürlich ist das jedes Mal be- 
sonders bemerkt worden. Die beiden Briefe des Grafen Kiel- 
mansegge stammen, wie die Briefe von und an Friccius, aus mir 
mitgetheilten Abschriften. Die Briefe von und an Schwinck sind 
mit einer Ausnahme, wo nur das Concept vorlag, den Originalen ent- 
nommen, für den Briefwechsel mit Bunsen ist der Abdruck in der 
Zeitschrift für Volkswirthschaft nochmals mit dem Original, resp. 
mit den Concepten Schön's verglichen worden. In Folge eines 
Augenleidens des Herausgebers sind leider eine Anzahl Fehler mit 
untergelaufen, die man am Schluss berichtigt findet. 

Bei der Herausgabe sind die Grundsätze beobachtet worden, 
welche gegenwärtig für die Veröffentlichung von Actenstücken zur 
neueren Geschichte massgebend zu sein pflegen. Es sind also Ab- 
kürzungen aufgelöst, ganz augenscheinliche Schreibfehler still- 
schweigend verbessert und dgl. mehr. Wo es sich nicht um philo- 
logische Texte handelt, ist eine peinliche Wiedergabe der Aeusser- 
lichkeiten des Originals bloss eine nutzlose Störung für den Leser. 
Was die Orthographie betrifft, so ist bei den Dictaten Schön's 
auf die Gewohnheit oder die Fehler des Schreibers keine Rücksicht 
genommen, auch die Interpunktion, wo nöthig, vervollständigt worden. 
Im XJebrigen habe ich, ohne gerade auf pedantische Genauigkeit 
auszugehen, sonst die Orthographie der Briefschreiber beibehalten, 
jedoch die von Schön dem jetzigen Gebrauche wenigstens angeähn- 
licht. Sie ist zwar in sich selbst sehr consequent, macht jedoch 
auf das heutige Geschlecht einen vollkommen fremdartigen Eindruck. 
In dieser Hinsicht weiter zu gehen, schien mir unthunlich, da 
Schön auf manche Eigenthümlichkeiten seiner Orthographie Ge- 
wicht legte und einige Male in seinen Dictaten selbst die Ortho- 
graphie corrigirt hat. So setzt er z. B. wo von Stein die Rede 
ist, in dem Worte „gross" anstatt des kleinen Anfangsbuchstabens, 
mit dem sein Schreiber es geschrieben hatte, einen grossen. Dass 
ich die eigenthümliche Interpunktion Schön's, die von der heute 
üblichen gleichfalls sehr abweicht, beibehalten habe, versteht sich 
von selbst, doch habe ich hie und da ein fehlendes Komma nach- 



Einleitung. IST 

getragen. Fortgelassen ist nichts, als ein paar Kleinigkeiten in 
den Briefen an Schwinck, die sich auf specielle Familienangelegen- 
heiten beziehen. Ein paar derbe Ausdrücke habe ich geglaubt 
dadurch mildern zu dürfen, dass ich mich mit dem Abdruck des 
Anfangsbuchstabens begnügte. 

Die Anmerkungen, die ich hinzugefügt habe, sollen das un- 
mittelbare Verständniss erleichtern; es wird natürlich Leser geben, 
die eines grossen Theils derselben nicht bedürften. Mit Rücksicht 
auf den weiteren Kreis der Leser, namentlich in Ost- und West- 
preuesen, glaubte ich hier des Guten eher zu viel, als zu wenig 
thun zu sollen. Bin liebenswürdiger Leser der Druckbogen hat 
sogar gemeint, ich hätte etwas weitläuftiger sein können. Das rich- 
tige Mass hier zu treffen, ist erfahrungsgemäss sehr schwierig. 
An einer Reihe von Stellen habe ich auch auf die früheren Ver- 
öffentlichungen aus den Papieren Schön's verwiesen, wenn dort 
von denselben Gegenständen die Rede war, oder sich aus ihnen 
eine Erläuterung ergab. Vollständig sind diese Verweise freilich 
keineswegs^ theils schienen sie mir nicht überall nothwendig zu 
sein, theils ist ein üebersehen einer einzelnen Stelle bei der wonig- 
übersichtlichen Art, in welcher diese Veröffentlichungen erfolgt sind, 
nur zu leicht möglich, um so mehr, da sie sämmtlich eines Registers 
und zum Theil auch eines ausführlichen Inhaltsverzeichnisses ent- 
behren. Den Inhalt von Schön's Mittheilungen über vergangene 
Tage selbst in den Anmerkungen näher zu besprechen, habe ich unter- 
lassen müssen. Es gehört das nicht zu den Pflichten des Heraus- 
gebers von geschichtlichen Quellen, und es wäre nicht möglich ge- 
wesen, ohne ein umfangreiches und weit zerstreutes anderweitiges 
Material herbeizuziehen, während doch nirgends eine abschliessende 
Untersuchung hätte geführt werden können. Auch wären die Leser 
schwerlich sehr erfreut über derartige Noten gewesen, die nur dazu 
geführt hätten, sie von der Sache selbst abzulenken und im besten 
Falle dazu angethan gewesen wären, ihnen, vielleicht sehr wider 
ihren Willen, die Meinung des Herausgebers aufzunöthigen. 

Im Uebrigen glaube ich zur Einführung noch Folgendes be- 
merken zu sollen. 

Es ist natürlich, dass sich die Familie Stein's, als sie den 
Entschluss fasste, sein Leben beschreiben zu lassen, mit in erster 
Linie an Schön um Mittheilung von Materialien wandte, da er einer 
der wenigen Ueberlebenden war, welche Stein während seiner Wirk- 
samkeit an der Spitze der preussischen Verwaltung nahe gestanden 



VI Einleitung. 

batteD. Man wird es ebenso begreiflich finden, dass Schön auf die 
Bedenken aufmerksam machte, welche einem derartigen Unternehmen 
so kurze Zeit nach Stein's Tode entgegen standen und sich nicht 
gerade sehr zuvorkommend verhielt. Als dann aber später der 
Plan eine festere Gestalt angenommen hatte und sich nunmehr 
Pertz als der von der Familie erwählte Biograph um Nachrichten 
über Stein's Leben an ihn wandte, stellte er mit freigebiger Hand 
Alles zur Verfügung, was seine Papiere und seine Erinnerungen 
darboten. Es zeigte sich indessen bald, dass seine Auffassung 
Stein's von der von Pertz erheblich verschieden war. Schön hat nicht 
aufgehört. Stein in hohem Maasse zu bewundern und zu verehren, 
obwohl er in vielen und wesentlichen Stücken von ihm abwich, 
allein er beklagte es, dass Pertz sich zu einem unbedingten Lob- 
redner des grossen Mannes machte, ohne einen Versuch zu unter- 
nehmen, seinen Charakter und seine eigenartige Persönlichkeit wirk- 
lich zu ergründen und zu entwickeln. Es schien ihm, als ob Pertz 
in erster Linie darauf ausgehe, eine unermessliche Fülle von zum 
Theil mehr oder weniger belanglosem Stoff aufzuhäufen, durch 
dessen Masse dann der Leser verhindert werde, sich ein wirkliches 
Bild von Stein, wie er war, zu entwerfen. 

Der Widerspruch zwischen Pertz und Schön kam dann auch 
in der Biographie Stein's mehrfach zum Ausdruck, obwohl ihn 
Pertz mehr andeutete, als mit directen Worten äusserte, und 
Schön glaubte zu bemerken, dass es Pertz allmählich vermied, 
weitere Nachrichten von ihm einzuziehen. 

Seit dem Jahre 1848 waren Pertz auch die Staatsarchive 
für sein Werk zugänglich geworden, und vielleicht mochte er 
meinen, nunmehr der Nachrichten aus privater Quelle weniger zu 
bedürfen. Dazu kam, dass Pertz bei seiner Darstellung offenbar 
vielfach Einwirkungen nachgegeben hat, welche nicht histori- 
scher, sondern politischer Art waren. Wenn er sich dagegen ver- 
wahren konnte, dass die Familie Steines irgend welchen Druck auf 
ihn ausgeübt habe, so hätte er das Gleiche schwerlich in Bezug 
•auf die officiellen und halbofficiellen Berliner Kreise behaupten 
können, mit denen er verkehrte. 

Die Beziehungen zwischen Schön und Pertz wurden daher 
naturgemäss mit der Zeit nicht wärmer, sondern es lässt sich eher 
eine wachsende Entfremdung zwischen Beiden constatiren, und die 
gelegentlichen politischen Bemerkungen, welche in diesem Brief- 
wechsel mit unterlaufen, zeigen deutlich, dass sich die beiden 



Einleitung. VII 

Männer auch in ihren Ansichten über die Gegenwart nicht näher 
berührten. 

Das Urtheil über das Werk von Pertz steht ja jetzt wohl all- 
gemein fest. Pertz hatte als Herausgeber der Monumenta Ger- 
maniae Stein in seinen letzten Lebensjahren sehr nahe gestanden, 
und das schien ihn zu seinem Biographen vorzugsweise zu befähigen. 
Allein man darf sagen, dass er seiner ganzen Anlage nach nicht 
der richtige Mann war, um den Staatsmann Stein und seine 
Wirksamkeit in einem klaren und richtigen Bilde der Nachwelt 
vorzufuhren. Dazu war er selbst zu wenig Politiker und zu wenig 
Psychologe, und sein Werk hat bleibenden Werth nur als eine un. 
geheure, sorgfältige Materialsammlung. Zu einer wirklichen An- 
schauung von dem preussischen Staatswesen, von den entgegen- 
gesetzten Strömungen, die sich hier bekämpften, war Pertz nicht 
durchgedrungen. Den freiheitlichen Bestrebungen, von denen seine 
Zeit erfüllt war, stand er fremd, ja feindlich gegenüber; was der 
geborene Hannoveraner, der erst in vorgerücktem Lebensalter nach 
Preussen übersiedelte, von preussischem Geist in sich aufgenommen 
hatte, waren die Anschauungen der politisch verknöcherten oder 
geradezu reactionären Kreise, in welchen er lebte. Der Gegensatz, 
in welchem diese im innersten Herzen zu Vielem von dem standen, was 
die preussische ßeformperiode geschaffen oder angebahnt hatte, kam 
ihm ebenso wenig zu klarem Bewusstsein, als der Widerspruch, in den 
sich Stein seit 1815 zu so Manchem gesetzt hatte, was unter seiner 
Firma geschehen war. Zu einer gerechten Würdigung der Zeitge- 
nossen Stein's und ihrer Tendenzen aber ist er vollends niemals 
gelangt, dazu war der Eindruck ein zu bedeutender, welchen die 
gewaltige Persönlichkeit des wunderbaren Mannes auf ihn gemacht 
hatte. 

Es erschien angemessen, der Correspondenz mit Pertz das 
Wenige beizufügen, was sich aus dem Briefwechsel Schön's 
mit Schwinck erhalten hat. 

Es kommen hier vielfach dieselben Dinge zur Sprache, und 
die ersten Mittheilungen von Schön an Pertz gingen durch die 
Hand von Schwinck. Gustav Schwinck war am 25. Sep- 
tember 1795 in Ostpreussen als Sohn eines Oberamtmanns geboren. 
Er studirte Astronomie unter Bessel, dessen Amanuensis er war und 
mit dem er bis zum Tode in nahen Beziehungen gestanden hat. Im 
Jahre 1813 trat er als ein Siebzehnjähriger in die Nationalcavallerie 
ein und machte dann die Feldzüge gegen Frankreich mit. Nack 



YIIl Einleitung. 

dem Kriege blieb er Soldat und war bei der Erbauung der Festungen 
Saarlouis, Wesel und Graudenz beschäftigt. Nachher ward er 
•Garnisonbaudirector in Königsberg, und hier heirathete er im Jahre 
1826 Auguste v. Schön, die Tochter des Oberamtmanns v. Schön- 
Stanaitschen, des ältesten Bruders von Theodor v. Schön. Seine 
Beziehungen zu dem Hause des damaligen Oberpräsidenten und 
späteren Ministers wurden bald sehr innige; seine wissenschaftliche 
Bedeutung und die Vielseitigkeit seiner -Interessen machten ihn 
Schön sehr werth. Ausser der Sternkarte, von welcher in diesen 
Briefen mehrfach die Rede ist, hat Schwinck auch ein viele Jahre 
in allen Militärschulen benutztes Lehrbuch der Befestigungskunst 
verfasst, und er war mit Bessel und von Baeyer bei der ersten 
-trigonometrischen Vermessung Ostpreussens thätig. In seinem 
Hause in Königsberg versammelte sich ein Kreis hervorragender 
Persönlichkeiten um den glänzenden Gesellschafter, und diese Be- 
ziehungen lockerten sich nicht, als er 1834 Ingenieur vom Platz 
in Pillau wurde. Diese neue Stellung hat er namentlich auch 
dazu benutzt, um das Schicksal jener armen „Demagogen" zu er- 
leichtern, welche damals in der ostpreussischen Festung gefangen 
Sassen. Im Jahre 1840 wurde Schwinck als Lehrer und Exami- 
nator an die vereinigte Artillerie- und Ingenieurschule nach Berlin 
berufen. Er lebte hier, seit 1844 als Major, in einer höchst ange- 
sehenen Stellung, hochverehrt auch von seinen Untergebenen und 
Schülern, den wissenschaftlichen Interessen und den damals zuerst 
hervortretenden Anfängen eines öffentlichen Lebens gleich zuge- 
wandt. Er gehörte zu den Gründern des Handwerkervereins und 
hielt dort Vorträge über Astronomie. Im Jahre 1846 von einer 
schweren Krankheit ergriffen, erlag er derselben am 22. Juli in 
dem Hause seines Schwagers zu Stanaitschen, wohin er sich zum 
Zwecke seiner Erholung begeben hatte. 

Die Briefe Schön's an Schwinck enthalten natürlich viel 
Persönliches und Familiäres. Gerade wegen ihres vertraulichen 
Charakters aber sind sie für die Beurtheilung der Dinge und Per- 
sönlichkeiten in Ostpreussen in den vierziger Jahren nicht ohne 
'Werth. Für Schön sind sie sehr bezeichnend; er erscheint hier 
ganz als der liebenswürdige Mann, als den ihn so viele seiner Zeit- 
genossen schildern, obwohl seine Briefe offenbar von dem Reize 
seiner Unterhaltung nur eine sehr unvollkommene Vorstellung ge- 
währen. 

Die paar Proben aus dem Briefwechsel Schön's mit 



Einleitung. IX 

Bunsen, der damals als preussischer Gesandter in London lebte, 
bilden eine willkommene Ergänzung mancher anderer Ausfuhrungen 
von Schön über die preussische Reformperiode und bedürfen keiner 
weiteren Erläuterung. Ihr Inhalt liess es wünschenswerth erscheinen, 
sie hier beizufügen, obwohl sie bereits anderwärts gedruckt sind. 

Die beiden Briefe von und an Priccius mit dem zugehörigen 
Aufsatze von Schön bringen dann einige interessante Mittheilungen 
über die Kriegsjahre 1812 und 1813 und über den Eindruck, welchen 
sie bei den Zeitgenossen und Mitkämpfern hinterliessen. Näher auf 
die merkwürdige Persönlichkeit von Karl Friedrich Friccius 
einzugehen überhebt mich die ausgezeichnete Lebensskizze, welche 
Beitzke den hinterlassenen Schriften des vortrefflichen Mannes 
beigegeben hat. Es sei hier nur bemerkt, dass Friccius, damals 
Assessor in Kaiisch, im Jahre 1806 bei dem Einmarsch der Fran- 
zosen in Polen als „erster Freiwilliger'' in die preussische Armee 
eintrat, ein Schritt, der damals geradezu als unerhört erschien. 
Nachdem er dann 1808 Oberlandesgerichtsrath in Königsberg ge- 
worden war, griff er 1813 wieder zu den Waffen und wurde von 
den Ständen zum Major der Landwehr erwählt. Er erstürmte be- 
kanntlich an der Spitze des Bataillons der Stadt Königsberg das 
Grimmaische Thor in Leipzig und entriss dann den Franzosen Ost- 
friesland. Auch an dem Feldzug von 1815 nahm er Theil; bei 
Ligny wurde er verwundet. Nach diesen hervorragenden kriege- 
rischen Leistungen kehrte er in seine richterliche Stellung in Königs- 
berg zurück und begann hier seine historischen Arbeiten. Im Jahre 
1819 nach Berlin versetzt, wurde er 1830 zum Generalauditeur der 
Armee ernannt, als welcher er auch vielfach als Schriftsteller auf 
militär-juristischem Gebiete thätig war. Er starb am 7. November 
1856, 78 Jahre alt. 

Der zweite Haupttheil dieser Sammlung, der Briefwechsel 
zwischen Schön und Droysen, macht einen völlig anderen Ein- 
druck, als der erste, der Briefwechsel mit Pertz, mit welchem er 
zum Theil parallel läuft. Während zwischen Schön und Pertz 
lediglich sachliche, man möchte fast sagen geschäftliche Beziehungen 
obwalten, und der Ton der beiden Briefschreiber niemals über 
den kalter Höflichkeit hinausgeht, entwickelt sich zwischen Droysen 
und Schön ein wirklich persönliches Verhältniss, und tauschen die 
beiden Correspondenten ihre Gedanken auch über eine Menge von 
Dingen aus, welche mit der ursprünglichen Veranlassung des Brief- 
wechsels nichts mehr zu thun haben. Wie verschieden geartet 



X Einleitung. 

waren aber auch jene beiden Historiker! Johann Gustav 
Droysen war ohne Frage einer der mannigfaltigst begabten Männer 
seiner Zeit. Er hat als Historiker auf sehr verschiedenen Gebieten 
Bahnbrechendes geleistet, er war aber vor Allem auch Politiker 
und daneben mit einer nicht geringen dichterischen Anlage aus- 
gestattet. Er war unter gedrückten materiellen Verhältnissen auf- 
gewachsen, die aber doch jener Freiheit des Geistes und jener 
Selbstständigkeit des Charakters Raum liessen, die ihn sein Lebelang 
ausgezeichnet haben, und die auch manche bedeutende äussere An- 
regung darboten. Historisch, philologisch und in der Schule 
Hegel's philosophisch gebildet, hatte sich Droysen durch seine Ge- 
schichte Alexanders und seiner Nachfolger und vielleicht noch mehr 
durch seine Uebersetzungen des Aeschylos und des Aristophanes 
schon in jungen Jahren einen weit bekannten Namen erworben. 
Seine lebendige Persönlichkeit, sein glänzender Vortrag machten 
ihn zu einem der beliebtesten und angesehensten akademischen 
Lehrer. Der beginnende Streit zwischen Dänemark und Schleswig- 
Holstein trieb ihn als Kieler Professor in die Politik. Sein ganzes 
Denken war von Anfang an auf das Politische gerichtet gewesen; 
das zeigt nicht nur die ganze Art seiner späteren Arbeiten, das 
verräth sich sogar bereits in manchen Stellen seiner Werke über den 
Hellenismus. „Das Gespenst der Integrität der europäischen Türkei 
wird doch nicht ewig den Weg zum Orient sperren;" wie Viele 
unter denen, die damals in Deutschland über alte Geschichte 
schrieben, würden sich in einem wissenschaftlichen Werke einen 
ähnlichen Ausspruch erlaubt haben? Droysen wurde ein eifriger 
Vorkämpfer der Sache der Herzogthümer, dessen Urtheil im Lande 
viel galt; er war nachher ein einflussreiches Mitglied der erbkaiser- 
lichen Partei in der Paulskirche. Bei dem Allen blieb er aber in 
erster Linie Preusse, die Stellung Preussens in Deutschland, die 
er anstrebte, lag ihm nicht nur um Deutschlands, sondern auch um 
Preussens willen am Herzen. Mit seiner Geschichte der Freiheits- 
kriege, die sich nicht auf die Kämpfe beschränkt, welche man in 
Deutschland mit diesem Namen zu bezeichnen pflegt, hatte er den 
Boden der neueren Geschichte betreten; er sah, wie unbekannt die 
Geschichte gerade der grossen Zeit der Wiedergeburt und der Er- 
hebung des preussischen Staates war; er fühlte den lebhaftesten 
Reiz, zu ihrer Aufhellung beizutragen, mitbestimmt auch durch die 
Rücksicht auf die davon zu erwartende politische Wirkung. So 
kam er auf das Thema York. Die altpreussisch-soldatische Per- 



Einleitung» XI 

söulichkeit zog ihn au und nicht weniger der Umstand; dass gerade 
ein Militär von solcher Vergangenheit und solchen Anschauungen 
berufen war, selbstständig; ohne dazu commandirt zu sein, die weit- 
greifendste und entscheidendste politische Action durchzuführen. Er 
wandte sich an Schön, als den Bedeutendsten der üeberlebenden, die 
in jener grossen Zeit handelnd hervorgetreten waren, und bat ihn um 
Mittheilungen über seinen Helden. Wie sich die Beziehungen 
zwischen Droysen und Schön dann weiter entwickelt haben, 
lehrt der Briefwechsel mit voller Deutlichkeit. Sie wurden warm 
und innig, dergestalt, dass Schön Droysen zu seinem künftigen 
Biographen auserkor, durch den er das Bild seines Lebens und 
Wirkens auf die Nachwelt kommen lassen wollte. Sie erreichten 
ihren Höhepunkt während Droysens Aufenthalt in Arnau im 
Jahre 1851. Es kann nach dem Allen nicht Wunder nehmen, dass 
dieser Briefwechsel sich nicht bloss, wie der mit Pertz, auf die 
Geschichte der Vergangenheit bezieht. Er behandelt vielfach 
auch die Politik des Tages und ist nicht ohne Werth für unsere 
Kenntniss davon, wie die Weltereignisse damals in den betreffenden 
Kreisen aufgefasst wurden. Es herrscht allerdings von vorneherein 
zwischen den beiden Briefschreibern nur eine sehr oberflächliche 
Uebereinstimmung in dieser Beziehung; die tiefgreifenden Ab- 
weichungen ihrer Meinungen werden im Laufe der Zeit mehr ver- 
hüllt, als ausgeglichen. Droysen steht viel mehr im lebendigen 
Getriebe des deutschen Lebens jener Tage, als Schön. Eifrige 
Preussen sind Beide, aber ihre Ansichten über Preussen und 
seine Aufgaben sind doch sehr verschieden. Die specifisch preussi- 
sche Zeit, der Schön angehört hatte, war, wie er selbst er- 
kannte, im Wesentlichen vorüber; die deutsche Frage, welche 
so lange geruht hatte, war mit Macht in den Vordergrund getreten, 
und man darf wohl behaupten, dass Schön, der seit so vielen 
Jahren die östlichen Provinzen Preussens nicht verlassen hatte, 
die Umwandlung der Geister in dem übrigen Deutschland nur un- 
vollkommen zu verfolgen in der Lage gewesen war. Jedenfalls 
hatte er sie nicht mitgemacht. Hinsichtlich der Aufgaben der 
inneren Politik waren, so weit man urtheilen kann, beide Männer 
einig, hinsichtlich der deutschen Politik und hinsichtlich der äusseren 
Politik Preussens nicht ganz. Die Staatsidee, von welcher Schön 
ausging, schien ihm selbst von den Anschauungen des so viel 
jüngeren Freundes erheblich abzuweichen; die Reichsverfassung 
vom 28. März 1849, an welcher Droysen so thätig mitgearbeitet 



XII Einleitung. 

hatte, widerstrebte Schön, obwohl aus ganz anderen Gründen, als 
dem König Friedrich Wilhelm IV. und seiner Umgebung. Wir 
haben hier nicht zu untersuchen, in wie weit Schön's Einwen- 
dungen begründet waren, oder in wie weit sie auf mangelhafter 
Kenntniss der Sachlage oder auf einem Fehler in den staatswissen- 
schaftlichen Gesichtspunkten beruhten, von denen er ausging; es 
würde das eine eingehende Erörterung von Schön's theoretischen 
Ansichten über Politik und Staatsleben erfordern, welche sich auf 
Grund des bis jetzt vorliegenden Materials kaum genügend ausführen 
Hesse. Er hat auch in seinem langen Leben nicht immer an derselben 
Ansicht festgehalten; als er im Mai 1813 seine Gedanken über die 
verschiedenen Möglichkeiten zu Papier brachte, die sich für die 
Zukunft Deutschlands darboten, erschien ihm der Gedanke der 
Föderation schön: am Ende der vierziger Jahre war er anderer 
Meinung. Es ist nicht sicher, ob er über das Wesen des Bundesstaats 
als solchen jemals genauere Untersuchungen angestellt hat. Was er in 
seinen Briefen an Droysen gegen diese Staatsform vorbringt, sind, um 
seinen eigenen Ausdruck zu gebrauchen, historische Notizen. Den 
Gang der Dinge in Frankfurt, die Anknüpfungen, welche von der 
Gagern sehen Partei mit den massgebenden Persönlichkeiten in Berlin 
versucht wurden, hat er nicht mit hinlänglicher Genauigkeit ver- 
folgen können. Es scheint ihm sogar unbekannt gewesen zu 
sein, dass die Beibehaltung der verschiedenen Truppencontingente, 
wie sie in der Frankfurter ßeichsverfassung vorgesehen war, wesent- 
lich dem Einfluss und, was in der Paulskirche ebenfalls in Betracht 
kam, der Beredsamkeit von Badowitz verdankt wurde. Schneiden- 
der aber kann kaum ein Gegensatz gedacht werden, als der, welcher 
zwischen Schön und Droysen hinsichtlich der schleswig-holsteini- 
schen Frage bestand. Man darf wohl sagen, dass in Preussen 
überhaupt von den Mitgliedern aller Parteien verhältnissmässig 
wenige zu einem wirklichen Verständnisse dieser verwickelten Dinge 
vorgedrungen sind. Der Standpunkt Schön's ist ein sehr eigen- 
thümlicher, und ich habe keinen Anhaltspunkt dafür, inwieweit er 
von Anderen getheilt wurde; ganz isolirt hat Schön gewiss nicht 
dagestanden. Ihm missbehagte das Argumentiren mit alten Per- 
gamenten, worauf doch das juristische Recht der Herzogthümer 
beruhte. Das positive jus hatte für ihn keine Geltung, wo es sich 
mn. Fragen handelte, die nach Vemunftgrundsätzen entschieden 
werden mussten. Das später sogenannte Nationalitätsprincip ver- 
warf er gleichfalls, in sofern es sich dem Staatsgedanken entgegen- 



Einleitung. XllI 

stellte. Er scheint an die historische Nothwendigkeit des Gesammt- 
staats Dänemark geglaubt zu haben und meinte wenigstens eine 
Zeitlang, die Schleswig-Holsteiner sollten sich ihm einfügen, obwohl 
er nicht verkannte, dass auch sie für eine Idee lebten und stritten. 
Dass solche Anschauungen dem nationalen Gesammtbewusstsein der 
deutschen Nation, wie es damals zuerst zu kräftigem Ausdruck kam 
und wie es auch in Droysen, trotz seines specifischen Preussenr- 
thums, lebte, durchaus widersprachen, liegt auf der Hand, und „die 
hohe Idee des Staates", die über den Nationalitäten steht, dar 
man vielleicht den Herrschenden predigen, bei den Unterdrückten 
aber wird man niemals damit Erfolg haben. 

So grosses Gewicht indessen Schön auch auf diese seine 
Anschauungen legte, als er daran dachte, Droysen zu seinem Bio- 
graphen zu wählen, so sind sie es doch nicht gewesen, welche die 
Dissonanz verschuldet haben, in welche dieser Briefwechsel aus- 
klingt. Schön hatte denn doch einen zu hohen Begriff von Droysen 
und ein zu deutliches Bild von der Aufgabe des Historikers, als 
dass Meinungsverschiedenheiten über solche Fragen für ihn hätten 
entscheidend werden können. Wenn der echte Biograph auch nur 
in allen Hauptfragen des Lebens mit seinem Helden übereinstimmen 
müsste, so würde wohl Niemand, der über ein eigenes inneres Leben 
und eine eigene Empfindung gebietet, sich zum Biographen auf- 
werfen dürfen, und wir hätten, wenn wir eine derartige Forderung 
consequent weiter ausdehnten, auf jede Geschichtsschreibung, die 
etwas mehr sein will, als eine Sammlung von Thatsachen, zu ver- 
zichten. Es kommt doch schliesslich nur darauf an, einen Mann 
und ein Volk hinzustellen, wie sie waren und wie sie wurden, ihre 
Gedanken und ihre Empfindungen, sei es auch mit Hintansetzung 
eigenen kräftigen Seins und Wollens, in ihrer Erscheinung und ihrer 
Entwicklung zu begreifen und nachzufühlen und in solcher Weise zum 
Ausdruck zu bringen, dass auch Andere mit ihnen zu denken und 
zu fühlen vermögen. Vielfach ist nun geglaubt und von gewisser 
Seite auch absichtlich verbreitet worden, der Bruch zwischen Schön 
und Droysen sei dadurch herbeigeführt worden, dass Droysen 
sich nicht dazu herbeilassen wollte, die Hergänge in Ostpreussen 
so zu schildern, wie sie ihm Schön schriftlich und mündlich vor- 
geführt hatte. Wie man jetzt sieht, mit Unrecht. Der Zwist ist 
vielmehr über die Auffassung der Persönlichkeit von York entstanden. 
Droysen konnte sich nicht entschliessen, diesen Charakter so zu 
begreifen, wie ihn Schön begriffen hatte, überhaupt nicht eine 



XIV EinleituDg. 

Charakterschilderung von ihm zu liefern, wie dieser erwartet hatte. 
Wie Schön selber über York gedacht hat, ist aus der Denkschrift 
zu ersehen, welche diesem Bande eingefügt ist, und er schrieb an 
Bunsen und Varnhagen von Ense, Niemand könne sich aus Droysen's 
Leben York's einen York construiren, wie er ihn gekannt habe. Hin- 
sichtlich des objectiven Thatbestandes dagegen ist Droysen selten 
von den Mittheilungen Schönes abgewichen, ohne Frage immer in 
Folge kritischer Erwägungen, auf Grund des verschiedenartigen ihm 
zuströmenden Materials. Die wichtigste von diesen Differenzen dreht 
sich um die Frage, wie weit York beim Abschluss der Convention 
von Tauroggen auf eigene Verantwortung und Gefahr handelte; für 
Schön kam bei seiner Auffassungsweise allerdings fast ebenso 
sehr die vielumstrittene Frage nach der Herkunft York's und seines 
Geschlechts in Betracht. Es ist unzweifelhaft — und Droysen 
giebt es selbst deutlich genug zu verstehen — dass man von Seiten, 
die den damals Herrschenden in Preussen nahe standen, versucht 
hat, auf Droysen zu Ungunsten Schön's und seiner Darstellung 
der Ereignisse einzuwirken, allein man thäte sehr Unrecht, wenn 
man annehmen wollte, dass sich Droysen irgendwie durch äussere 
Gründe in seiner Behandlung der historischen Thatsachen hätte be- 
stimmen lassen. Was Droysen über York sagte, ist ohne alle 
Frage überall seine wirkliche Ueberzeugung gewesen, nicht mehr 
und nicht weniger, gerade so wie Schön seine eigene Auffassung 
nach allen Seiten wohl erwogen hatte und keineswegs etwa bloss 
mit jenem Eigensinn daran festhielt, wie er bei Greisen so häufig 
ist. Droysen bäumt sich, wenn der Ausdruck erlaubt ist, gegen 
die Vorwürfe, welche ihm Schön macht, förmlich auf, mit aller 
Selbstständigkeit eines in sich gefestigten Charakters, trotz und 
unbeschadet der Verehrung, welche er dem greisen Staatsmanne 
entgegenbrachte. Schön seinerseits greift in der Hoffnung, den 
jüngeren Freund zu seinem Urtheil herüber zu ziehen und nachher, 
nachdem er sich in dieser Erwartung getäuscht sieht, in Bezug auf 
York zu Wendungen, die er unter anderen Umständen doch wohl 
vielleicht gemildert hätte, die schroffer und härter sind, als einer 
psychologischen Betrachtung gerechtfertigt erscheinen wird. Es war 
leider unmöglich, sie beim Abdruck abzuschwächen, wenn dem Leser 
nicht ein wesentliches Moment zum Verständniss dieses Briefwechsels 
entzogen werden sollte. 

Es will mir scheinen, als ob die Grundursache des persön- 
lichen Gegensatzes, in welche beide Männer über York geriethen, 



EinleitaDg. XV 

doch darin gelegen habe, dass Droysen's Ziel ein ganz anderes 
war, als Schön vorausgesetzt hatte. Schön erwartete ein bio- 
graphisches Charakterbild, und nichts weiter. Man darf bezweifeln, 
ob er in seinem Alter Cornelius Nepos einmal wieder gelesen habe, 
jedenfalls hatte dieser Schriftsteller in seiner Jugend einen höchst be- 
deutenden Eindruck auf ihn gemacht, weil die für die einzelnen Cha- 
raktere ausschlaggebenden Momente bei ihm scharf, bestimmt und 
beherrschend hervortreten. Solche „construirte" Biographien ver- 
langte Schön auch von den Zeitgenossen; der „Notizenkram*' erschien 
ihm dabei als hemmend und schädlich. Darum verehrte er Varn- 
hagen von Ense als den Meister der Biographie, und wenn dessen 
Styl auch seinem eigenen Temperamente nicht gerade entsprach, so 
erkannte doch auch er in ihm die eiserne Hand mit dem Handschuh 
von Sammt. 

Droysen dagegen hatte es doch noch auf etwas mehr abge- 
sehen, als auf eine blosse Biographie York's- Er bemerkt gleich 
Anfangs, dass seine Arbeit der Natur der Sache nach mehr historisch, 
als biographisch sein werde. Er will auch an seinem Theil dazu helfen, 
die Geschichte der grossen Zeit Preussens aufzuklären, welche man so 
lange bemüht gewesen war, zu verfälschen oder wenigstens zu verhüllen. 
Er verfolgte dabei auch einen bestimmten politischen Zweck und 
wollte dem Vaterlande dienen. Wie die Dinge lagen, bedurfte 
man zunächst der Biographien, und für diese war auch der Stofi 
am Leichtesten zu beschaffen. Noch heute gilt ja bis zu einem ge- 
wissen Grade das Wort Bunsen's in seinem Sendschreiben an 
Miss Winkworth, dass eine wirkliche Geschichte jener Epoche 
noch nicht möglich sei. Die innere Entwicklung Preussens und 
Deutschlands ist eben noch nicht zu einem Abschluss gelangt, der 
allgemein als ein solcher anerkannt wäre; die politischen und 
socialen Streitfragen, welche am Anfang des Jahrhunderts die 
Geister beschäftigten, sind bei Weitem noch nichl^ sämmtlich gelöst 
und damit der Betrachtung vom Standpunkte der Parteiinteressen, 
des persönlichen Hasses und der persönlichen Vorliebe entrückt. 
Für einen Zweck jedoch, wie ihn Droysen verfolgte, war Vieles 
von dem, was Schön bei einer Biographie für überflüssig er- 
achtete, von erheblichem Gewicht. 

In Bezug auf York aber kam noch etwas Anderes hinzu. 
Man braucht die Capitulation von Tauroggen und York's Auf- 
treten auf dem preussischen Landtage nicht in dem Lichte zu be- 
trachten, in welchem sie Droysen seiner Zeit nach sorgsamer Ab 



XVI Einleitung. 

wäguDg der ihm vorliegendea Nachrichten erschienen, man wird 
aber auf alle Fälle anerkennen müssen, dass der Rahm, welcher 
sich bei den Zeitgenossen daran geknüpft hat, mag er auch heute 
weniger strahlend erscheinen, doch wohlverdient und unverlierbar ist. 
Auch wenn York, wie wir jetzt anzunehmen allen Grund haben, 
für den schlimmsten Fall wenigstens einigermassen gedeckt war: 
nicht Alle von jener glänzenden Generation preussischer Heerführer, 
welcher er angehört, wären zu gleichem oder ähnlichem Handeln fähig 
oder bereit gewesen. Was dann York auf dem Schlachtfelde geleistet 
hat, das gehört zu den schönsten Erinnerungen des deutschen Heeres, und 
wenn die Kritik, welche dasßlücher'sche Hauptquartier an seiner Thätig- 
keit ausgeübt hat, zuweilen durchaus berechtigt ist, so wird man 
auf der andern Seite nicht Alles als unbegründet verwerfen dürfen, 
was York gegen das Hauptquartier vorgebracht hat. Seine in der 
Geschichte der Armee einzig dastehende That in Ostpreussen und 
seine kriegerischen Lorbeeren aber fesselten Droysen dauernd an 
York's Persönlichkeit, so wenig ihm auch das Auftreten seines 
Helden gegen die inneren Reformen des Staats und Vieles in 
seinem Privatcharakter zusagte. Er hat aber zugleich York's 
Leben benutzt, um daran wie an einem Faden die Erzählung der 
ruhmreichen Thaten aufzureihen, welche unter York's Leitung und 
Mitwirkung vollführt worden sind, und ich glaube nicht zu irren, 
wenn ich annehme, dass dieser Umstand wesentlich mit dazu bei- 
getragen hat, das Werk Droysen's bis zum heutigen Tage zu einem 
Lieblingsbuche des deutschen Volks zu machen. 

Ganz anders Schön. Er erkannte natürlich die militärischen 
Verdienste York's durchaus an, gleichwie ihm seine geschäftliche 
Tüchtigkeit, seine schnelle Auffassung, die Leichtigkeit, mit ihm 
zu verhandeln, früh zum Bewusstsein gekommen waren, aber das 
spielte bei seinem Urtheil doch nur eine untergeordnete Rolle, ob- 
wohl möglicherweise eine grössere, als aus seinem Aufsatz über 
York zu ersehen ist, der zunächst auch nicht für die Oeflfentlich- 
keit bestimmt war. 

Schön hat in allen seinen Aufzeichnungen über das allgemein 
Anerkannte, so zu sagen Selbstverständliche, wenig Worte gemacht. 
York war für ihn politisch ein Vertreter der abgestandenen Zeit, 
an deren üeberwindung er seine beste Kraft gesetzt hatte, und 
als Mensch stiess er ihn geradezu ab. Droysen hatte gemeint, 
York gehöre zu denen, welche nicht mit Meinungen, sondern mit 
Thaten zahlen. Schön genügten die Thaten York's nicht, um 



Einleitung. XVII 

seinen Charakter darüber zu vergessen, und von dem Biographen 
forderte er, dass seine Darstellung vor Allem den Charakter klar 
und deutlich hervortreten lasse; Thaten und Meinungen sollten dazu 
nur gleichsam die Beläge bilden. 

Droysen aber giebt keine eigentliche Charakterschilderung 
York's und wollte keine geben; er wollte den Mann sich vor dem 
Leser durch das, was er gethan hat, entwickeln lassen. Er 
verhüllt Nichts; man wird so ziemlich alle die Züge bei 
ihm wiederfinden, welche Schön zur Begründung seiner eigenen 
Ansicht hervorhebt. Er will keineswegs überall oder auch 
nur vorzugsweise ein Lobredner seines Helden sein, obwohl er in 
erster Linie die Stärken dieses Charakters ins Licht setzen will, 
aber er überlässt dem Leser das Urtheil, und sich ein solches Ur- 
theil zu bilden, ist gerade bei der Persönlichkeit York's nicht 
leicht. Nun aber glaubte Schön. Droysen habe sich in einem 
wesentlichen Punkte über York 's Charakter getäuscht. Er hielt 
York für einen geschickten Schauspieler und meinte, wie er an 
den Oberburggrafen von Brünneck schrieb^), Droysen habe den 
York, wie er sich gab, für den York genommen, der wirklich war. 

Bei dieser Verschiedenheit der Anschauungen ist es im 
Grunde weniger wunderbar, dass der Bruch eintrat, als dass er so 
spät eintrat. Er war für beide Theile schmerzlich, und beide Männer 
haben nicht aufgehört, mit gegenseitiger Achtungan einanderzu denken. 
„Das gute Bild von Droysen halte ich fest," schrieb Schön auf 
den Brief, der den Abbruch ihrer Beziehungen besiegelte, und 
Droysen sprach auch nachher nicht bloss von dem „prächtigen 
Alten von Arnau", sondern er hat auch trotz alledem und alledem 
erst allmählich den Gedanken aufgegeben, sein Lebensbild der 
Nachwelt zu überliefern. 

Bei Schönes Tode war Droysen schon längst mit der letzten 
grossen Arbeit seines Lebens beschäftigt, der Geschichte der 
preussischen Politik. Auch über die Anlässe und die erste Con- 
ception dieses Werks gewähren uns die vorliegenden Briefe einigen 
Aufschluss. Auch hier lag der erste Antrieb auf dem Gebiete der 
Politik; es sollte eine Wirkung auf Deutschland erzielt werden, 
auf das öffentliche Bewusstsein in den Mittel- und Kleinstaaten, wie 
auf das in Preussen selbst und in seinen herrschenden Kreisen. 
Es drängte den Verfasser im Anfang ohne Frage mächtig gerade 



1) Zu Schutz und Trutz S. 683. 



XVIII Einleitung. 

zu den neuesten Zeiten, die dem lebendigen Interesse der Gegen- 
wart am nächsten lagen. Aber der Historiker war in Droysen 
schliesslich mächtiger, als der Politiker. Der Stoff ergriff ihn als 
solcher. Er versenkte sich in die Vorgänge und in die Anschauungen 
vergangener Tage, und obwohl er den Mann, der mitten in den 
Bewegungen der Gegenwart steht, niemals verläugnete, so hat er 
doch darauf verzichtet, unmittelbar auf sie wirken zu wollen. 

Es ist bereits oben bemerkt worden, dass es nicht die Aufgabe 
des Herausgebers dieser Briefe sein kann, die thatsächliche Richtigkeit 
der Mittheilungen zu untersuchen, welche Schön hier über die Ge- 
schichte seiner Zeit macht. Einige allgemeine Bemerkungen werden 
aber doch wohl am Platze sein. Die Angriffe, welche unmittelbar 
nach dem Erscheinen der ersten Bände von Schön's Papieren auf 
seine Glaubwürdigkeit gemacht wurden, können heute freilich als 
im Wesentlichen erledigt gelten, aber auch noch neuerdings 
hat Heinrich v. Treitschke in seiner leidenschaftlichen Weise 
Schön wieder die Wahrhaftigkeit abgesprochen. Allein dieser grösste 
Rhetor, welcher jemals in deutscher Sprache Geschichte zu schreiben 
unternommen hat, war kein guter Psychologe und ein schlechter, 
weil befangener Beurtheiler der Menschen. Der angebliche Mangel an 
Wahrhaftigkeit verträgt sich zudem nicht mit den Eigenschaften, 
welche Treitschke sonst Schön zugesteht und mit der persön- 
lichen Wirkung, welche dieser anerkanntermassen auf seine Zeitge- 
nossen ausgeübt hat, für die er allezeit eine imponirende Er- 
scheinung gewesen ist. Er war das Gegentheil von verschlossen, 
er sprudelte immer heraus, was er dachte, rücksichtslos und darum 
nicht selten verletzend. Es muss ihm nach Allem, was man von 
ihm sonst weiss, geradezu schwer gefallen sein, etwas zu sagen, 
was er nicht glaubte. Vollends von einer systematischen Be- 
einflussung der Geschichtslitteratur und der öffentlichen Meinung, 
noch dazu nach einer bestimmten, von der Wahrheit abführenden 
Richtung, wie sie ihm ja auch wohl Schuld gegeben worden ist, 
kann nicht entfernt die Rede sein. Grade aus einigen der hier 
veröffentlichten Briefe ergiebt sich, dass er der Gelegenheit zu 
solcher Einwirkung eher aus dem Wege ging, als dass er sie auf- 
suchte. Lügen haben ausserdem bekanntlich kurze Beine, und wer 
erfindet, pflegt sich zu widersprechen. Schön's thatsächliche 
Angaben aus den verschiedensten Zeiten aber stimmen in allen 
Punkten, auf die es ankommt, vortrefflich mit einander überein. 
Indessen auch abgesehen davon darf man darauf hinweisen, dass 



Einleitung. XIX 

wenigstens in den Hauptpunkten, hinsichtlich deren die Glaub- 
würdigkeit der Mittheilungen Schön's bestritten worden ist, diese 
jetzt als thatsächlich erwiesen gelten muss. Das gilt zunächst 
von dem Ursprung des sogenannten politischen Testaments von Stein, 
und es liegt auch nicht der geringste Grund vor, Schön's Angaben 
über die Entstehung der Abweichungen zu bezweifeln, welche sein 
ursprünglicher Entwurf von dem officiellen Texte aufweist. Die 
getroffenen Aenderungen sind ohne Frage sachliche Verbesserungen, 
aber sie sind alle so beschaffen, dass man keine Veranlassung hat, 
sie dem Verfasser des ersten Entwurfs abzusprechen. An dem 
guten Glauben Schön's in dieser Beziehung kann nach dem Briefe 
an Schwinck vom 12. Mai 1843 um so weniger ein Zweifel ob- 
walten, als Schön selbst den einzigen damals noch lebenden Zeugen, 
der über die Sache authentische Auskunft geben konnte, nam- 
haft macht. 

Zweitens ist durch Knapp's actenmässige Veröffentlichungen 
über die Geschichte der Bauernbefreiung in Preussen das, was 
Schön über seinen eigenen Antheil daran berichtet, durchaus be-- 
stätigt worden und endlich haben Bezzenberger's Mittheilungen 
aus dem ostpreussischen Provinzial- und dem Dohna'schen Pamilien- 
archiv über die Stiftung der Landwehr Aufklärungen gebracht, 
welche ebenfalls Schön's Erzählungen rechtfertigen und Alexander 
Dohna den so viel bestrittenen Ruhmeskranz für immer sichern. 
Nach diesen Erfahrungen wird man wohl thun, auch da, wo Schön's 
Angaben sich bis jetzt urkundlich nicht haben belegen lassen, mit 
Zweifeln daran sehr zurückhaltend zu sein. 

Aber gewisse Mängel haften Schön's Erzählungen über die 
Geschichte seiner Zeit doch an. Schon seine beiden Selbstbiographien 
verfolgen keinen streng oder wenigstens keinen ausschliesslich 
historischen Zweck und lassen daher manches fort und setzen 
Anderes voraus, was der Historiker von heute schmerzlich vermisst 
und nur mühsam ergänzen kann. Dasselbe gilt von seinen anderen 
Aufzeichnungen. Auch sie sind, wie das in der Natur der Sache 
liegt, vielfach der Ergänzung fähig und zuweilen ihrer bedürftig. 
Nicht selten war ihm auch, wie das zu sein pflegt, nur ein Theil der That- 
sachen bekannt, und in solchen Fällen kann es ihm wohl begegnen, dass 
er auf Grund mangelhafter Kenntniss falsche Schlüsse zieht. Auch kleine 
Irrthümer in dem, was er Notizen nennt, laufen mit unter. Nament- 
lich sind seine gelegentlichen Aeusserungen in den Einzelnheiten 
nicht immer absolut genau. Es ging ihm, wie es lebhaften Menschen 

1Ä^ 



XX Einleitung. 

SO häufig ergeht; dass er nämlich die entscheidenden Thatsachen, 
die Dinge, auf welche es wirklich ankommt, genau im Gedächtniss 
festhielt und richtig wiedergab, dass er dagegen das Nebensächliche 
nicht mit jener pedantischen Treue erzählte, wie sie für die 
Zwecke des Historikers erwünscht ist. Insbesondere in Briefen lässt er 
sich in dieser Hinsicht leicht gehen und macht in Folge dessen mancher- 
lei Fehler, die er mit Leichtigkeit hätte vermeiden können, wenn er 
sich die Mühe genommen hätte, seiner Erinnerung irgendwie zu 
Hilfe zu kommen. Kam es dagegen darauf an, irgend etwas der 
Nachwelt als feststehende Thatsache zu überliefern, so war er unge- 
mein sorgfältig und gewissenhaft in seinen Ausdrücken. Man 
wird in diesen Briefen mehrere Beispiele finden, wie er Aeusserungen, 
die er früher gelegentlich hingeworfen, genau präcisirt, wenn für 
die Oeflfentlichkeit davon Gebrauch gemacht werden sollte. 

Auf die Chronologie zumal hat er nicht immer soviel Gewicht 
gelegt, als wir wünschen möchten. Es wäre z. B. sehr interessant, 
wenn man feststellen könnte, aus welcher Zeit der auf Seite 45 
erwähnte Brief von Stein stammt. Die hier Stein zugeschriebene 
charakteristische Wendung „den Juden hörig'* findet sich sowohl in dem 
Briefe an Niebuhr vom 8. Februar 1822^), als auch in einem 
andern an Dr. Schultz in Hamm vom 19. December desselben Jahres^), 
und meine an der betreffenden Stelle geäusserte Vermuthung über 
die Abfassungszeit jenes Briefes wird daher wohl irrig sein. Es 
ist aber sehr zweifelhaft, ob wirklich einer dieser beiden Briefe gemeint 
sei. Es lässt sich vermuthen, dass es Röckner war, welcher Schön 
den Brief mittheilte. Im üebrigen ergiebt sich aus jenen beiden 
Briefen jedenfalls soviel, dass an der Richtigkeit von Schön's An- 
gabe an sich nicht zu zweifeln ist, und die Schlussfolgerungen, 
welche er daraus über Stein's politische Anschauungen zieht, sind 
doch auch wohl unbestreitbar. 

Freier, als Schön's historischen Mittheilungen stehen wir 
selbstverständlich seinem historischen Urtheil gegenüber. Das gilt 
insbesondere auch von den literarischen Portraits, welche er 
im Alter von den Männern entworfen hat, mit denen er in seiner 
Jugend zusammen zu wirken berufen war. Sie verdienen Auf- 
merksamkeit, insofern sie dem Charakterbilde dieser Männer einzelne 
sonst unbekannte Züge hinzufügen oder bekannte erläutern; sie sind 

1) Pertz, Leben Steines V S. 669 f. 

2) Aus dem Nachlasse Friedrich August Ludwigs v. d. Marwitz. 
n S. 228f. 



Einleitung. XXT 

auch schon deshalb von nicht geringem Werth, weil sie Anschauungen 
wiedergeben, die aus persönlichem Verkehr, vielfach in ent- 
scheidenden Momenten, erwachsen sind, aber sonst können sie an sich 
naturgemäss nichtviel grössere Beachtung in Anspruch nehmen, als wenn 
sie von einem späteren Historiker entworfen worden wären. Wenn 
diesem die Vortheile abgehen, welche die persönliche Begegnung 
mit einem bedeutenden Manne für das Verständniss desselben 
immer mit sich bringt, so steht er andererseits weniger unter dem 
Banne persönlicher Sympathien und Antipathien, in der Regel sind 
ihm auch manche wichtige Thatsachen bekannt, welche dem Zeit- 
genossen verborgen blieben und auf die er daher bei seinem ürtheil 
nicht Rücksicht nehmen konnte. So kommt es, dass derartige 
Charakterschilderungen häufig nicht weniger bezeichnend für ihren 
Urheber sind, als für den, welchem sie gelten. 

Schön nun war seiner Art und Bildung nach zum Historiker und 
Biographen nur sehr bedingt geeignet. Es fiel ihm augenscheinlich 
nicht leicht, die Gedankengänge und das Empfinden anders ge- 
arteter oder auf anderem Boden erwachsener Naturen vollkommen 
zu würdigen. Seine eigene Persönlichkeit war zu bedeutend, sein 
Temperament zu feurig, als dass nicht manches subjective Moment 
in die Betrachtung hineingeflossen wäre. Dazu liegt auch bei der 
Charakteristik Vollständigkeit nirgends in seiner Absicht, und auf 
das Herausarbeiten feinerer Nuancen hat er gleichfalls verzichtet. 
Leicht hingeworfen aber sind diese Charakteristiken allerdings nicht. 
Sie sind sämmtlich das Ergebniss langen und wiederholten Nach- 
denkens, und das Bild, wie es Schön schliesslich entwirft, ist meist 
sehr allmählich in ihm entstanden. Es beruht nicht bloss auf 
persönlichen Eindrücken, sondern ganz wesentlich auch auf dem, 
was ihm später über den betreffenden Mann bekannt geworden 
war und auf kritischer Erwägung der Urtheile, zu welchen Andere 
gekommen waren. 

Wiederholt ist die Behauptung aufgestellt worden, dass Neid, 
Missgunst oder ähnliche Motive Schön bei diesen Charakteristiken 
die Feder geführt hätten. Meines Erachtens völlig mit Unrecht. 
Man braucht nur zu lesen, was er z. B. von Gneisenau, Niebuhr und 
Hardenberg sagt, um sich vom Gegentheil zu überzeugen. Das so 
äusserst günstige Urtheilüber Hardenberg, dessen Schwächen er doch 
keineswegs verkennt und den er trotzdem neben Struensee für 
den grössten Staatsmann erklärt, der jemals in einem preussischen 
Ministerium gesessen habe, entstammt der prüfenden und ^^\l- 



XXII Einleitung. 

gleichenden Betrachtung seiner späteren Jahre. Es ist bekannt, 
wie ganz anders er früher in vielen Punkten über Hardenberg 
gedacht hat, und es darf wohl auch hervorgehoben werden, dass 
er gerade mit Hardenberg politisch in Konflict gekommen war, 
hier also am Ehesten Neid und Missgunst hätten obwalten können. 

Wenn Schön über Stein, so lebhaft er ihn bewundert, und so 
sehr er auch wiederholt betont, dass er sich vor seiner Grösse beuge, 
als Staatsmann viel ungünstiger urtheilt, ja ihm geradezu eigentliche 
staatsmännische Grösse abspricht, so erklärt sich das zur Genüge aus 
der Verschiedenheit ihres Standpunktes und ihrer Bildung. Schön 
hat unzweifelhaft viele Züge in dem Wesen Steines vollkommen 
richtig erkannt, er hat aber nach seiner Herkunft und nach der 
Art seiner Bildung kaum auf die Anschauungen eines Mannes voll- 
kommen eingehen können, für welchen das alte deutsche Reich 
wirklich ein Staat war, mochte seine Verfassung auch noch so 
schlecht sein, und welcher sich als ein lebendiges Glied in diesem 
Staatsorganismus fühlte. Auch scheint er mir die Göttinger Ein- 
flüsse gegenüber den Eindrücken der Heimath und der frühen Jugend 
etwas überschätzt zu haben. Dagegen wird man nach Allem, was 
wir von Stein wissen, heute doch nicht mehr läugnen können, dass 
Schön's Charakteristik in der Hauptsache zutrifft und dass zumal 
die grossen Gedanken, von denen Stein in Memel und Königsberg 
ausging, ihm in der That mehr angeflogen waren, als dass sie 
innerlich in sein Wesen übergegangen wären. 

Die Denkschrift über York, welche hier zur Veröffentlichung 
^ommt, ist von andern derartigen Arbeiten Schön's nicht un- 
wesentlich verschieden. Man hätte sie vielleicht unterdrücken 
können, wenn nicht ganz ähnliche Urtheile von Schön über 
York bereits bekannt wären. Erst hier wird der Versuch ge- 
macht, die Charakteristik York's als Glücksritter und Aventurier 
zu begründen. Was Schön sagt, würde man indessen nicht richtig 
würdigen, wenn man den Anlass, aus dem es geschrieben ist, ver- 
gässe. Dieser Anlass ist natürlich Droysen's Leben York's, und 
Schön wollte hier, wohl im Jahre 1852, Alles zusammenfassen, was 
sich für seine Auffassung, die von der Droysen's so weit abliegt, irgend 
geltend machen liesse. Die Folge davon ist, dass nicht nur das Grosse, 
was York gethan hat, nicht weiter ausgeführt wird, sondern dass auch 
die eigentlichen Stärken seines Charakters, auf deren Hervorhebung 
Droysen ausging, völlig unberücksichtigt bleiben. Das Alles konnte 
Schön bei denLesern, die er vor Augenhatte, als bekannt voraussetzen. Er 



Einleitung. XXIII 

hat nicht die Absicht, ein vollständiges Bild von York zu ent- 
werfen, sondern er will nur die Gesichtspunkte angeben, von denen 
aus nach seiner Meinung York*s Leben und Thaten betrachtet 
werden müssten. Der Widerspruch gegen Droysen hat auch seinem 
Urtheil eine ungewöhnlich harte Form gegeben. Man muss dabei freilich 
eine schriftstellerische Eigenthümlichkeit Schön's nicht ausser Acht 
lassen. Er ist kein Stylist und liebt die starken Ausdrücke. Ganz 
dasselbe hätte sich auch mit anderen Worten sagen lassen, und 
der heutige Leser würde die weniger schroffen Wendungen lieber 
hören. Wenn Schön z. B. von der „Lüge" der Genealogie redet, 
80 würde ein Anderer wahrscheinlich vorgezogen haben, von einem 
„Märchen" zu sprechen. Aber wenn Schön einmal an Droysen 
schreibt, es komme nicht darauf an, ob York zermalmt werde, so 
dürfen wir uns erinnern, dass er in einem Briefe an Schwinck von 
dich selbst sagt, er sei von seinem Biographen Cornelius zer- 
rissen worden, während er doch gleichzeitig diese selbe Biographie 
für eine Eloge nach Art der Franzosen erklärt. Auch das Ge- 
sammturtheil Schön's über York ist, wie leicht zu ersehen, spät 
entstanden. Es spielen dabei Momente mit. welche ihm bei Leb- 
zeiten York's noch unbekannt waren. Sympathisch war er ihm 
selbstverständlich nie; beide Männer haben sich im Gegensatz ge- 
fühlt, seit sie sich kannten. Aber sie haben dann doch und auch in 
dem grössten Augenblicke der preussischen Geschichte zusammen 
gewirkt, das gleiche Ziel im Auge, und damals und noch eine 
Beihe von Jahren nachher scheint Schön York auch höher ge- 
stellt haben, als er später gethan hat. Dem, was hier Schön 
Positives sagt, haben wir, soweit es auf eigener Kenntniss beruht, 
keine Veranlassung, Widerspruch entgegen zu setzen, während er 
freilich auch mit manchen Umständen operirt, für die er auf fremde 
Angaben angewiesen war. Schön hatte aber kaum ein volles Ver- 
ständniss für die Empfindungen eines preussischen Offiziers aus der 
alten Schule. Wenn er York's Verhalten nach der Capitulation 
von Tauroggen so auffasst, wie er es hier und sonst thut^), so ver- 
kennt er doch wohl die Härte des Kampfes, welchen York auf alle 
Fälle in sich durchzumachen hatte und legt einen Massstab an York's 
Persönlichkeit an, welchen dieser selbst für zu gross erachtet 
haben würde. Es kommt am letzten Ende vielfach nicht so sehr 
darauf an, wie und nach welchen Schwankungen York zu seinen 



1) Man vgl. auch „Zu Schutz und Trutz*' S. 683 f. 



XXIV Einleitung. 

Entschlüssen gekommen ist, als dass er zu ihnen gekommen ist und 
dann in Gemässheit derselben consequent gehandelt hat. Ein 
Mann, der moralisch in sich gefestigt gowesen wäre, der nach 
philosophisch construirbaren Grundsätzen gehandelt hätte, war 
York allerdings nicht. Aber dass auch abgesehen davon die Lage 
für einen preussischen Offizier von geradezu unerhörter Schwierig- 
keit und Peinlichkeit war, wer möchte das läugnen? Man kann 
höchst anziehende Betrachtungen darüber anstellen, was bei seiner 
Charakteranlage aus York geworden sein würde, wenn er nicht preussi- 
scher Officier geworden wäre ; ein historischer Gewinn springt dabei 
kaum heraus. Er wurde eben preussischer Officier, und die Gefühle der 
Ehre und der militärischen Pflicht, wie sie in dem preussischen 
Officiercorps lebten, gewährten ihm einen moralischen Halt, den er 
sonst schwerlich gefunden hätte. Dass er dann bei der Nachricht von 
seiner wenigstens in dieser. Form völlig unerwarteten Absetzung zu- 
nächst die Haltung verlor, kann nicht Wunder nehmen. Es ist 
aber ohne Frage für die Nachlebenden ungemein schwierig, zu 
einem abschliessenden Urtheil über die Persönlichkeit York's 
zu gelangen. Einen „complicierten Charakter" nennt ihn Droysen 
mit vollkommenem Becht, und es ist leider nur sehr wenig auf 
uns gekommen, was uns einen wirklichen Einblick in sein Inneres 
gewährte. Schön selbst hat einige Thatsachen in York's Leben, 
wie den Brief an Köckritz, worin er die Stelle als Gouverneur 
des Kronprinzen ablehnte, mit seinem Bilde von York absolut 
nicht zu vereinen gewusst. Und gerade über diejenige Periode 
in York's Leben, welche für die Bildung seines Charakters ent- 
scheidend geworden ist, wissen wir fast nichts, als Aeusserlich- 
keiten. Wie der ungerechte ürtheilsspruch Friedrichs des Grossen, 
wie die Enttäuschungen in Holland und in Ostindien im Ein- 
zelnen auf York gewirkt haben, welche Art und Stimmung des 
Gemüths sie vorfanden, welches die Lehren waren, die York 
aus diesen Schicksalen für sein künftiges Verhalten im Leben ge- 
zogen hat, über das Alles müssen wir uns mit dürftigen Andeu- 
tungen begnügen, und der subjectiven Auslegung bleibt hier ein 
fast unbegrenzter Spielraum. 



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Inhaltsverzeichniss. 

Seite 

Einleitung III 

1. Graf Kielmansegge an Schön. 22. September 1835 1 

2. Schön an Graf Kielmansegge. 14. November 1835 2 

3. Graf Kielmansegge an Schön. 12. Januar 1836 3 

4. Pertz an Schön. 25. März 1845 6 

5. Schön an Pertz. April 1845 7 

6. Schön an Pertz. 4. Mai 1845 7 

7. Pertz an Schön. 28. October 1847 10 

8. Oberregierungsrath Keusch an Schön. 15. November 1847 11 

9. Gersdorff an Schön. 20. November 1847 11 

10. Regierungspräsident v. Nordenflycht an Schön. 22. November 1847 12 

11. Schubert an Schön. 23. November 1847 13 

12. Schön an Pertz. 24. November 1847 14 

13. Pertz an Schön. 26. Deoember 1847 14 

14. Schön an Pertz. 5. Januar 1848 15 

15. Nachschrift zu diesem Briefe 20 

16. Anlage zu diesem Briefe 21 

17. Pertz an Schön. 18. August 1849 22 

18. Schön an Pertz. 25. August 1849 24 

19. Pertz an Schön. 5. November 1849 25 

20. Schön an Pertz. 15. November 1849 26 

21. Pertz an Schön. 15. Mai 1850 28 

22. Schön an Pertz. 22. Mai 1850 28 

23. Pertz an Schön. 12. März 1851 29 

24. Schön an Pertz. 30. März 1851 29 

25. Pertz an Schön. 18. August 1851 34 

26. Pertz an Schön. 12. December 1851 35 

27. Schön an Pertz. 28. Deoember 1851 36 

28. Zusatz zu vorstehendem Brief 37 

29. Pertz an Schön. 11. December 1853 38 

30. Schön an Pertz. 20. December 1853 39 

31. Schön an Pertz. 28. December 1853 47 

32. Pertz an Schön. 10. Januar 1854. 48 

33. Pertz an Schön. 26. April 1854 48 

34. Schön an Pertz. 5. Mai 1854 49 

35. Pertz an Schön. 17. Juli 1855 49 

36. Schön an Pertz. 6. August 1855 ^<^ 



XXVI Inhaltsverzeicliniss. 

Seite 

37. Schön an Schwinok. 17. December 1840 58 

38. Schön an Schwinck. 31. October 1841 59 

39. Schön an Schwinck. 14. April 1842 62 

40. Schön an Schwinck. 7. August 1842 64 

41. Schön an Schwinck. 1. Aprü 1843 66 

42. Schwinck an Schön. 1843 70 

43. Schön an Schwinck. 28. April 1843 73 

44. Schön an Schwinck. 2. Mai 1843 74 

45. Schwinck an Schön. 7. Mai 1843 77 

46. Schön an Schwinck. 12. Mai 1843 80 

47. Schön an Schwinck. 18. Juni 1843 81 

48. Schön an Schwinck. 1845 82 

49. Schön an Schwinck. 13. Januar 1846 83 

50. Schön an Schwinck. 15. Februar 1846 84 

50a. Schön an Bunsen. 1845 87 

51. Bunsen an Schön. 15. December 1852 89 

52. Niebuhr an Bunsen. September 1830 91 

53. Schön an Bunsen. 20. Januar 1853 95 

54. Anlage. 20. Januar 1853 96 

55. Schön an Friccius. 28. December 1842 105 

56. Bemerkungen Schönes zu Friccius' Geschichte des Krieges in den 

Jahren 1813 und 1814 107 

57. Friccius an Schön. 28. Mai 1843 112 

58. Droysen an Schön. 13. November 1847 113 

59. Schön an Droysen. 23. November 1847 115 

60. Schön an Droysen. 12. December 1847 116 

61. Droysen an Schön. 18. December 1847 117 

62. Schön an Droysen. 28. December 1847 119 

63. Schön an Droysen. 25. Januar 1848 121 

63a. Geheimer Oabinetsrath Müller an Schön. 22. Januar 1848 .... 123 

63b. Geheimer Oabinetsrath Müller an Schön. 25 Jan. 1818 125 

64. Droysen an Schön. 9. Februar 1848 127 

65. Droysen an Schön. 1848 129 

66. Schön an Droysen. 22. März 1848 130 

67. Schön an Droysen. 28. Februar 1850 133 

68. Droysen an Schön. 9. März 1850 136 

69. Schön an Droysen. 16. März 1850 138 

70. Schön an Droysen. 22. März 1850 141 

71. Droysen an Schön. 14. Juni 1850 142 

72. Schön an Droysen. 7. Juli 1850 145 

73. Schön an Droysen. 19. December 1850 148 

74. Droysen an Schön. December 1850 152 

75. Schön an Droysen. 10. Januar 1851 155 

76. Droysen an Schön. 15. Februar 1851 160 

77. Schön an Droysen. 20. Februar 1851 162 

78 Schön an Droysen. 22. Februar 1851 166 

79. Drojrsen an Schön. 7. März 1851 169 

SO Schön an Droysen, 8. März 1851 172 



Inhaltsverzeicliniss. XXVII 

Seite 

81. Schön an Droysen. 16. März 1851 172 

82. Schön an Droysen. 1851 175 

83. Droysen an Schön. 6. April 1851 182 

84. Droysen an Schön. 15. Mai 1851 184 

85. Schön an Droysen. 2. Juni 1851 186 

86. Droysen an Schön. 10. Juni 1851 189 

87. Schön an Droysen. 19. Juni 1851 193 

88. Droysen an Schön. 15. Juli 1851 196 

89. Schön an Droysen. 15. August 1851 200 

90. Schön an Droysen. 4. Novemher 1851 204 

91. Droysen an Schön. 29. Decemher 1851 205 

92. Schön an Droysen. 18. Januar 1852 208 

93 Droysen an Schön. 1. Fehruar 1852 211 

94 Schön an Droysen 4. Februar 1852 213 

95. Schön an Droysen. 14. Februar 1852 215 

96. Droysen an Schön. 2. März 1852 218 

97 Schön an Droysen. 9. März 1852 220 

98. Droysen an Schön. 19. März 1852 223 

99. Schön an Droysen. 26. März 1852 226 

100. Droysen an Schön. 20. Mai 1852 228 

101. Schön an Droysen. 31. August 1852 230 

102. Droysen an Schön. 31. October 1852 232 

103. Droysen an General von Below. 25. August 1852 233 

104. Droysen an Magnus von Brünneck. 6. August 1856 237 

105. Ueber York. Von Theodor von Schön 238 

106. Notizen aus den Kriegsjahren 1812/13. Von Theodor von Schön . 243 



1. Graf Kielmansegge^) an SchSn. 

Hochwohlgeborener Herr I 
Hochzuverehrender Herr Ober-Präsident! 
Ew. Excellenz wollen mir erlauben in Bezug auf eine, durch 
die gefällige Vermittlung des Grafen Dönhoff dahier vor längerer 
Zeit übersandte gedruckte „Aufforderung an Stein's Freunde"^) 
unbekannter Weise nunmehro selbst noch die gehorsamste Bitte zu 
wiederholen, der Sammlung von Materialien zu einer Lebensge- 
schichte meines seligen Schwiegervaters durch einigen Beytrag be- 
hülflich seyn zu wollen, wozu Ew. Excellenz durch die fortgesetzt 
freundschaftlichen Verhältnisse, in denen Sie zu dem Verstorbenen 
gestanden haben, unstreitig vor vielen Andern in den Stand gesetzt 
sind. Ganz besonders bin ich zu diesem Ersuchen noch durch eine, 
bey Anwesenheit Sr. Königl. Hoheit des Kronprinzen von Preussen 
in Tegernsee im August d. J. vorgekommene Unterredung ermuthigt, 
indem ich daraus schliessen darf, dass Ew. Excellenz nach eignen 
Aeusserungen namentlich Stein's Ansichten über Deutschlands all- 
gemeine, für die Zukunft nach dem Befreyungskriege 1813 — 14 von 
ihm beabsichtigte oder wenigstens gewünschte Verhältnisse vorzugs- 
weise genau kennen, oder selbst schriftliche Aeusserungen von ihm 
darüber in Händen haben, und grade solcher Ansichten mit Sicher- 
heit Erwähnung thun zu können, würde zur Vervollständigung in 
Wahrheit des ganzen zu entwerfenden Bildes von wesentlichem 
Interesse seyn. — Dass übrigens jeder dem Wohlwollen älterer 
Freunde meines seligen Schwiegervaters verdankte Beytrag zur 



1) Graf Ludwig Kielmansegge, damals hannoverscher Geschäftsträger 
am bairischen Hofe, geboren 1798, war seit 1827 mit Stein's jüngster Tochter 
Therese vermählt. 

2) Dieses gedruckte Eundschreiben hat sich in Schön's Papieren nicht 
mehr vorgefunden. 

\ 



2 2. Schön 1835. 

Aufbewahrung seines Anflenkens für eine spätere Zeit nach seiner 
wahren Eigenthümlichkeit, mit gewissenhaftester Discretion bey 
Ausfuhrung des beabsichtigten Vorhabens benutzt werden wird, 
davon darf ich eben so gut jetzt die wiederholte Versicherung 
geben, als sie bereits in der gedruckten Aufforderung von der 
ganzen Familie ertheilt worden ist. 

Indem ich schliesslich meine Entschuldigung wiederhole, un- 
bekannter Weise diese Bitte an Ew. Excellenz gerichtet zu haben, 
zugleich vertrauend, dass die Ursache mich einiger Maassen recht- 
fertigen wird, hoflfe ich einer gewogentlichen Erwiederung seiner 
Zeit entgegensehen zu dürfen, indem mit den Gesinnungen ausge- 
zeichnetster Hochachtung zu verharren die Ehre habe Ew. Excellenz 
ganz gehorsamster Diener 

L. Kielmansegge. 

München den 228ten Septbr. 1835. 

2. SchSn an Graf Kielmansegge. ^) 

Königsberg d. 14ten Novbr. 1835. 
Hochgeborener Graf! 

Ew. Hochgeboren gefällige Zuschrift vom 22. September d. J. 
habe ich durch den Kammerherrn Grafen v. Dönhoflf zu erhalten 
die Ehre gehabt; und indem ich die Erneuerung des Andenkens an 
einen verehrten Freund dankbar erkenne, ermangele ich nicht. 
Folgendes darauf ganz ergebenst zu erwiedern: 

Bei dem sehr nahen Verhältnisse, in welchem ich während 
der Zeit, dass der verstorbene Minister von Stein in preussischen 
Staaten wirksam war, mit demselben stand, bin ich auch der 
Meinung, dass dieser ausgezeichnete Charakter in einem Bilde der 
Nachwelt bleibe. Ich habe schon daran gedacht, Materialien zu 
diesem Bilde zu sammeln, aber ich bin dadurch zu der Meinung 
gebracht, dass es noch zu früh ist, einzelne Zeichnungen des Stein- 
schen Charakters als Materialien zu seiner Lebensgeschichte, sey 
es auch nur für einen engen Kreis, niederzulegen. Bei Männern, 
welche von Umständen und Verhältnissen getrieben, und in gewisser 
Art in ihr Schicksal hineingekugelt werden, ist die Sammlung von 
Materialien zu einer Lebensgeschichte eine neutrale Sache, und das 
in einem solchen Falle zu entwerfende Bild kann jederzeit aufge- 

1) Concept, grösstentheils dictirt, doch mit einzelnen eigenhändigen 
Zusätzen Schön's. 



3. Kielmansegge 1836. 3 

stellt werden. Wo aber von einem Charakter, wie Stein war, die 
Rede ist, der in jedem Momente geneigt war, dem blinden Schick- 
sale in die Räder zu greifen, da ist es unvermeidlich, dass bey 
dem Eingreifen in die Speichen des Rades, von der einen Seite 
das Rad in der neuen Richtung über Andere verletzend wegrollt, 
und von der anderen Seite, bey der Lebhaftigkeit des Charakters, 
das Rad nicht immer an der rechten Stelle gefasst, und sein Lauf 
nicht immer gehemmt, oder anders geleitet wird. Ferner ist es 
unvermeidlich, dass bey einem eminenten Geiste, der historisch ge- 
bildet war, Widersprüche in einzelnen Punkten vorkommen, und 
auffallend zu einer Zeit hervortreten müssen, wo die Zeit einen 
anderen Lauf genommen hat, als die frühere Geschichte angiebt. 
Zu Beurtheilung solcher Widersprüche nach ihrem Ursprünge und 
nach ihrer Entwickelung scheint mir die jetzige Zeit nicht ge- 
eignet, und eine Darstellung derselben in dieser Zeit, würde der 
heutigen Generation das Bild von Stein nicht so hoch stellen, als 
dies Bild gestellt zu werden verdient. 

Kann ich in der Folge vielleicht so viel Zeit erübrigen, dass 
ich über Stein etwas aufstellen kann, so werde ich diese Zeit gerne 
dazu benutzen. 

Die Idee des Vaterlandes ging durch das ganze Leben Stein's; 
dies war seine Grösse, und wer einer Idee lebt, steht immer als 
Vorbild da. 

Schlüsslich erlaube ich mir die Bitte, dass Ew. Hochgeboren 
die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung gütigst an- 
nehmen. 

Schön. 

3. Graf Kielmansegge an SchSn. 

Hochwohlgeborner Herr! 
Hochzuverehrender Herr Oberpraesident! 
Ew. Excellenz sehr schätzbare Zuschrift vom 14^° Nov. v. J. 
habe bereits vor längerer Zeit zu erhalten die Ehre gehabt, und 
versäume nicht, meinen ganz gehorsamsten Dank dafür hierdurch 
abzustatten. Nach der mir von Ew. Excellenz darin gemachten 
Erklärung, dass theils Ihrer Ansicht nach die Zeit zur Zusammen- 
stellung einer Lebensgeschichte Steines noch nicht gekommen, theils 
Ihnen bislang nicht möglich gewesen, Materialien zu deren späterer 
Zusammenstellung aus Ihren, gewiss viel WerthvoUes für uns ent- 
haltenden Papieren zu sammeln, darf ich natürlich eine unbedingte 



4 3. Kielmansegge 1836. 

Wiederholung meiner früher ausgesprochenen Bitte mir nicht er- 
lauben, glaube es dagegen dem Vorhaben, wie es in dem, von der 
Familie an Steines Freunde vertheilten Gircular ausgesprochen, 
schuldig zu seyn, mein aufrichtiges Bedauern gegen Ew. Excellenz 
darüber auszudrücken, dass nach den, in dem geehrten Schreiben 
vom 14^** Nov. V. J. gethanen Aeusserungen so wenig Hoffnung 
vorhanden, selbst später Einiges aus Ihrer, unstreitig so höchst 
interessanten und im Verlauf der Zeit wenigstens gewiss allein der 
Geschichte angehörenden Gorrespondenz mit Stein durch Ihre Güte 
zu erhalten. Dass der Zeitpunkt noch nicht gekommen, irgend 
Etwas, in Einzelheiten Uebergehendes über Stein zu veröffentlichen, 
ja dies selbst zur Kenntniss eines kleinen Kreises zu bringen, er- 
kennen meine nächsten Angehörigen, wie ich, vollkommen, nur kann 
ich der, von Ew. Excellenz in mehrgedachtem geehrten Schreiben 
ausgesprochenen Ansicht nicht durchaus beipflichten, dass nicht 
jetzt und möglichst bald alle Materialien, welche dazu in Stand 
setzen, eine ziemlich vollständige Schilderung von Stein's Leben zu 
entwerfen, gesammelt werden müssen, selbst wenn der Biograph 
erkennt, dass der Veröffentlichung eine wiederholte Durchsicht, viel- 
leicht erst nach einer Eeihe von Jahren, vorangehen müsste. Wie 
wenig übrigens unsrer Seits an eine baldige Publication gedacht 
wird, glaubten wir in dem Gircular, unter Hinzufügung der bündig- 
sten Versicherung, dass alle uns gütigst gelieferten Beiträge mit 
gewissenhaftester Discretion benutzt werden würden, eben so deut- 
lich ausgesprochen zu haben, als wir darüber auch bereits zum 
Voraus mit Herrn Pertz überein gekommen sind, da wir uns selbst 
gar nicht verhehlen, dass, um Stein recht zu schildern, auch der 
Momente Erwähnung gethan werden muss, wo — um mich des von 
Ew. Excellenz gewählten Vergleichs hier wieder zu bedienen — 
der Verewigte so heftig in die Räder eingriff, dass sie verletzend 
über Andre hinwegrollen mussten, denn ohne solche Thatkraft wäre 
Stein nicht mehr Stein gewesen, hätte Er, unter den Ihm beschie- 
denen Lebensverhältnissen, das nicht geleistet, was Er wirklich ge- 
leistet hat. Unser Hauptwunsch ist immer nur der: Stein's ganze 
Lebensrichtung, seinen unwandelbar treuen deutschen Sinn, sein 
streng sittliches Gefühl dem Andenken der Nachwelt zu erhalten; 
mag daneben der unpartheyische Biograph seine Schwächen auch 
herausheben, es wird ihm immer Stoff genug bleiben, den Ver- 
storbenen als eine hochgestellte, und selten achtungswerthe Indi- 
vidualität den Nachkommen zu schildern I 



3. Kielmuisegge 1836. 5 

Verzeihen Ew. Excellenz diese vielleicht anscheinend zu aus- 
führliche Erörterung eines mich natürlich lebendiger als viele Andere 
erfüllenden Gegenstandes, aber der Inhalt Ihres sehr geehrten 
Schreibens, in welchem ich die Besorgniss zu erkennen glaubte durch 
eine jetzt zusammengestellte Biographie Stein's seinen Werth — 
den Ew. Excellenz Ihm gewiss vollkommen zugestehen, nicht ins 
richtige Licht gesetzt sehen zu können, forderte mich dazu auf, so 
wie auch ganz besonders zu Wiederholung der Versicherung: dass 
wir nicht und niemals an eine baldige und so nahe Veröffentlichung 
von meines seligen Schwiegervaters Lebensgeschichte gedacht haben, 
dass lebende Personen dadurch auf irgend eine Weise verletzt 
werden könnten, sondern dass es überhaupt vielmehr in der Absicht 
liegt, da, wo Persönlichkeiten berührt werden müssen — wie es 
freilich um etwas Vollständiges über Stein zu liefern gar nicht 
anders der Fall seyn kann, dies auf eine Weise erreicht zu sehen, 
dass allein geschichtliche Wahrheit dadurch gefördert, jede, das 
Gepräge absichtlicher Bezeichnung in Beurtheilung andrer Indi- 
vidualitäten, als der Stein'schen selbst, aber möglichst vermieden 
werde. Schliesslich also die Hoffnung aussprechend, dass Ew. Excel- 
lenz aus den angeführten Gründen diese abermalige ausführlichere 
Zuschrift entschuldigen wollen, darf ich zugleich auch — gegen die 
mir bereits gemachten Eröffnungen — noch einmal dem Gedanken 
Baum geben, dass Sie Sich früher oder später doch noch bewogen 
finden mögten, unserm Vorhaben durch einige Mittheilungen. — 
welche so ganz vorzugsweise der Geschichte eines für Deutschland 
so wichtigen und erfolgreichen Zeitabschnitts angehören — Ihre Theil- 
nahme zu bethätigen, während ich zugleich vollkommen erkenne, 
dass Ew. Excellenz bey der so unausgesetzt und dringend in An- 
spruch genommenen Zeit schwerlich Müsse finden mögten. Selbst 
einer Zusammenstellung der wichtigen Epochen aus Stein's Leben 
in denen Sie Ihm besonders nahe standen. Sich zu widmen, wie 
dies übrigens freilich am aller Erwünschtesten gewesen wäre; wo 
das Bessere nicht zu erreichen steht, muss man doch streben, wenig- 
stens einigen Ersatz dafür zu erlangen I 

Mit der Bitte um die Genehmigung des Ausdrucks ausgezeich- 
netster Hochachtung habe die Ehre zu verharren Ew. Excellenz ge- 
horsamster Diener 

L. Kielmansegge. 

München den 12teii Januar 1836. 



6 4. Pertz 1846. 

4. Pertz an Schifn. 

Hochwohlgeborner Herr, 
Hochzuverehrender Herr Staatsminister. 

Ew. Excellenz hatten schon vorlängst die Gewogenheit, auf 
Veranlassung des Herrn Oberbürgermeisters Pinder^) und Haupt- 
manns Schwinck*) mir über den Zeitpunkt der Ausfertigung des 
sogenannten politischen Testaments des Ministers von Stein Er- 
läuterungen zukommen zu lassen, welche mir von grossem Werthe 
waren und in Verbindung mit den mir bereits früher eröffneten 
Quellen zu einer festen Ueberzeugung gefuhrt haben. Indem Ew. 
Excellenz ich dafür meinen verehrungsvollen Dank jetzt auch 
schriftlich ausdrücke, erlaube ich mir, durch eine Mittheilung des 
Herrn Geheimraths Voigt*) veranlasst, Ihre Gewogenheit für weitere 
Mittheilungen über den Minister von Stein mir zu erbitten. Herr Ge- 
heimrath Voigt hat mir insbesondere geschrieben, dass Ew. Excellenz, 
im Besitz einer Reihe Briefe Steins, vielleicht nicht abgeneigt 
seyn würden mir dieselben zur Benutzung anzuvertrauen; ich wage 
mich deshalb unmittelbar an Ew. Excellenz zu wenden, und Ihnen 
die gehorsamste Bitte um gewogentliche Uebersendung jener Briefe 
oder deren Abschriften vorzutragen. Zwar sind mehrere Concepte 
zu Briefen aus dem Jahre 1809 p. p. bereits von mir benutzt, aber 
theils mag doch hin und wieder der abgesendete Brief noch abge- 
ändert worden seyn, theils muss ich auf jedes Denkmal der zwischen 
Ew. Excellenz und Ihrem verewigten Freunde bestandenen Ver- 
bindung den vorzüglichsten Werth legen, und würde daher durch 
gestattete Einsicht der sämmtlichen Briefe höchst erfreut werden. 

In der Hoffnung, dass Sie meine Bitte mit dem lebhaften 
Wunsche, der von mir übernommenen Lebensbeschreibung die er- 
reichbare Vollständigkeit und Zuverlässigkeit zu ertheilen hochge- 
neigtest entschuldigen wollen, verharre ich in grösster Verehrung 

Ew. Excellenz ganz gehorsamster Diener 

Pertz. 
Berlin den 25. März 1845. 



1) Oberbürgermeister von Breslau seit 1843, vorher Eegierungsassessor 
in Königsberg. 

2) Vgl. den Brief an Schwinck vom 2. Mai 1843, unten Nr. 44. 

3) Johannes Voigt, geboren am 27. August 1786 in Bettenhausen bei 
Meiningen, seit 1817 Professor und Director des Staatsarchivs zu Königs- 
berg, gestorben daselbst am 23. September 1863, der Geschichtsschreiber des 
^x>reussischen Ordensstaates. Schön stand mit ihm seit dem Beginn der 

Arbeiten für die Wiederherstellung der Maiienburg in nahen Beziehungen. 



5. 6. Schön 1845. 7 

5. Schifn an Periz.^) 

Ew. Hochwolilgeboreii gefällige Zuschrift vom 25. v. M, habe 
ich heute erhalten, und ermangele nicht darauf ganz ergebenst zu 
wiedern, dass ich bereit bin, Ihnen die eigenhändigen Schriftstücke, 
welche ich von meinem verewigten Freunde Stein besitze, mitzu- 
theilen. ich muss mir indessen dazu Zeit bis Ende künftigen Monats 
erbitten, denn meine Papiere sind zum Umzüge aufs Land verpackt, 
aber Ende künftigen Monats hoffe ich sie geordnet zu haben. Ew. 
Hochwohlgeboren haben in der Lebensbeschreibung von Stein sich 
eine herrliche Aufgabe gestellt. Selten ist von einem öffentlichen 
Charakter in dem, was der Himmel ihm schon so reichlich ge- 
schenkt hatte und in dem, was die Welt (Erziehung und Verhält- 
nisse) ihm von diesem Geschenk zu entziehen bemüht war, so viel 
zu wenig gesagt, ich bin überzeugt, Sie werden uns keine fran- 
zösische Eloge, mit welcher Stein selbst unzufrieden seyn würde, 
sondern ein vollständiges Bild geben, und das kann ein herrliches 
Bild werden. 

Erlauben Sie, dass ich mich Ihnen ganz ergebenst empfehle. 

Schön. 

6. Schifn an Pertz.^ 

Prenss. Amau den 4. May 1845. 

Hiebey erhalten Ew. Hochwohlgeboren die Stein'schen Briefe. 
Die Zahl derselben ist kleiner als ich dachte, und dies hat darin 
seinen Grund, dass in der kritischen Zeit 1812, mehrere Papiere 
von mir vernichtet sind, und dass in der Zeit, in welcher Stein im 
Auslande war, unsere Mittheilungen grossentheils indirecte durch 
den Staatsrath Kunth gingen. Aber auch in diesen wenigen Briefen 
werden Sie unsern Grossen Freund finden. 

Jetzt, wo Herr Dorow mit Vehemenz gegen Stein aufgetreten 
ist,*) ist es sehr gut, dass Ew. Hochwohlgeboren mit Herausgabe 
der Stein'schen Lebensbeschreibung bis jetzt Anstand genommen 
haben. Verläumdung kann man das, was Dorow sagt, wenn man 

1) Eigenhändiges Concept ohne Datum, augenscheinlich vom April 1845. 

2) Eigenhändiges Concept. . 

3) Wilhelm Dorow, geboren zu Königsberg am 22. Mai 1790, ge- 
storben zu Halle am 16. December 1846, war im Auerswald' sehen Hause zu 
Königsberg aufgewachsen und schon von seiner Jugend her mit Schön be- 
kannt. Schön bezieht sich hier auf sein Werk „Erlebtes aus den Jahren 
1813— 1830'S 4 Bände, Leipzig 1843/45. Dorow hatte Schön das Buch zu- 
gesandt; die zwischen Beiden darüber geführte Correspondenz stekt ^^^v:^^ 
den Papieren Theodors von Schön", Th. 2, Eöi. '^, ^. 'iä^. Tl^^x ^^Ä ^^- 



3 6. Schön 1845. 

von der sichtbaren Freude an der Darstellung abstrahirt, nicht 
nennen, denn Alles, was er bis zur Schlacht von Leipzig anfuhrt, 
ist, wie ich bezeugen muss, leider wahr, aber wie man den Freund 
mit allen Mängeln liebt, und ihn ohne Schwächen, als anderes 
Wesen, nicht lieben könnte, so steht der Grosse Mann trotz seiner 
Unvollkommenheiten, als solcher nun da. Als Salzmann in seiner 
Schrift über das menschliche Elend allen Jammer und alles Elend 
auf einen Fleck zusammengebracht hatte, bat ihn Gleim, es nun 
auch wieder auseinander zu karren, damit das üebel wieder neben 
dem Guten zu stehen komme, und von diesem überstrahlt, dadurch 
der Weltordnung ihr Recht werde. Und dies scheint mir, verehrter 
HerrI jetzt Ihre Aufgabe zu sein. Stein's Bild ist construirt, 
wenn man denkt, dass er eminent und herrlich geboren ist, dass 
aber die altfranzösische und alt-Göttinger Erziehung an seinem 
Geiste gezerrt und gerüttelt haben, und dass dies, namentlich da, 
wo es auf wissenschaftlich philosophische Entwicklung ankam, und 
wo das Prinzip sein Fundament haben wollte, in einzelnen Fällen 
zu Tage kam. So kommen der anscheinende Ultraaristokratism 
(der übrigens nicht da war), die Abneigung gegen philosophische 
Bildung, und der Anschein unklarer Politik, (Reisach) ^) als Wolken 
in das helle und lautere Bild. 

Mein*) Freund Voigt hat mir gesagt, dass Ew. Hochwohl- 
geboren mit ihm über die Differenzen gesprochen haben, welche in 
der Fassung des politischen Testaments vom 24. November 1808 
stattfinden.') Zeither habe ich auf diese Differenzen nicht ge- 
achtet, bey dem jetzigen Ordnen meiner Papiere habe ich aber das 

fühle, welche Dorow gegen Stein hegte, gab übrigens bereits die Stelle 
in der früheren Schrift ^^Denkschriften und Briefe zur Charakteristik der 
Welt und Litteratur" V (Berlin 1841) S. 248 f. hinlänglichen Aufschluss. 

1) Vgl. Dorow, Erlebtes I S. 41 ff. 11 S. 25 ff. und unten den Brief 
Schön's Nr. 36. 

2) Yen hier ab ist der Brief bereits ,^A.us den Papieren Theodor 
von Schönes«, 2.Thl. 3. Bd. S. 221f. gedruckt. 

3) Das sog. politische Testament Steines, das, wie Schön („Aus den 
Papierenes 2. Th. 3. Bd. S. 219) angiebt imd an sich natürlich ist, sich 
seiner Zeit schnell verbreitete, wurde zuerst von unbekannter Hand im 
Oppositionsblatt 1817 Nr. 10 veröffentlicht. Zu Anfang der Begierung 
Friedrich Wilhelms IV. ward es wieder in die öffentliche Discussion ge- 
zogen, dabei, wie das in solchen Fällen zu geschehen pflegt, nicht nur ver- 
schieden ausgelegt, sondern auch mehrfach ungenau und verstümmelt 
wiedergegeben. Sogar die Echtheit des Actenstücks wurde angezweifelt. 

Schön liesa daher ein lithographirtes Facsimile des in seinen Händen be- 



6. Schön 1845. 9 

Goncepty welches ich besitze, nnd welches ich vor Kurzem als fac 
simile habe lithographiren lassen, mit dem unter der Firma von 
Stein in die Welt gekommenen Testamente verglichen und da er- 
klären sich mir die Diflferenzen jetzt in der Art: das Concept, 
welches ich in Händen habe, ist mein erster Entwurf. Mit den 
vielen Correcturen war es für eine Kanzley zu Anfertigung der 
Reinschriften nicht geeignet. Abschriften davon mussten uncorrect 
werden. Ein sauberes Concept war für den Kanzlisten nothwendig. 
Und nun habe ich, indem ich dies schrieb, in unwesentlichen Dingen, 
die Form der Darstellung verändert.^) Speciell erinnere ich mich, 
dass mein Freund, der Graf von Dohna-Wundlacken,^ welcher mit 
Nicolovius®) allein von der Sache wusste,*) mich auf bessere Stellung 
einiger Sätze aufmerksam machte. 



findlichen Originalconcepts anfertigen uncl übersandte es am 14. December 
1840 mit einem Begleitschreiben, das mehr als eine blosse Erläuterung 
enthält und einen bestimmten politischen Zweck verfolgte, an den König 
(„Aus den Papieren"" 2. Th. 3. Bd. S. 218 ff., wo auch das Facsimile 
wiederholt ist). Es kam dann zu bitteren Auseinandersetzungen dar- 
über zwischen Schön und dem Polizeiminister von Bochow (nAus den 
Papieren** 2. Th. 3. Bd. S. 229. 246). In der von Eichhorn mit be- 
einflussten in Berlin erscheinenden Literarischen . Zeitung Nr. 23 vom 
21. März 1843 waren die Abweichungen zwischen dem früher bekannten 
Texte und dem in der kleinen Schrift ,JPreussens Staatsmänner. TU, Schön** 
Leipzig 1842, der auf dem Facsimile beruhte, aufgezählt imd besprochen 
worden (vgl. unten die Briefe an Schwinck Nr. 41 und 43; über jene kleine 
Biographie Schön's handeln Nr. 38. 39. 40). Diese Abweichungen und chro- 
nologischen Schwierigkeiten, die ihm aufstiessen, veranlassten Pertz zu näherer 
Erkundigung. Im Uebrigen vgL »Zu Schutz und Trutz am Grabe Schönes. 
Von einem Ostpreussen** (Berlin 1876) S. 258 ff. Man findet dort S. 273 ff. 
auch den Schön'schen Entwurf und die Beinschrift neben einander abgedruckt. 

1) Zur Geschichte des politischen Testaments vgl. noch „Aus den 
Papieren'*, I S. 57. III S. 226, die „Beiträge und Nachträge zu den Papieren 
Th. von Schön's** (Westend -Charlottenburg 1881) S. 58 ff. und unten die 
Briefe an Schwinck Nr. 41. 43—46, sowie den Brief an Droysen vom 
2. Februar 1852 unten Nr. 94. 

2) Heinrich Graf zu Dohna- Wundlacken, Oberhofmarschall und Be- 
gierungspräsident zu Königsberg, geboren 16. Mai 1777, gestorben 20. Sep- 
tember 1843. 

3) Georg Heinrich Ludwig Nicolovius, geboren 1767 zu Königsberg, 
seit December 1808 Staatsrath, gestorben zu Berlin 1839. 

4) Das bezieht sich natürlich nicht auf die Conception und Abfassung 
des Actenstücks im Ganzen, sondern bloss auf die Beinschrift fär die 
Kanzlei, wie aus den anderweitigen MittheilungQn Schöns, auch 8Ji& di&^^^ 
Zeit, deutlich hervorgeht. Vgl. auch unten den Bti^i wi'fi«t^^"^^-^^- 



10 7. Pertz 1847. 

Schliesslich bitte ich Ew. Hochwohlgeboren, das beiliegende 
fac simile des ersten Entwurfes des Testaments; als Zeichen 

meiner Hochachtung gegen dieselben gütigst anzunehmen. 

o. 

7, Pertz an SchOn. 
Ew. Excellenz 
verehrtes Schreiben vom 14^®*^ d. M.^) habe ich zu erhalten die 
Ehre gehabt und würde sofort die gewünschte Abschrift besorgt 
haben, müsste ich nicht befürchten, vielleicht doch nicht das Rechte 
zu treflfen; ich erlaube mir daher das fragliche Buch hiebei selbst 
vorzulegen, und verbinde damit die Bitte, selbiges nach gemachtem 
Gebrauch an die Kgl. Bibliothek zurückgelangen lassen zu wollen, 

Ew. Excellenz wollen mir gestatten, den lebhaftesten Dank, 
wozu Sie mich durch gewogentliches Geschenk eines lithographischen 
Abdrucks des politischen Testaments verpflichtet haben, Ihnen auch 
schriftlich auszudrücken^) und daran eine Frage zu knüpfen, über 
welche mir hier Niemand bisher einen Aufschluss geben konnte. 
In der Schrift des Lebens des Ministers v. Stein, welche 1831 in 
Altenburg erschien, und einen hiesigen Herrn Janke zum Verfasser 
hatte, wird ein Circular erwähnt, welches der Minister bei Antritt 
seines Amts in den ersten Tagen Oktobers 1807 erlassen habe. 
Dieses Circular scheint mit dem politischen Testament in naher 
Verbindung zu stehen, und Ew. Excellenz bitte ich daher um 
geneigten Aufschluss darüber, ob das Circular wirklich erlassen ist, 
und welche näheren Umstände Ihnen davon bekannt sind. 

Sodann finde ich einen Aufsatz erwähnt, welchen der Minister 
über das Leben seines Bruders, des Deutschordensritters,®) geschrieben 
und Ew. Excellenz für das Marienburger Archiv eingesandt habe;*) 
ist derselbe noch vorhanden, so würde ich bitten, eine Abschrift 
davon auf meine Kosten machen lassen zu wollen; in den Familien- 
papieren hat sich bisher keine Spur davon gefunden, ich wünschte aber 
davon bei dem 4*®*^ Bande meines Werks Gebrauch machen zu dürfen. 

In der Hoffnung einer hochgeneigten Gewährung, empfehle 
ich mich Ew. Excellenz in grösster Verehrung und ganz gehorsamst 

Pertz. 

Berlin den 28ten Oktober 1847. 



1) Dieses Schreiben ist in Schön's Papieren nicht erhalten; demnach 
bleibt auch zweifelhaft, von welchem Buche Pertz im Folgenden redet. 

2) Mündlich scheint das an Schwinck geschehen zu sein. 

3) Ueber ihn s. Pertz, Leben Stein's I S. 6 f. 

4) Vgl unten Nr. 13. 



8. Reusoll 1847. — 9. Gersdorff 1847. H 

8. Oberregierungsrath Reusch an SchOn. 

Ew. Excellenz 
hochverehrliche Zuschrift vom 3. d.^) hat mir Veranlassung gegeben, 
in den Registraturen der Regierung und des Oberprä&idium nach 
einem Circular vom Anfange des Oktobers 1807 suchen zu lassen, 
das Rescript-Journal habe ich selbst durchgesehen, es hat sich aber 
nichts gefunden, was einen allgemeinen Gegenstand beträfe, wie 
solcher bei dem Eintritt eines Ministers wohl vorkommt. Auch 
mehrere mündliche Nachfragen haben kein Resultat gegeben. Geh. 
Rath Schubert*) besitzt dergleichen nicht, bemerkt auch, dass Ven- 
turini, Manso u. A. nichts davon erwähnen. Im Leben des Prh. 
von Stein (Gallerie deutscher Zeitgenossen Leipzig 1841) Th. 1., 
S. 107 wird ein Reskript vom 4. Oktober 1807 bezüglich auf die Frei- 
heit und Ungebundenheit der Presse ohne Unterschrift mitgetheilt, 
dessen ich nur erwähne, doch in der Voraussetzung, dass es be- 
kannt und nicht das gesuchte ist. 

Ew. Excellenz bin ich für Ihre gewogentliche Erinnerung an 

mich sehr dankbar und verharre ehrerbietigst 

Reusch. 
K d. 15. Nvbr. 1847. 

9, Gersdorff an Schön.') 

Marienburg d. 20. Nvbr. 1847. 

Ew. Excellenz gnädiger Zuschrift vom 3. d. Mts. gemäss habe 
ich wiederholentlich die Marienburger Schlossbau-Acten durchge- 
sehen, konnte aber in Bezug auf den Herrn Minister v. Stein lange 
nichts 'finden, weil ich immer nach einem Original-Schreiben des- 
selben suchte. — Endlich fand ich den Auszug eines Schreibens 
vom 22^«° Febr. 23, worin derselbe 400 Rthlr. zur Herstellung zweier 
Granitpfeiler verspricht. 

Wahrscheinlich haben Ew. Excellenz für gut befunden, dies 
Schreiben selbst nicht zu den Akten zu nehmen. Unterm 8. July 23 
ist der betreffende Anschlag dem Herrn Minister eigenhändig zu- 
gesandt, dies aber auch nur kurz bemerkt. Im März 1823 wurden 
vom Herrn Minister von Stein zuerst 200 Rthlr. gezahlt. Unterm 

1) Nicht mehr vorhanden. 

2) Friedrich Wilhelm Schubert, geboren 1799 zu Königsberg, seit 182S 
Professor der Geschichte in seiner Vaterstadt, gestorben daselbst 1868. 

3) Dieser Brief wurde von Schön an Pertz gesandt. Gersdorff war 
der Bauinspector, welcher unter der Oberleitung Schön's und des Baurath» 
Hartmann in Marienwerder den Arbeiten zur Wiederherstellung der MarieiL- 
bürg lange Jahre hindurch vorgestanden hat. 



12 10. Nordenflycht 1847. 

4^*° September 24 wird dem Herrn Minister angezeigt, dass die Arbeit 
vollendet sei und um den Best der 202 Rthlr. 15 Sgr. 9 Pf. betragen- 
den Summe gebeten, die auch am 1^*^ Dezember 1824 angewiesen 
und gezahlt worden. 

Die Pfeiler wurden im Jahre 1823 aufgestellt, das Wappen 
daran im Jahre 1824. Von einer Inschrift dazu ist in den Acten 
nirgends die Rede. 

Ich vermuthe aber, dass unter den Nachrichten der v. Stein- 
schen Familie ein Aufsatz gemeint ist, den Ew. Excellenz eigen- 
händig überschrieben haben: 

^ad acta Marienburg 27. July 1823^ gez. y. Schön und da 
sich in sämmtlichen Acten, die ich vom Jahre 1818 bis 1843 genau 
durchgesehen habe, nichts weiter findet, so habe ich von diesem 
Aufsatze eine Abschrift nehmen lassen und fuge dieselbe hier ganz 
gehorsamst bei. 

Von dem Bürgermeister HüUmann kann ich leider nichts Er- 
freuliches melden. Seit Ew. Excellenz Abreise von hier, hat sich 
sein Zustand eher verschlimmert als verbessert und ich fürchte sehr, 
wir werden ihn verlieren. Der Mann leidet schrecklich und jetzt 
besonders an der Brust. Er lässt sich ehrerbietigst empfehlen. 

Gersdorff. 

An den Königlichen Wirkl. Geh. Staatsminister und Burggrafen 
von Marienburg, Ritter des schwarzen Adlerordens Herrn v. Schön 
Excellenz zu Prss. Amau. 

10. Regierungspräsident von Nordenflycht an SchOn. 

Ew. Excellenz 
sehr geehrte Zuschrift vom 8. November c. ist mir zu meinem Be- 
dauern erst am 16. ejd. nach der Zurückkunft von einer längeren Reise 
nach Berlin, Magdeburg und Erfurt zu Händen gekommen, und ich 
bitte daher, die unwillkürliche Verspätung mit gewohnter Nachsicht 
gütigst entschuldigen zu wollen. 

Leider haben auch die ohne Verzug von mir veranlassten 
Nachforschungen nach dem Verbleib des von Ew. Excellenz bezeich«: 
neten Cirkulars des verstorbenen Ministers von Stein nicht zu einem 
befriedigenden Resultate geführt, denn es findet sich zwar in dem 
Eingangs-Joumal der vormaligen hiesigen Krieges- und Domainen- 
kammer vom Oktober 1807 ein Ministerial-Rescript vom 7. ejd. m. 
€t a. eingetragen, betreffend die dem Staatsminister v. Stein an- 
vertraute Civil- Verwaltung, das Rescript selbst aber ist nirgend 



11. Schubert 1847. 13 

aufzufinden, und die Acten, in welche solches wahrscheinlich ein- 
geheftet worden, sind mit vielen anderen Aktenstücken vor einer 
Reihe von Jahren durch Diebstahl abhanden gekommen, wofür die 
später entdeckten Thäter zwar mit Zuchthausstrafe belegt sind, ohne 
dass es gleichwohl hat gelingen wollen, die entwendeten Akten 
wieder herbeizuschaffen. 

Es thut mir in der That herzlich leid, unter diesen Umständen 
Ew. Excellenz ehrenvollem Vertrauen nicht entsprechen zu können» 
wie dies sonst so gern von mir geschehen wäre, und ich bitte um 
so angelegentlicher, mir dieses gütige Vertrauen auch femer wohl- 
wollend zu erhalten. 

In der sicheren Hoffnung, dass Ew. Excellenz bei gelegent- 
licher Wiederanwesenheit in Marienburg, mir darüber zeitig einen 
geneigten Wink zukommen lassen und mir dadurch Gelegenheit 
geben werden, Hochdenselben persönlich einmal wieder meine Ehr- 
erbietung zu bezeugen, habe ich die Ehre, mich mit ausgezeichne- 
tester Hochachtung zu nennen Ew. Excellenz gehorsamster 

V. Nordenflycht. 

Marienwerder d. 22. Nvbr. 1847. 

11. Schubert an SchOn. 
Ew. Excellenz 

erlaube ich mir ganz gehorsamst zu erwiedern, dass die beiden 
Schriften von Janke und „Gallerie der Zeitgenossen" weder in der 
Königlichen Bibliothek noch in einer anderen hiesigen Bibliothek 
sich befinden, die mir zur Verfügung steht. Aus meinen Papieren 
ersehe ich, dass ich über beide als sie erschienen, und mir vom 
Buchhändler zur Ansicht geschickt wurden, die Bemerkung gemacht 
habe, dass sie nicht des Anschaffens werth seien. Janke, ein Be- 
gierungsrath, hat seine Schrift „Preussen 1807 und jetzt, oder was 
ist in Preussen seit 1807 ausgeführt, um den gesellschaftlichen Zu- 
stand zu verbessern und zu erheben?" in leichter Weise auf 5 Bogen 
hingeworfen, 1831 bei Nauk in Berlin. In der Gallerie der Zeit- 
genossen hat Steinmann in 2 Bänden eine sehr unbedeutende 
Biographie Stein's zusammengeschrieben ohne irgend welche authen- 
tische Quellen, ich konnte daher damals auch keins dieser beiden 
Bücher zur Anschaffung für die Bibliothek vorschlagen. 

In ehrerbietigster Hochachtung verharrt Ew. Excellenz ganz 

gehorsamster 

Schubert. 
Kg. d. 23. Nvbr. 1847. 



14 12. Schön 1847. — 13. Pertz 1847. 

12. SchBn an Pertz. ^) 

Pres. Arnau d. 24. Nvbr. 1847. 

Unter dem 7» October 1807 ist ein Ministerial-Rescript an 
sämmtlichePrenssiflchen Behörden ergangen, betreffend die dem Staats- 
minister V. Stein übertragene Civil -Verwaltung. Diese Notifikatorien 
wird die Potsdamer Regierung auch in ihren Acten haben. Dass 
dies Ministerial-ßeskript einen Zusammenhang mit dem erst 12 Mo- 
nate später erschienenen politischen Testamente haben sollte, ist 
wohl unmöglich, denn theils sind Circularia nicht der Ort zu Ex- 
pektorationen, theils nahm die eigentliche Staats-Reform, mit Aus- 
nahme der Militair-Org.anisation, erst im Frühjahr 1808 in Königs- 
berg ihren Anfang. Der Winter- Aufenthalt bis Ende Dezember 1807 
glich mehr einem Feldlager als einer Stätte für Staats-Operationen. 
Herr Prof. Schubert erklärt die Janke'sche Schrift für ein so leichtes 
Machwerk, dass man es in Königsberg nicht aufbehalten hat. Von 
der Biographie Stein's in den Zeitgenossen sagt Herr Schubert, 
dass Steinmann ein sehr unbedeutendes Werk, ohne irgendwelche 
authentische Quellen, zusammengeschrieben habe. 

Wäre ein irgend wichtiges Circulair erlassen, würde ich in 
jedem Falle davon Kenntniss haben. Während des Aufenthalts in 
Memel bis Ende des Jahres 1807, forderten die äusseren Verhält- 
nisse auch die ganze Aufmerksamkeit des Ministers so, dass da von 

Staatsplänen nicht die Rede sein konnte. 

Schön. 

13. Pertz an SchOn. 

Berlin 26. Dez. 1847. 

Ew. Excellenz erlaube ich mir für die hochgeneigten Schreiben 
und die Mittheilung des Berichts des Majors Preiherrn von Stein 
über die Yertheidigung der Yeteranischen Höhle^) meinen verbind- 
lichsten Dank darzulegen. Die zu Anfang seines zweiten Ministeriums 
vom Minister von Stein erlassene Erklärung, wie sie sich in den 
Janke'schen „Erinnerungen'* S. 14 — 17 abgedruckt findet, ist wie 
die Anführungszeichen andeuten, wörtlich aus einem Actenstücke 
entnommen, und da Ew. Excellenz sie noch nicht gesehen zu haben 
scheinen, so erlaube ich mir, das Buch selbst beizuschliessen: viel- 
leicht dass Ihnen durch das Dokument selbst ein Aufschluss sich 
ergiebt; ich darf es mir dann gehorsamst zurückerbitten. 

1) Eigenhändiges Concept. 

2) Dieser Bericht ist abgedruckt bei Pertz, Leben Stein's I S. 475 ff. 



U. Schön 1848. 15 

Noch sind es zwei Puncte, über welche geeignete Aufschlüsse 
bisher hier nicht zu erhalten waren, und deren Erhaltung doch von 
Wichtigkeit für die Schilderung der Absichten des Jahres 1808 ist, 
Steins Absicht und überhaupt die damals gebilligten Grundsätze 
über die Reformen des Adels und seine damalige Ansicht über 
die Einrichtung p. p. von Beichsständen; seine späteren An- 
sichten in letzterer Hinsicht sind nachzuweisen, aber wie er damals 
beide wichtige Aufgaben angesehen hat, ist mir nicht unzweifelhaft. 
Sollten Ew. Excellenz die Gewogenheit haben wollen, mich darüber 
zu belehren, so würden Sie sich nicht nur mich, sondern^auch alle 
diejenigen auf's Lebhafteste verpflichten, welche die Wichtigkeit 
jener Zeit zu würdigen wissen. Ohne Zweifel haben Sie selbst da- 
mals in beiden Angelegenheiten mitgearbeitet, und die N. 4. u. 5. 
des politischen Testaments beziehen sich ausdrücklich auf die 
darüber gepflogenen schriftlichen Verhandlungen. 

Ew. Excellenz empfehle ich mich in grösster Verehrung und 

ganz gehorsamst 

G. H. Pertz. 

U. Schon an Pertz. ^) 

Prss. Aman den 5. Januar 1848. 

Ew. Hochwohlgeboren werden es gütigst entschuldigen, wenn 
ich Ihr gefälliges Schreiben vom 26. v. M. dictirend beantworte. 
Der Geist ist noch lebendiger als die Hand, und diese darf den 
Ersten nicht hemmen. 

Die hierbei zurückerfolgende Schrift war bei dem Empfang 
Ihres früheren gefälligen Schreibens mir so aus dem Gedächtnisse 
gekommen, dass ich nicht wusste, dass sie in meiner Büchersammlung 
war. Deshalb fragte ich bei Herrn Professor Schubert an, dessen 
Urtheil darüber ich Ihnen mitgetheilt habe. 

Ew. Hochwohlgeboren nehmen an, dass die Stelle dieser Schrift 
Seite 14 — 17 aus einem Aktenstück abgeschrieben sein müsse, weil 
sie besonders bezeichnend abgedruckt ist. Dass dies möglich ist, 
ist nicht zu leugnen, und deshalb würde es rathsam sein, das 
Aktenstück, in welchem sich die Stein'sche Handschrift befinden 
soll, auszumitteln, und sollte sich eine solche Handschrift wirklich 
vorfinden, ein fac simile davon zu nehmen und zu verbreiten. Sollte 
noch in Memel diese Stelle niedergeschrieben sein, dann könnte 



1) Goncept, dictirt, aber von Schön eigenhändig corrigirt^ mit einem 
Zusatz versehen und unterzeichnet. 



16 ' 14. Schön 1848. 

vielleicht in den nachgelassenen Papieren des Geheimen Raths von 
Beguelin^) darüber etwas zu finden sein. 

Ich habe niemals von einem solchen Aufsatz etwas gesehen 
oder auch nur gehört, und nach meinem Bilde von meinem ver- 
ewigten Gönner und Freunde und nach den Verhältnissen, in wel- 
chen ich mit ihm lebte, ist es mir auch nicht wahrscheinlich, dass 
ein solcher Aufsatz von ihm existirt. Herr Janke sagt auch nicht, 
dass die mit besonderen Lettern gedruckte Stelle seiner Schrift von 
Stein herrühre, und so sorgfältig er sonst Tag und Jahr bei jedem 
Puncto anführt, findet sich bei dieser Stelle Nichts davon vor. Die 
Janke'sche Schrift hat meiner Meinung nach die Art einer franzö- 
sischen Elögo, oder besser einer Leichenpredigt. Sie hat Introitus, 
Text (mit besondern Lettern gedruckt und mit Gänsefüssen bezeich- 
net, wie bei gedruckten Predigten zu geschehen pflegt) und Aus- 
führung. Sie rafft Alles zusammen, was auch nur entfernt mit Stein 
Beziehung haben könnte, die Zeit vor und nach Stein bringt sie 
in ihr Bild hinein. Die Stelle enthält Dinge, welche theils in der 
Zeit 1807 — 1809 in Memel und Königsberg in Jedermanns Munde 
waren, z. B. der Anfang ist eine Aeusserung unseres verstorbenen 
Königs gegen die Professoren Schmalz und Froriep, lange vor 
Steins Ankunft in Memel; die Trennung der Justiz von der Ad- 
ministration bei den Kammern war vor dem Jahre 1806 schon im 
Gange p. p., theils ist sie mehr oder weniger nur eine Umgestal- 
tung des politischen Testaments vom Jahre 1808 in abgebrochene 
Sätze. Am auffallendsten ist für den, der jene Zeit zur Stelle mit 
verlebte, die Schilderung des Verhältnisses zwischen dem Könige, 
der Königin und Stein. Das von Herrn Janke besonders heraus- 
gehobene und nach seiner Schilderung an Vertraulichkeit grenzende 
Vertrauen von Seiten des Königs gegen Stein hat niemals stattge- 
funden, im Gegentheil war das Verhältniss kalt und gemessen, und 
in der letzten Zeit so kalt, dass selbst die gesellschaftlichen Bück- 
sichten vom Könige nicht beobachtet wurden. Die Königin be- 
zeugte Anfangs Stein unbedingt das vollste Vertrauen, dies verlor 



1) Heinrich von Beguelin, geboren 1765 zu Berlin, seit 1803 Q-eh. 
Oberünanzrath. Er begleitete Stein 1807 als G-eneralsecretär nach Memel, 
schied aber im Mai 1808 aus dieser Stellung. Er starb 1818 als Chef- 
präsident der Oberrechenkanamer in Potsdam. Auch aus den Denkwürdig- 
keiten von Heinrich und Amalie von Beguelin (Berlin 1892) ergiebt sich, 
dass der Erlass eines solchen Gircularschreibens mindestens im höchsten 
Grade unwahrscheinlich ist. 



14. Schön 1848. 17 

sich aber schon im Sommer 1808 und artete zuletzt in eine offene, 
erklärte Feindschaft aus, wobei Stein sehr ehrenwerth da stand, p. p. 

Summa Summarum: in dem ürtheile über die Janke'sche 
Schrift kann ich nur dem ürtheile des Herrn Professor Schubert 
beistimmen. Sie ist eine Plugschrift, wie es in der Zeit, in der 
sie erschien, Mode war, die Männer, welche von 1807 — 1815 vor 
dem Volke gestanden hatten, nach eigenen Voraussetzungen zu 
zersetzen und Bilder hinzustellen, welche zum Theil Gegenstücke 
der Originale waren. Für die Geschichte scheinen mir diese Pam- 
phlets von wenig Werth zu sein. 

Was die beiden Fragen betrifft, welche Ew. Hochwohlgeboren 
mir in Ihrem gefälligen Schreiben vom 26. v. M. zur Beantwortung 
stellen, so müsste ich, um diese vollständig zu beantworten, ent- 
weder ein Buch schreiben, oder mit Ihnen Tage lang zusammen 
leben. Die Grenzen eines Briefes erlauben hier nur Folgendes: 

Von einer bureaumässigen Verhandlung über die aufzustellen- 
den Grundzüge des Staats, mit Vortrag, Verhandlung und Geneh- 
migung, war im Jahre 1808 in Königsberg gar nicht die Rede. 
Niemand und auch kein Beamter war als solcher offiziell dazu be- 
rufen. Herr von Rhediger^) war ein unabhängiger Privatmann und 
bearbeitete die Repräsentation. Scheffner,*) Hoffmann,*) Schmalz,*) 
Nicolovius p. p. lieferten Arbeiten zur neuen Ordnung der Dinge. 
Stägemann,^) Altenstein und ich waren offiziell nur berufen, als 
General-Departement, die Administration, wie sie war, in der höch- 
sten Stelle fortzuführen. Nur von Altenstein weiss ich, dass er den 
Behörden-Schematismus, nachdem Stein darüber auch mit uns ge- 
sprochen hatte, aufzustellen beauftragt war, welcher Schematismus 
zwar gedruckt wurde, aber so, wie er aufgestellt war, nicht öffentlich 
wurde. In Beziehung auf die neue Ordnung der Dinge bildeten 



1) Vgl. namentlich „Aus den Papieren** I S. 49 ff. 

2) Der bekannte Kriegsrath Johann George Scheffner, geb. zu Königs- 
berg 1736, gest. daselbst 1820. 

3) Johann Gottfried Hoffmann, der berühmte Statistiker, geboren 
zu Breslau 1765, gestorben zu Berlin 1847, damals Privatdozent in Königs- 
berg. Vgl R. Boeckh, Die Entwicklung der amtlichen Statistik in 
Preussen, Berlin 1863, S. 28 ff. 

4) Theodor Anton Heinrich Schmalz, geboren 1760 zu Hannover, 1788 
Professor in Königsberg, 1803 in Halle, von wo er 1808 nach der Auflösung 
der Universität wieder als Privatmann nach Königsberg übersiedelte, der 
erste Rector der Berliner Universität, gestorben zu Berlin 1831. 

5) Friedrich August Stägemann, geb. 1763 zu Vierraden, gest. 1840 zuBerlin. 



18 14. Schön 1848. 

wir mit Stein eine unsichtbare Kirche, deren Haupt die Idee des 
Staats im Himmel war, und in welcher Stein das jus circa sacra 
verwaltete^ Von Genehmigen oder nicht Grenehmigen, von Maximen 
oder Prinzipien war nicht die Rede, wir lebten und sprachen mit 
Stein, aber seine Bedenken und seine Unklarheit in einzelnen 
Punkten, z. B. bei der Repräsentation, bei Aufhebung der Patrimo- 
nial-Jurisdiction p. p. hinderten uns nicht, in Entwickelung der Idee 
des Staats vorzugehen, indem wir auf die Macht der Wahrheit und 
auf Steins guten Geist rechneten. So entstand auch das 
politische Testament von 1808 und so ist das Bedenken erklärt, 
welches Stein hatte, dem Testamente seine Firma zu geben. 

So war Alles genehmigt, was das politische Testament angiebt 
und noch mehr. 

Nur bei einer Persönlichkeit wie Stein war, war ein solcher, 
auf wechselseitige Achtung gegründeter Zustand möglich. Stein, 
bekanntlich vom Himmel mit geistigen Gaben, wie es selten der 
Fall ist, ausgestattet, blitzte und wetterleuchtete, wie mir bei keinem 
Manne vorgekommen ist ; philosophisch unentwickelt, musste er aber, 
seinem Wesen nach, jedem System abgeneigt sein. Spottweise be- 
zeichnete er mich als esprit ä Systeme. Zu seinem Unglück war 
seine Bildungsperiode in eine Zeit gefallen, wo man Wörter für 
Sprache, Notizen für Geschichte, Beobachtungen für Naturwissen- 
schaft nahm, und wo es nach damaliger Göttinger Art für einen 
vornehmen Mann unanständig war, sich philosophisch zu entwickeln. 
So mussten die Söhne vornehmer Eltern nur lernen und lernen, 
und ohne dass von einer Idee die Rede war, immer lernen. 

Es ist ein Wunder, dass Stein seinen brillanten Geist so 
lebendig erhalten hatte, und dass er nicht, wie Mehrere seiner Zeit, 
in dem Notizen-Kram stecken geblieben ist. Leider! hatte sein 
Bildungsgang aber doch die Folge, dass seine Politik konstruirt, 
einzelne Blitze abgerechnet, über Pütter wenig hinausreichte, dass 
er nach Beispielen, und nicht nach Ideen zu handeln geneigt war, 
und dass, wenn von Gestaltungen von Ideen die Rede war, weil 
Millionen Notizen und Geistes-Blitze allein keine Nothwendigkeit 
oder auch nur Sicherheit geben, Ungewissheit sich bei ihm zeigte, 
wie diese auch eintrat, als es darauf ankam, dem politischen Testa- 
ment von 1808, die Firma zu geben. 

Belag dazu ist noch zuletzt das Gutachten, welches Stein dem 

Kaiser Alexander über Polen gab. Man sieht diesem Gutachten es 

recht an, wie der gute Geist unentwickelt, öich mit der Wirklich- 



14. Schön 1848. 19 

keit herumquält. Statt die Weltordnung allein im Auge zu haben, 
und dem Kaiser zu sagen: die Polen sind der einzige slavische 
Stamm, welcher einer Idee zu leben jetzt im Stande ist, desshalb 
muss Warschau die slavische Sonne werden, und so wird auch nach 
Russland Licht kommen pp., statt dies zu sagen, blickt in dem Gut- 
achten^) die Idee nur schüchtern durch, und mein werther Londoner 
Tischgenosse Pozzo di Borgo^) musste als moderner Macchiavell, 
über Stein siegen. 

Bei diesem Allen ist mein Bild von Stein höher als Alles, 
was bis jetzt von ihm geschrieben und gedruckt ist, und — er- 
lauben Sie mir die Aeusserung — auch als das Bild, welches Sie 
mir von Stein zu haben scheinen. Stein lebte mit einem eminenten 
Geiste, einer mit dem Herzen aufgefassten Idee, nämlich der des 
Vaterlandes, und dieser mit ganzer Seele und mit vollem Gemüthe 
und unbedingt, mit gänzlicher Verläugnung seiner Person. 

Dies ist seine Grösse! vor der ich mich beuge, und welche 
fordert, dass jeder Mann sich vor ihr beuge. Als der Minister 
Golz die Nachricht von dem aufgefangenen Briefe Stein mittheilte 
und klagend und verzagt äusserte, dass Napoleon nun auch wohl 
die Nassaü'schen Güter confisciren würde, unterbrach ihn Stein 
empört: Glauben Sie, dass an dem Quark etwas gelegen ist, wo es 
aufs Vaterland ankommt! Und, was wichtiger ist: 

Ohne Stein hätten die Russen 1813 die polnische Grenze 
wahrscheinlich niemals überschritten. Ohne Stein wäre aus dem 
Könige von Preussen, der Russischen Anlage nach, ein Vasall von 
Russland gewordien. Ohne Stein wäre wahrscheinlich Deutschland in 
zwei Protektorate von Frankreich und von Russland zerfallen etc. 
etc. Die Beilage*) gebe dazu nur eine einzelne Thatsache: 

Meiner üeberzeugung nach müsste man, wenn man in Berlin 



1) Abgedruckt bei Pertz, Leben Steines, IV S. 164 ff. Vgl. noch 
ebenda S. 175 ff. 

2) Carlo Andrea Pozzo di Borgo, geb. 1768 zu Alala auf Corsica, gest. 
1842 zu Paris, hatte, nachdem er 1794 Staatsrathspräsident von Corsica ge- 
wesen war, nach der Wiederunterwerfung der Insel durch die Franzosen 
nach London fliehen müssen, wo er sich 18 Monate lang aufhielt. Er trat 1802 
in den russischen Staatsdienst. Schön scheint einen sehr bedeutenden, 
nachhaltigen Eindruck von ihm gehabt za haben. Vgl. auch „Studienreisen 
eines jungen Staatsmannes in England am Schlüsse des vorigen Jahrhunderts**, 
Berlin 1891, S. 302. Die Denkschrift Pozzo di Borgo's über Polen steht 
ihrem wesentlichen Inhalt nach bei Pertz a. a. 0. lY S. VII ^. 

3) Vnten Nr. 16. 



20 15. Schön 1848. 

eherne und marmorne Statuen aufgestellt hat, für Stein eine goldene 
Statue in Deutschland errichten, wenn nicht der alte Spruch von 
der höheren und mehr dauernden Glorie über eherne Denkmäler 
hier volle Anwendung fände. Stuhr^) hat Recht, wenn er in seiner 
neuesten sonst wohl heillosen Schrift,^) gegen den Götzendienst auf- 
tritt, welchen Gervinus mit dem Bilde von Stein treibt. Aber er 
hat Unrecht, dass er Stein nicht dabei, als eminenten Geist und 
als leuchtendes Vorbild eines deutschen Mannes, zum Himmel erhebt. 

sig. S. 

15. Nachschrift zu diesem Briefe.^) 

Bei der Unterschrift des beiliegenden Briefes, tritt das herr- 
liche Bild von Stein mit allen Einzelheiten vor meine Seele, und 
darauf gestützt, frage ich ergebenst an: ob Ew. Hoch wohlgeboren 
in den nachgelassenen Stein'schen Papieren etwa Spuren eines Ge- 
heimen Bundes (in Königsberg 1808) nicht etwa des in seiner An- 
lage guten, nachher aber lächerlich gewordenen Tugendbundes 
finden, dessen Mitglieder Roekner,*) Süvern,^) Nicolovius, Scharn- 
horst, Stein und ich waren? Später wurde noch Gneisenau aufge- 
nommen.^) Ungeachtet die damalige Zeit in ihrer äusseren Gestaltung 

sehr trübe war, so war sie doch Gross und herrlich. 

S. 

Die beiliegende gedruckte Notiz*^) wird vielleicht Interesse 
für Ew. Hochwohlgeboren haben. 



1) Peter Feddersen Stuhr, geboren 1787 zu Flensburg, 1826 ausser- 
ordentlicher Professor in Berlin, gestorben daselbst 1851. 

2) Die Phantasien des Herrn Gervinus und seiner Freunde über die 
Geschichte und die Verfassung Preussens beleuchtet. Berlin 1847. Vgl. 
übrigens auch Stuhr's Schrift „Die letzten Feldzüge gegen Napoleon** I 
(Lemgo 1833) S. XVHIf. Stuhr's Polemik richtete sich nicht nur gegen 
Gervinus' berühmte Broschüre „Die preussische Verfassung und das Patent 
vom 3. Februar 1847** (Mannheim 1847), sondern auch gegen die „Deutsche 
Zeitung**, für deren leitenden Geist Gervinus galt. 

3) Eigenhändiges Goncept. 

4) Er wurde 1806 Feldprobst, 1809 Pfarrer zu Pobethen bei Königs- 
berg, 1810 geistlicher Eath bei der Regierung zu Marienwerder. 

5) Johann Wilhelm Süvern, geboren zu Lemgo 1775, gestorben zu 
Berlin 1829, war von 1807 bis 1809 Professor in Königsberg. 

6) Ueber diesen Bund vgl. den Brief Schön's an Varnhagen von Ense 
vom 29. September 1848, in der „Gegenwart** 11 (1872) S. 70, sowie die Selbst- 
biographie 11 in „Beiträge und Nachträge zu den Papieren des Ministers 
Th. V. Schön'* (Westend-Oharlottenburg 1881) S. 61 f. 

7) Was diese Notiz enthielt, habe ich nicht feststellen können. 



16. Schön 1848. 2 1 

16. Anlage zu diesem Briefe.^) 

pp. Stein hatte mich benachrichtigt, dass er an einem be- 
stimmten Tage mit dem Kaiser Alexander unsere Grenze über- 
schreiten und in Lyck ankommen würde. Einige Tage zuvor wurde 
mir (dem damaligen Regierungspräsidenten zu Gumbinnen) von 
unserer nördlichen Grenze gemeldet, dass der russische General 
Marquis Paulucci mit einem Corps Russen in unser Land einrücke, 
allen Autoritäten den Zusammenhang mit Preussischen Autoritäten 
untersage, sie an die Petersburger Oberbehörde verweise, und 
Preussen nicht blos militairisch besetze, sondern als russische Pro- 
vinz behandele. In der Person eines Regierungs-Rath Schulz schickte 
ich diesen sofort als Courier an den Marquis Paulucci ab, um ihm 
sein gewaltsames Verfahren als solches vorzustellen und zu verlangen, 
dass er sich auf militairische Besetzung begrenze. Paulucci gab zur 
Antwort, dass er verantworten würde, was er thue, und als er meinem 
Commissarius jede weitere mündliche Verhandlung verweigerte, schrieb 
ihm dieser: Er (Paulucci) möge bedenken, was er thue, und möge 
überzeugt sein, dass wir die asiatische Apathie nicht weniger hassen, 
als die französische Despotie. Paulucci setzte aber doch sein Ver- 
fahren fort. Da schickte ich den Major von Plotho als Courier nach 
Lyck mit einem Briefe an Stein ab, in welchem ich verlangte, dass 
das Verfahren von Paulucci sofort aufgehoben und wegen dessen 
Anmassung Genugthuung gegeben werde, weil sonst das Land 
gegen die Russen aufstehen würde. Zugleich Hess ich Stein durch 
den Major von Plotho sagen, dass, wenn ich genöthigt werden 
sollte, das Land gegen die Russen aufzubieten, wir wohl hoffen 
könnten, mit den russischen Truppen in unserem Lande fertig zu 
werden. Statt diesen Brief zu beantworten nahm Stein über dessen 
Inhalt mit dem Kaiser Alexander Rücksprache und kam sofort selbst 
nach Gumbinnen zu mir. Nach der ersten herzlichen Begrüssung 
forderte ich meine Antwort. Da erklärte Stein: Paulucci sei ver- 
rückt, der Kaiser habe dessen Anordnungen widerrufen, ihm das 
Commando genommen und [ihn] nach Russland zurückgeschickt. 

Dies mit den ersten Kalischer Verhandlungen: bevor Stein 
von Königsberg aus in Kaiisch angekommen war, zusammenge- 
halten! Der geneigte Leser denke weiter nach!*) 

1) Dictirt. 

2) Russische Beurtheiler, denen genügendes Material über den Cha- 
rakter Pauluccis vorlag, sind vielfach geneigt, anzunehmen, dass dieser auf 
eigene Faust handelte, was freilich Schön nicht wissen konnte, und, wie die 



22 17. Pertz 1849. 

17. Pertz an SchVn. 

Ew. Excelleoz 
weiteren Befehlen hinsichtlich der Englischeo Parlamentsverhand- 



Dlnge lagen, war es auch keineswegs von vornherein ausgeschlossen; dass 
sein Vorgehen Nachfolge fand, um so weniger, da auch anderwärts russische 
Uebergriffe vorkamen. Vgl. „Zu Schutz und Trutz" S. 343. 706 ff. Paulucci 
selbst war es bitterer Ernst mit der Einverleibung Memels in Bussland, wie 
aus der inDroysen's Leben York's 11 S. 44 (1. Aufl.; in den späteren fehlt 
die Stelle) mitgetheilten Stelle seines Berichts an den Kaiser Alexander her- 
vorgeht. Es wird willkommen sein, wenn hier eine Stelle aus den „Beden 
und Aufsätzen" Karl Ernst von Baer's wieder abgedruckt wird, da dieses 
Buch den Historikern völlig fem liegt. Es heisst dort I (St. Petersburg 1864) 
S. 156 f.: „Herr von Schön, der spätere Oberpräsident von Preussen, war 
sein ganzes Leben hindurch ein eifriger Anhänger der Kant'schen Philo- 
sophie. Er hatte sich im Staatsdienst schon sehr durch seine Freisinnig- 
keit und seinen Muth ausgezeichnet zur Zeit der Erniedrigung des Preussi- 
schen Staates; der Minister von Stein zog ihn an sich und gebrauchte ihn 
viel, weil Herr von Schön nicht nur sehr thätig, sondern viel gewandter 
und leichter mit der Feder arbeitete, als Stein selbst. So sind die Projecte, 
Entwürfe und Berichte, die unter Stein's Namen gingen, meist von Herrn 
von Schön entworfen. Er erzählte das gern als Oberpräsident, hinzufügend, 
dass auch das sogenannte „Politische Testament" von Stein nur von ihm 
verfasst sei, und dass die Kant'sche Philosophie ihn dabei geleitet habe. 
Da um diese Zeit immer nur von Stein die Bede war, so mochte er zuweilen 
Zweifel auf den Gesichtern bemerken. Er benutzte daher einmal in einer 
grösseren Gesellschaft die Gegenwart des ehemaligen Gabinetsraths Beyme, 
um von diesem seine Autorschaft bestätigen zu lassen. Ich hörte nicht nur 
diese Bestätigung, sondern sie erfolgte in meiner Wohnung. Bei dem ersten 
Abdrucke meiner Bede glaubte ich indessen Herrn von Schön in etwa be- 
absichtigten Bekanntmachungen nicht vorgreifen zu dürfen. So unterblieb 
in der damaligen Note 41 die specielle Nachweisung. Nach Schön's völligem 
Bücktritte aus dem Staatsdienste ist aber dieses Verhältniss bekannt ge- 
worden. So wird in Schön's Biographie in der 9. Auflage der Brockhaus- 
schen Beal-Encyklopädie ausdrücklich bemerkt, dass Stein's „Politisches 
Testament*' von Schön eigenhändig verfasst ist — Da ich diesen Artikel 
für meinen Zweck aufgesucht und gelesen habe, so kann ich einige Be- 
merkungen über das dort erzählte muthige Auftreten Schönes gegen die 
vermeintliche Absicht Busslands, Preussen im Jahre 1813 für sich zu er- 
obern und zu behalten, nicht zurückhalten. Diese Absicht ist eine reine 
Chimäre. Es wäre offenbar auch der ungeschickteste Anfang einer Be- 
freiung Deutschlands von Napoleon's Joche gewesen, wenn Bussland damit 
hätte anfangen wollen, Ostpreussen sich einzuverleiben. Das Wahre an der 
Sache ist, dass der General Paulucci, der zuerst in Preussen einrückte, den 
ich auch die Ehre gehabt habe zu kennen — mehr, als mir gerade lieb ge- 
worden ist — , die Prahlerei liebte und mit bombastischen Worten die Er- 
obemng von Memel verkündigte, als ob er Mantua erstürmt hätte. Er 



17. Pertz 1849. 23 

luBgen entgegensehend/) erlaube ich mir heute die ergebenste An- 
zeige zu machen, dass der erste Band des Lebens des Ministers 
V. Stein im Drucke so gut als vollendet ist, und ich denselben Ew. 
Excellenz nächstens vorlegen zu dürfen hoffe. Auch der Druck des 
zweiten Bandes, welcher die Verwaltung von 1807 und 1808 ent- 
hält, ist im Fortgange; ich bin darin bis auf die Rückkehr Steins 
nach Berlin zu den Unterhandlungen mit Daru gelangt, und ver- 
nehme soeben von Herrn Professor Simson^), dass Ew. Excellenz 
die Absicht hatten, mir dazu einen Beitrag über Steins Verhältniss 
zu Ew. Excellenz und den übrigen Mitgliedern der Immediat-Com- 
mission zu bestimmen, welchen Professor Simson in Arnau gesehen 
und angehört habe. Da dieses jedoch schon im vorigen Jahre war, 
so scheint es mir nicht sicher, ob der Herr Professor sich nicht 
geirrt, ob Sie dem Aufsatze vielleicht eine andere Bestimmung ge- 
geben haben? War dieses nicht der Fall, so erlauben Ew. Excellenz 
mir die angelegentliche Bitte um gefällige Mittheilung dessen, was 
Sie über Stein geschrieben, und ursprünglich seiner Biographie zu- 
wenden wollten. Ueber die beabsichtigte Reform des Adels und 
Einrichtung der Reichsstände habe ich aller Bemühungen ungeachtet 
hier keinen Aufschluss erhalten; die Acten über den Adel sind im 
Jahr 1809/10 an Herrn v. Klewitz') gelangt, und seitdem ver- 

wurde bald nach diesen Eadotaden abberufen. Wahr ist femer, dass man 
damals noch gar nicht sagen konnte, dass man Ostpreussen für den König 
von Preussen erobern wollte, weil Friedrich Wilhelm III. sich noch gar 
nicht erklärt hatte. — In jenem biographischen Artikel wird sogar Stein 
als Theilnehmer der russischen Eroberungs-Absicht genannt. Diese An- 
klage auf Hochverrath wird doch wohl Stein nicht verdient haben.'* Wie 
weit Schön davon entfernt war, das Verhalten Steins in dieser Weise zu 
beurtheilen, ergiebt sich aus den hier mitgetheilten Briefen. Man vgl. 
übrigens Schön' s nicht abgesandte Auseinandersetzung gegenüber Pertz unten 
Nr. 28. 

1) Hier müssen einige Stücke der Correspondenz fehlen. Wahrschein- 
lich handelte es sich bei den Anfragen Schöns um die Parlamentsverhand- 
lungen von 1830—1833 über Entail. Vgl. den Brief Schön's an Bunsen vom 
16. April 1848 in der Vierteljahrsschrift für Volkswirthschaft, Politik und 
Kulturgeschichte LXVI S. 51 und „Studienreisen eines jungen Staatsmannes 
in England" S. 480 ff. 

2j Eduard Simson, geboren 1810 in Königsberg, der spätere Beichs- 
gerichtspräsident, war damals Professor der Rechte und Tribunalsrath in 
seiner Vaterstadt. Er war 1848/49 Mitglied des Frankfurter Parlaments, 
dessen Präsident er auch eine Zeit lang gewesen ist. 

3) Wilhelm Anton (von) Klewitz, geboren 1760 zu Magdeburg, 1817 bis 1^*24 
preussischer Finanzminister, 1824 OberpTäsident voü^auc^eu, ^t^^H.cy^^xjL'SS^Äi, 



24 18. Schön 1849. 

schwanden. Schon 1810 fragte der Staatskanzler bei Graf Dohna 
vergebens nach. Ew. Excellenz haben den Trost, über die ver- 
wirrten Ereignisse sich bei der Wissenschaft zu stärken; möge eine 
günstigere Wendung der vaterländischen Angelegenheiten Ihnen und 

uns Allen aufgehen! Mit grösster Verehrung 

Pertz. 
Berlin den ISten August 1849. 

18. Schon an Pertz. ^) 

Pr. Amau den 25. Äugst. 49. 

Ew. Hochwohlgeboren gefällige Zuschrift vom 18. d. M. habe 
ich zu erhalten die Freude gehabt, und mit meinem Danke dafür, 
nehme ich die gütige Zusage wegen des Ersten Bandes von Steins 
Lebensbeschreibung ergebenst an. Gerne möchte ich Ew. Hoch- 
wohlgeboren Alles mittheilen, was ich von Stein weiss, meine und 
über ihn geschrieben habe. Aber das letzte ist theils in 
Briefen, von denen ich in der Regel keine Abschriften behalte, 
theils in einzelnen Aufsätzen enthalten, welche ich bei Freunden 
niederlege. Was ich Herrn Professor Simson hiervon vorgelesen 
habe, erinnere ich mich nicht. Ueber den Standpunkt Steins in 
Memel und Königsberg 1807 bis 1808 kann es aber nichts Anderes 
sein, als was ich Ew. Hochwohlgeboren in meinem Schreiben vom 
5. Januar v. J. mittheilte. Mit Steins Ankunft in Memel hörte die 
Wirksamkeit der Immediat-Commission als Königl. Cabinet und 
oberste Regierungs-Instanz auf, und sie wurde als General-Departe- 
ment nur oberste Verwaltungs-Behörde. 

Oder sollte Herr Prof. Simson vielleicht in Frankfurt durch 
Arndt Kenntniss von einem Briefe erhalten haben, den ich vor 
einigen Monaten an Schlosser in Heidelberg über Stein schrieb? 
und sollte er das, was ich ihm in Amau mittheilte, mit diesem 
Briefe vermischen? Für diesen Fall, (da ich Ew. Hochwohlgeboren 
gegenüber, offenen Kopfes wie offenen Herzens gerne dastehe) lege 
ich Abschrift dieses Briefes bei.^) Es betrübte mich, dass der 
ideenreichste Universal-Historiker dieser Zeit, dass Schlosser im 
letzten Bande seiner Geschichte des 18. Jahrhunderts uns Preussen 
nur als Marionetten darstellt, welche nach Steins Pfeife tanzten, 



1) Eigenhändiges Concept. 

2) Er ist nach Sohön's Concept „Aus den Papieren" I S. 84 ff. gedruckt, 
unter Weglassung des Einganges und einiger Stellen im Text bei Pertz, Leben 
Stein's III S. I 649 ff. Man wird wohlthun, die Auseinandersetzung in „Zu 
Schutz und Trutz am Grabe Sohön's** S. 320 ff. zu vergleichen. 



19. Pertz 1849. 25 

und dass er dadurch in dem grössten Momente der neuen Zeit; die 
Stimme Gottes, Vox populi Vox Dei, ganz bei Seite schob. Und 
deshalb schrieb ich über den Gang dieser grossen Zeit den bei- 
liegenden Brief. Er wird für Ew. Hochwohlgeboren zugleich Com- 
mentar des vorletzten Satzes meines Briefes vom 5. Januar v. J.^) 
an Sie seyn. 

Ew. Hochwohlgeboren haben Recht, dass ich mich über die 
verwirrten Ereignisse der Gegenwart bei der Wissenschaft zu stärken 
suche, ich bin zwar zu alt, um mich Einem wissenschaftlichen Zweige 
so ganz hingeben zu können, dass ich die Gegenwart vergessen 
könnte, aber ich klammere mich fest an die ideellen Höhen, um 
das gemeine Getreibe der Zeit, als Erscheinung vorüber gehen sehen 
zu können. Philosophie und Poesie (Kant und Shakespeare) heben 
über alle gemeine Zeit hinweg, und Macaulay,^) der historische 
Prophet, regt für beide an: 

What shall be must be. 

Erhalten Ew. Hochwohlgeboren mir ein gütiges Andenken. 

S. 

19. Pertz an SchSn. 

Berlin den 5*«»» Nvbr. 1849. 
Ew. Excellenz gewogentliche Mittheilung über die Ostpreussisch- 
Litthauischen Verhältnisse im Januar 1813 habe ich erhalten und 
mit lebhafter Theilnahme gelesen; diese Erzählung ergänzt und 
vervollständigt dasjenige, was Stein darüber selbst hinterlassen hat, 
und werde ich sie an betreflfender Stelle dankbar benutzen. Ew. 
Excellenz ürtheile über Schlosser vermag ich in seiner Allgemein- 
heit nicht beizustimmen; er hilft sich oft durch sehr gewagte An- 
nahmen wo die Thatsachen ihn widerlegen, und sein Bestreben, 
Selbständig zu sehen, verfehlt nicht selten seines Zieles, da er nicht 
die Ausdauer hat, den Gegenstand von allen Seiten zu erwägen. 
Ich hoffe, Ew. Excellenz werden z. B. über Wesen des Fürsten- 
bundes und Steins Theilnahme daran ein ganz anderes Urtheil als 
das zweite Schlossersche') begründet finden, wenn Sie der Darstellung 

1) Oben S. 19. Zur Sache vgl. J. G. Droysen in der Allgemeinen 
Monatsschrift 1851, II S. 162 f. 

2) Die beiden ersten Bände von Macaulay's „History of England from 
the accession of James 11' ' waren damals eben erschienen. 

3) Schlosser, Geschichte des 18. Jahrhunderts, dritter Zeitraum, erster 
Abschnitt, Kapitel 4, § 3, III S. 332 der 5. Auflage: „An diesem Bunde, durch 
welchen die angesehensten deutschen Fürsten sich ganz öffentlich und eigent- 



26 20. Schön 1849. 

in der Anlage,^) welche ich Ihrer Nachsicht empfehle, als aus den 

Acten geschöpft, vertrauen dürfen. 

Ew. Excellenz gewogentlichem Andenken empfehle ich mich 

verehrungsvoU ganz gehorsamst 

Pertz. 

20. Schon an Pertz.^) 

Preu8s. Amau d. 15*«° Nov. 49. 

Ew. Hochwohlgeboren danke ich verbindlichst für das herr- 
liche Geschenk, welches Sie mir mit Steins Leben gemacht haben. 
Es brachte mehrere Ereignisse der früheren Zeit vor meine Seele. 
Bei einzelnen Stellen des Buchs sah ich den verewigten hochver- 
ehrten Freund im Geiste vor mir stehen. Wo die Farben zum 
hohen Bilde nicht ganz stimmten, sind diese doch angedeutet, und 
so ist das Bild licht und gut erhalten. 

Nur bei einigen Stellen des Buchs habe ich mir Vorwürfe ge- 
macht, dass ich Ihnen darüber nicht Mittheilung gemacht hatte, 
z. B. in der Tresor- Schein-Sache, wo ich Stein offen entgegen 
treten musste, und dies doch Basis unseres nahen Verhältnisses 
wurde; über Steins Verhältniss zu Schrötter; über Steins amtlichen 
Schriftwechsel mit dem Ministerio, und besonders über die Be- 
setzung von Hannover von Mortier u. s. w. Diesem Buche wird 
aber bald eine 2'® Auflage folgen, und für diesen Fall bin ich zu 
jeder Mittheilung bereit. Ueber Schlosser werden wir uns ver- 
einigen, wenn ich zugebe, dass er im Sammeln von Notizen nicht 
sorgfältig genug ist, wie ich ihm dies in meinem Briefe über Stein 
vor Augen gestellt habe. 

Aber sein Streben, jeden Charakter und jedes charakteristische 
Ereigniss, als Moment des grossen Menschen-Ganges darzustellen, 
welches besonders in seinem Napoleon zu Tage kommt, und so der 
einzelnen Thatsache nur durch die Idee, deren Verkörperung sie 
fördern soll, Wichtigkeit zu geben, das macht mir ihn werth. Der 



lieh ohne Noth und Zweck von ihrem Kaiser gewissermassen lossagten, 
nahmen nur Trier, Köln, Münster, Hessen-Darmstadt, Würtemberg, Olden- 
burg und Anhalt-Zerbst keinen Antheil. üeber diesen sogenannten Fürsten- 
bund wird viel Lärm gemacht. Es wird darüber, wie in Deutschland stets 
geschieht, viel geschrieben und gedruckt, als aber Friedrich im folgenden 
Jahr starb, zersprang das ganze Machwerk desselben wie eine Luftblase, 
ohne dass auch nur eine Spur weiter gefunden ward." 

1) Dem ersten Bande von Stein's Leben. 

2) Eigenhändiges Concept. 



20. Schön 1849. 27 

herrlichen Stelle Ihres Buchs pagina 356 liegt eben dies Princip 
zu Grunde, 

In unserem öffentlichen Leben wird die Verwirrung und die 
Summe der Widersprüche in sich immer grösser. Es liegt im 
Wesen eines constitutionellen Staats, wie auch alle Staaten dieser 
Art zeugen, dass das Ministerium, weil es Material und Hand- 
werkszeug zu Gestaltung von Ideen am vollständigsten haben kann, 
in den Volksversammlungen Ideen wecke und als Standarten vor- 
leuchten lasse, wenn nicht die Versammlung in einen rohen Haufen 
ausarten soll. Schon das Camphausen'sche Ministerium^) zeigte hierin 
seine gänzliche Unfähigkeit, und der Erfolg liegt zu Tage. Und 
damals waltete nur Ignorantia vor, jetzt aber macht der voll- 
ständigste Error (perversa scientia) sich breit. Alle Justiz-Ein- 
richtungen sollen nur dahin führen, die Idee der Gerechtigkeit im 
Volke lebendig zu machen und lebendig zu erhalten, und unsere 
neue Justiz-Einrichtung geht dahin, jede Spur der Idee der Ge- 
rechtigkeit im Volke zu vernichten. Die jetzige Einrichtung voll- 
ständig durchgeführt, muss das Volk von der Masse zunftmässig 
ausgelemter und gehörig gedrillter^) Juristen, geistig erdrückt 
werden. Bis zur Karrikatur stellt sich bei dem Cultur-Stande 
unseres Volks jetzt unsere Geschworenen-Institution. Sie soll die 
Blüthe der Einrichtung sein, um das Volk zur Gesetzlickeit zu führen, 
aber ihr fehlen Wurzel, Stamm, Zweige und Blätter, denn es fehlt 
ihr wie in England das Friedensrichter- Wesen, und die Quarter- 
Sessions mit der grossen Jury, welche Fundament und Basis der 
Geschworenen-Gerichte in England sind. Im Gewerbe-Wesen tritt 
unser Ministerium als erbitterter Feind der Vorsehung auf. Gegen 
Alles, was seit 100 Jahren in diesem Fache geschehen oder auch 
nur gedacht ist, zieht es förmlich zu Felde. Es werden bald wieder 
Reichstags-Beschlüsse gegen den blauen Montag, und gegen Ge- 
sellen-Unfug nöthig werden. Und selbst darin zeigt man sich un- 
wissend. Die öffentlichen Blätter sagen, dass das Ministerium dar- 
über deliberire, welches Meisterstück von Barbieren zu fordern sei, 
und um diese Streitfrage in Stein*scher Art auf einmal zu ent- 
scheiden, ist es doch bekannt, dass in der alten guten Zeit der 
angehende Barbier in Gegenwart der Altmeister als Meisterstück 
ein Ferkel gehörig einseifen und proberecht barbieren musste. 



1) Das Märzministerium von 1848. 

2) Dieses Wort ist nicht mit vollständiger Sicherheit zu lesen. 



28 21. Pertz 1850. — 22. Schön 1850. 

Lebte doch Stein noch, er fände so vollauf Gegenstände zu Witz 
und Humor, dass er seinen spottenden Geist in vollem Leben er- 
halten müsste, um nicht von der Masse überwältigt zu werden. 
Genug! 

Gott erhalte Ew. Hochwohlgeboren wohl. 

Schön. 

21. Pertz an SchSn. 

Ew. Excellenz beehre ich mich, den 2'*^ Band des Lebens 
Steins mit dem Wunsche zu überreichen, dass er Ihres Beifalls 
nicht minder als der erste werth sein möge. Jede Belehrung über 
den Inhalt, jeden Nachtrag werde ich mit dem lebhaftesten Danke 
empfangen, und bitte Ew. Excellenz doch die Nachträge zum 
^Bten Bande über das Verhältniss Steins zum Minister v. Schrötter 
nnd die Tresor-Scheine mir geneigtest mittheilen zu wollen. 

Wir sehen hier jetzt eine nord- und westdeutsche Macht 
bilden,^) immer besser als die klägliche Politik der vier König- 
reiche und Oestreichs, wobei wir, wie 1805 und 1806, jeder Einzelne 
dem Feinde zur Beute fallen würden. Gelernt aber haben die 
Leute aus der Geschichte so gut als — Nichts. 

Mit den besten Wünschen für Ew. Excellenz Gesundheit und 

Wohlsein empfehle ich mich verehvungsvoU und ganz gehorsamst 

Pertz. 
Berlin den 15ten Mai 1850. 

22. Schon an Pertz.^) 

Prss. Aman 22. May 50. 
Ew. Hochwohlgeboren danke ich verbindlichst für die gefällige 
Uebersendung des 2. Theils von Steins Leben, ich habe die Schrift 
mit Interesse gelesen. Was das Verhältniss des Ministers v. Schrötter 
zu Stein und die Tresor-Schein-Sache betriflft, so ist die Zeit, in 
der beide Männer nahe standen, und die Papier-Geld- Angelegenheit 
in diesem 2*®^ Bande schon abgethan, so dass keine Gelegenheit 
mehr sein dürfte, von meinen Mittheilungen Gebrauch zu machen. 

ich wiederhole meinen ganz ergebensten Dank. 
S. 

1) Pertz meint die preassische Union, welche durch die Olmützer 
Ponctationen und die von Preussen schliesslich mit durchgeführte ,, Bundes- 
execution'' in Kurhessen ein so schmachvolles Ende fand. 
2) Eigenbändigea Concept. 



23. Pertz 1851. — 24 Schön 1851. 29 

23. Pertz an SchSn. 

Ew. Excellenz beehre ich mich den soeben vollendeten 3^° Band 
von Steins Leben hieneben ganz gehorsamst zu überreichen, und 
wünsche ihm Ihre Zufriedenheit. Das günstige Augurium, welches 
Sie dem Werke beim ersten Erscheinen stellten, hat sich rasch 
erfüllt; vom P^" und 2^° Bande sind bereits neue Auflagen nöthig 
geworden, vom 3*®° wird bereits auch eine zweite gedruckt, und 
den 4^®^ hoffe ich Ew. Excellenz noch im Laufe dieses Jahres vor- 
legen zu dürfen. 

Mit grösster Verehrung empfehle ich mich Ew. Excellenz 

ganz gehorsamst. 

Pertz, 
Berlin den 12ten März 1851. 

24. SchSn an Pertz. ^) 

Pr. Amau d. 30ten März 1851. 

Mit Ew. Hochwohlgeboren gefälligem Schreiben vom 12. d. Mts. 
habe ich den 3*®° Band von Steins Leben erhalten und ermangele 
nicht für dies Geschenk ganz ergebenst zu danken. Aber den 
grössten Dank statte ich Ihnen für die Freude ab, welche mir der 
Inhalt dieses Buches gemacht hat. Da steht Stein in seiner Grösse 
da! Im 1*®° und im 2^° Bande fand man, wie Kant solche Charactere 
zu bezeichnen pflegte, einen wackern Mann, und wenn man die im 
lt«n und im 2^®" Bande dargestellten vorzüglichen Characterzüge ihrer 
Veranlassung nach, so nahe betrachten kann, wie dies bei mir der 
Fall ist, dann bleibt die gute That zwar immer als solche stehn, 
aber sie stellt sich nicht, weil sie, wenn auch nicht oft, ihresgleichen 
findet, als seltene Charactergrösse dar. Im Jahre 1805 und 6 waren 
alle Minister über die damalige Cabinets-Regierung empört, und 
diejenigen, welche dagegen auftreten konnten, und auch die Ab- 
sicht hatten, z.B. Schrötter, Hardenberg p.p., zögerten nur damit, 
weil ihre Entlassung auf ihrePrivat- Verhältnisse einen ungünstigen Ein- 
fluss [gehabt] haben würde. Diese Rücksicht fand bei Stein nicht statt. 
Durch das Einkommen von Nassau und durch das bedeutende Ver- 
mögen seiner Frau stand Stein unabhängig da. Die zweite wichtige 
Handlung ist die Verweigerung der Annahme des auswärtigen De- 



1) Dictirtes Concept, von Schön eigenhändig corrigirt. Den l^taiÄ^ 
Absatz und die Unterschrift hat Schön eigenhändig \v\xl'L"V3l^'5Sxsl^. 



30 24. Schön 1851. 

partements. Damals war aber nicht allein in Königsbergs sondern 
in ganz Ostpreussen die Stimme für Hardenberg so laut, dass Stein 
an Achtung verloren haben würde, wenn er dies Departement an- 
genommen hätte. Alle andern wichtigen Thatsachen sind mehr ein 
Aufnehmen und Zulassen und Würdigen, und den Forderungen der 
Zeit und den Verhältnissen folgend, als aus dem Geist und Gha- 
racter Steins unmittelbar entsprungen, anzusehen. 

Im 3^" Bande steht aber der Mann, der Alles an eine Idee 
zu setzen im Stande war, und diesem Leben Alles unterordnete, in 
seiner Grösse und Herrlichkeit, in voller Glorie da! 

Wenn ich früher an Ew. Hochwohlgeboren oder an Professor 
Schlosser oder an Professor Droysen schrieb: Vor dem Stein, wel- 
cher der Idee des Vaterlandes mit ganzer Seele und mit vollem 
Herzen lebte, beuge ich michl^) dann giebt Ihr 3*®' Band von Steins 
Leben die Thatsachen und Argumente, welche meinen Ausspruch 
begründen. Meine Freude darüber ist gross! 

Es ist ein schönes Zeichen der Zeit, dass schon eine 2^ Auf- 
lage Ihres Buchs nothwendig ist. Der Sinn, die Empfänglichkeit 
für eine grosse Zeit, ja! man könnte sagen, die Sehnsucht nach 
dieser, nach einem höheren Leben ist also noch da, und dies ist 
ein grosser Trost in einer gemeinen Zeit. Für den Fall, das der 
3^® Band auch eine 2*® Auflage fordern wird, erlaube ich es mir, Ew. 
Hochwohlgeboren einige Bemerkungen ganz ergebenst mitzutheilen. 

1. ich ging nicht vom Verwaltungsrathe ab und nach Gum- 
binnen zurück, weil Stein nicht preussisch genug gesinnt war. Im 
Gegentheil weiss ich mich keinen Moment zu erinnern, wo Stein 
nicht bemüht gewesen wäre, Preussen zur grössten Höhe zu bringen. 
Wenn Arndt das Gegentheil andeutet, so ist dies wohl dadurch zu 
erklären, dass Stein während dem WaflFenstillstande Arndt sehr ent- 
fernt von sich hielt, weil dessen Aeusserungen über Russische Bar- 
barei und über Volksleben sowohl bei den Russen als bei den An- 
hängern des veralteten Preüssenthums aus gemeiner Zeit Anstoss 
fanden. 

Meiner Abreise nach Gumbinnen lag folgendes zu Grunde: 

Bald nachdem sich der Verwaltungsrath in Dresden constituirt 
hatte, zeigte der von uns gesetzte Gouverneur für beide Mecklen- 
burg, der alte, tüchtige, brave Alopaeus (der frühere Professor zu 
Abo) an, dass der Herzog von Mecklenburg-Schwerin aus Besorgniss, 



1) Der Ausspruch steht oben S. 19. 



24. Schön 1851. 31 

die Franzosen könnten wiederkommen, weder reguläre Truppen 
noch Landwehr stellen, noch einen Landsturm einrichten wolle. 
Alle Vorstellungen wären desshalb vergebens. Das Tettenborn- und 
Walmodensche Corps müsse verstärkt werden, es sei Gefahr im Verzuge. 
Da kam ich mit Stein dahin iiberein, dass hier nichts anderes 
übrig bliebe, als nach unserer Vollmacht die Souveränität des Her- 
zogs von Mecklenburg-Schwerin zu suspendiren und den Gouverneur 
anzuweisen, dass er dies dem Lande bekannt mache, und die Re- 
gierung des Herzogthums in seine Hand nehme. Zuvor sollte er 
(der Gouverneur) aber dem Herzoge selbst diesen Auftrag mittheilen, 
und so nur dann vollführen, wenn der Herzog darauf nicht un- 
mittelbar zur Bewaffnung schreiten sollte. Der Prof. Graff (der 
deutsche Sprachmann) ^), welcher mit Max v. Schenkendorf damals 
mich begleitete, setzte die Instruction für Alopaeus in meinem 
Bureau hiernach auf, und sie wurde von Stein und von mir voll- 
zogen. Dies hatte nun zwar den Erfolg, dass der Herzog von 
Mecklenburg-Schwerin mit Eifer mit der Bewaffnung wie sie von 
uns gefordert wurde, vorging, aber zugleich gingen an alle be- 
freundete Höfe von Schwerin aus die allerbittersten Klagen darüber 
ab, dass ünterthanen sich hätten anmassen können, die Souveränität 
eines Fürsten suspendiren zu wollen. Des Verlustes der beiden 
Schlachten von Görschen und Bautzen wegen blieb diese Klage 
zuerst ohne Aufmerksamkeit. Nach Abschluss des Waffenstillstandes 
kam aber unser Gesandter am österreichischen Hofe, mein Freund 
Wilhelm v. Humboldt zu uns und dieser schilderte die Aufregung, 
ja die Empörung, welche unser Verfahren gegen Mecklenburg- 
Schwerin in Wien veranlasst habe. Humboldt selbst fand es stark, 
und es kostete Mühe, ihn zu überzeugen, dass wir damals nicht 
anders hätten handeln können. Zugleich hatte unser Bemühen, 
Volksleben zu erwecken, auch keinen Beifall in Wien gefunden, um 
so weniger, da Stein und ich schon der Jahre 1807 und 1809 
wegen, in dem Rufe zu grosser Freisinnigkeit waren. Bald darauf 
wurde es sichtbar, dass unsere Gouvernements in dem Grade, als 
man sich Oesterreich näherte, von dem Verwaltungsrath nicht Notiz 
nehmen wollten. Dadurch dass man uns als abgestorben betrachtete, 
schien man Oesterreich sich geneigter machen zu wollen. Der 
Kaiser von Russland zog sich immer mehr von Stein zurück, so 

1) Eberhard Gottlieb Graff, geboren 1780 zu Elbing, 1810 Regierungs- 
und Schulrath zn Marienwerder, 1813 Mitglied des Yerwaltungsraths, 1830 
Akademiker in Berlin, gestorben 1841. 



32 24. Schön 1851. 

dass dieser in eine sehr gereizte, mitunter traurige Stimmung dess- 
halb kam. Der Weg, der, wenn Oesterreich die Oberhand bekam, 
Torauszusehen war, stimmte nicht mit dem Gedanken, welchen Stein 
über Deutschland hatte. Niebuhr hatte ihn an einem Vormittage 
so traurig aufgeregt gefunden, dass er die Möglichkeit stellte, dass 
Stein, um Ruhe zu bekommen, katholisch werden könne. Stein 
war in einer so gespannten Stimmung, dass er sich dermassen 
gegen Niebuhr verging, dass dieser mich aufforderte, sein Secundant 
zu sein, weil die Misshandlung, welche er von Stein erlitten habe, 
nur mit Pistolen ausgeglichen werden könne. Das Duell wurde 
zwar vermieden, aber bekanntlich hat Niebuhr Stein erst nach 
mehreren Jahren wiedergesehen. 

Alles dies veranlasste mich, vor dem Ende des WaflFenstill- 
standes dem Staatskanzler zu erklären: ich sehe der Aufhebung 
des deutschen Verwaltungsraths entgegen und sollte er noch be- 
stehen bleiben, so würde man ihm in jedem Fall seine Machtvoll- 
kommenheit nehmen. Dann müsste er zum Gespötte der deutschen 
Fürsten werden und dann könne ich an einem solchen Verhältniss 
keinen Theil nehmen; ich stellte ihm vor, dass es da besser sei, 
einem Verhältnisse zu entsagen als sich auflösen oder sich in ein 
gehaltloses Verhältniss setzen zu lassen, ich wolle desshalb nach 
Gumbinnen zurück gehen. Der Staatskanzler billigte es, dass ich 
an einem so abgeschwächten Verwaltungswesen, wie es zu erwarten 
war, als selbständiger Preussischer Abgeordneter keinen Theil 
nehmen wolle, verlangte aber von mir, dass ich in der Nähe des 
Kriegsschauplatzes bliebe.^) 

Sollten wir Sachsen wieder erobern, so meinte er, wäre ich 
wegen meiner Familien- Verbindungen mit Sachsen und wegen der 
Zuvorkommenheit, welche die Sachsen vor der Schlacht von Görschen 
mir bezeugt hatten (meine Frau war eine geborne v. Langenau, 
eine Schwester des Generals) zum Gouverneur von Sachsen vor- 
zugsweise geeignet. Ich theilte dies Stein mit, der die Meinung des 
Staatskanzlers billigte und folgte der Armee bis Prag. Niebuhr 
war auch da, aber sah Stein nicht. Stein stand damals noch so 
abgesondert da, dass ihm die Nachricht von den gewonnenen 
Schlachten in Schlesien erst durch mich zukam. Die Schlacht von 
Dresden ging verloren, Metternich iSng an mit Napoleon zu unter- 
handeln, es war wenig Aussicht, dass man sobald wieder würde 



1) Vgl. „Aus den Papieren" IV S. 356 ff. 



24. Schön 1851. 33 

vorgehen können. Diese Zeit wollte ich in Berlin abwarten, und 
da die Anstalten zum Vorgehen dies noch nicht sobald erwarten 
Hessen, ging ich mit dem Vorhaben, wenn es rathsam wäre wieder 
zurück zu kehren, nach Preussen zurück. Der Staatskanzler hatte 
seine Meinung wegen der Gouverneurschaft von Sachsen gehalten, 
aber Stein verlangte, dass der Schwager des Fürsten Wolchonski, 
der Fürst Repnin, der damals in zerrütteten Vermögens-Umstän den 
gewesen sein soll, Gouverneur von Sachsen würde. Summa Summa- 
rum: ich wurde nicht nach Sachsen berufen, wenngleich wahr- 
scheinlich meine Anwesenheit in Dresden in dem Grade von grossem 
Nutzen für uns gewesen sein würde, als die Repninsche Admi- 
nistration in der Meinung der Sachsen von uns überaus nachtheilig 
gewesen ist.^) Doch! ein Weiser sagt: 

Was kommt, ist recht; 
Was ist, ist gut; 
Dies ist der Kreis, 
In dessen Sphäre 
Das Gleichgewicht 
Der Seele ruht. 

Und auf das: Gut dessen, was da ist, und auf das Gleich- 
gewicht der Seele kommt es doch nur an! 

2. Bei dem Briefe von York, wahrscheinlich an Scharnhorst,*) 
in welchem er schreibt, dass er mit Mühe Stein abgehalten habe, 
die ständische Versammlung in Königsberg zu eröffnen, habe ich laut 
auflachen müssen. Eine so unbedingt keck hingestellte Lüge, welche 
nicht allein noch von Zeitgenossen widerlegt werden kann, sondern so- 
gar actenniässig durch [das] Eröffnungs-Schreiben von Stein an die 
Versammlung, das in den ständischen Akten beiSndliche, jetzt gerade 
vor mir liegende Original widerlegt wird, hat in sich etwas Inter- 
essantes. Sie streift so unmittelbar an die Grenze der Einsicht 
und des Characters, dass man dadurch in eine Spannung versetzt 
wird. Aber ich erkenne in diesem Schreiben York, wie er leibte 



1) Vgl. Schön's Selbstbiographie II, „Aus den Papieren'*, 2. Th. 3. Bd. 
S. 28 ff. 

2) Dieser Brief (bei Pertz, Leben Stein's III, S. 291 ff.) war nicht an 
Schamhorst gerichtet, sondern, wie Pertz richtig vermuthete, an den Ge- 
neraladjutanten von Thiele (vgl. „Zu Schutz und Trutz** S. 468). Ob eine 
falsche Vermuthung von Schön oder ein Gedächtnissfehler beim Dictiren vor- 
liegt, lässt sich nicht entscheiden. 



34 25. Pertz 1851. 

und lebte. Um sich höher zu stellen, selbst gegen documentale Ge- 
wissheit, sollte Stein die Folie abgeben.^) 

Erlauben Ew. Hochwohlgeboren, dass ich meinen Anfangs 
dieses Schreibens geäusserten Dank durch Wiederholung noch mehr 
kräftige und Sie schliesslich um die Erhaltung eines gütigen An- 
denkens ergebenst bitte. 

Schön. 

25. Pertz an Schttn. 

Berlin d. 18ten August 1851. 

Ew. Excellenz verehrtes Schreiben vom 14. d.*) habe ich so- 
eben erhalten, und verfehle nicht, Ihnen sogleich die kleine Schrift 
von Uwaroff über Stein und Pozzo mit der Bitte zu übersenden, 
sie nach gemachtem Gebrauch der Königlichen Bibliothek wieder 
zurück senden zu wollen.*) Sie ist, wie Sie rasch erkennen werden, 
weit weniger bedeutend als man hätte vermuthen mögen. Der 
4*® Band von Steins Leben ist im vollen Drucke, nicht der Censur, 
der Familie,*) sondern der Presse, und hoflfe ich ihn Ew. Excellenz 
noch im Laufe des Herbstes vorlegen zu können. Dass die Stein'sche 
Familie auf irgend eine Weise gehindert hätte, oder gar dem Druck 
Schwierigkeiten in den Weg gelegt, ist so vollkommen unwahr als 
je eine Zeitungslüge. Im Gegentheil hat mir die Frau Gräfin Kiel- 
mansegge*) bei ihrem neulichen Besuche, so wie ihr Mann, das 
lebhafte Verlangen nach Beendigung des ganzen Werks bezeugt, 
und von der Frau Gräfin Giech®) ist eben so wenig eine Einsprache 
geschehen. Die ganze zuerst nach dem Erscheinen des 2^^ Bandes 
ausgebreitete und nach dem Erscheinen des 3^° Bandes wiederholt 
ausgebreitete Lüge scheint auf eine hiesige Coterie zurück geführt 
werden zu können, welche Geschehenes gern ungeschehen machte. 



1) Im Concept steht hier noch, ist aber ausgestrichen worden: „Augen- 
blickliche Schlauheit war bei York in der Regel der Grandton, und wenn 
dieser in einem Manne zum Prinzipe sich erhebt, dann ist dieser wenigstens 
eine interessante Erscheinung, wie York es auch wirklich war." 

2) Dieser Brief findet sich nicht in Schön's Papieren. 

3) Vgl. „Aus den Papieren*', Anhang zum 1. Thl. 2. Band S. 255 ff., 
wo auch eine deutsche TJebersetzung von TJwarow's Schritt mitgetheilt ist, 
und Schön's Brief an Droysen vom 4. Februar 1852, unten Nr. 94. 

4) Vgl. den Brief Schön's an Droysen vom 15. August 1851, unten 
Nr. 89. 

5) Stein's Tochter Therese. 

6) Stein's Tochter Henriette. 



26. Pertz 1851. 35 

Die Müflning'ßchen Memoiren^) finden hier lauten Widerspruch. 
Schon von mehreren Seiten habe ich gehört, dass die Thatsachen 
geradezu geleugnet werden. Wer glaubt denn wohl, dass Deutsch- 
lands Wiedererhebung und Befreiung von Müflfling und dem Gross- 
herzog von Weimar ausgegangen sei? Der Prinz Wilhelm hat er- 
klärt, was von ihm angeführt werde, sei nicht wahr, so die Erzäh- 
lung von dem Ermordungsversuch Napoleons — der Prinz sei nie 
mit Napoleon in einem Wagen gefahren.*) General von Scham- 
horst,') von dem ich das hörte, sagt, auch was ihn angehe, sei 
nicht so gewesen. General von Aster*) sprach mit Bedauern da- 
von, wozu das Alter verführe, da Müffling übrigens Verdienste genug 
gehabt habe, um keiner fremden zu bedürfen. Die Gneisenauschen 
Papiere sollen sehr reich sein, so wird die gründliche Beleuchtung 
dieser Unwahrheiten nicht ausbleiben. 

Mehr Vergnügen werden Ew. Excellenz die Memoiren des 
Generals v.Wolzogen^) machen; man sieht da den einfachen, wahren 
Erzähler des Selbsterlebten. 

Ew. Excellenz empfehle ich mich mit grösster Verehrung und 

ganz gehorsamst 

Pertz. 

26. Pertz an Schttn. 

Ew. Excellenz beehre ich mich den 4'«^ Band von Steins 
Leben mit dem Wunsche zu überreichen, dass er Ihnen die Erinne- 
rung an jene Zeit treu zurückrufen möge. Nach Beendigung des 
5*®° Bandes, womit ich jetzt beschäftigt bin, hoflfe ich Gneisenau's 
Leben zu bearbeiten, und erlaube mir die ganz ergebenste Bitte, 

1) Aus meioem Leben. Friedrich Carl Ferdinand Freiherr von Müff- 
ling, sonst Weiss genannt. Berlin 1851. 

2) Die Geschichte von dem geplanten Mordversuch steht bei Müff- 
ling a. a. 0. S. 27. Vgl. Pertz, Leben Gneisenau's I S. 442. Die Kritik von 
Pertz ist etwas mechanisch und schiesst über das Ziel hinaus, indem sie 
sich an einen einzelnen Umstand heftet. Ueber den Anschlag selbst be- 
richten, in den Einzelnheiten von Müffling abweichend, auch der Kanzler 
von Müller, Erinnerungen S. 255 und Steffen's, Was ich erlebte VI S. 171 ff. 

3) General der Infanterie Wilhelm von Schamhorst, der Sohn des Re- 
Organisators der preussischen Armee, geboren 1786 zu Hannover, gestorben 
1854 zu Ems. 

4) Ernst Ludwig von Aster, geboren 1778 zu Dresden, seit 1814 in preussi- 
schen Diensten, der Erbauer der Festung Koblenz, gestorben zu Berlin 1855. 

5) Memoiren des kgl. preussischen Generals der Infanterie Ludwig 
Freiherrn von Wolzogen. Aus dessen Nachlasse mitgetheilt von Alfred 
Freiherm von Wolzogen. Leipzig 1851. 



36 27. Schön 1851. 

dass Ew. Excellenz mir doch aus Ihren reichen Erinnerungen 

einige Beiträge zu gewähren sich entschliessen könnten. 

Mit grösster Verehrung empfehle ich mich ganz gehorsamst 

Ot. H. Pertz. 
Berlin den 12ten Dec. 1851. 

27. Schttn an Pertz.^) 

Pr. Aman den 28^» Decbr. 51. 

Ew. Hochwohlgeboren ermangele ich nicht für das mir gütigst 
gemachte Geschenk im 4^®^ Bande von Steins Leben, meinen Dank 
ganz ergebenst abzustatten, ich habe auch diesen Band mit hohem 
Interesse gelesen, ja! er wurde mir dadurch noch wichtiger, als es 
die früheren waren, weil dieser 4^« Band das Bild vollkommen be- 
stätigt, welches ich von Stein habe, wie es Ew. Hochwohlgeboren 
kennen.*) In den Verhandlungen in Wien und Paris bleibt der 
Grosse Mann auf seiner Höhe stehen. Aber eben diese Verhand- 
lungen zeigen auch den Widerspruch, welcher zwischen Stein in 
diesen Verhandlungen und der Firma Uegt, welche das Testament 
vom Jahre 1808 fuhrt. Sie bestätigen die Bedenken, welche Stein 
hatte, dem Testamente seine Firma zu geben und beweisen, dass 
er zu dieser Firma ohne eigene Ueberzeugung, nur veranlasst 
sein kann. 

Ew. Hochwohlgeboren haben jetzt in 4 Bänden Berge von 
Farben-Studien und Skizzen zu einem herrlichen Bilde zusammen 
gebracht. Sie haben so viel zusammen gebracht, dass es für den, 
der Stein nicht kannte, oder in seiner Zeit nicht lebte, schwierig 
sein muss, das Bild von Stein vollständig sich aufzustellen. Sie 
sollten jetzt im 5^^ Bande, indem Sie die ersten 4 Bände als 
Material betrachten, ein philosophisch konstruirtes vollständiges*) 
Bild von Stein geben, welches bey allen reichsfreyherrlichen, 
Göttinger, Wiener und Pariser Mängeln und Schwächen, dochl 

„einen Grossen Mann'' 
darstellt. Der Brief des alten Fürsten von Dessau,*) müsste mit 



1) Eigenhändiges Concept. Dieses Concept ist dann von anderer Hand 
abgeschrieben und diese Abschrift nochmals von Schön durchgesehen und 
unterzeichnet worden. 

2) So in der Abschrift. Im Originalconcept steht: „von mir mit- 
getheilt worden ist.** 

3) In der Abschrift fehlt „vollständiges**. 

4) Der Brief steht bei Pertz, Leben Stein's IV S. 9. Darin kommt 
die Stelle vor: „Ich muss Ew. Excellenz meinen innigsten gerührtesten 



28. Schön 1851. 37 

goldenen Lettern dem Bilde vorgedruckt werden. So hätte Mit- 
nnd Nachwelt ein Vorbild, ich würde die Art von Cornelius Nepo8 
dazu vorschlagen. Wie Aristides unbedingt der Idee der Gerechtig- 
kei!; lebtC; so Stein der des Vaterlandes. Aristides mag auch über 
Staat und Staatsgestaltung, wie die damaligen Staaten annehmen 
lassen, nicht klar gewesen sejn, er mag auch über Souveränität, 
Volks- und Patricier- (Fürsten-) Recht und Reichs-Ctericht, wie schon 
das Scherbengericht zeigt, manche griechische spiessbürgerliche 
(Reichsfreyherrliche) Gedanken gehabt haben. Er lebte einer Idee 
und unbedingt, und war deshalb wie Stein, 

ein Grosser Mann. 



Verstatten Ew. Hochwohlgeboren mir gütigst meine ergebenste 
Empfehlung. g^j^^^^ 

28. Zusatz zu vorstehendem Brief. ^) 

ich nehme an, dass wie der erste Theil, die folgenden Theile 
eine 2^ Auflage fordern werden. Für diesen Fall erlaube ich mir 
Folgendes : 

Zu der Stelle, in welcher ich erzähle, dass ich durch den 
Major vonPlotho im Januar 1813 Stein hätte erklären lassen, dass, 
wenn dem Eroberungsgelüste des Marquis Paulucci nicht sofort 
eine Grenze gesetzt werden sollte, ich das Land gegen die Russen 
aufzubieten genöthigt seyn würde, haben Ew. Hochwohlgeboren be- 
merkt, dass diese Drohung wohl Wenig auf sich habe.*) Dies wirft 
einen Schatten von Spiegelfechterey auf meinen Charakter, obgleich 
jede Fanfaronade meinem Wesen und meinem Charakter, durchaus zu- 
wider ist; ich konnte damals bestimmt so sprechen, wie ich sprach 

Dank darbringen für das Glück, was unserm gemeinschaftlichen Yaterlande 
wieder aufblüht. Was wäre Deutschland, was Europa^ wenn Ew. Excellenz 
nicht waren?!** 

1) Im Originalconcept steht dieser Zusatz vor der Schiassphrase. 
Schön hat ihn bis auf den letzten Absatz durchgestrichen und am Rande 
bemerkt: „bleibt weg, weilPertz meinen damaligen Standpunkt, doch nicht 
zu fassen, im Stande seyn würde.** Vgl. oben Nr, 17 und dazu »Aus den 
Papieren« V. S. 246. 

2) „Diese Drohung schlug natürlich an taube Ohren. Stein konnte sie 
nicht einmal dem Kaiser vortragen; sie musste der Lage der Dinge nach, 
wie sie ihm bekannt war, völlig wirkungslos erscheinen, und würde beider 
allgemeinen Stimmung der Provinz keine Ausführung gefunden haben; aber 
sie zeugte von dem ehrenwerthen Sinn, worin die Provinz ihre Unab- 
hängigkeit gewahrt wissen wollte.** Pertz, Leben Stein's III S. 586. 



38 29. Pertz 1853. 

und war sehr entschlosseD; meine Drohung auszuführen, ich war 
amtlich dazu autorisiert, ich wusste, wie ich mit York stand, dem 
der Französische Marschall-Stab noch leuchtete.^) Macdonald mit 
York und hier noch dazu mit Hilfe des Landes hätten das Wittgen- 
steinsche Corps, welches Preussen besetzt, gleich zermalmt, die 
Franzosen standen noch an der Weichsel, und ich stand zum Volke 
in Preussen damals so, dass, wenn ich ausgerufen hätte: 

Wir sollen Russen oder Sklaven werden, 
das ganze Land, noch mit grösserem Enthusiasmus, als es gegen 
die Franzosen bezeugte, aufgestanden wäre. 

ich wünsche nur, da die speciellen Umstände nicht in Ihr 
Buch gehören, dass dadurch, dass jede Bemerkung dazu unterbleibt, 
der in dem früheren Theil angedeutete Schein der Spiegel-Fechterey 
entfernt werde. 

S. 

29. Pertz an Schttn. 

Ew. Excellenz wollen es gütigst entschuldigen, wenn ich im 
Vertrauen auf Ihre Gewogenheit mir eine Anfrage erlaube, deren 
Gegenstand nur Sie allein auflösen können. 

Bei meiner Anwesenheit in London erwähnte der Königl. 
Gesandte Geheimrath Bunsen von Ew. Excellenz vernommen zu 
haben, dass der Minister von Stein einige Jahre vor seinem Tode 
alles dasjenige widerrufen haben solle, was er in Memel und Kö- 
nigsberg 1807 und 1808 anzuordnen in der Lage gewesen sei. 
Der Herr Gesandte setzte hinzu. Stein habe diesen Widerruf einer 
Ew. Excellenz befreundeten Person gegenüber ausgesprochen.*) 

Es sind mir nun allerdings Aeusserungen bekannt, welche 
darauf hinzudeuten scheinen, dass Stein in späteren Jahren die 
Nothwendigkeit raschen Handelns in der Verwaltung bedauert hat, 
also doch in seiner eigenen Erfahrung und Verwaltung bestimmte 
Gründe dafür gehabt haben muss; auch finden sich Aeusserungen 
über einzelne Gegenstände, z. B. die Patrimonialgerichtsbarkeit, 
welche eine andere Ueberzeugung ausgeben; dagegen ist er, wie 
die vollständigen Papiere erweisen, bis zum Augenblicke seines 
Todes in vollständigem Einverständniss mit den wesentlichen An- 
ordnungen geblieben, der Aufhebung der Erbunterthänigkeit, der 



1) Er war ihm Ende November oder Anfang December 1812 in Aus- 
sicht gestellt worden. Vgl. Droysen, Leben York's I S. 430 (1. Aufl.) 

2) Das ist richtig. Vgl. unten den Brief Schön's an Bunsen Nr. 54. 



30. Schön 1853. 39 

Städteordnung, den Grundsätzen der Verwaltung, Landrath, Pro- 
vinzial- und Beichsstände, Abschaffung der Standesvorrechte im 
Dienst, und es findet sich kein Grund, von einer allgemeinen Zu- 
rücknahme seiner Ueberzeugungen zu reden. Da es mir beim Ab- 
schluss der Lebensgeschichte darum zu thun ist, auch in dieser Be- 
ziehung die Wahrheit zweifellos herauszustellen, so würde es mir 
wichtig sein, das Wahre über jenen angeblichen Widerruf zu er- 
fahren, und erlaube ich mir daher die gehorsamste Bitte, dass Ew. 
Excellenz geneigen möchten, mich gewogentlichst davon zu unter- 
richten, gegen wen Herr v. Stein jenen Widerspruch ausgesprochen 
hat, und mir zugleich gütigst zu erlauben, mich gegen die betreffende 
Person auf Ihr Zeugniss in dieser Hinsicht beziehen zu dürfen. 

In der Hoffnung einer geneigten Gewährung und in der Hoff- 
nung, Ew. Excellenz nächstens den 5*«*^ Band des Lebens des Mi- 
nisters von Stein vorlegen zu dürfen, empfehle ich mich in grösster 

Verehrung ganz gehorsamst 

G. H. Pertz. 
Berlin den 11. December 1853. 

30. Schttn an Pertz. ^) 

Pr. Arnau bei Königsberg i. Pr. den 20*«" December 1853. 

Vor Allem bitte ich um Nachsicht dafür, dass ich diesen Brief 
nicht selbst schreibe. Bei anhaltendem Schreiben macht die alte 
Hand undeutliche Schriftzüge, daher bin ich genöthigt dictirend 
schriftliche Mittheilungen zu machen. 

Dann erlauben Sie mir die Aeusserung, dass ihre schriftliche 
Zuspräche vom 11. d, M. mit Freude von mir empfangen worden 
ist. Die Quelle unserer Bekanntschaft ist so wichtig, dass diese 
auch immer angenehm im Gedächtniss bleiben sollte. 

Gerne will ich Ihr in der geehrten Zuschrift mir mitgetheiltes 
Verlangen so vollständig ich es nur vermag erfüllen, und dies wird 
erreicht werden, wenn ich das, was unter der Firma von Stein in 
Memel und in Königsberg aufgestellt ist, also nur speziell von ihm 
gemissbilligt werden konnte, nach dem sogenannten Steinschen po- 
litischen Testament vom Jahr 1808 hinstelle und in Absicht des 
dabei etwa stattgefundenen Widerrufs das, was mir davon bekannt 
ist, bemerke. 



1) Concept, grösstentheils dictirt, aber von Schön durchcorrigirt. Dieser 
Brief, abgesandt am 22. December, ist bereits in der Yossischen Zeitung 
1875, Sonntagsbeilage Nr. 42, abgedruckt worden. 



40 30. Schön 1853. 

Ueber Verwaltungsformell ist in der Zeit 1807 und 1808 unter 
Steins Firma nichts emanirt. ich weiss zwar^ dass Anfangs der 
Geheimrath von Beguelin und nachher Altenstein sich mit diesem 
Gegenstande beschäftigten, als aber in Königsberg von Gestaltung 
der Idee des Staats an sich die Rede war, blieb alles, was Be- 
amten-Aufstellung und Beamten-Hierarchie betraf, als aus dem 
Grundbegriflf des Staats demnächst sich selbst entwickelnd, dahin- 
gestellt, so dass ich nicht einmal die Meinung von Stein über diesen 
Gegenstand weiss. Hier kann also von keinem Widerruf oder von 
Missbilligung die Rede sein. 

Das Edikt vom 9^^ Oktober 1807 war bekanntlich vor Steins 
Ankunft in Memel in allen einzelnen Punkten vom Könige ge- 
nehmigt. Das damalige Gonseil um den König, welches bald nach 
dem Tilsiter Frieden Steins Berufung forderte, schob die Emanirung 
dieses Gesetzes bis zu Steins Ankunft auf, damit er, indem er 
diesem Gesetze durch Kontrasignatur seine Firma gab, mit einem 
grossen Akte seine Wirksamkeit eröflfne. Stein kontrasignirte dies 
Gesetz, durch welches: 

1. Die Erbunterthänigkeit und ihre Abart, Hörigkeit, vernichtet, 

2. Das ausschliessliche Recht des Adels auf Landbesitz aufge- 

hoben wurde, 

3. Der Bauernstand auf Grundeigenthum gegründet und die fidei- 

commissarischen Güter durch Erbpacht oder Erbzins in den 
allgemeinen Verkehr gebracht werden sollten. 
Nach der bald erfolgten Uebersiedelung nach Königsberg sollte 
nun mit der weitern Entwickelung des gedachten Fundamental-Ge- 
setzes unseres Staats in seinen einzelnen Theilen vorgegangen wer- 
den. Zunächst war von Aufhebung der Patrimonial-Jurisdiction und 
der gutsherrlichen Polizeigewalt die Rede. Stein liess es zwar 
geschehen, dass durch Zeitungsartikel, welche Scheffner und Süvern 
schrieben, durch ein Pamphlet, welches Schmalz schreiben sollte,^) 
und durch eine kleine Schrift des damaligen Privat-Docenten HoflF- 
mann*) das Publikum darauf vorbereitet wurde. Da trat aber ün- 
erwartet der Fall ein, dass einer unserer ersten Landstände, auf 
dessen Beistand und Mitwirkung gerechnet war, die ihm übermachte 
Hoffmannsche Schrift zurückschickte, indem er keinen Antheil an 
einer solchen Massregel nehmen wolle. Dies machte Aufsehen, aber 

^) Vgl. „Aus den Papieren" I S. 50 f. und die Anlagen daselbst 
S. 68 f. 

2) Vgl. oben S. 17. 



30. Schön 1853. 41 

noch mehr Aufsehen machte bei Steins Freunden dessen Gleich- 
giltigkeit bei dieser Protestation und noch mehr dessen spätere 
Erklärung, dass man bemüht sein müsse, jenen protestirenden Land- 
stand in eine allgemeine Wirksamkeit zu versetzen. Stein versagte 
aber nicht im allgemeinen seine Zustimmung zu den Massregeln, 
welche als Folge des Edikts vom 9*®° Oktober 1807 zu nehmen 
wären, und so verhallten die Zweifel, welche über Klarheit bei Stein 
in dieser Sache entstanden waren. Stein forderte vor Allem eine 
Städte-Ordnung und wollte den Einwand nicht gelten lassen, dass 
eine Städte-Ordnung ohne eine Land-Ordnung nur eine halbe Mass- 
regel sei. Diese Sache kam in die Hände des Ministers von Schrötter. 
Und dies war ein Glück für sie! denn Schrötter, befreundet mit 
den in Königsberg lebenden geistreichen Männern, wandelte den 
Grundgedanken Steins: Eine Städte-Ordnung nach dem Vorbilde 
der deutschen Reichsstädte aufzustellen mit Hilfe seines Raths, des 
Geheimraths Wilkens in ein aus der Natur der Sache construirtes 
Werk, wie es für die damalige Zeit passend war, um, und Stein, 
von dem der Grundgedanke allein ausgegangen war, trat diesem 
Vorschritt in der Entwickelung unseres Staats bei. 

Stein musste im Frühjahr 1808 nach Berlin reisen, um wegen 
unserer Kriegskontribution mit Daru ein Abkommen zu treflfen. 
Napoleon hatte als seinen Repräsentanten bei der Verwaltung 
unseres Staats Bignon in Berlin hingestellt. Dies machte unserer 
Seits einen gleichen Repräsentanten nothwendig. Der dazu er- 
nannte Geheimrath Sack^) hatte sich in diesem Verhältniss unbe- 
hilflich benommen und seine Entfernung, zu welcher die Lobredner 
der alten Preussischen Einrichtungen in der Mark wesentlich bei- 
trugen, war nothwendig. Stein bei seiner Anwesenheit in Berlin 
wählte an Sack's Stelle den schon früher verabschiedeten Minister 
von Voss.^) Dieser Mann galt als einer der Hauptopponenten dessen, 
was in Memel und in Königsberg geschehen war und geschehen 
sollte. Als Hardenberg im Jahre 1807 an die Spitze der Ge- 

1) Julius August Sack, geboren 1764 zu Cleve, 1816 Oberpräsident 
von Pommern, gestorben in Stettin 1831. 

2) Otto Karl Friedrich von Voss, geboren 1755 zu Berlin, Bruder der 
Mätresse Friedrich Wilhelms II., 1780 Eath bei der mitteimärkischen 
Ritterschaft, 1786 Präsident der kurmärkischen Kriegs- und Domänen- 
kammer, 1789 Staatsminister, 1793—95 mit der Verwaltung von Südpreussen 
betraut, 1798—1806 mit der von Südpreussen, Pommern und der Neumark, 
1807 entlassen, 1822 Vicepräsident des Staatsministeriums, gestorben zu 
Berlin am 30. Januar 1823. 



42 30. Schön 1853. 

Schäfte trat; und dadurch seine Sichtung bekundete, dass er Nie- 
buhr, Staegemann und mich gleich zu sich nach Bartenstein berief, 
trat Voss in einem Briefe an Hardenberg^) mit der grössten Hef- 
tigkeit gegen ihn auf und später nahm man an, dass der soge- 
nannte Perponchersche Club in Königsberg, wie ihn Droysen schildert,*) 
in Uebereinstimmung mit ihm handle. Dies bewährte sich auch, 
denn als, bald nach dem Abgange Steins, York frohlockend ge- 
schrieben hatte: Der Eine (Stein) wäre entfernt und die andern 
würden wohl auch bald in ihrem Gift ersticken, da schrieb Voss 
in einem in französischer Sprache geschriebenen Briefe an den 
König:') Er habe durch Bignon erfahren, Napoleon wolle, dass 
Scharnhorst und ich aus der Nähe des Königs entfernt würden. 
Der König, entrüstet über diese Kabale, gab Scharnhorst und mir 
diesen Brief selbst zu lesen. 

Diesen Mann, den man ganz beseitigt glaubte, hob Stein aus 
seiner Abgeschiedenheit in das gedachte bedeutende Verhältniss. 
Für die Freunde Steins in Königsberg war dies ein Donnerschlag, 
und Herr von Ehediger stellte zuerst die Meinung, dass Stein die 
neue Zeit nur angeschlagen, aber nicht in sein Wesen übergegangen 
sei. Diejenigen, welche Steins Privatverhältnisse in Berlin vor dem 
Jahre 6 kannten, suchten aber mit der frühern Freundschaft Steins 
mit den Männern der alten Zeit und dass er von diesen bestürmt 
sei, seinen Schritt zu entschuldigen, und so lange Stein noch die 
Nothwendigkeit eines bessern öffentlichen Lebens in unserm Lande 
erkannte, Hess man die Hoffnung auf ihn nicht fahren. Herr 
von Rhediger, welcher die Repräsentations-Sache und die Adels-Kon- 
stitution bearbeitete, meinte zwar, dass die von ihm aufgestellten 
Sätze des Repräsentations-Rechts jedes activen Staatsbürgers und 
die ausschliesslich monumentale Stellung des Adels Stein nicht zu- 
zusagen schiene, indem es den Anschein habe, dass Stein von dem 
altständischen Wesen und von dem Begriff des Adels als einer be- 
sonderen Menschenrace sich noch nicht losmachen könnte, aber 
der Glaube an ihn blieb noch stehen. Nun kam der Act der 
Entfernung Steins, welcher wegen der damit verbundenen Hofcabale 



1) Vgl. die ganze Correspondenz bei Ranke, Denkwürdigkeiten Harden- 
berges m S. 402 ff. 

2) Leben York*s, 2. Buch 2. Kapitel. 

3) Vgl. Alfred Stern, Abhandlangen und Aktenstücke zur Geschichte 
der preussischen Beformzeit, Leipzig 1885, insbesondere p. 22 ff. und „Aus 
den Papieren'* I S. 47. 



30. Schön 1853. 43 

alle seine Freunde empörte. Diese sahen den Untergang alles 
dessen, was zum besBem Leben schon geschehen war und noch ge- 
schehen sollte, TorauS; und Herr von Rhediger hatte mit mir den 
Gedanken, dass, würde die Person von Stein auch entfernt, doch 
die Grundtöne für unsern Staat, deren Gestaltung seit dem Tilsiter 
Frieden beabsichtigt war, der Welt laut verkündigt werden müssten. 
So entstand das unter der Firma von Stein bekannte politische 
Testament vom Jahre 1808, dessen Aufstellung Steins Freunde mir 
übertrugen. Als ich Stein diesen Gedanken mittheilte, nahm er 
ihn mit voller Wärme auf, als ich aber den Entwurf ihm vorlas, 
wurden Zweifel über einige Sätze bei ihm bemerkbar. Er erklärte 
indessen, er wolle das entworfene Testament unterschreiben. Auf 
meine Aufforderung an den Direktor der Steinschen Kanzelei, den 
Kabinets-Secretär Frese*) wurde die noth wendige Anzahl von 
Exemplaren in der Reinschrift sofort gefertigt und Stein zur Unter- 
schrift vorgelegt. Stein nahm aber mit seiner Namens-Unterschrift 
Anstand, und als ich die Exemplare auf seinem Schreibtisch ohne 
Unterschriften liegen sah und an die Vollziehung derselben er- 
innerte, da schob er aus Scheingründen diese immer auf. Noch 
am Abende vor seiner Abreise, als er mir seinen Abschieds-Besuch 
machte, nahm ich ihm bei der Begleitung zum Wagen das Ver- 
sprechen ab, dass er das Testament vor seiner Abreise unterschreiben 
würde. Erst am andern Morgen ist diese Unterschrift erfolgt, und 
bei Uebergabe dieser Exemplare an Frese hatte Stein gefordert, 
dass dieser einige Zeit nach seiner (Steins) Abreise vergehen lasse, 
bevor er die Exemplare herumschicke. Ob Stein noch gefürchtet 
hat, einiger Sätze dieses Testaments wegen von Hofschranzen oder 
von Mitgliedern des Perponcherschen Clubs zur Verantwortung ge- 
zogen zu werden, ist ungewiss, ich kann es nicht annehmen; aber 
es scheint in diesem verlangten Aufschübe Ungewissheit über einige 
der im Testament gestellten Sätze zu Tage zu kommen. Nach 
Steins Abreise von Königsberg kamen bis zum Sommer 1810 keine 
geschäftliche Mittheilungen unter uns vor. Im Sommer 1810 aber 
äusserte er mir seine Unzufriedenheit darüber, dass ich seinen Ge- 
danken: unsern Staat mit unrealisirbarem Papiergelde zu über- 
schwemmen, für welchen Plan Stein Hardenberg eingenommen hatte 
mit Bestimmtheit entgegen getreten war.*) Stein hatte zwar nie- 



1) Vgl. den Brief an Schwinck vom 12. Mai 1843, unten Nr. 46. 

2) Vgl. „Aus den Papieren** I S. 167 der Anlagen. 



44 30. Schön 1853. 

mals dem Finanzwesen grosse Aufmerksamkeit gewidmet, aber es 
war auffallend, dass er bei seinem brillanten Geiste, und bei der 
Erfahrung, welche er in Frankreich und in Oesterreich vor sich hatte, 
finanziell eine solche schon von dem alten Busch vor aller Welt 
verfluchte Massregel auch nur aufstellen konnte. In Oesterreich be- 
trachtete man diese Papierfluth als ein Mittel, die grossen Land- 
güterbesitzer von ihren Schulden zu befreien, indem sie, als das 
Papiergeld auf 20 p. Ct. gefallen war, das in ganzer Valuta er- 
haltene Schuldkapital mit einem Fünftel desselben abtragen konnten. 
So bekam diese Massregel einen ultraaristokratischen Anstrich, 
Stein sah die Folge davon in Prag selbst, und ohne Zweifel ist 
diese Massregel ihm dort angelegentlich empfohlen worden.^) 

Als Stein mich in Gumbinnen besuchte und während seines 
Aufenthalts in Königsberg im Anfang des Jahres 13 kam von innern 
Staatsangelegenheiten unter uns nichts vor, als dass Stein von dem 
Grafen Dohna die Ueberfluthung des Landes mit Papiergeld wieder 
verlangt hatte.*) 

Darauf trafen wir zunächst im April in Dresden zusammen. 
Da erhielt Stein von seinem Machtgeber, dem Russischen Kaiser, 
und ich von unserm Könige den Auftrag, Grundzüge zur künftigen 
Gestaltung Deutschlands aufzustellen, damit beim Vorrücken der 
Armeeen die nicht beizubehaltenden Einrichtungen gleich militairisch 
vernichtet werden könnten. Wir verhandelten daher darüber und 
wenngleich bei Stein das Bild des alten heiligen Römischen Reiches 
immer durchblickte, so wies er doch eine consequente Verfolgung 
der Idee des Staats nicht zurück. Auf einmal verlangte er aber, 
dass die geistlichen Churfürstenthümer, Fürstenthümer und CoUegial- 
Stifte nothwendig wiederhergestellt werden sollten, und als ich mein 
Erstaunen über diese Forderung äusserte, erwiederte er: dies wäre 
ein nothwendiges Mittel um den jüngeren Söhnen des Adels ein 
Retablissement zu sichern. Dass hierin offenbarer Widerspruch 
gegen den Satz des politischen Testaments vom Jahre 8, welcher 
vom Adel handelt, liege, hatte er übersehen. Durch zwei verlorne 
Schlachten und durch Aufhebung des deutschen Verwaltungsraths 
nach dem Verlangen Oesterreichs, hob sich die weitere Verhandlung 
über geistliche Stifter von selbst auf. Später blieb ich mit Stein 
in allgemeinen freundschaftlichen Verhältnissen, aber von Eröterungen 



1) Vgl. unten den Brief an Bunsen vom 20. Januar 1854 (Nr. 54). 

2) Vgl. „Aus den Papieren*' I, Anlagen S. 167. 



30. Schön 1853. 45 

über Prinzipe, über Staatswesen war unter uns keine Rede. Da 
theilte man mir aber bei meiner Anwesenheit in Marienwerder eine 
Abschrift eines Briefes mit, in welchem Stein sich über die soge- 
nannte Bauern-Regulirung, deren Nothwendigkeit er im Edict vom 
9 October 1807 selbst anerkannt hatte, bitter äusserte. In diesem 
Briefe tadelte Stein nicht allein die von Hardenberg angeordnete 
und sehr tadelnswerthe Art der Ausführung, des in dem Edict vom 
9. October 7. und im politischen Testament von 8. aufgestellten 
Princips, sondern er griff den Grundsatz selbst an und stellte darin 
die Behauptung auf, dass bei Verfolgung dieses Princips die Land- 
leute: den Juden hörig werden würden.^) Dieser Brief machte im 
ganzen Lande grosses Aufsehn, die Art wie Hardenberg die Bauern- 
Regulirung durchgeführt wissen wollte, hatte allgemein empört. 
Diejenigen, welche Princip und Art der Ausführung nicht unter- 
scheiden konnten, fanden in dem Steinschen Briefe eine Verurthei-? 
lung der ganzen Sache und den Ausdruck „den Juden hörig'', be- 
trachtete man als eine Vertheidigung der Hörigkeit an den Guts- 
herrn, und so wurde Stein in diesem Punkte als Gegner des Edicts 
V. 9. October 7. und des politischen Testaments vom Jahre 8. ge- 
nommen. Ob Stein mit Bewusstsein durch den Ausdruck: den Juden 
hörig, die Hörigkeit an den Gutsherrn habe vertheidigen wollen, 
will ich nicht annehmen; aber wie Ew. Hoch wohlgeboren in dem 
vorliegenden geehrten Schreiben auch schon andeuten, flogen Stein 
bei der Heftigkeit seines Temperaments einzelne Gedanken an, 
welche er mit Bewusstsein unterdrückt haben würde. Hier kam 
noch dazu, dass Westphalen mit seiner ehemaligen grässlichen 
Sclaverei, vor ihm lag, und dass er von seiner Umgebung wohl nur 
Tadel gegen die Vernichtung dieser satanischen Institution gehört 
haben mag. Hat doch Vincke in seinem Tagebuch aus dieser Zeit^) 
die Hörigkeit sogar als Förderungsmittel der Kultur hingestellt! 



1) Es ist mir unmöglich gewesen, festzustellen, aus welchem Jahre 
der Brief Stein's stammt oder wann er Schön mitgetheilt wurde. Nach 
einer Zusammenstellung des Herrn Obersten von Schön war Schön nach- 
weislich in Marienwerder am 3. October 1813, am 14. und 15. August 1815, 
am 28. November 1817, am 27. Mai 1818, am 10. Januar 1820, am 4. Sep- 
tember 1821, am 6. — 8. October 1822 und am 17. Mai 1824. Ich vermuthe, 
dass es sich um das Jahr 1815 handelt, da dieser Brief doch wohl vor der 
Declaration vom 29. Mai 1816 geschrieben sein wird. 

2) Ich weiss nicht genau, was Schön meint. Zur Sache vgl. E. v. Bodel- 
schwingh, Lebien des Ober-Präsidenten Freiherm von Vincke, Berlin 1853, 
I S. 451 ff. 



46 30. Schön 1853. 

Später theilte mir der Ober-Präsident Vincke, als wir uns in 
Berlin trafen, mit; dass er mit Stein bei verschiedenen Gelegen- 
heiten in Differenzen komme, ^) und von den Specialien, welche er 
anführte, ist mir nur im Gedächtniss geblieben, dass Jurisdiction 
und gutsherrliche Polizei-Gewalt, Gegenstände der Differenz gewesen 
sind. Die Nachricht, dass Stein damals schon in einer andern 
Bichtung als in Memel und Königsberg sei, war wenigstens in dem 
Kreise in dem ich lebte, verbreitet, und die hier aufgestellten That- 
sachen gaben auch wohl Grund genug dies anzunehmen. Da theilte 
mir zuletzt, wenige Jahre vor Steins Tode, eine Freundin von mir 
und eine grosse Verehrerin von Stein, die Gräfin von Voss,*) die 
Nachricht mit, dass Stein, das was er in Königsberg und Memel 
unterschrieben habe, nicht mehr durchaus billige. Sie wollte Stein, 
wie ich nicht mehr mit Bestimmtheit weiss, darüber selbst ge- 
sprochen oder Jemanden gesprochen haben, welcher kurz zuvor 
diese Missbilligung aus Steins Munde selbst erfahren hatte.^) 

Nimmt man dies alles zusammen, zieht man den Bildungs- 
gang von Stein in Betracht und weiss man, dass Stein nur soge- 
nannte historische Bildung, welche ohne Philosophie der Geschichte 
im Staatsleben immer, und wie die jetzige Zeit es uns vor Augen 
stellt, zur Barbarei führt, haben wollte, so ergiebt sich sogar die 
Noth wendigkeit, dass eine ideenreiche Zeit bei dem guten Geiste, 
den Stein hatte, ihn zwar anschlagen, aber nicht in sein Wesen 
übergehen konnte. Nach meinem Dafürhalten lässt Staatskunst 
durch Millionen von Notizen sich nicht erlangen, und ich kann mir 
keinen Staatsmann ohne philosophische und ästhetische Bildung 
denken. Gegen die erste eiferte Stein sogar mit Heftigkeit, ob- 
gleich er zuweilen, so weit sein guter Geist reichte, und der reichte 
oft sehr weit, über einzelne Gegenstände brillant philosophirte. 
Die Macht der ersten Erziehung und des dem einzelnen Menschen 
positiven aufgepfropften Bildungsganges, ist so ungeheuer, dass es 
für den einzelnen Menschen beinahe unmöglich wird, sich aus dieser 
engen Grenze zu befreien. 



1) Man findet das Nähere im 6. Bande von Pertz' Leben Stein's. 

2) Eine Tochter der Frau von Berg, der Freundin der Königin Louise. 
Der 6. Band von Pertz* Leben Stein's enthält zahlreiche Briefe von Stein 
an sie. 

3) Vgl. unten den Brief an Bunsen Nr. 54. Schön präcisirt hier seine 
damalige „nach augenblicklicher Stimmung hingeworfene*' Aeasserung und 
drückt sich weniger scharf aus, als gegen Bunsen. 



31. Schön 1853. 47 

Allerdings ist das, was hier steht, forden, welcher Stein zum 
Staatsmann machen will, eine Wolke vor seiner Glorie. Diese 
Wolke wird aber für den verschwinden, welcher Stein als Politiker, 
der die einzelnen Staaten als Individuen betrachtet, ohne dass 
dabei von der Innern Gestaltung des einzelnen Staates die Bede ist. 
Die Glorie Steins als Politiker in diesem Sinne und als Mann, welcher 
unbedingt der Idee des Vaterlandes, so wie selten einer, lebte, 
steht trotz dem, was hier über ihn als Staatsmann gesagt ist, in 
vollem Glänze da, und ich bin heute noch der Meinung, wie ich 
schon früher gegen Ew. Hochwohlgeboren äusserte, dass Deutsch- 
land ihm eine Ehrensäule setzen müsste, welche höher und grösser 
als alle vorhandenen Ehrensäulen wäre, ich schliesse diesen Brief 
mit einem Ausspruch meines grossen Meisters Kant: Man kann ein 
grosser Philosoph sein und doch schlecht die Flöte blasen! 

Schön. 

31. SchSn an Pertz.^) 

Pr. Aman den 28ten December 1853. 

ich glaube annehmen zu dürfen, dass Ew. Hochwohlgeboren 
einer Bitte von mir Ihre Aufmerksamkeit nicht versagen werden: 
Im Jahre 1816 oder 1817 schrieb man mir: (War es Vincke 
oder war es Klewitz oder Wer sonst, das weiss ich nicht 
mehr) der damals eben zum Thron gelangte König von Würtem- 
berg habe Stein die Premier -Minister- Stelle in seinem Staate 
angetragen. Dieser habe die Annahme derselben abgelehnt, 
mich aber dazu in Vorschlag gebracht. Darauf schrieb ich sofort 
zurück, dass ich in keinem Falle einem fremden Fürsten dienen, 
und mein Vaterland verlassen würde. Darauf habe ich weder einen 
Antrag noch sonst etwas darüber erhalten. Vielleicht blosse Sage, 
kam die Sache aus meinem Gedächtniss. Da kam aber im Jahre 1825 
oder 1826 ein Herr von Buhl, ein geborner Würtemberger, der 
durch Heirath in den Besitz eines Rittergutes im Umkreise von 
Königsberg gekommen war, aus seinem Geburtslande zurück, und 
er erzählte mir: Es sei dort im Lande bekannt, dass ich die An- 
nahme der dortigen Premier-Minister-Stelle abgelehnt habe, und 
[dass] er deshalb häufig über mich befragt sei. 

An sich ist dies Ereigniss von wenig, vielleicht von keinem 
Werthe, aber als Moment in meinem Leben hat es in so weit indi- 



1) Eigenhändiges Concept. 



48 33. 34. Pertz 1854. 

viduelles Interesse, als die dabei etwa stattgefundenen näheren 
Umstände einige Aufmerksamkeit verdienen können. So erlaube 
ich mir die Bitte, dass wenn Ew. Hochwohlgeboren in den Stein- 
schen Papieren darüber Etwas gefunden haben sollten, Sie mir dies 
mitzutheilen die Güte haben mögen. 

ich schliesse pp. 

S. 

32. Pertz an SchSn. 

Ew. Excellenz beehre ich mich für die gewogentlich ertheilte 
Auskunft über den Minister von Stein meinen verbindlichsten Dank 
zu sagen, und würde hinsichtlich der unterm 28. v. M. gewünschten 
Nachricht mich sogleich beeilt haben, meine Unkenntniss einzu- 
gestehen, hätte ich nicht für nöthig gehalten, vorher noch mit der 
hier wohnenden Jüngern Tochter Steins, der Frau Gräfin Kielmans- 
egge Rücksprache zu nehmen. Nach ihrer Erinnerung jedoch ver- 
mag sie so wenig als Graf Kielmansegge irgend etwas über eine 
Berufung Steins durch den jetzigen König von Würtemberg zu 
sagen, und da ich gleichfalls in den mir von der Familie empfange- 
nen Papieren keine Spur eines solchen Antrages gefunden habe, so 
bedaure ich, ausser Stande zu sein Ew. Excellenz Wünschen in 
dieser Hinsicht zu entsprechen. Wahrscheinlich jedoch ist, falls 
der Antrag überhaupt erfolgte, Steins auf Einladung des Königs 
erfolgte Anwesenheit in Stuttgart^) dazu benutzt worden, woraus 
sich der Mangel schriftlicher Zeugnisse leicht erklären würde; und 
dass Stein in solchem Falle an Ew. Excellenz leicht gedacht haben 
wird, dafür möchte das Beispiel seines Wiener Vorschlages im 
Jahre 1810 sprechen.*) 

Ew. Excellenz empfehle ich mich verehrungsvoll und ganz 

gehorsamst 

G. H. Pertz. 
Berlin den 10. Januar 1854. 

33. Pertz an Schön. 

Ew. Excellenz habe ich die Ehre hierbei den so eben voll- 
endeten ö*®'^ Band des Lebens des Ministers von Stein mit dem 



1) Ende Februar 1817. Pertz, Leben Stein's V S. 111 £. 

2) Stein schlug damals Hardenberg gegenüber Schön zum preussischen 
Minister vor. Vgl. Perfcz, Leben Steines II S. 498 und Stein's Brief an Harden- 
berg vom 2. August 1810 bei M. Lehmann, Stein, Schamhorst und Schön 
S. 26 f. Man wird aber wohlthun, die Ausführungen in den „Beiträgen und 
Nachträgen zu den Papieren Theodors von Schön** S. 80 ff. zuzuziehn. 



34. Schön 1854. — 35. Pertz 1855. 49 

Wunsche zu überreichen, dass Ew. Excellenz denselben mit gütiger 

Theilnahme empfangen und mir demnächst gestatten wollen, den 

letzten Band hoffentlich noch im Laufe dieses Jahres folgen zu 

lassen. Ew. Excellenz empfehle ich mich in grösster Verehrung 

ganz unterthänigst 

G. H. Pertz. 
Berlin den 2ö. April 1854. 

34. Schön an Pertz. ^) 

Pr. Aman d. 5*«» Maerz2) 1854. 

Ew. Hochwohlgeboren haben durch die gütige Uebersendung 
des 5*®° Bandes von Steins Leben mir ein für mich sehr werthvolles 
Geschenk gemacht, und ich bin Ihnen dafür in einem hohen Grade 
verbunden. Besonders diesen Theil habe ich mit hohem Interesse 
gelesen, bei jeder Seite des Buchs stand mein verewigter Freund 
mit seinen Vollkommenheiten und mit seinen Schwächen in einem 
hohen Bilde, wie er leibte und lebte vor mir. 

Zugleich rechtfertigt und begründet dieser Band mein Bild 
von Stein, wie Ew. Hochwohlgeboren es kennen so vollständig, 
wie ich es Ew. Hochwohlgeboren zu begründen nicht im Stande 
gewesen wäre. 

ich bitte, dass Ew. Hochwohlgeboren von meiner Hochachtung 
gegen Sie überzeugt bleiben und mich in Ihrem gütigen Andenken 
behalten mögen. 

35. Pertz an SchSn. 

Ew. Excellenz erlaube ich mir hierbei den soeben erschei- 
nenden 6'®'^ Band meines Lebens des Ministers Freiherrn von Stein 
mit dem gehorsamsten Wunsche zu überreichen, dass Sie auch in 
diesem Schlusstheile das Bild Ihres verewigten grossen Freundes 
in einer Zeit wo er fern von Ihnen in seiner stillen Einsamkeit 
lebte und wirkte, gern wiedererkennen mögen. 

Ich habe mich nun zu der Geschichte eines andern der Männer, 
welchen Prenssen und Deutschland ihre Wiederherstellung danken, 
gewendet, da die Familie des Feldmarschalls Grafen Gneisenau mir 
die Papiere desselben für eine Darstellung seines Lebens über- 
geben hat, wozu mir auch von anderer Seite bereits mannigfache 
Beiträge zugekommen sind. Auch Ew. Excellenz bitte ich, durch 



1] Dictirtes Concept. 

2) So steht deutlich da. Es muss ein Schreibfehler für Mai sein; das 
Concept ist auf den Brief von Pertz vom 26. April geschrieben. 

4 



50 36. Schön 1855. 

solche Mittheilungen mich erfreuen und nicht nur mich, sondern 
auch den ganzen Kreis zukünftiger Leser zum lebhaftesten Danke 
verbinden zu wollen. Der vorhandene Stoff ist sehr gross, aber 
die persönliche Verbindung, worin Sie zu ihm in der wichtigsten 
Zeit standen, macht mir jeden Beitrag von Ihrer Hand ganz vor- 
züglich wichtig, und so hoffe ich, dass Sie sich erbitten lassen wollen ! 

In grösster Verehrung empfehle ich mich Ew. Excellenz ge- 
horsamster Diener 

Pertz. 

Berlin 17. Juli 1855. 

36. SchSn an Pertz. ^) 

Marienburg den 6^^° August 1855. 
Von geweihter Stätte, deren Strahlen noch in Kopernick und 
Kant und Herder und Simon Dach sich offenbarten, von der Wiege 
des schwarzen (des alt Römischen) Adlers, begrüsse ich Ew. Hoch- 
wohlgeboren und danke verbindlichst für das mir sehr werthe Ge- 
schenk des 6. Theils der Steinschen Lebensbeschreibung. Mein 
Dank für den Inhalt dieses Theils soll besonders angelegentlich sein, 
denn, abgerechnet, dass darin das Bild unseres verewigten Freundes, 
(wie jetzt zu sagen Mode ist) besonders objectiv gehalten, also der 
Welt dadurch klarer und wahrer geworden ist, so liefert dieser 
Theil auch vorzugsweise vor den früheren Theilen, Momente, welche 
mein Bild von Stein, wie Ew. Hochwohlgeboren es kennen, nicht 
allein bestätigen, sondern vervollständigen. Jetzt sind meines Er- 
achtens die Materialien da, um ein vollständiges Bild von Stein 
construiren zu können, und dadurch den Phantasiebildern von 
ihm ein Ende zu machen. Das, was bis jetzt von und über 
Stein aufgestellt ist, ist, seinem Wesen nach, theils Boman, theils 
wie bei Stern*) und Gervinus') Widerspruch in sich. Man legte 
Stein Vollkommenheiten bei, welche er nicht hatte, und legte 
ihm Mängel zur Last, welche ihm fremd waren. Meiner Meinung 
nach, steht jetzt Stein klar da: als Mann der alten (nach 
Stägemann abgestandenen) Zeit da, dem mit seiner Geburt aber 

1) Dictirtes Goncept, von Schön durchgesehen und an einzelnen Stellen 
verbessert. Ob dieses ganze Schriftstück an Pertz abgegangen sei, ist fraglich. 

2) 8. Stern, Director der jüdischen Realschule zu Frankfurt a. M. Er 
hat mehrere mir unzugängliche populäre Werke über die neueste deutsche 
Geschichte verfasst. 

3) Vgl. oben den Brief Nr. 14 S. 20. Möglich, dass Schön hier auch 
Gervinus' Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts I S. 268 ff. 293 ff. im 
Sinne hat. 



36. Schön 1855. 51 

ein so brillanter Geist zu Theil geworden war, dass Freisinnig- 
keit und Ideen ihm zusagen mussten. Beide kamen ihm aber 
erst nahe, als er schon formirt und abgeschlossen dastand, und 
[sie] in sein Wesen nicht mehr übergehen konnten. Sie flogen ihn 
mehr an, als dass er unbedingt ihnen leben konnte. Stein war in 
Memel und in Königsberg gerade so wie er sich in Kappenberg 
namentlich gegen Kunth zeigte.^) Nur die verschiedenen Verhält- 
nisse, in welchen er an beiden Orten lebte, gaben die verschiedenen 
Eesultate. In Königsberg konnte Stein der Macht der Ideen, nament- 
lich der von Staat und Kirche in ihrer Klarheit und Wahrheit 
nicht widerstehen, und er gab sich ihnen um so geneigter hin, da 
sie seinem guten Geiste zusagten. Das Eingehen in die neue Zeit 
kostete ihm aber einen Kampf, wie dieser Kampf bei der Gelegen- 
heit, als er dem sogenannten politischen Testamente seine Firma 
geben sollte, zu Tage kam. 

Gerade entgegengesetzt war Steins Verhältniss in seinen 
letzten Jahren. Da lebte er in nahen Verhältnissen beinahe nur 
mit Männern der alten Zeit. Da durfte das, was in seinem Bildungs- 
gange, ja in dem grössten Theil seiner Lebenszeit sich bei ihm 
festgesetzt hatte, frei heraustreten. Umgebung und Verhältnisse 
scheuchten die Memeler und Königsberger Zeit zurück, und so konnte 
der Eeichsfreiherr der alten Zeit, wie in Beziehung auf Staat, so 
auch in Beziehung auf Kirche ohne Scheu sich hinstellen. Die 
Sprache der neuen Zeit behielt Stein zwar bis zu seinem Tode bei, 
aber er verband mit den einzelnen Ausdrücken derselben andere 
Begriffe, als sie im Reiche der Ideen hatten. So verstand er unter 
Eeligion nicht den Glauben, wie Vernunft und Gewissen ihn fest- 
stellen und begründen, und wie er nur wahre Gottesfurcht als 
Folge haben kann, sondern Religiosität war ihm der Glaube an 
die oft bis zur Abenteuerlichkeit krassen positiven Sätze der Con- 
cilien. Daher kam er sogar dahin, als Protestant einem seiner 
Vorfahren^) eine Seelen-Messe zu stiften, und dadurch grell anti- 
evangelisch, Opfer und Fegefeuer anzuerkennen. Der Bischof von 
Trier hat ihn deshalb auch schon als Katholiken genommen und für 
ihn eine kirchliche Feier in einer katholischen Kirche angeordnet. 



1) Gottlob Johann Christian Kunth, geboren 1757 zu Baruth, gestorben 
als preussischer Staatsrath 1829 zu Berlin. Schön bezieht sich hier auf die 
ausführlichen Mittheilangen im 6. Bande von Pertz' Leben Stein's. 

2) Es handelt sich um seine Vorfahren im Besitz, die ausgestorbenen 
Freiherren von Landscron. Siehe Pertz, Leben Stein's VI, 1 S. 224 f. 



52 36. Schön 1855. 

Ebenso verband er, wie dieser 6** Theil zeigt, im Geiste der 
alten Zeit mit dem Worte: „sittlich** ein Benehmen (wie man 
früher zu sagen pflegte) eines Mannes comme il faut. Gagern ^) 
und Spiegel*) waren beides Männer, von denen man von Jedem sagen 
konnte: Er war ein Mann comme il faut. 

Als Gagem in Dresden (April 1813) ankam^ traf zugleich von 
dem Minister Schuckmann die Anzeige ein, dass er ein Beauftragter 
von Talleyrand bisher gewesen sei. Spiegel hatte seine Anhäng- 
lichkeit an Napoleon oflFen dargelegt. Er hatte von Napoleon sich 
zum Bischöfe machen lassen, und ihm als solcher den Eid der 
Treue geschworen.') Beide sagten sich von ihren bisherigen Ver- 
hältnissen los und bewährten sich, dem neuen Stande der Dinge 
gemäss (Parole d'honneur). Stein trat mit beiden in ein nahes, 
wohl herzliches Verhältniss. 

Dagegen kam Stein mit dem Grafen Reisach übel an.^) 
Beisach kam in Dresden zu uns, und sagte : Er habe Bayern ver- 
lassen, weil er wegen seines Widerwillens gegen die französische 
Herrschaft von Montgelas, verfolgt wäre. Reisach trat als homme 
comme il faut auf. Er war Malteser-Ritter und hatte die Formen 
der höheren Gesellschaft. Stein verlangte sofort seine Anstellung 
als Gouverneur und er erklärte meine Bedenken für zu grosse Be- 
denklichkeit. Bald darauf kam die Nachricht, dass Reisach mit 
Kassen-Geldern aus Bayern sich entfernt habe. Reisach erklärte 
(Parole d'honneur), dass er nur kleine Vorschüsse aus der offen- 
stehenden Kasse sich gestattet habe. Stein nahm ihn fortwährend 
als homme comme il faut. Er liess von ihm die abscheuliche Schmäh- 
schrift auf Montgelas schreiben,^) und diese auf öffentliche Kosten 
drucken. Stein vertheilte diese Schmähschrift an Jeden, der zu ihm kam. 



1) Hans Christoph Ernst von Gagem, geboren 1766 zu Kleinmindes- 
heim bei Worms, gestorben 1852 zu Homau im Taunus. Er hat als nassaui- 
scher Bevolhnächtigter die Bheinbondsakte unterzeichnet. 

2) Ferdinand August Graf Spiegel zum Desenberg, geboren 1764 zu 
Canstein bei Arolsen, gestorben 1835 als Erzbischof von Köln. 

3) Er leistete am 27. Juni 1813 der Kaiserin Maria Luise den Treueid 
gegen Kapoleon als von diesem ernannter Bischof von Münster. Da die 
päpstliche Bestätigung nicht einging, konnte er dieses Amt nicht antreten. 
Stein hatte ihn bereits 1811 zum Coadjutor von Breslau vorgeschlagen. 

4) Vgl. oben den Brief Nr. 6, S. 8. 

5) Baieni unter der Eegierung des Ministers Montgelas. Deutschland, 
im Verlag der Kämpfer für Deutsche Freiheit. 1813. Vgl. „Aus den Pa- 
pieren** 2. Tbl. 3. Bd., S. 23. 



36. Schön 1855. 53 

Mit dem Zutritt Bayerns zu den gegen Napoleon verbundenen 
Mächten kam aber auch die Geschichte Reisachs speciell zu Tage, 
und da war er nicht mehr ein homme comme il faut und Stein 
wollte ihn nicht allein an Bayern ausgeliefert haben, sondern stiess 
ihn förmlich von sich. Dorow^) erzählt die Geschichte mit dem 
Grafen Beisach treu und richtig. Sie kommt in Beziehung auf das 
damalige Verhältniss zwischen Reisach und Stein bei Aufstellung 
der Schmähschrift gegen Montgelas anscheinend noch nachtheiliger 
für Stein zu stehen, aber Steins Benehmen hier ist den Maximen 
der alten Zeit gemäss, ohne dass man dabei irgend einen Grad 
der Bosheit annehmen darf. Stein hasste Niemanden so stark und 
bitter, als unsern vorigen König. Er war dazu aufs höchste ge- 
reizt. Schon bei Stein's erster Entlassung hatte der König bittere 
Worte eigenhändig an ihn geschrieben, in Dresden 1813 schloss er 
Stein ausdrücklich von einem Feste aus, obgleich Stein am Tage 
vorher, bei einem Feste, welches der Kaiser von Russland gab, in 
preussischer Uniform mit seinen preussischen Orden erschienen war. 
Bei der einzigen Anwesenheit Steins in Berlin nach dem Kriege, 
bald vor dessen Tode,*) liess der König ihm seinen Widerwillen 
dadurch zu erkennen geben, dass er, als Stein als Ritter des 
schwarzen Adlerordens zur Tafel erschien, der Tafel nicht bei- 
wohnte, und später nur einzelne gleichgültige leere Redensarten an 
ihn richtete. Dies soll Stein, da er doch nur durch Preussen 
für Deutschland lebte, in einem hohen Grade aufgeregt haben, und 
doch! spricht er, als echter Ritter der alten Zeit, in seinen Briefen 
an Gagern und Spiegel nur von der Milde und von der Gerechtig- 
keit mit vollem Lobe des Königs. Den Brief an Kunth, gegen den 
dieser so brav auftritt,') und den Brief an Vincke, welcher den 

1) Erlebtes I S. 8. 32 £. 41 ff. 104 f. 115 f. II S. 27 ff. 

2) März bis Mai 1827. 

3) Wahrscheinlich ist der Brief über die „Doctrinärs" gemeint; Pertz VI 
S. 75 theilt wenigstens ein Stück der Antwort von Kunth mit. Denken 
Hesse sich vielleicht auch an den Brief, mit dem Stein einen Aufsatz von La- 
mennais im Drapeau blanc an Knnth übersandte; vgl. Pertz VI S. 186 ff. 
Dass Pertz die Concepte dieser Briefe vorlagen, unterliegt keinem Zweifel. 
Die Briefe Steins selbst hat Kunth nach der Angabe von Pertz VI S. 789, 
welche durch die Erzählungen anderer Zeitgenossen bestätigt wird, theils 
selbst vernichtet, theils nach seinem Tode zu vernichten befohlen. Ob 
diese Anordnung indessen ausgeführt worden ist, steht nicht fest. Vgl. 
Priedrich und Paul Goldschmidt, Das Leben des Staatsrath Kunth, Berlin 
1881, S. 161. Briefe Schön's an Kunth sind nicht an Schön zurückgeliefert 
worden. 



54 36. Schön 1855. 

Bruch des guten Verhältnisses zwischen beiden veranlasste,^) hätten 
Ew. Hochwohlgeboren nicht weglassen sollen. Mängel und Schwächen 
sind bei Stein Folie, welche, je dunkler sie ist, um so mehr den 
Glanz des darauf stehenden Bildes erhöht; denn Stein war ein 
grosser Mann! und Deutschland, welches ihm seine heutige Selbst- 
ständigkeit verdankt, müsste (ich kann es nicht oft genug sagen) 
ihm eine Bildsäule, grösser, als die des heiligen Borroraaeus^) 
setzen lassen. 

Zu der .Lebensbeschreibung von Gneisenau wünsche ich Ew. 
Hochwohlgeboren Glück. Es kommt darauf an, a complete Gentle- 
man zu schildern, und dieses ist eine herrliche Aufgabe, ich kenne 
nichts von Gneisenau, was nicht gentlemanlike wäre. Gneisenau 
hatte nicht allein Empfänglichkeit für Ideen, sondern er wollte 
diesen auch in der Form des gebildeten Mannes leben. In der 
Militair-Organisations-Commission wirkte Gneisenau besonders für 
ein inniges Verhältniss zwischen der bewaffneten Macht und dem 
Volke. Er schrieb gegen das Junkerthum in der Armee, und 
suchte Umgang mit interessanten Männern aus allen Ständen. Sein 
liberales Auftreten im Jahre 1807 und 8 fiel damals auf. In 
unserer geheimen Gesellschaft 1808') war Gneisenau immer der 
klaren und tapfem Meinung. Er drang heftig darauf, dass Stein 
den König zur Theilnahme an dem bevorstehenden östreichischen 
Kriege bewege, und Gneisenau veranlasste es vorzugsweise, dass 
wir durch eine schriftliche Erklärung an Stein dessen Wort beim 
Könige kräftigten. Hätten wir bald darauf die Antwort gekannt, 
welche der König auf unser Memoire Stein gab, wie Förster diese 
aus den Kabinets- Akten jetzt hat drucken lassen, dann würde unser 
Verhältniss zu Stein zerrüttet worden sein. Stein theilte uns aber 
diese Antwort des Königs nicht mit, und so blieb das gute Ver- 
hältniss ungestört.*) 



1) Ich weiss nicht, was Schön meint. Der Bruch wurde doch wohl 
durch das Schreiben Steines vom 17. Juni 1827 herbeigeführt, das Pertz VI 
S. 443 ff. abgedruckt hat. Die grobe Antwort Vincke*s steht S. 447 ff. 

2) Bei Arena am Langensee. Eine Beminiscenz aus Jean Paul's Titan. 

3) Siehe oben S. 20 und „Aus den Papieren" IV S. 571 f. 

4) Die Eingabe an den König ist gedruckt bei Pertz, Leben Stein's U 
S. 250 ff. und die Antwort des Königs ebenda S. 257. Offenbar daher und 
nicht aus den Cabinetsakten steht beides bei F. Förster, Neuere und neueste 
preussische Geschichte 11 (Berlin 1854) S. 370 f. Schön muss sich im Augen- 
blick nicht erinnert haben, dass Pertz selbst von der Sache gehandelt 



36. Schön 1855. 55 

Den Gedanken der Volksbewaffnung hielt Gneisenau uner- 
schütterlich fest. Während des Waffenstillstandes im Jahre 1813 
sollte dieser Gedanke durch Landwehr verkörpert, von den Jüngern 
der verrotteten Zeit vernichtet werden. Der General Zastrow er- 
klärte als Militair-Gouverneur von Schlesien, die schlesische Land- 
wehr, nach Ablauf des Waffenstillstandes nicht gegen den Feind 
führen zu können. Da trat Gneisenau auf, übernahm die schlesische 
Landwehr und lösete die Aufgabe. Bei den conventioneil artigen 
Briefen an den Grafen Münster^) hatte Gneisenau nur den Mann im 
Auge, welcher als Gegner der Franzosen überaus wichtig war, und 
übersah den Todfeind unseres Staats. Dabei stand ihm der Cha- 
rakter von Münster in persönlichem Verhältnisse klar da. 

Dagegen würde es Gneisenau schwer, ja beinahe unmöglich 
geworden sein, gegen York ein auch nur conventionell gutes Wort 
zu äussern. Die arge Denunciation Yorks gegen Scharnhorst auf 
dem Nebenwege durch Köckeritz, nachdem York Uebereinstimmung 
mit Scharnhorst gezeigt hatte, im Jahre 1809,*) der Vorwurf, wel- 
chen Gneisenau York öffentlich nach der Schlacht an der Katzbach 
machte,') hatte eine so üble Meinung bei Gneisenau festgesetzt, 
dass selbst meine Vorstellungen wegen Milderung derselben bei 
Gneisenau nichts vermochten. Gneisenau sah in York einen Mann, 
der mit Gott und der Welt entzweit lebte, und so war Gneisenau 
auch in dieser anscheinenden Schattenseite Gentleman. 

Gneisenaus militairische Vollkommenheiten haben die Schlachten 
an der Katzbach, bei Brienne und die Verfolgung nach der Schlacht 
bei Waterloo erwiesen. 



hatte. Der Passus in der königlichen Antwort, den Schön im Sinne hat, 
ist wohl folgender: „Ich muss jedoch bei dieser Gelegenheit noch bemerken, 
dass ich mich niemals zu diesem Schritt (der Genehmigung der Pariser Ab- 
kunft vom 8. September 1808) entschlossen hätte, wäre Ihre Meinung be- 
stimmt entgegengesetzt gewesen und auf haltbare Gründe gestützt.^' Vgl. 
„Aus den Papieren" IV S. 578. 

1) Ernst Friedrich Herbert Graf von Münster, geboren zu Osnabrück 
1766, hannoverscher Minister bis 1831, gestorben zu Hannover 1839. Vgl. 
übrigens Pertz, Leben Stein's HI S. 237 und Pertz, Leben Gneisenaus II 
S. 436. 674. 

2) Vgl. unten den Brief Schönes an Droysen vom 22. März 1851 (Nr. 82), 
und Schönes Denkschrift über York, sowie Pertz* Leben Gneisenau's I S. 445ff. 

3) Vgl. über die Missverhältnisse zwischen York und dem Blücherschen 
Hauptquartier in damaliger Zeit Droysens Leben York's III S. 44 f. 62 f. 
66 f. (1. Aufl) und Pertz' Leben Gneisenaus III S. 200. 213 f. 



56 36. Schön 1855. 

Eine Schwäche war es allerdings von GneisenaU; dass er 
glaubte, auch in der grossen Politik etwas Grosses leisten zu können, 
und dass er sich, ohne Französisch zu können, in die FriedensvoU- 
ziehungs-Commission setzen Hess, obgleich wir da schon durch Wil- 
helm Humboldt aufs beste vertreten waren. Dies hatte aber in 
einem augenblicklichen Bausche unseres Hauptquartiers seinen 
Grund, welcher nach den grossen Thaten desselben hier wohl Ent- 
schuldigung verdient. Ebenso sah Gneisenau in der polnischen Re- 
volution 1830 und 31. eine Umkehrung aller gi*08sen politischen 
europäischen Verhältnisse, welche ihm hier um so furchtbarer er- 
schien, da sie von einem Volke ausging, dem Bildung und Haltung 
für eine solche Anregung fehlten. Diese Besorgniss bemächtigte 
sich seiner in einem solchen Grade, dass er, wie mir der General 
Witzleben^) mittheilte, sogar den Gedanken geäussert hat, ob es 
nicht rathsam sei, dass er als kommandirender General von Posen 
mit seinem Armee-Corps den Russen zu Hilfe käme.^) Zur Erklärung 
dieses Ereignisses darf man aber nur anführen, dass politische Ent- 
wickelung und politische Klarheit überhaupt in Opposition mit Feld- 
herrnvollkommenheit zu stehen scheinen. Friedrich der Grosse und 
Napoleon waren vorerst und vor allem Souveraine, und als solche 
nur daneben Feldherrn, und doch zeigte der Erstere mit seinem 
Merkantil- und indirecten Steuersystem und seinem Widerwillen 
gegen Volksrepräsentation, welchen er in Ostpreussen und West- 
phalen bezeugte, und der Letztere mit seiner Handelssperre als grosse 
politische Operation und seiner Vernichtung des Volkslebens, da- 
durch beide ihre Beschränktheit als Politiker. Wie Marlborough, 
so schlössen Wellington und Soult und Kaikreuth*) als Politiker 
schlecht ab. Der Soldat, abgerechnet von dem ihm nothwendigen 
unbedingten Gehorsam, wogegen der Politiker nur die Regeln der 
Vernunft und des Gewissens kennt, hat, wo er eine Regel stellen 
soll, einen klar vor ihm liegenden engen Kreis, in welchem die 
grosse That in einem kurzen Zeitraum ausgeführt werden soll. Der 

1) Job von Witzleben, geb. 1783 zu Halberstadt, 1833 Kriegsminister, 
gestorben zu Berlin 1837. 

2) Vgl. „Aus den Papieren" IV S. 576 f. und den Bericht Gneisenau's 
an den König bei Delbrück, Leben Gneisenau*s V S. 649 ff. 

3) Friedrich Adolf Graf von Kaikreuth, geboren 1737 zu Sotterhausen 
bei Sangerhausen, preussischer Generalfeldmarschali, gestorben 1818 zu 
Berlin. Er hatte 1807 Danzig ruhmvoll vertheidigt, erwies sich aber bei 
den Friedensverhandlungen von Tilsit und beim Abschluss der Convention 
vom 12. Juli 1807 als diplomatisch unfähig. 



36. Schön 1855. 57 

Politiker hat die Welt und Generationen vor sich. Soll der Kriegs- 
held hiemach Politiker sein, so ist er bei einem guten Geiste immer 
in Gefahr, in Abenteuerlichkeiten (Gneisenau) und der Alltagskopf 
(Wellington), in das Gemeine zu verfallen. 

Zwischen Stein und Gneisenau fand bis zum Jahre 1809 ein 
gutes, wenngleich kein nahes Verhältniss statt. Bei ihrem Zu- 
sammentreflFen kurz vor Ausbruch des Krieges im Jahi*e 1813 trafen 
beide, in einigen Richtungen sich widersprechende Naturen gegen 
einander. Stein, in der Wonne des Glücks über sein gelungenes 
grosses Werk (das Vorgehen der Russen nach Deutschland) glaubte 
damals in einzelnen Fällen sich über die Schranken der Convenienz 
wegsetzen zu dürfen, und Gneisenau, mit der Haltung, welche ein 
consequentes Leben giebt, war nicht geneigt, üeberschreitungen 
dieser Art, fanden sie auch nur in leichten Redensarten statt, zu 
dulden, und so kam es zwischen Beiden zu einer heftigen Scene, 
in welcher, wie mir Gneisenau sagte, dieser wörtlich die Grobheiten 
Steins zurück gewiesen haben wollte. Dies hatte die Folge, dass 
das Verhältniss zwischen diesen beiden Männern, wie es in Königs- 
berg war, nicht wieder eintrat. 

Im Jahre 1808 und Anfangs 1809 bildete sich zwischen 
Gneisenau und dem damals in Königsberg lebenden Danziger Kauf- 
mann Alexander Gibson^) (einem gebomen Schotten) ein so nahes 
als reines und zartes Verhältniss. Gibson war Mitchef des be- 
deutenden Handelshauses SoUy et Gibson zu Danzig. Beide Chefs 
verliessen Danzig, als die Franzosen im Jahre 1806 vor Danzig 
rückten, und lebten Anfangs in Memel und dann in Königsberg. 
Dies Handelshaus war so mächtig, dass man dessen disponibles 
Kapital auf mehr als eine Million Thaler schätzte. Gibson unterhielt 
trotz der Blokade unserer Häfen gegen England eine beständige 
Verbindung mit England. Gibson war ein durchaus edler Charakter, 
und sein Verhältniss zu Gneisenau ward bald so enge, dass, als im 
Jahre 1809 unser König bestimmt erklärte, an dem Kriege zwischen 
Oestreich und Frankreich keinen Theil nehmen zu wollen, und 
mehrere Offiziere von uns theils nach Spanien, theils nach Russland 
gingen, Gneisenau das Anerbieten von Gibson, mit ihm zunächst 
nach England zu gehen, annahm. Gibson war mit dem damaligen 
Premier-Minister Canning bekannt, stellte diesem Gneisenau vor, 
und Gneisenau sagte sowohl Canning als dem damaligen Prinzen- 



1) Die Familie, noch jetzt in Danzig blühend, schreibt sich „Gibsone". 



58 37. Schön 1840. 

Kegenten dermassen zu, dass man ihn zum Verkehr mit dem damals 
England feindlichen Preussen benutzte. Als Kommandant von Gol- 
berg, welcher Platz freilich nicht belagert, sondern nur von der 
Landseite eingeschlossen wurde, hatte Gneisenau durch sein ge- 
scheidtes und entschlossenes Benehmen (er besorgte sich Munition 
aus England, während Ealkreuth Danzig aus Mangel an Munition 
übergab)^) seinen Ruf begründet; sein Benehmen in London hob 
diesen noch mehr, und seine Stellung als Chef des preussischen 
Generalstabes 1813 bis 1815 setzte ihm die Krone auf. 

Auf seine Verhandlungen in London setzte Gneisenau besondern 
Werth und deshalb war sein Dank gegen Gibson, welcher ihn in 
das englische Verhältniss gebracht hatte, bis zu seinem Tode leb- 
haft. Gibson hatte für Gneisenau unbeschränkten Kredit bei seinem 
Hause eröflfnet, und dies setzte Gneisenau in den Stand, deshalb 
keine Verlegenheit fürchten zu dürfen. Auch nach dem Kriege 
blieb Gneisenau mit Gibson in einem beständigen Briefwechsel. 
Auf dem Schlachtfelde von Belle Alliance kaufte Gneisenau von 
einem Soldaten, dessen Kompagnie Napoleons Wagen erbeutet 
hatte, einen silbernen Becher mit Napoleons Namenszug, und schickte 
diesen Becher an seinen Freund Gibson nach Danzig. Gibson hielt 
sein Verhältniss zu Gneisenau auch so hoch und werth, dass er 
eine Stiftung für einen invaliden Soldaten gemacht hat, der Gneise- 
naus Grab bewachen soll. 

Wenn jeder Mensch Ähnlichkeit mit irgend einem Thiere 
haben soll, so hatte Gneisenau ein Löwengesicht und auch dessen 
Eigenschaften: Tapfer und edel. 

37. Schön an Schwinck. 

Königsberg den 17. Dezember 40. 

ich danke Ihnen herzlich für Ihren Brief vom 12'®°, welchen 
ich eben erhalte .... 

Was Sie von dem Gerede über mich dort bemerken, so ist 
Gottlob weder das Eine : dass ich ein neues Ministerium bilden soll, 
noch das Andere: dass ich in Ungnade gefallen sei, wahr. Von 
dem Ersten ist auch keine Spur zu mir gekommen, und zu dem 
Zweiten darf ich nur anführen, dass der König noch vor 14 Tagen 
wohlwollend an mich gedacht hat.^) Die Kabale will aber ihr Feld 

1) Vgl. „Aus den Papieren" IV S. 557 f. Pertz, Leben Gneisenau's I S. 208. 

2) Vgl. „Aus den Papieren" U S. 224 f. 



38. Schön 1841. 59 

haben und ich bin, dafür sei Gott gedankt I gewissen Leuten ein 
Stein des Anstosses. 

Die Geschichte des Herrn von Hass und Pluch^) hat hier auch 
viel Gerede veranlasst. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass der 
Mann selbst von dem Gedichte^) insofern Notiz genommen habe, 
dass er beim Könige darüber Klage geführt haben sollte.*) Nach 
seiner Charakteristik im Conversationslexikon, welches zwar viel 
lügt, steht der Mann aber so da, dass der Sinn für Gut und Böse 
längst von ihm gewichen ist. Das Conversationslexikon giebt ein 
grässliches Bild. 

Meine Frau dankt auch Herrmanns wegen. Wir grüssen Ihre 

Frau herzlich. Wenn Sie den G[eneral] Aster sehen, so bitte ich 

Sie mich zu empfehlen. 

Leben Sie wohl! 

Schön. 

Bessel*) fängt an von dem harten Schlage sich zu sam- 
meln 

38. Schitn an Schwinck. 

Pr. Arnau den 31. October 41. 

Nun ich hier ganz in Euhe bin, und nun ich mir die letzten 

Wochen recht vor die Seele führen kann, wird es mii' mehr als 

sonst Bedürfniss, Ihnen und Ihrer Frau für die Güte, welche Sie 

meiner Anna und mir bezeugten, zu danken. Hofifentlich wird es 



1) Der ehemalige allgemein verhasste kurhessische Minister Hans Daniel 
Friedrich Ludwig Hassenpflug war am 30. November zum Obertribunalsrath 
mit einer ausserordentlichen persönlichen Zulage ernannt worden. Diese Er- 
nennung hatte schon im Voraus die öffentliche Meinung lebhaft beschäftigt. 
Vgl. R. Prutz, Zehn Jahre 1 S. 330 ff. und Vamhagen's Tagebücher I S. 235. 237. 
Schön äussert sich über die Sache auch in dem Brief an M. von Brünne ck 
vom 13. December 1840 („Aus den Papieren" III S. 222 ff.). 

2) Eine Parodie auf Becker's Bheinlied, die damals in Berlin sehr 
verbreitet war. Das Gedicht ist abgedruckt bei Varnhagen a. a. O. 
S. 245 f., doch lauten die beiden ersten Verse richtig: 

Wir wollen ihn nicht haben, 
Den Herrn von Hass und Fluch. 

3) Nach Varnhagen S. 247 legte der Minister von Rochow dem Könige 
das Gedicht vor. 

4) Friedrich Wilhelm Bessel, der grosse Astronom, geboren zu Min- 
den 1784, seit 1810 Professor und Director der Sternwarte in Königsberg. 
Er stand zu Schön in nahen Beziehungen. Im Jahre 1840 starb sein 
einziger Sohn als Baucondiicteur zu Berlin, 27 Jahre alt, am Lazarettüeber. 



60 38. Schön 1841. 

das letzte Mal sein, wo ich auf den Berliner Brettern zu figuriren 
hatte und den Schwanen-Gesang hält man für einen wichtigen Ge- 
sang.^) 

Seit meiner Abreise von Berlin ist wieder manches Neue vor- 
gekommen. Der König hat unbedingt befohlen, dass Haake nach 
Preuss. Holland transportirt werden soll. Gott segne den König I 
Können Sie von der Art der Abreise des p. Haake etwas erfahren, 
so theilen Sie es mir gefälligst mit.*) ferner Rochow*) und sein 
Bureau können noch immer nicht aufhören, sich mit mir in der 
Leipziger Zeitung zu beschäftigen. Bald will man meine Gedanken 
bei dem zugedachten Vivat errathen, bald soll ich mich mit Rochow 
versöhnt haben, obgleich ich mit ihm keinen Krieg hatte, damit 
einige Strahlen meiner Popularität auf ihn fallen sollen, u. s. w. 
Die Art dieses Getreibes ist ekelhaft, und erbärmlich. Ferner: 
Nach meiner Zurückkunft, haben ausser Herrn Cornelius*) 3 Männer 
von mir Materialien zu meiner Lebensgeschichte gefordert, der 
Pariser Herr Krabbe wird sogar schon grob, bei seiner Forde- 

1) Schön war seit dem 1. October 1841 in Berlin gewesen, um den 
Verhandlungen des Staatsraths beizuwohnen. Seine Tochter Anna hatte ihn 
begleitet. 

2) Dieser von Hacke war Landiath in Preussisch-HoUand. Er hatte 
am 15. Februar 1841 dort eine spottweise sogenannte Adelsversammlung 
abgehalten, in der ein politisches Programm im Sinne des Polizeiministers 
von Bochow aufgestellt wurde, das seine Spitze gegen den Landtag und 
gegen Schön richtete. Vgl. „Aus den Papieren" HI S. 301 f. und Prutz a. a. O. 
S. 357 ff. Es war nachher herausgekommen, dass sich Hacke der Unter- 
schlagung im Amte schuldig gemacht hatte, er fand aber eine Zeitlang 
mächtige Beschützer. Näheres über diese Angelegenheit ergehen die 
„Aus den Papieren** UI S. 301 f. 364 ff. 428 ff. abgedruckten Correspon- 
denzen. Vgl. namentlich auch den Brief an den Grafen Dohna-Wundlacken 
S 433 ff. Hacke wurde schliesslich zu mehrjähriger Festungsstrafe ver- 
urtheilt und hat einen Theil derselben in Pillau verbüsst. Frau von Hacke, 
die durch das Schicksal ihres Mannes in die äusserste Bedrängniss versetzt 
worden war, wandte sich dann bittend an Schön und auf seine Verwen- 
dung erfolgte die Begnadigung des Mannes, der sich so schwer gegen ihn 
vergangen hatte. Hacke machte nachher 1848/49 als Offizier in der Schleswig- 
Holsteinischen Armee den Krieg mit und hat sich tapfer geschlagen. 

3) Gustav Adolf Rochus von Rochow, geboren 1792 zu Neuhausen bei 
Rathenow, seit 1834 Minister des Innern und der Polizei, als welcher er 
den „beschränkten XJnterthanenverstand" entdeckte. Er erhielt 1842 gleich- 
zeitig mit Schön seine Entlassung, blieb aber Mitglied des Staatsmmiste- 
riums und des Staatsraths. Er starb 1847 zu Aachen. 

4) „Herr Cornelius, früher Demagog, jetzt im Begriff, hier einen Buch- 
handel anzufangen." Vamhagen, Tagebücher I S. 376 (9. December 1841). 



38. Schön 1841. 61 

rung.^) Da habe ich nun den Entschlass gefasst; unter keinen Um- 
ständen Materialien zu meiner Section bei lebendigem Leibe zu 
liefern. Sagen Sie das Herrn Cornelius mit meiner Empfehlung, 
und geben Sie ihm den Rath, auf Stein, Hardenberg folgen zu 
lassen, der als Mensch, als Mann von Geist und Bildung, und als 
Staatsmann offenbar höher als Stein steht. Sagen Sie ihm, Har- 
denberg könne ein schönes Bild geben. Femer werden Sie schon 
wissen, dass ich nach meiner Abreise von Berlin aus dem Regen 
in die Traufe gekommen bin. In Berlin war ich dem Vivat ent- 
gangen*) und hier illuminirt man die Strasse, durch welche ich 
vom Thor zu meiner Wohnung gefahren wrt, und wollte noch dazu 
ein Vivat bringen. Dass ich Knall und Fall nach Arnau abfuhr, 
versteht sich von selbst, ich glaubte dadurch Illumination und Vivat 
zu heben, und das letzte unterblieb auch, aber in Absicht der Illu- 
mination machte ich die Erfahrung, dass ich nicht nur mythische 
Person, sondern förmlich Gespenst geworden bin. Bey Tage war 
ich noch auf dem Schlosse angekommen, und mit der ersten Nach- 
richt von dem Halloh fuhr ich nach Aman ab, aber man illuminirte 
doch den Weg vom Brandenburger Thor*) zum Schlosse, weil man 
von dem Aufenthaltsorte des Körpers keine Notiz nahm, und mich 
als Gespenst, welches nachkommen sollte, behandelte. 

Die Berliner Scribenten in der Leipziger Zeitung werden viel 
davon zu erzählen wissen, und dabei gehörig drehen und wenden, 
und ab und zu lügen, aber damit die Wahrheit an der Sache dort 
bekannt sei, schreibe ich dies, aber unter der ausdrücklichen Be- 
dingung, dass Sie diesen Brief nicht aus der Hand geben, dass 
daraus nichts gedruckt werde, und dass Sie den Inhalt dieses 
Briefes blos dazu benutzen, einzelne unrichtige Erzählungen 
mündlich zu berichtigen. 

Grüssen Sie Ihre Frau und leben Sie wohl! 

Schön. 

Der Redacteur der Königsberger Zeitung hat über meinen 
Empfang das Maul so voll genommen, und der neue Censor hat es 



1) Krabbe wurde auf drei Briefe durch Vermittlung der Gesandtschaft 
abschläglich beschieden. „Aus den Papieren*' III S. 517. 

2) Schön war in Berlin ein Abendständchen zugedacht worden; er 
hatte es indessen abgelehnt. 

3) In Königsberg. 



62 39. Schön 1842. 

passiren lassen^ dass er in dem gestrigen Stück der Zeitung ein 

Loch zurück hat stecken müssen.^) 

S. 

Meine Frau und Anna schreiben und danken nächstens. 

39. Schön an Schwinck. 

Königsberg den 14. April 42. 

Eben bringt BüUer mir Ihren Brief, und ich danke Ihnen 
herzlich dafür. Besonders und angelegentlich muss ich Ihnen da- 
für danken, dass Sie das Gespräch mit Stülpnagel weggestrichen 
haben. Beharren Sie dabei, und dulden Sie es nicht, dass etwas 
davon vorkomme. Der Gegenstand des Gesprächs ist zu mise- 
rabel.^) 

Das Woher und Wohin? ist wahrscheinlich auf eine Eequi- 
sition von unserer Seite gestrichen.*) Obgleich das Ding heute 
nichts ausserordentliches mehr enthält, so sehen gewisse Leute doch 
immer Gespenster. 



1) Man merkt dem Artikel der Hartungschen Zeitung S. 2120 f. deut- 
lich an, dass er auf fremdes Dictat geschrieben worden ist. Es heisst dort, 
es „liege in der Natur der Sache, dass . . . die Erleuchtung der Strassen, 
welche von dem Brandenburger Thore nach dem Kön. Schlosse führen, 
nicht so allgemein sein konnte, als es die erwähnte Beschreibung [in Nr. 249 
derselben Zeitung], ahnen lässt und dass sie in die Kategorie der Ehren- 
bezeugungen gehört, welche bei Privat- Veranlassungen, wie z. B. bei Auf- 
zügen zu Ehren der Professoren wohl früher stattgefunden haben, daher 
keinen Vergleich mit den Illuminationen zulässt, welche bei feierlichen Ge- 
legenheiten hier gleichfalls stattfinden." In dem ersten Artikel hatte es 
u. A. geheissen: „Die Illumination war so glänzend und so allgemein, wie 
seit langer Zeit keine hier gewesen ist.^' 

2) Da Schön die Mittheilung von Materialien zu seiner Lebensge- 
schichte verweigert hatte, so wandte sich Cornelias an andere Quellen 
(vgl. „Aus den Papieren^' III S. 517 f.); nachher legte er indessen Schwinck 
sein Manuscript vor, und Schön suchte nun wenigstens die Biographie so 
zu gestalten, dass charakteristische Züge nicht fehlten, auf die er Werth 
legte, und Albernheiten vermieden würden. Die Schrift „Preussens Staats- 
männer. III. Schön" erschien^ wie die vorangegangenen beiden Hefte der 
Sammlung, welche Stein und Hardenberg behandeln, im Verlag von Georg 
Wigand in Leipzig, indessen erst nach Schön's Entlassung, die darin noch 
mitbesprochen wird. 

3) ^gl- „Aus den Papieren" a. a. 0. Schön glaubte, die Broschüre 
sei Cornelius durch die russische Gesandtschaft und dieser durch Bochow 
mitgetheilt worden. In der Schrift von Cornelius finden sich S. 26 f. zwei 
Seiten Auszüge aus „Woher und Wohin?". 



39. Schön 1842. 63 

Dass Sie die Erbuntertänigkeitssache hineingebracht haben, 
ist gut, denn das ist mein Werk. Der Städteordnung könnte auch 
erwähnt werden, aber nur erwähnt, denn dabei war ich nur Ge- 
hülfe.^) Aber mein Gespräch mit Stein in Gumbinnen, aus der 
Schrift des General-Auditeur Friccius über die Landwehr, gehört 
ganz hinein, und ich muss wünschen, dass dies hinein komme.^) 
Mein Gespräch mit Napoleon in Gumbinnen 1812 dürfte auch eine 
Stelle fordern, wo ich Napoleon einen Vergleich seiner Administra- 
tionsform, und der TJnsrigen aufstellen musste, und wo ich, während 
der 3 Stunden, dass ich bei ihm war, das strengste und speciellste 
Examen über die preussische Ordensgeschichte hatte, welches den 
Kaiser dermassen interessirte, dass bald nachdem ich zu Hause 
gekommen war, der Herzog von Bassano mich besuchte und sich 
von mir alle Nachrichten wiederholen Hess. Besonders der Gang 
der Eroberung, die sinnreiche (Festungs-)Schlösser-Linie, schienen 
den Kaiser sehr zu interessiren.*) und wollen Sie zur Belustigung 
noch etwas geben, so Folgendes: Am 18. December 1812 kam der 
Landrath Saemann in Gumbinnen Abends etwa um 7 Uhr, mehr 
todt als lebendig zu mir, und zeigte mir an, dass der König von 
Neapel als damaliger Generialissimus den Befehl gegeben hatte, 
in der darauf folgenden Nacht, alle Kriegs-Magazin- Vorräthe zu 
verbrennen, und dann mit allen Franzosen abzuziehen. Bei der 
enormen Kälte, und einem heftigen Sturme, war die Stadt, wenn 
der Befehl ausgeführt wurde, verloren. Da schickte ich den Land- 
rath zum Adjutanten des Königs von Neapel, um diesem zu sagen : 
ich hätte den Befehl erlassen, mit dem ersten Funken aus einem 
Magazin-Gebäude, die Sturmglocken zu ziehen, und alle benach- 
barten Dorfschaften würden zur Stadt stürzen, und dass kein Fran- 
zose (es waren mehrere Marschälle da) dann lebendig bleiben 
sollte, dafür stände ich gut. Und das Verbrennen unterblieb, 
und am anderen Morgen früh war der König nach Königsberg 
abgereist.*) 



1) Vgl. Cornelius S. 10 f. 

2) Cornelius S. 20 f. Friccius, Zur Geschichte der Errichtung der 
Landwehr in Ost- und Westpreussen nnd in Litthauen im Jahre 1813, 
Berlin 1838, S. 7. 

3) Vgl. „Aus den Papieren" III S. 71 ff. VI S. 25 ff. Cornelius 
schweigt über die Sache. 

4) Vgl. „Aus den Papieren** I S. 80. VI S. 39 f. Cornelius S. 18. 



64 ^. Schön 1842. 

Alle diese Nachrichten wusste damals jeder Bürger von Gum- 

binnen. Sie können sie also^ ohne mich zu nennen mittheilen. 

Und nun leben Sie wohl! 

Schön. 

Wie steht es mit meinem Wach'schen Bilde ?^) 

40. Schön an Schwinck. 

Pr. Aman den 7. Aug. 42. 

Lieber Schwinkl ich habe die Verhandlungen, welche zwischen 
Ihnen, Thiele*) und Rochow stattgefunden haben, gelesen, und 
bedauert, dass ich Ihnen, wenigstens für einige Stunden, Unruhe 
gemacht habe. Mein Trost ist aber dabei, dass Sie in der Sache 
klar, und wie es dem Manne geziemt, stehen geblieben sind, und 
ich habe mich über Ihren Brief gefreut. Seien Sie aber nicht 
böse auf mich, dass ich Ihnen die unruhigen Stunden gemacht 
habe. Ich sagte Ihnen bei meiner Abreise von Berlin, dass ich 
Sie als den, dem eine Vermuthung geäussert wäre, genannt hätte. 
Die Sache ist jetzt wohl zu Ende, sie hat sich ihrer Natur nach, 
wie der Rhein im Sande verlaufen. 

Aber hadern muss ich mit Ihnen. Sie haben das Manuscript 
der Eloge auf mich,^) (denn eine Lebensbeschreibung ist es nicht) 
gelesen, und Sie haben meine jetzige Frau vergessen. War das 
wohl Recht? tJberhaupt ist die Eloge doch ein gar leichtes Opus. 
Es wird indessen seinen Zweck (Geldspekulation eines Buchhändlers) 
erfüllen, denn es wird hier wenigstens sehr gekauft, dazu hat noch 
das Wohlwollen beigetragen, welches der König mir hier bezeugte.*) 

Aber, dass ich so bei lebendigem Leibe zerzerrt und zerrissen 
werde ist doch an sich grausam, und für mich oft sehr unangenehm. 
Mit dem Abschied glaubte ich nicht allein todt, sondern auch 
begraben zu sein, aber das Spektakel geht immer fort, und da ich 
kein Wort dazu sage, schreibe oder drucken lasse, so stehe ich 
ausserhalb der Bühne, und sehe, wie man sich mit meinen Doppel- 

1) Schön hatte zu diesem Bilde dem damaligen Hofmaler Wach wäh- 
rend seines Aufenthaltes in Berlin wiederholt gesessen. Das Bild, gegen- 
wärtig in der städtischen Gemäldegallerie zu Königsberg, erschien den 
Zeitgenossen nicht als durchweg gelungen. 

2) Der General Ludwig Gustav von Thile, geboren zu Dresden 1781, 
gestorben zu Frankfurt a. 0. 1852, war am 9. März 1841 zum Staats- und 
Cabinetsminister und Minister des Schatzes ernannt worden. 

3) Die Comelius*sche Biographie. 

4) Vgl. B. Prntz, Zehn Jahre II S. IS^. 



40. Schön 1842. 65 

gängern herumbalgt. Dadurch bekommt die Sache etwas so hoch- 
komisches, dass ich zuweilen aus vollem Halse über mich, oder 
vielmehr über mein Alter Ego lachen muss. Man könnte meine 
Lage als eine Schicksals-Ironie bezeichnen. Freund EichendorflF,^) 
den ich zu grüssen bitte, könnte daraus eine Novelle machen, wo 
ich selbst Kohl baue und Rüben behacke und mit meinen Gross- 
kindern spiele, und wo mein Doppelgänger so zerzaust, so verzerrt 
und so zerrissen wird, dass mein Rüben bauendes Ich, über die 
Unruhe, welche ihm der Doppelgänger des öfifentlichen Lebens 
macht, des Teufels werden möchte. Das könnte sehr hübsche 
Dialoge zwischen dem Eohlbauer und dem Alter Ego abgeben, 
und dazu könnte der Erste noch an den Hammel-Junker streifen, 
den Tieck so prächtig geschildert hat.^) Kurz: sagen Sie Eichen- 
dorflF, der Text zur Novelle ist da, und je komischer meine beiden 
Ichs gestellt werden, um so mehr würde ich mich freuen. Das 
Schicksal spielt hier bedeutend mit, denn Menschen, wie ich bin 
haben zu Tausenden gelebt, und haben unbemerkt gelebt, und ihr Bild 
ist spurlos verschwunden. Hier boi mir balgen sich die öflFentlichen 
Verhältnisse, während ich nur Strohmann bin. Doch genug hiervon. 

Auf meine Frau hatte das Getreibe einen solchen Einfluss 
geübt, dass sie ein Nervenleiden bekam, welches sich durch gänz- 
liche Abspannung äusserte. Jetzt geht es besser, aber sehr 
langsam. Doch kann sie seit etwa 10 Tagen allein im Garten 
gehen. Meine Frau und Anna grüssen Sie beide herzlich, ich bin 
wüthendeNJLiandwirth, lese aber dabei noch ein Gedichtchen und 
treibe auch ein bischen Philosophie. Vom öfifentlichen Leben halte 
ich mich fern, welches mir dadurch auch leicht wird, dass mein 
Nachfolger^) sich ferne von mir hält, weil er überhaupt eine ganz 
andere Art von Mensch zu sein scheint, als ich es einmal bin. 

Wie steht es mit der Stern-Karte? Professor Moser miss- 
billigt es, dass Sie sich mit Behr*) verbunden haben, weil dieser 
ohne Verdienst, Ihnen nun das halbe Verdienst in der Meinung nimmt. 

1) Joseph Freiherr von Eichendorff, geboren zu Lubowitz bei 
Ratibor 1788, gestorben zu Neisse 1857. Er war mit Schön befreundet, 
seit er 1821 Regierungsrath in Danzig geworden war; von 1824—31 war 
er Oberpräsidialrath bei Schön in Königsberg. 

2) Das bezieht sich, wie mir M. Bemays mittheilt, auf Tieck's „Ge- 
sellschaft auf dem Lande" (Gesammelte Novellen VIII S. 471 ff.)- 

3^^ Der Oberpräsident Bötticher. 

4) Wilhelm Beer, der Bruder Giacomo Meyerbeer^a (g^^\iQT«ö. Yl^l ^eq. 
Berlin, gestorben daselbst 1850), war Bankier "vmÖL em ^\in.%«t\Ä.^^^^'^ ^'^"^ 



66 41. Schön 1843. 

Was sagen Sie zu Mosers Entdeckungen?^) Es ist etwas Ge- 
waltiges! Das kleine Kerlchen lebt jetzt Ewig! ich habe mich 
sehr darüber gefreut, ich sagte ihm vorgestern : Er möge jetzt nur 
ein Mittel finden, wie man in jedem Körper das latente Licht frei 
machen kann, denn alsdann wären alle Kronleuchter in Gesell- 
schaften übrig, weil jeder Gast ein Kronleuchter an sich sein wird. 

Also wieder von Königsberg Etwas Grosses! II 

Eufen Sie das doch dort mit einem doppelten Sprach-ßohre 
aus. Die Pariser Akademiker schämen sich nach der Zeitung, die 
Entdeckung nicht gemacht zu haben, die Berliner müssen in Sack 
und Asche vor Königsberg ihre Kniee beugen. Moser hat auch so 
enorm gearbeitet, dass er noch heute angegriffen aussieht. Die 
Unsterblichkeit ist nicht wohlfeil! 

Prof. Jacobi*) soll aber glücklich in England gewesen seyn, 

Bessel weniger.*) Beide müssen längst in Paris seyn. 

Und nun Gott mit Ihnen : o i. „ 

ocnön. 

41. Schön an Schwinck.^) 

Königsberg den Iten April 43. 

ich grüsse Sie und Ihre Frau herzlich! 

ich weiss zwar, dass Ihre Zeit kostbar ist, aber ich glaube 
auch, dass Sie mir gern eine Gefälligkeit erzeigen und diesmal 
sollen sie dabei nicht in polizeiliche Inquisition kommen. 

Astronomie. Er richtete sich eine Privatstemwarte ein und hat u. A. mit Mädler 
die Mondkarte veröffentlicht, deren gesammtes wissenschaftliches Verdienst 
Mädler gebührt. Auf Schwinck's Sternkarte ist sein Name nicht genannt. 

1) Ludwig Moser, geboren 1805 zu Berlin, war seit 1832 Professor der 
Experimentalphysik in Königsberg, wo er am 25. Februar 1880 starb. Er 
gehörte zu dem näheren Umgang Schön's. Ich habe ihn noch als alten, 
etwas sonderbar gewordenen Herrn gekannt und hatte den Eindruck, es 
mit einer geistvollen, mannigfaltig angeregten Persönlichkeit zu thun zu 
haben. Moser's Forschungen über »patentes Licht" wurden in Poggendorff's 
Annalen der Physik Bd. 56-60 (1842/43) veröffentlicht. Die Entdeckung stellte 
sich schliesslich als ein Irrthum heraus. 

2) Karl Gustav Jacob Jacobi, der berühmte Mathematiker, geboren 
1804 in Potsdam, 1829—43 Professor in Königsberg, gestorben 1851 zu Berlin. 

3) Bessel hatte sich im Sommer 1842 mit seinen drei Töchtern und 
seinem Schwiegersohn Erman gleichzeitig mit Jacobi nach England 
begeben; er wohnte der Naturforscherversammlung in Manchester bei und 
besuchte auch die schottischen Hochlande, sowie auf der Rückreise Paris. 
Vgl. über Schön's Antheil an dieser Eeise den Brief A. v. Humboldt's an 
Schön in der Zeitschrift für Volkswirthschaft LXVI (1880) S. 21 f. 

4) Concept, eigenhändig unterzeichnet. 



41. Schön 1843. 67 

No. 23 vom 21*®*^ März c. enthält die in Berlin (unter polizei- 
lichem Schutze) herauskommende Literarische Zeitung eine Rezen- 
sion von Bülaus Geschichte Deutschlands.^) Am Schluss der 
Rezension wird meiner Cornelius'schen Lebensbeschreibung*) (als 
mageres Machwerk, wie richtig ist) erwähnt und über das politische 
Testament (von dem Sie ein Facsimile in Händen haben) ver- 
handelt'). 



1) Geschichte Deutschlands von 1806 bis 1830 von Friedrich Bülau. 
Hamburg 1842. 

2) Vgl. Nr. 39 und 40. 

3) Die in Betracht kommende Stelle des Artikels der Literarischen 
Zeitung lautet folgendermassen : 

,,Eine vorsichtige Prüfung der Quellen, aus denen die Geschichte 
der Verwaltung beider Männer'* (nämlich Steines und Hardenberges) ,^£är 
jetzt geschöpft werden muss, und eine genaue Durchforschung des grossen 
Materials von Gesetzen und Verordnungen aus dieser ganzen Epoche sind 
also nothwendige Vorarbeiten für Verständniss und Würdigung der einzelnen 
Institute. — Der Verf. bedauert gewiss mit uns, dass diese von keinem 
Andern gemacht sind, die Unzulänglichkeit seines Buches — gerade an 
dieser wichtigen Stelle — mag dadurch zum Theil entschuldig^ sein. Auch 
über den Ursprung der Landwehr, über den sich vielleicht noch am ersten 
aus der reichen Literatur etwas Sicheres zusammenstellen Hesse, ist er 
nicht aus den besten Quellen unterrichtet. — Denn wegen des Anspruchs, 
der für den Grafen Dohna-Schlobitten als eigentlichen Erfinder der Land- 
wehr erhoben worden ist, war nicht Steinmann — dessen sinnlose Compi- 
lation überhaupt gar nicht angeführt zu werden verdient — sondern Voig^'s 
Leben des Grafen zu vergleichen, Schamhorst's Antheil an der Gründung 
dieses Instituts aber ist bündiger, als durch HippePs Zeugniss bereits 
durch die gegen Voigt's Behauptungen gerichtete Schrift des Kriegsminister 
von Boyen festgestellt worden." 

Dazu heisst es dann in einer Note: 

„Mit wie wenig Sorgfalt man alle diese Dinge noch betrachtet, mag 
folgendes Beispiel lehren. Im vorigen Jahre wurde in öfPentlichen Blättern 
gefragt, wer denn eigentlich Verfasser des unter dem Namen das politische 
Testament des Freiherm von Stein bekannten merkwürdigen Actenstücks 
sei. Der gelehrte und kritische Geschichtsforscher, von dem das deutsche 
Publikum die Biographie des berühmten Staatsmannes erwartet, an den 
die Frage zunächst gestellt war, hatte ohne Zweifel Ursache zu schweigen; 
aber auch kein Anderer hat bis jetzt darüber gesprochen, obwohl sich 
schon seit einiger Zeit ein wenigstens der Wahrheit nahekommender Auf- 
schluss geben lässt. — In einer Biographie des Staatsminister von Schön 
(Nr. m. der bei Georg Wigand in Leipzig erscheinenden Sammlung 
„Preussens Staatsmänner"), einem übrigens ganz unbedeutenden, zum Theil 
aus Phrasen einer anderen früher erschienenen Schrift (die Verfassungsfrage 
in Preussen von L. Buhl) zusammengestellten Machwerk, findet sich unter 

5* 



68 41. Schön 1843. 

Die Grescbichte dieses politischen Testaments ist folgende: 
Stein kam durch Napoleon und durch eine Hof kabale im Jahre 1808 
aus unserem Dienste. Es war vorauszusehen, dass das, was von 
1807 bis dahin geschehen war, sistirt und womöglich noch ver- 
wässert werden würde. Es kam darauf an, das, was geschehen 
war, wenigstens in der Meinung zu halten und das, was noch 
geschehen sollte, der Meinung zu geben, ich sprach darüber mit 
Nicolovius, Dohna-Wundlak und v. Rhediger. Keiner von uns war 
damals der Welt bekannt; wir beschlossen daher, dass Stein die 
Firma gebe, ich setzte das Testament auf, wie es im Pacsimile 
ursprünglich ist und die Correcturen kommen von Bemerkungen 
der drei Freunde. Nun wurde von Stein gefordert, er möge das 
Testament unterschreiben, er habe die Firma der Zeit, sein Name 
sey wichtig.') Stein erklärte sich zwar dazu bereit, wobey die ihm 
dabey zugesagte Zelebrität einen grossen Antheil hatte, aber man 
sah es ihm an, dass er bedenklich dabey war. Dies hatte darin 
seinen Grund, dass Stein 1*®°' durchfühlte, dass er, der philosophisch 
ganz ungebildet und als Staatsmann wenig und in dem Wenigen 
verkehrt gebildet war, in dieser Lehrform nicht schreiben könne, 
und dass ihm 2^°^ einige Sätze auch nicht ganz zusagten, wie er 
denn auch einige Jahre darauf einige Sätze des Testaments gegen 
mich widerrief,*) und das ganze Testament nach seiner Freund- 
schaft mit Gagem vor seinem Tode verdammt haben soll. Dass 
Stein in meinem Aufsatze, von dem Sie das Facsimile haben, 
irgend etwas geändert haben soll, ist mir gänzlich unbekannt, und 
die Reinschrift, welche ich officiell als Mitglied des Staatsraths 
bekam, war meinem Conzepte gleich. Abschreiber mögen nachher 
manches verstümmelt haben und so statt Vervollkommnung, Ver- 
waltung pp. geschrieben haben. Bei der Unterschrift der Rein- 



dem Titel „Schönes Entwurf des unter Stein*s Namen cursirenden politischen 
Testaments" dasselbe Dokument, mit einer Reihe von Abweichungen im 
Einzelnen, die, mit den entsprechenden Stellen des vulgären Textes ver- 
glichen, deutlich zeigen, dass uns hier wirklich der erste Entwurf dieses 
vor der Publikation von sehr besonnener Hand verbesserten Dokumentes 
vorliegt. In wie schlechter Gesellschaft uns nun auch wiederum dieser 
Entwurf zugekommen ist, freuen wir uns doch seiner Bekanntmachung 
und glauben nichts TJeberflüssiges zu thun, wenn wir in rein historischem 
Interesse die wichtigsten Varianten hier zusammenstellen.'^ Wegen der 
Varianten vgl. oben S. 8 f. 

1) Ob „wichtig** oder „mächtig" dasteht ist nicht sicher. 

2) Vgl. oben S 44. 



41. Schön 1843. 69 

Schriften bekam Stein wieder Bedenken und am Abende vor seiner 
Abreise, als er noch zu mir kam, hatte er sie noch nicht unter- 
schrieben. Dies geschah erst in der Stunde seiner Abreise von 
hier, am anderen Morgen. Die Staatsraths-Mitglieder erhielten 
erst ihre Exemplare, als Stein schon aus der Stadt war.^) 

Dies die Geschichte des Facsimile's, welches Sie besitzen. 
Und nun gründe ich darauf folgende Anträge: 

1. dass Sie zu erfahren suchen: 

a) Wer der Redacteur der literarischen Zeitung und 

b) Wer der Rezensent des Bülau'schen Buchs ist. 

Sind dies Menschen, von denen man Meinungen für klingendes 
Geld kaufen kann, so beschmutzen Sie sich dadurch nicht, dass Sie mit 
solchen Kerls auch nur reden. Der Geh. Rath Professor Dirksen^) 
wird wahrscheinlich über Redacteur und Rezensent Auskunft geben 
können, und ihm (dem Geh. Rath Dirksen) können Sie diesen 
Brief mittheilen. 

Sind Redacteur und Rezensent aber nur Schwächlinge, so 
fragen Sie 

2. den Rezensenten: 

a) Wer die besonnene verbessernde Hand sey? 

b) Woher er Stein vulgär nenne? diesen eminenten Geist, 

der niemals gemein warl 

c) Ob ihm nicht die Zunge im Halse verbrenne, wenn er 

Stein, Hardenberg und Niebuhr schlechte Gesell- 
schaft nenne.*) 

Beiläufig können Sie dem Geschichts-Verdreher auch 

3. sagen, dass Voigts Schrift über die Entstehung der Land- 
wehr*) auf Zeugen-Aussagen und besonders auf offiziellen Akten- 
Schriften beruht. Allerdings hat Schamhorst dem Hippel eine 
Landwehr-Ordnung gezeigt, aber diese war von hier an den König 



1) Zur Geschichte des politischen Testaments vgl. oben Nr. 6. 

2) Heinrich Eduard Dirksen, geboren 1790 in Königsberg, 1812 ausser- 
ordentlicher, 1817 ordentlicher Professor der Eechte daselbst bis 1830, lebte 
seit 1833 in Berlin, wo er 1868 starb. 

3) Stein und Hardenberg bilden den Gegenstand der beiden ersten, 
Niebuhr den des 4. Hefts von „Preussens Staatsmännern". 

4) Johannes Voigt, Das Leben des Staatsministers Friedrich Ferdinand 
Alexander Reichs-Burggrafen und Grafen zu Dohna-Schlobitten, Leipzig 1833, 
S. 24 ff. 



70 42. Schwinck 1843. 

(Scharnhorst) geschickt. Boyen^) hat das, was Voigt sagt, in keinem 

Punkte wiederlegt, wie Voigt auch durch den Druck hat bekannt 

machen lassen. Und nun schreiben Sie mir bald, was Sie hierauf 

gethan, oder nicht gethan haben, Und 

leben Sie wohll 

Schön. 

42. Schwinck an Schön.') 

Aus the morning Herald vom 21*®'' März 1843. 

„The prosecution of the ex-Minister Baron von Schun, and 
his Secretary Dr. Jacoby, for temperate and constitutionally written 
Pamphlets made an Impression so unfavorable to the Court through- 
out Prussia, that the judgements against them had to be revoked 
and they are now looked on as martyrs to the cause of freedom. 
This revocation took place upwards of two months since, but neither 
of these distinguished men have yet been able, to learn the parti- 
culars of their condemnation, and their publications are still as 
rigorously excluded from Prussia as they were before the revocation." 

Dieser Artikel hat, wie ich erfahren, hier nicht besondere 
Sensation erregt, indem es doch nur wenige Leute giebt, welche 
mit den Englischen Zeitungen und überhaupt mit der Politik im 
ordentlichen Zusammenhange stehen. Dagegen haben ein Paar 
andere Artikel aus eben diesem Lande, desto mehr angeregt und 
die wenigen Orte, wo die betreflfenden Blätter gehalten werden, 
befanden sich im Belagerungs-Zustande. Die Artikel sind bekannt, 
deshalb nichts weiter darüber. 

Die Litterarische Zeitung ist das erbärmlichste Blatt, welches 
existirt,^) ein hiesiger Freund, welchen ich fragte, ob er mit dem- 
selben in irgend einem Zusammenhange stehe, nahm dies für eine 
persönliche Beleidigung auf. Der Aufsatz in Nr. 23 ist von sehr 
untergeordneter Art und noch mehr der Verfasser desselben, welchen 
ich zwar nicht bestimmt, aber doch wahrscheinlich ermitteln 
konnte. Vielleicht ist es möglich noch etwas Näheres zu erfahren 



1^ H. V. Boyen, Beiträge zur Kenntniss des General von Schamliorst 
und seiner amtlichen Thätigkeit in den Jahren 1808 bis 1813 mit besonderer 
Beziehung auf die über ihn in der Biographie des verstorbenen Minister 
Grafen Dohna ausgesprochenen XJrtheile. Berlin 1833 S. 22 ff. 

2) Concept ohne Datum. 

3) Vgl. Vamhagen, Tagebücher 11 S. 14. Das Blatt kann durch Nichts 
besser charakterisirt werden, als durch den ausführlichen Bericht seines 
geistigen Leiters Eilers, Meine Wanderung durchs Leben IV S. 169 ff. 



42. Schwinck 1843. 71 

und dann werde ich meine Maassregeln danach nehmen. Es soll 
der Geheime Regierungsrath Eilers^) (Eilers und nicht Eylers oder 
Eylert, wie es auch einen in diesem Ministerio giebt), welcher im 
Ministerium von Eichhorn arbeitet, sein und ist er es wirklich, 
so kann nichts weiteres geschehen, denn an diesem Kerl besudelt 
man sich. Was nun den Aufsatz in Nr. 23 betrifft, so haben wir 
ihn hier mit grosser Aufmerksamkeit gelesen — finden aber ausser 
Dummheit nichts anderes. Dass das Schriftchen von Cornelius ein 
mageres Machwerk ist, darüber sind alle einig. Der Ausdruck 55in 
wie schlechter Gesellschaft" ist durchaus unschuldig, Verfasser will 
damit nur in Bezug auf das Vorhergehende sagen, der Entwurf sei 
in einem aus Phrasen zusammengestellten Machwerk enthalten und 
eben dieses nennt er die schlechte Gesellschaft — so haben es 
Dirksen und noch mehrere Andere verstanden. Noch weniger ver- 
dächtig ist der „Vulgäre Text" — soll heissen gewöhnlicher, bisher 
gebräuchlicher Text. Die „besonnene Hand" ist allerdings ein 
Stich, welcher aber allein den Verfasser des Aufsatzes trifift, denn 
wenn man beide Lesarten mit einander vergleicht, so ergiebt sich 
eigentlich kein Unterschied. und dasjenige, was verschieden ist, sind 
nur Fehler des Abschreibers. Der Redakteur Dr. Brandes ist ein 
ganz unbedeutender Mensch, dagegen ist der Verleger Duncker ein 
Ehrenmann. Früher hatte sich Duncker als Verleger eine entscheidende 
Stimme vorbehalten, diese aber aufgegeben, seit die Zeitung eine 
Tendenz verfolgt, welche er selbst nicht billigt — aber als Ver- 
leger ist die Zeitung Waare für ihn und nichts weiter. Duncker 
wünscht sehr, dass gegen das in Nr. 23 enthaltene etwas erscheine 
und bat mich, diese Berichtigung einrücken zu lassen. Da ich aber 
versprochen habe, in BetrefiF aller dieser Angelegenheiten das 
strengste Stillschweigen zu beobachten, so schreibe ich keine Zeile 
ohne vorherige Erlaubniss. Sollte ich aber diese Erlaubniss 
erhalten, so würde ich doch Bedenken finden, für die Litterarische 
Zeitung etwas zu geben, denn man kommt dadurch bei allen anstän- 
digen Leuten in Misskredit. Ueberhaupt aber bin ich der Ansicht, 
dass man von dem Aufsatze durchaus keine Notiz nimmt. — Die 
ganze gebildete Welt hat ein Recht von dem Verfasser des Stein- 



1) Gerd Eilers, geboren 1788 zu Grabstede im Oldenburgischen, 
G^ymnasialdirecto^ in Kreuznach, wurde 1840 als Mitredacteur der Staats- 
zeitung nach Berlin berufen, 1841 Hilfsarbeiter, im October 1843 vortragen- 
der S,ath im Ministerium Eichhorn. Er trat 1848 in Ruhestand und starb 
1863 zu Saarbrücken. 



72 42. Schwinck 1843. 

sehen Testaments eine Geschichte der Entwicklung seiner Zeit zu 
fordern und bis dahin darf nach meinem Gefühl über diese Ange- 
legenheit keine Zeile gedruckt werden. 

Der Geheime Bath Dirksen war sehr erfreut, als ich ihm den 
Brief mittheilte, wie ich aber gleich vermuthete, steht er diesem 
Blatte und seinen Mitarbeitern ganz fremd gegenüber, er wird aber 
Erkundigungen einziehen und was ermittelt worden soll dieser Bogen 
aufnehmen. 

Heute befand ich mich in einer musikalischen Gesellschaft, in 
welcher auch Polen und Russen waren. Ein hiesiger Professor 
der Theologie bat die Gläser zu nehmen, um dem preussischen 
Landtage ein Hoch ! ! zu bringen, denn sobald nur einige bei einem 
Glase Wein vereint wären, sei es deren erste und heiligste Pflicht, 
dieser würdigen Körperschaft zu gedenken. Hevernick^) ist nicht 
zum Besuche in Berlin. 

Das Lamm Friedrichs, der hiesige Landtag ist wahrscheinlich 
im Schichten begriffen, denn es scheint sich nach den neuesten 
Verhandlungen die Spur eines Eckzahnes zu zeigen. Die Erklärung 
des Rosner wegen des Verlustes des Adels hätte ich am wenigsten 
dort erwartet. Auf das Ergebniss der Anträge dieser Provinz 
muss man gespannt sein, denn nach der Antwort auf den ersten 
Antrag schien ein sich zufällig einstellender Schnupfen bei der 
Mehrzahl der Deputirten nicht unmöglich, diese Epidemie ist nicht 
erfolgt — also muss etwas im Hinterhalt liegen, wie es schon 
durch das Zurückweisen der Adelsdegradation, dokumentirt wird. 



1) Heinrich Andreas Christian Hävemick, geboren 1811 zu Kröpelin 
in Mecklenburg, machte sich zuerst dadurch bekannt, dass er 1880 
Hengstenberg mit den von ihm nachgeschriebenen Collegienheften Material 
zu seiner Denunciation gegen die Hallenser Professoren Gesenius und 
"Wegscheider lieferte. Er wurde 1837 ausserordentlicher Professor in Rostock 
und dann 1841 trotz des Protestes der theologischen Pacultät und des 
Senats als Professor der Theologie nach Königsberg berufen, um dort eine 
Pflanzschule der Orthodoxie zu errichten. Die Studenten demonstrirten in 
seiner Antrittsvorlesung (1. November 1841) dadurch gegen ihn, dass sie 
dicht gedrängt in das Auditorium strömten und es, nachdem er einige 
Sätze gesprochen, wieder verliessen. Der König hielt es bei seiner Anwesen- 
heit in Königsberg im Juli 1842 für angemessen, sich einer Deputation der 
Universität gegenüber energisch Hävemic'ks anzunehmen. Vgl. „Aus den 
Papieren" IH S. 457, E. Prutz, Zehn Jahre II S. 14 ff. und H. Prutz, Die kgl. 
Albertus-Universität zu Königsberg im 19. Jahrhundert S. 104. Hävemick 
starb schon 1845 zu Neu-Strelitz an einem Herzleiden. 



43. Schön 1843. 73 

43. Schön an Schwinck. 

Königsberg, den 28. April 43. 

Angelegentlich und herzlich, danke ich für Ihren freundlichen 
Brief. Allerdings ist es nicht der Mühe werth, zweideutige Menschen, 
wie anscheinend die Arbeiter an der literarischen Zeitung sind, 
auch nur zu befragen. Der Verfasser jenes Aufsatzes wird, weil 
das Testament anfangs nur schriftlich cirkulirte, wohl zwei Abdrücke 
vor Augen gehabt haben, welche von einander abweichen, und nun 
geglaubt haben, dass der eine von Stein, der andere von mir sei. 
Es kommt aber nicht darauf an, und daher mag die Sache auf sich 
beruhen. 

Der Artikel aus dem Morning Herald, welchen Sie mir gütigst 
mittheilen, ist lustig, da ich von einer Verfolgung nichts weiss, im 
Gregenteil der König in dieser Zeit einigemal mit Wohlwollen an 
mich gedacht hat. Den Dr. Jacoby^) hat dieser Artikel besonders 
amüsirt. Die Artikel in der Times lassen besonders deshalb einen 
sehr traurigen Eindruck zurück, dass sie in der Englischen Ministe- 
rial-Zeitung stehen, welche nichts aufnimmt, was nicht Peel billigt. 
Nach dem zweiten Artikel vom 27. v. M. liegt Peel Alles daran, uns 
von Russland entfernt zu halten, weil im Fall der Einigkeit, Eng- 
land nicht ganz sicher auf die Ostsee rechnen kann, u. s. w. Es 
soll schon ein dritter Artikel da sein. 

Zu Vollendung der Sternkarte wünsche ich Glück. Obgleich 
Bessel, wie Sie wissen, damit nicht ganz zufrieden ist, so erkennt 
er das gute Werk doch an. Schade, dass Bessel in der Politik 
jetzt öffentlich eine eigene Partei zu nehmen anfängt, und z. ß. für 
die Schubertsche Zeitung^) und noch dazu in greller Richtung gear- 
beitet hat. Wir bedauern hier diese Besselsche Krankheit. Pro- 



1) Dr. med. Johann Jacoby, der Verfasser der „Vier Fragen eines 
Ostprenssen^S geboren zu Königsberg 1805, gestorben daselbst 1877. Man 
glaubte damals vielfach, Schön stehe in politischen Beziehungen zu ihm, 
und auch später ist diese Fabel wieder aufgetaucht. Vgl. meine Bemer- 
kungen in „Nord und Süd" VI (1878) S. 229 f. 

2) Königsberger Allgemeine Zeitung, von dem Professor F. W. Schubert 
von ihrem Beginne im Januar 1848 bis Mitte 1845 herausgegeben. Das 
Blatt vertrat den bureaukratischen Absolutismus und erklärte sich gegen 
eine Constitution für Preussen, wollte dagegen an den Principien der Ent- 
wickelung des Staates seit 1807 festhalten. „Das geschichtlich Gewordene 
ist nothwendig," hiess es in dem Programm. In dieser Zeitung (1843 Nr. 142 
S. 599 f.) hat Bessel auch Schwinck's Sternkarte lobend angezeigt. 



74 44. Schön 1843. 

fessor Dürecl^e,^) den Sie gewiss kennen, kann Ihnen viel von 
Königsberg erzählen. Wir freuen uns, ihn auch persönlich kennen 
gelernt zu haben. 

In den nächsten Wochen ziehen wir nach Arnau, und dann 
will ich von dem Treiben der Welt nichts mehr wissen, und nur 
landwirtschaften und in der Vergangengenheit leben. Schon unser 
eben geschlossener Landtag war so herrlich, dass man von ihm 
zehren kann. 

Wir grüssen Sie und Ihre Frau! 

Leben Sie wohll 

Schön. 

44. Schön an Schwinck. 

Königsberg, den 2. May 1843. 

Schon wieder ein Brief I werden Sie sagen. Und noch mehr: 
Schon wieder ein Gesuch I Und darauf antworte ich: Wer gefällig 
ist, muss die Schuld seiner Sünde tragen. 

Zur Sache. Der dortige Ober-Bibliothekar Herr Pertz hat 
mich durch den jetzigen Ober-Bürgermeister Finder um ein Exem- 
plar des Fac simile des politischen Testaments, von welchem Sie 
ein Exemplar besitzen, bitten lassen, ich kenne Herrn Pertz zwar 
nicht persönlich, aber ich kenne ihn, als einen gediegenen ausge- 
zeichneten Gelehrten, dem ich gerne ein Zeichen meiner Achtung 
gebe. Wahrscheinlich liegt ihm daran, das Fac simile nur zu 
sehen, und daher bitte ich Sie zu Herrn Pertz zu gehen, und ihm 
Ihr Exemplar zur Ansicht vorzulegen, und zur Geschichte der Sache 
ihm folgendes mitzutheilen: Stein war bestimmt zum Gongress in 
Erfurt zu gehen. Wenige Tage vor der Abreise kam, nach den 
aufgefangenen Briefen von Stein an Vinke^), der Gräfin Voss*) pp., 
die heftige Erklärung Napoleons*) hieher. Niemand dachte aber 



1) Gustav Lejeune Dirichlet, der berühmte Mathematiker, geboren zu 
Düren 1805, dan)als Professor in Berlin, später in Göttingen, wo er 1859 starb. 

2) Wohl verschrieben für Wittgenstein. 

3) Die Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss, geboren zu 
Berlin 1729, gestorben daselbst 1814. Vgl. Pertz, Leben Stein 11 S. 230 und 
276 f. und Alfred Stern, Zur Geschichte der preussischen Reformzeit 
(Leipzig 1885) S. 19 f. Die einschlagenden Aufzeichnungen in den Tage- 
büchern der Gräfin sind bei der Herausgabe (Neun und sechzig Jahre am 
Preussischen Hofe, Leipzig 1876) leider unterdrückt worden. 

4) Im Moniteur vom 21. September 1808. Vgl. Schön's Selbstbio- 
graphie I, „Aus den Papieren" S. 55 f. und Selbstbiographie 11 in „Beiträge 
und Nachträge zu den Papieren Th. von Schön's" S. 50. 



44. Schön 1843. 75 

deshalb an eine Entfernung Steins, obgleich Zeichen da waren, 
dass Einzelne Wenige dies zu einer Kabale gegen Stein benutzen 
wollten. Der König war entschieden für Stein. Statt Stein, sollten 
nun der Minister Graf Golz und Staegemann nach Erfurt reisen, 
der Kiiyser Alexander sollte die Sache vermitteln. Alexander über- 
nahm dies, zeigte sich bey seiner Rückkehr von Erfurt gleich bey 
seiner Ankunft ausgezeichnet gnädig gegen Stein, und sagte ihm 
bey der darauf folgenden Privat- Audienz: Napoleon wolle nur, dass 
er (Stein) nicht mit dem auswärtigen Departement zu thun habe, 
wenn Stein aber die Administration in der Hand behielte, so hoffe 
er (Napoleon) um so richtiger die Kriegs- Contribution zu bekommen. 
Da Stein die Stimme des Landes hier ganz für sich hatte, so 
frohlockte Alles. Wenige Tage nach der Abreise des Kayser Alexander 
von hier, kamen der Graf Golz und Staegemann von Erfurt hieher 
zurück. Staegemann sprach in dem Sinne wie der Kayser Alexander 
gesprochen hatte, Graf Golz gesellte sich aber gleich zu den wenigen, 
aber Einflussreichen Gegnern von Stein, und er erklärte, dass 
Napoleon so aufgeregt gegen Stein gesprochen habe, dass Stein 
wohl nicht im Dienste bleiben könne. Dies wurde nun von der 
Kabale-Parthei mit Vehemenz aufgenommen, und der König (ent- 
schieden mit dem. grössten Bedauern) glaubte Stein entlassen zu 
müssen. Das Verhältniss zwischen dem Könige und Stein blieb 
durchaus Edel und Lauter, aber gegen den Grafen Golz erklärte 
Stein laut, dass wenn er sich bey ihm sehen lassen sollte, er ihn 
durch seinen Burschen die Treppe würde herunter werfen lassen. 
Alles das geschah mehrere Wochen früher, als Stein später, 
da er schon entlassen in Berlin war, durch den Moniteur von 
Napoleon geächtet wurde. ^) 

Steins Abgang war nun entschieden, aber der König bezeugte 
ihm fortwährend Vertrauen, und verlangte, da die öffentlichen Ange- 
legenheiten in der bisherigen Richtung fortgehen sollten, von ihm 
Vorschläge zu Besetzung der Minister-Stellen. Stein machte diese, 
regte aber dadurch zugleich die frühere Kabale lebhaft auf. Der 
König hielt fest, da suchte man Hardenberg, welcher damals als 
Privat-Mann in Marienwerder lebte, zu gewinnen, und dieser erklärte 
sich, wie er mir später selbst sagte, gegen Steins Vorschläge in 
der Absicht, dadurch wieder Einfluss auf unsere Angelegenheiten 

1) Die Achtserklärung ist aus Madrid vom 16. December 1808 datirt 
und kam zu Anfang Januar 1809 nach Berlin. Stein, der zunächst seinen 
Wohnsitz in Breslau hatte nehmen wollen, floh nunmehr nach Oesterreich. 



76 44. Schön 1843. 

zu gewinnen. Stein war nun mit mir einig, dass es in diesen 
höchst critischen Momenten, wo die Existenz des Königs auf dem 
Spiele stand, besser sey, ein mangelhaftes System fest und con- 
sequent zu verfolgen, als mit Widerstreit in unsem höchsten 
Regionen, ein besseres halten zu wollen. Stein gab nach und es 
kam das neue Ministerium. 

Das neue Ministerium war nun da, und es war mit Gewissheit 
vorauszusehen, dass unsere inneren öffentlichen Angelegenheiten 
von jetzt ab, einen gerade entgegengesetzten Gang nehmen würden, 
und dass alle bis zum damaligen Staatsrathe schon vorbereiteten 
Portschritte bey Seite gelegt werden würden. Die Aufhebung der Patri- 
monial-Jurisdiction und des Herren-Rechts, die neue Adels-Consti- 
tution, die Gemeinde-Ordnung nach Art der Städte-Ordnung, die 
Repräsentation pp. sollten auf einander folgen, und mit Vorwissen 
des Königs war alles dies bearbeitet. Und alles dies sollte nun 
auf einmal zu Grabe gehen! Das griff das Herz an! und ' in 
diesem vollen traurigen Gefühl, so bey Stein, so bey mir, äusserte 
ich den Gedanken: Es müsse wenigstens der Gedanke gerettet 
werden, und Stein müsse dazu seine Firma geben. Stein nahm 
dies mit Wärme auf Allein bey seinem gänzlichen Mangel philo- 
sophischer Bildung, und was daraus folgt, politisch wissenschaft- 
licher Bildung, bey welchem Mangel er im Staatsleben nur blitzen, 
aber nicht construiren konnte, war er ausser Stande, ein solches 
politisches Testament aufzustellen, ich übernahm es, und habe nur 
mit dem jetzigen Ober-Marschall Grafen Dohna und mit dem 
Staatsrath Nicolovius darüber gesprochen.^) Stein, als er das Testa- 
ment gelesen hatte, wollte seine Firma dazu geben. Schon damals 
hatte er aber keine Vorliebe für System und doctrinaires Wesen 
im Staatsleben, und so verzögerte sich die Unterschrift, bis am 
Morgen seiner Abreise von hier. Stein stand fest, unbedingt fest, 
im Einzelnen, im Allgemeinen, welches nur philosophische Bildung 
so zu geben im Stande ist, dass man die Idee sein Leben setzen 
kann, war er aber ungewiss, und daran war seine traurige, vor- 
nehme Erziehung Schuld. Stein würde die Welt umgekehrt haben, 
hätte er philosophische und poetische Bildung gehabt. 

Genug! 

Dies theilen Sie Herrn Pertz vorlesend mit, und schicken 



1) Vgl. oben S. 9 und S. 68. 



45. Schwinck 1843. 77 

Sie mir diesen Brief, der nur zum Vorlesen für Herrn Pertz, 

nicht für die Welt, geschrieben ist, in Originali zurück. 

Leben Sie wohll 

Schön. 

Leider! leider! sind ja! wieder 2 Artikel über uns in der 

Englischen Ministerial-Zeitung the Times, Peel hat Angst, wir 

würden uns Russland in die Arme werfen. 

45. Schwinck an Schön. 

Ew. Excellenz 
danke ich auf das innigste für den herrlichen Brief vom 28*®*^ v. M., 
komme aber gleich mit einer Bitte an. Ein hiesiger Freund von mir, 
ein Mensch, dem Kopf und Herz auf dem richtigen Fleck sitzen, 
hat kürzlich ein Buch gegen die National-Oekonomie von List ge- 
schrieben. Jetzt ist bis auf den letzten Bogen ein anderes Buch 
von demselben Verfasser gedruckt, woraus ich einiges gelesen habe. 
Die Tendenz dieser Schrift ist zu zeigen, wohin das jetzt allgemeine 
Streben führen muss, und wie alle Dämme, welche Staatskunst da- 
gegen aufführen will, nichts helfen können. Es ist wahrhaft er- 
freulich zu sehen, dass diesem Buche das imprimatur nicht ver- 
weigert worden ist. Eine sehr bedeutende Rolle spielt natürlich 
das sogenannte Stein'sche Testament. Der Verfasser wünscht die 
allgemeine Verbreitung desselben dringend, aber in seiner ursprüng- 
lichen Form, d. h. als Fac simile, wie ich dasselbe besitze. Natür- 
lich gebe ich dasselbe ohne erhaltene Erlaubniss nicht heraus, frage 
aber an, ob ich es thun darf? Brüggemann, so heisst dieser Freund 
von mir, ist ein ausgezeichneter Mensch, sein Buch verstehe ich 
nicht zu beurtheilen, seinem Charakter nach kann man ihn aber 
einen Ritter ohne Furcht und Tadel nennen.^) Er war von der 

1) Karl Heinricli Brüggemann, geboren 1810 zu Hopsten in West- 
falen, wurde 1833 wegen vorbereitender Handlungen zum Hochverrath, die 
mit dem Frankfurter Attentat zusammenhingen, als Heidelberger Student 
verhaftet, 1837 zum Tode durch das Rad verurtheilt und sass dann, zu 
lebenslänglicher Festungshaft begnadigt, bis 1840 in Posen gefangen. Er 
wollte sich nach seiner Freilassimg als Privatdocent in Berlin habilitiren, 
aber der Minister Eichhorn versagte ihm wie seinem Freunde und Schick- 
salsgenossen H. MüUer-Strübing die Genehmigung dazu. Er wandte sich 
nun der Publicistik zu und wurde später Redacteur der Kölnischen Zeitung. 
Das erste der hier von Schwinck erwähnten Bücher, die „Kritik des List- 
schen Systems der politischen Oekonomie", das grosse Beachtung fand, er- 
schien 1842, das zweite, „Preussens Beruf in der deutschen imd preussischen 
Staatsentwicklung^' erschien 1843. 



78 45. Schwinck 1843. 

damaligen Burschenschaft ohne Zweifel der bedeutendste. Bei der 
Untersuchung hat er von sich selbst alles frei und offen bekannt, 
aber alle Foltern des Herrn Dambach^) waren nicht vermögend, 
etwas über andere Mitschuldige von ihm herauszubringen. Für 
einen Missbrauch des Dokumentes kann ich daher Bürgschaft über- 
nehmen. 

Der Landtag in Preussen war wirklich herrlich, ich bin nur 
auf die Redensarten neugierig, welche die Petitionen pp. abschlagen 
werden. Kürzlich war ich in einer Gesellschaft mit etwa 12 Leuten 
zusammen, darunter ein hiesiger theologischer Professor; dieser bat 
die Gläser zu füllen und brachte einen Toast auf den Preussischen 
Landtag aus, indem er sagte: Sobald sich mehr als zwei Männer 
am Glase Wein erfreuen, sei es deren erste Pflicht auf das Wohl 
und Gedeihen des würdigen Preussischen Landtages zu trinken. 
Der Gunst des Grafen Eglofstein haben Sich Ew. Excellenz, wie 
ich glaube, nicht mehr zu erfreuen, wenigstens ist er es, der mir 
jedesmal von erschienenen Earrikaturen Mittheilung macht, und 
doch möchte ich bestimmt behaupten, dass keine erschienen ist, 
deun eine hiesige Kunsthandlung hat alle solche Sachen, aber über 

Ew. Excellenz keine. Neulich sagte mir dies alte W b, 

Ew. Excellenz hätten bei Gelegenheit eines grossen Mittages, der 
dem Landtage gegeben wurde, das Wohl des Königes auf eine 
ganz besondere Weise ausgebracht — die Worte, welche er mir 
mittheilte, habe ich vergessen — es ist auch nichts daran gelegen, 
den E[gloffstein] kennen wir als den unbedeutendsten Menschen 
von der Welt, sein Einfluss erstreckt sich höchstens bis auf ein 
paar alte Hofdamen, welche bereits im vorigen Jahrhundert pensio- 
nirt worden sind. 

Die Richtung von Bessel ist mir ganz erklärlich, denn eben 
so gut wie er von mir fordert, nach Gutdünken ohne Instrumente 
die Grössenverhältnisse der Sterne zu bestimmen, so hat er früher 
an die Ansteckung der Cholera geglaubt und eben so ist seine 
jetzige Richtung erklärlich. Der Geist dieses Grossen Mannes ist 
zu mächtig, als dass er auf der Mittelstrasse bleiben könnte, er 
kann nur Extreme erfassen und sich darin bewegen. Wenn Bessel 
mit meiner Arbeit auch nicht ganz zufrieden ist, so entgeht er 
doch nicht dem Schicksal, dass ihm dieselbe zugeeignet wird. 



1) Der berüchtigte Untersuchungsrichter in den Demagogenprocessen 
der zwanziger und dreissiger Jahre. 



45. Schwinck 1843. 79 

Diese Zeilen sollten abgehen, als ich das Schreiben vom 
2. d. M. 80 glücklich war zu erhalten. Pertz ist ohne Zweifel ein 
Ehrenmann, er dankt Ew. Excellenz gehorsamst für die gemachte 
Mittheilung. Pertz hat sämmtliche Papiere von Stein, die sehr voll- 
ständig sind, aber an keinem Orte befindet sich eine Andeutung 
auf das Testament. Pertz zeigte mir sehr interessante Dokumente, 
die Kabinets- Ordre, welche Stein's Entlassung ausspricht vom 
24. Novbr. 1808, vom nehmlichen Tage ein eigenhändiges gnädiges 
und sehr schönes Schreiben des Königs an ihn. Die Verwendung 
Scheflfner's bei dem Könige, Stein den schwarzen Adler-Orden zu 
verleihen, die eigenhändige Antwort des Königs, worin ScheflFner 
hart angelassen wird, so etwas unpolitisches zu wünschen.^) Beide 
letzteren sind dem von Stein im Jahre 1816 von ScheflFner zu- 
geschickt, als er den Orden erhalten hatte. Besonders wünscht 
Pertz über einen Punkt Aufklärung: der Abdruck des Testaments 
im Oppositions-Blatt vom 5. Februar 1817, welches auch dem ße- 
censenten in der Litteratur- Zeitung vorgelegen haben muss, ist 
vom 24. November datirt und Stein's Abreise von Königsberg er- 
folgte am 5. December. Nach dem, was Ew. Excellenz darüber 
anführen, kann die Unterschrift erst am 4*«° oder 5*®° December er- 
folgt sein — hierüber wünscht Pertz eine Aufklärung. Ferner zeigte 
mir Pertz ein Volumen, überschrieben Nassau im Juni 1807, welches 
Vorschläge zur Beorganisation des preussischen Staates enthält, 
dies sind mindestens 20 Bogen und es sind nach Pertz's Aussage 
darin bereits angedeutet die Adels-Constitution und die Repräsen- 
tation durch ßeichsstände. Pertz sagt, diese Denkschrift sei vor- 
treflflich geschrieben.^) 

Sehr erfreuen würde es Herrn Pertz, ein Exemplar des Testa- 
ments zu besitzen, obgleich sein Zweck durch die blosse Ansicht 
desselben schon erreicht ist. Der Brief vom 2. d. M. erfolgt dem 
Befehl gemäss, aber sehr ungern zurück. 

Wir empfehlen uns Ew. Excellenz und Familie auf das gehor- 
samste. Mit der innigsten Verehrung Ew. Excellenz gehorsamster 

Schwinck. 
Berlin den 7ten May 1843. 



1) Siehe Pertz, Leben Steines II S. 307 f. 

2) Sie ist abgedruckt bei Pertz, Leben Stein's I S, 415 ff. 



80 46. Schön 1843. 

46. Schön an Scbwinck. 

Königsberg den 12. May 43. 

1. Für Herrn Oberbibliothekar Pertz, mit meiner ergebensten 
Empfehlung. Vom 24. November ist mein Concept des politischen 
Testaments, wie es in die Kanzeley kam; ich glaube, der jetzige 
Cabinets-Secretär Frese^) hatte die Abschriften zu machen. Die 
Abschriften wurden sogleich gemacht, Stein schob aber die Unter- 
schriften auf. Als ich die Munda einige Tage darauf bey ihm lie- 
gen sah, erinnerte ich an die Unterschrift. Stein versprach, doch 
unterschrieb er nicht. Am Abend vor seiner Abreise von Königs- 
berg, also am 4. December, als Stein in meiner Wohnung von mir 
Abschied nahm, bat ich ihn zuletzt, das Testament in die Welt 
gehen zu lassen. Darauf hat, so viel ich mich erinnere, später von 
einem Stein'schen Kanzellisten gehört zu haben, (vielleicht war es 
Herr Frese) Stein die Munda am Morgen vor seiner Abreise voll- 
zogen, und bestimmt, dass sie nach seiner Abreise herumgeschickt 
wurden. Mein Exemplar bekam ich erst gegen Mittag. So blieb 
das Datum meines Conceptes und der Munda der 24. November, 
und Stein unterschrieb diese erst am 5. Dezember Morgens. 

Woher diese Bedenklichkeit bei Stein? Das Testament ent- 
hielt Sätze, über welche Stein damals noch nicht zum klaren Be- 
wusstsein gekommen war. Dazu gehörte vorzugsweise die Auf- 
hebung der Patrimonial-Jurisdiction und des Herrnrechts. Zwei 
der neuernannten Minister hatten sich bestimmt dagegen erklärt. 
Stein hatte in solchen Fällen nicht gerne Expectorationen, beson- 
ders, wo er selbst noch nicht klar war. Ferner, die Entwürfe über 
Repräsentation und Adels-Constitution, welche besonders Herr von 
Rhediger bearbeitete, wichen in verschiedenen Punkten von Stein's 
angeerbter Meinung, welche er damals noch nicht ganz los werden 
konnte, ab. Stein schwankte damals zwischen Rousseau und Haller, 
und beim Mangel philosophischer Bildung blieb ihm die Idea 
superior fremd. Ueber den Standpunkt der Volks-Schule hatte er 
damals wenig nachgedacht, u. s. w. Alles dies musste Stein bei 
seinem wahren edlen Charakter, bei der Unterschrift des Testa- 
ments bedenklich machen. Doch vertraute er meinem Worte, und 
unterschrieb. 

Ehre und Dank sei ihm dafür im Grabe! 



1) Schwinck scheint Frese aufgesucht zu haben ; er hat seinö Adresse 
auf diesem Briefe notirt. Vgl. oben den Brief Nr. 30 S. 43. 



47. Schön 1843. • 81 

2. Obgleich es mich besticht, dass Herr Brüggemann in einem 
Buche gegen List, mein fac simile des Testaments aufnehmen will, 
so kann ich dies doch nicht erlauben. Die Zeit ist heute aufgeregt 
genug, und mein Name wird jetzt leider! oft genug als Aufregungs- 
mittel gebraucht, als dass noch etwas dazu gethan werden dürfte. 
Mein Name ist bei dem Testament, wenn Herr Brüggemann es in 
sein Buch aufnehmen will, auch gleichgültig. Sehr oft ist es schon 
gedruckt worden, dass ich der Verfasser sei, wozu noch meine 
Handschrift? 

3. Den Grafen Egloffstein, wenn Sie ihn treffen, grüssen Sie 
von mir, und danken Sie ihm, für mich, für das Interesse, welches 
er an meinem Leben nehme. Die Aeusserung, welche ich beim 
Landtagsmittagsmahle vor dem Toaste auf den König machte, ent- 
hielt den Satz: Haltet fest am Könige! und immer und immer: 
Haltet fest am Könige! Ist dies in Berlin ein Verbrechen, so bin 

. ich allerdings ein grosser Verbrecher. 

Leben Sie wohl! 

Schön. 

47. Schön an Schwinck. 

Preuss. Amau d. 18*^ Juny 43. 

ich danke Ihnen für Ihr Sternwerk. ^) Es ist eine gewaltige 
Arbeit, so viel ich die Sache beurtheilen kann. 

mein Jubiläum ist, wie Sie wissen werden, vorüber.^) Es 
war, wie mein Leben, in seiner Art absonderlich schön. Was 
Freunde meinen würden, wie diese die Sache aufnehmen würden, 
wusste ich im Voraus, aber dass unsere alte Mutter Albertina sich 
dabei so hochwürdig bezeugen würde, darauf hatte ich nicht ge- 
rechnet. Das Documentum celebrationis*) ist ein schöner Schmuck 

• 1) Mappa coelestis sive tabulae quinque inerrantiom stellamm septi- 
mum ordinem non excedentium et usque ad XXX gradom decl. austr. perti- 
nentium quas pro medio seculo XIX stereographice construxit G. Schwinck. 
Lipsiae MDCCCXLni. 

2) Vgl. „Die Jubelfeier des Herrn Staatsministers v. Schön am 
8. Juni 1843," Königsberg 1833. 

3) Eine gedruckte Votivtafel folgenden Inhalts: 

Auspiciis etc. Viro illustri Theodoro a Schoen qui primum rebus 
Omnibus incursu Francogallorum turbatis in restauranda patria legibusque 
emendandis primarias egit partes, tum temporibus pacatis ad colonos 
glebae qui adscripti erant liberandos plurimum consilii contulit et ordi- 
nandis oppidanorum rebus publicis operam et Studium navavit, tum deinde 
Lithuaniae praepositus scholas ceteraque instituta civilia singulari cura et 



82 '48. Schön 1845. 

meines Lebens. Es ist von Lobeck verfasst, Sie werden es dort 

von einem Herrn der Universität erhalten können. Doch genug I 

Jetzt will ich Eohl pflanzen und Rüben bauen und nichts als 

Kohl pflanzen und Buben bauen. Leben Sie wohl, und grüssen 

Sie Ihre Frau von uns. 

Schön. 

Der Elbinger Anzeiger enthält die beste Beschreibung des 

Jubiläums. 

48. Schön an Scbwinck.^) 

Zur Ergötzlichkeit. 

Man will in Königsberg bestimmt wissen, dass die Unter- 
suchung gegen die Professoren, wegen der beabsichtigten Abegg- 
schen Auszeichhung, wesentlich dahin hat gerichtet werden sollen: 
Ob ich nicht dahinter stecke?^) 

Warum man mich nicht geradezu deshalb gefragt hat? ver- 
stehe ich nicht. 

Zum Leidwesen. 

Dr. Kosch*) Hess mir vor einigen Tagen sagen, dass es mit 
Bessel nicht gut gehe. Die Auszeichnung von Seiten der Lords of 



successu ampiezus est paulloque post libertatis ab hosttbus vindicandae civi- 
umque armandormu consuasor adjutor instructor extitit, postea vero ad 
altiorem dignitatis gradum evectus tum aliis rationibus eorum qoibus prae- 
fuit commodis et utilitatibus consuluit, tum etiam commercüs publicis vias 
silice stratas accommodavit agrormu proventus aucto pastu cultuque pecu- 
dum multiplicavit, inter haec morbi genere mortifero late grassante civium 
animos contagionis metu exsolvit nosocomia fortiter ingressus, denique per 
longam tempus quo provinciam gubemavit talem se praebnit ut omnibus 
sollertiae cuncta vegetantis incorruptae integritatis atque animi vere civilis 
fldem faceret, tot tautorumque meritorum ergo, academiae Albertinae, pro- 
rector senatns et professores, solemnia diei gratissimi quo universa civitas 
memoriam munerum per quinquaginta annos gloriose gestorom, celebrat, 
laeti venerabundique, cougratulaiitur. 

1) Ohne Datum; augenscheinlich von 1845. 

2) üeber diese Angelegenheit vgl. A. Ludwich, Ausgewählte Briefe 
von und an Chr. A. Lobeck und K. Lehrs, Königsberg 1894, S. 434 f. 

3) Baphael Jacob Kosch, geboren 1803 zu Lissa im Posenschen, prak- 
tischer Arzt in Königsberg, 1848 Mitglied und zeitweise Vicepräsident der 
preussischen Nationalversammlung, 1849 Mitglied der zweiten Kammer, von 
1862 bis zu seinem Tode (27. März 1872 zu Berlin) Mitglied des Abgeord- 
netenhauses für Königsberg. Er hat ,,Bessers letzte Krankheit'', die auch 
medizinisch interessant war, unter diesem Titel beschrieben (Königsberg 1846). 
Bessel starb am 17. März 1846 an einer Geschwulst im XJnterleibe. 



49. Schön 1846. 83 

the Admirality of Great Britain and Ireland^) hatte ihn sehr erfrischt, 
so, dads er hoffte gesund zu werden, jetzt soll aber wieder das 
Uebel fortschreiten. 

49. Schön an Schwinck, 

Lieber Schwinkl 

Nach meinem Grusse bitte ich Sie, 1. die Beilage, nachdem 
Sie sie mit Mundlack verklebt habeo, an Herrn Professor Jacobi 
zu geben, und wenn er Ihnen das Concept seiner ßede^) giebt, mir 
dies mit der Post hierher zu schicken. 

2. Den Polizeipräsidenten Abegg*), bey Mpnister] Plottwell zu 
erfragen, aufzusuchen, ihn von mir zu grüssen, und ihm zu sagen: 
In Königsberg wolle man wissen, die Untersuchung gegen die Pro- 
fessoren sei nur eingeleitet, um zu erfahren, ob ich nicht dahinter 
stecke. Hr. Jarke hat wenigstens zweideutige Fragen in dieser 
Hinsicht gestellt. Ich folgere daraus: Der König muss doch noch 
zuweilen meinen Namen nennen, und man will neue Data haben, 
um mich als Opponenten aufs Neue darstellen zu können. — Dass 
Kupp*) Alles auf einmal vernichtet hat, was der Präsident Abegg 
für ihn gethan hat, wird dort schon bekannt seyn. Die Teufel in 
der Hölle sollen jetzt grässlich lachen. 

Gott mit Ihnen! 

^ Schön. 

Pr. Amau 13. Jan 46. 



1) Sie übersandten ihm ein ihm besonderes dediciertes Prachtexem- 
plar astronomischer Berechnungen; vgl. Kosch a. a. 0. S. 19 f. 

2) üeber Descartes Leben und seine Methode, die Vernunft richtig 
zu leiten und die Wahrheit in den Wissenschaften zu suchen. Eine Vor- 
lesung, gehalten den B^^ Januar 1816. Berlin 1846. „Des Mathematikers 
Jacobi Rede über Descartes ist gedruckt und liest sich gut. Es sind ein 
paar scharfe Stellen darin.** Vamhagen, Tagebücher III S. 284 

3) Vgl oben Nr. 48. Bruno Erhard Abegg, geboren zu Elbing 1803, 
seit 1835 Polizeipräsident in Königsberg, war Ende 1845 nach Berlin als 
Hil£sarbeiter in das Finanzministerium versetzt worden. Er ward bald 
darauf Commissar bei der oberschlesischen Eisenbahn in Breslau, 1848 Mit- 
glied des Vorparlaments und Vicepräsident des Fünfzigeraasschusses, dann 
Mitglied der preussischen Nationalversammlung. Er starb 1848 in Berlin. 

4) Julius Rupp, geboren zu Königsberg 1809, gestorben daselbst 1884, 
war, nachdem er bereits früher Anstände mit dem Consistorium wegen 
seil) er Reden über den christlichen Staat und über Hippel gehabt hatte, 
wegen einer Predigt vom 29. December 1844, in der er den Eingang des 
Athanasianischen Glaubensbekenntnisses für unverträglich mit dem Evan- 
gelium erklärt hatte, in Disciplinarmitersuchung gezogen worden. Am 



84 50. Schön 1846. 

50. Schön an Scbwinck. 

Pr. Arnau den 15. Febr. 46. 

ich muss Ihnen danken, denn Ihr Brief war so freundlich und 
Ihre Güte in Besorgung meiner Angelegenheiten war so gross. Wie 
man bei uns eine Speise hat, welche man Saure und Süsse Keil- 
chen nennt, so war Ihr Brief auch Sauer und Süss. Sauer wegen 
Ihrer Krankheit. Es thut mir leid, dass Sie leiden, dass Sie noch 
immer nicht gesund werden können. Sie meinen Buhe und ge- 
sunde Luft würde Ihnen gut thun, nehmen Sie beim ersten warmen 
Sonnen-Strahl Urlaub, und kommen Sie nach Preussen, und denken 
Sie daran, dass Sie vor allen Dingen gesund werden müssen, wenn 
Sie so genugthuend Ihre Lebens-Aufgabe lösen wollen, wie Sie es 
bisher thaten. Unser Leichnam ist allerdings Ballast, aber das 
leere Schiff kann nicht segeln, es muss Ballast tragen. Denken 
Sie darauf, spekuliren Sie darauf, gesund zu werden, und dies muss 
Ihnen um so leichter werden, da sie mit dem Getreibe der Welt 
nichts zu thun haben, und in der Wissenschaft und in der Lehre 
leben können. Aster^) mag zuweilen übler Laune sein, aber am 
Ende muss er doch sich darüber freuen, Sie in seinem Corps zu 
haben. Diese bessere Astersche Laune, welche kommen muss, mag 
den Übergang zu dem: 

Süss 
machen. Das Anerkenntniss des Werths Ihrer Schrift muss Ihnen 
Freude gemacht haben, und Freude frischt auf. Es kann Ihnen 
ergehen, wie es Tempelhoflf erging, nachdem er seinen Bombardier 
prussien geschrieben hatte.^) Man nahm im Vaterlande von der 
Existenz dieser Schrift keine Notiz, und Friedrich der 2*® wurde 
erst von dem französischen Kriegsminister darauf aufmerksam ge- 



8. December 1845 war seine Amtsentsetzung verfügt worden, wogegen er 
Recurs ergriff. Abegg hatte sich als Director des BurgkirchencoUegiums 
für Rupp's Wahl zum Prediger der reformirten Gemeinde in Königsberg be- 
müht. Das kann indessen hier kaum gemeint sein. Während der Ver- 
handlungen über seinen Recurs, welche infolge des Verhaltens des Consisto- 
riums und des Ministers Eichhorn nicht zu Ende geführt werden konnten, 
hatte B.upp seinen Austritt aus der Landeskirche erklärt; am 16. Januar 
1846 erfolgte die Constituirung der freien Gemeinde, die Rupp zu ihrem 
Prediger wählte. 

1) Aster (vgl. oben S. 35 N. 4) war seit 1837 Chef des Ingenieurcorps 
und Curator der vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule. 

2) Georg Friedrich von Tempelhoff, geboren 1737 zu Trampe in der 
Mark, gestorben 1807 zu Berlin. Sein „Bombardier prussien** erschien 1783. 



50. Schön 1846. 85 

macht. Fett schwimmt oben! Es ist eine wohlthuende Eigenschaft 
der Wissenschaft, dass sie uns in schlechten Zeiten von der Welt 
absondert und so verschreiben Sie sich, statt Pillen und Pulver, 
mathematische und fortifikatorische Probleme. 

Abegg hat weder geschrieben noch die Jacobysche Rede ge- 
schickt, und Jacoby muss mich wie eine gelöste mathematische Auf- 
gabe vergessen haben, so, dass er Ihnen nicht einmal gesagt hat, 
wie ich zu seiner abgedruckten Rede kommen kann.^) 

Über Bessels Befinden bekommt man widersprechende Nach- 
richten. Sein Arzt, Dr. Kosch, bleibt dabei, dass er nicht gesund 
werden könne. Einige Tage lang glaubt dies Bessel selbst, und 
sehnt sich nach dem Ende. Dann kommen wieder Tage, wo er 
der vollen Ueberzeugung ist, dass er bald gesund sein werde, wo 
er an den augenblicklichen Ereignissen des Lebens mit grossem 
Interesse Antheil nimmt. Dies war besonders nach der Auszeich- 
nung von Seiten der Lords of the Admirality of Great Britain 
and Ireland der Fall. Er sass, wie ein alter Astrolog, dessen 
lange, beinahe aufrechtstehende Haare, zum Theil sein Gesicht ver- 
hüllten, vor mir und demonstrirte mir die Veranlassung seiner Aus- 
zeichnung. So müsste er gemalt werden I Bald darauf wurde die 
Sache wieder sehr übel, und hierauf soll unser innere politische 
Zustand viel Einfluss haben. Bessel will einmal, und zwar mit 
Vehemenz den Satz festhalten und verbreiten, dass unsere Regie- 
rung, wie heute sie ist, die bestmöglichste in der Welt sei. Er 
vertheidigt die unzweckmässigsten Anordnungen der einzelnen Be- 
amten, und geht sogar so weit, dass er z. B. mir, eine Stelle aus 
Schillers Gedichten (denken Sie sich: Bessel und Gedicht) mit Eyfer 
vorlas, nach welcher der Mangel an Zufriedenheit im Volke, nur 
in dessen Verruchtheit, in Lug und Trug desselben seinen Grund 
habe. Sein A^zt und seine Familie suchen Alles, was Politik ist, 
von ihm fern zu halten, in meinem Gespräch vermied ich Alles, 
was dahin nur führen könnte, aber gewaltsam kam er immer wie- 
der auf Politik. Man vermuthet, dass dies Thema von Berlin aus 
bei ihm genährt werde, und dass es seiner Eitelkeit schmeichele, 
hier zum Berliner Apostel berufen zu sein.^) Ausgezeichnete Män- 



1) Vgl. oben Nr. 49. 

2) Diese Vermuthung war richtig. Eilers (s. oben S. 71), Meine Wan- 
derung durchs Leben IV (Leipzig 1858) S. 32 sagt: „Ich hatte bessere und 
zuverlässigere Quellen über alle diese Vorgänge in Königsberg . . . Der 



86 50. Schön 1846. 

ner, welche ihm sonst sehr werth waren, haben sich von ihm zu- 
rückgezogen, weil ihre Erscheinung auf ihn einen unangenehmen 
Eindruck machen würde. Professor Simpson,^) von dem man sagt, 
dass er lebe und leben lasse, steht ihm allein noch nahe. Und 
nun nehmen sie das Bild von Bessel, wie es jetzt ist, ganz in sich 
auf, und denken Sie dazu auf einmal (vor etwa 14 Tagen) einen 
Brief von Humboldt, durch welchen der König ihn benachrichtigen 
lässt, dass er sich in ganzer Figur für ihn, von Krüger malen lasse, 
und ihm dies Bild bald schicken würde! Stellen Sie sich diesen 
Moment recht lebhaft vor, und Alles, was Sie sich an voller Freude 
denken können, soll, wie man sagt, nichts gegen die Aufregung 
sein, welche bei Bessel stattgefunden hat. Er hat sich sogleich 
gesund gefühlt, hat das Zimmer und die Stelle selbst gesucht und 
bestimmt, wohin das Bild kommen soll, alle jetzt in dem Zimmer 
vorhandenen Tische und Stühle und Spiegel sollen herausgebracht 
werden, und Lork^) hat den Auftrag erhalten, die schönsten Mo- 
bilien für dies Zimmer aus Hamburg zu verschreiben. Er hat so- 
gleich ein Testament gemacht, nach welchem dies Bild nach seinem 
Tode auf dem Bathhause in Minden aufgestellt werden soll und 
zu Testaments-Exekutoren den General Dohna^) und den Oberpräsi- 
denten Böttcher ernannt.*) 

So wird die Sache erzählt! 

Moser scheint in seinem gelehrten Treiben, weniger heiter als 
sonst. Sonst ist er so interessant, wie er war, und auch in eben 
dem Grade voll Leben. Bei der jetzigen Unwissenschaftlichkeit 
und Kopflosigkeit der politisch sogenannten Vornehmen in Königs- 
berg, kommt die Universität sehr ausser Cours. Die grössten, in 
ganz Europa ausgezeichnet dastehenden Männer, Lobeck,^) Bur- 



Astronom Bessel, an dessen Unparteilichkeit und Wahrheitsliebe Niemand 
zweifeln wird, war mein Freund.*' 

1) Eduard Simson, s. oben S. 23 N. 2. 

2) BessePs Schwiegersohn. 

3) Friedrich von Dohna, damals commandirender General in Königs- 
berg, geboren 1784, gestorben 1859, ein Hauptvorkämpfer der absolutistischen 
Partei. 

4) Vgl. den Brief Bessers an Alexande von Humboldt vom 12. Februar 
1846 in den „Briefen von Alexander von Humboldt an Varnhagen vonEnse**, 
3. Aufl. S. 198 ff. und Kosch a. a. 0. S. 23. 24. 

5) Christian August Lobeck, geboren zu Naumburg a. S. 1781, seit 
1814 Professor der klassischen Philologie in Königsberg, gestorben da- 
selbst 1860. 



50a. Schön 1845. 87 

dach^) etc. werden verfolgt, und nnangeachtet der bittersten Pillen, 
welche diese Männer zurückgeben, werden diese Pillen von den 
sogenannten Vornehmen verschluckt, welche in dem trivialen Ge- 
treibe sich überaus glücklich fühlen. Wir sitzen so fröhlich bei- 
sammen, wir haben uns Alle so lieb pp. 

Grüssen Sie Abegg und werden Sie gesund 1 

Schön. 

WennJacoby^) noch an mich denkt, so grüssen Sie ihn auch. 

50a. Schön an Bunsen.^) 

Niebuhr 
ist das Wort, welches uns immer zusammenfuhren wird, unsere 
Wege mögen so abweichend gehen, als sie wollen. Und so habe 
ich mich über Ew. Hochwohlgeboren gefälliges Schreiben vom 
12. October v. J., welches ich in diesen Tagen von Herrn Consul 
Schulze erhielt, gefreut. 

Demnächst danke ich für die Aufmerksamkeit, welche die- 
selben meinem Wunsche: Ueber die Massregeln zu Tilgung der 
Englischen National-Schuld unterrichtet zu sein, gewidmet haben. Es 
ist mir bekannt, dass der Pitt'sche sinking fund mit allen seinen 
Zweigen seit dem Jahre 1829 nicht mehr existirt, und dass damals 
2 Millionen ü? Sterling zur Schulden-Tilgung unter der Bedingung: 
dass nicht dringendere Jahres- Ausgaben die anderweite Verwendung 
dieser Summe fordern, auf das Budget gebracht wurden. Ebenso 
ist mir bekannt, dass damals ein Plan vom Parlamente genehmigt 

1) Karl Friedrich Bardach, geboren zu Leipzig 1776, seit 1814 Pro- 
fessor der Anatomie an der Universität Königsberg, seit 1826 der Physio- 
logie, Prorector im Jubiläumsjahr 1844, gestorben zu Königsberg 1847. 

2) Der Mathematiker Jacobi. 

3) Eigenhändiges Concept ohne Datum, offenbar von Anfang 1845. da 
es die Antwort auf einen Brief Bunsens vom 12. October 1844 ist. Obwohl 
dieser Brief sammt der übrigen auf englische Verhältnisse bezüglichen 
Correspondenz mit Bunsen bereits in den „Studienreisen eines jungen Staats- 
mannes in England" S.465f. 470 f. und in der Vierteljahrsschrilt fürVolks- 
wirthschaft, Politik und Culturgeschichte, XVII. Jahrdang (1880), II Bd. 
S. 38 ff. veröffentlicht ist, erschien es doch zweckmässig, ihn hier wieder 
abzudrucken. An der ersteren Stelle ist er nämlich in zwei Theile getheilt, 
deren Zusammengehörigkeit nicht wohl zu erkennen ist, und dort fehlt auch 
der drittletzte Absatz, welcher für Schön's kirchenpolitische Anschauungen 
und für seinen weiten politischen Blick gleich bezeichnend ist. Wo sich 
in dem hier mitgetheilten Texte Abweichungen von den früheren Veröffent- 
lichungen finden, beruhen sie auf genauer Vergleichung des Originals. 



88 50a. Schön 1845. 

wurde, nach welchem die ganze National-Schuld in Renten for life 
und for time verwandelt werden sollte. Dieser Plan ist dadurch, 
dass er unabwendbare Nothwendigkeit in die Tilgung brachte, ein 
Meisterstück financiellen Scharfsinns. Die Finanz-Operation bekam 
dadurch ihrem Prinzipe nach eine in der Natur des Menschen ge- 
gründete Basis. So lange die Verhältnisse dieselben bleiben, welche 
der Rentenberechnung zum Grunde gelegt waren (die 3 pro Cents 
standen bedeutend unter Pari) erfüllte der Plan seinen Zweck, als 
aber diese Verhältnisse sich änderten, die 3 pro Cents höher stie- 
gen, konnte die vom Parlamente genehmigte Scala keinen Effekt 
mehr haben, und statt nun im Geiste des grossen Gedankens, der 
Conversion, die Scala der Zeit anzupassen, liess man die früheren 
Sätze stehen und lässt sie noch heute stehen und zeugt dadurch, 
dass England heute auch mehr dem Augenblicke als der Idee lebt. 
Für eine gefällige Mittheilung der speziellen Resultate, in Absicht 
der Abtragung der National-Schuld, werde ich sehr dankbar seyn. 

Dem, was Ew. Hochwohlgeboren über die Meinungen äussern, 
welche man in Berlin von England hat, stimme ich vollkommen 
bei. Man nimmt einzelne Resultate einer Institution für das Wesen 
derselben, und macht sich daraus, bis zur Carrikatur ein Bild, und 
nennt dieses Englische Einrichtung, und freut sich dermassen über 
dies selbstgeschaffene Bild, dass man eine Scheu hat, das wahre Bild 
kennen zu lernen. So ist es beinahe zum Glaubens -Artikel in 
Berlin geworden, dass der Englische Adel nur durch seine Land- 
güter Adel sei, und darauf sich die Achtung gründe, welche man 
für ihn hat. ich habe nun dagegen geschrieben und gesprochen, 
und habe gezeigt, dass der Englische Adel, wie die Verhandlung 
vor dem Parlament im Jahre 1831 zuletzt darthut, mit sehr wenigen 
Ausnahmen Blut-Adel sey, und dass die Erhaltung der Land-Güter 
nur Folge der allgemeinen Succession, und des, dem Ältesten der 
Familie, angeborenen öffentlichen Lebens wäre, welche Folge sich 
durch die Substitutionen zwangslos äussere, sowie, dass überhaupt 
Adel nur im öffentlichen Leben wurzeln könne. Und doch ist es 
Berlinische Meinung, dass der Englische Adel sich auf Majorate in 
Landgütern stütze. Vom Finanzwesen weiss man nur, dass Eng- 
land viel Schulden habe, obgleich England auch hier vorleuchtet, 
u. 8. w. 

O'Connels Schicksal^) war voraus zu sehen, aber wenn Ew. Hoch- 

1) Daniel O'Connel, der grosse irische Agitator, geboren 1775 zu 
Cahir in Kerry, gestorben 1847 zu Genua. Er war schliesslich von der 



51. Bunsen 1852. 89 

wohlgeboren äussern,^) dass man versäumt hat, den PfaflFen durch 
den Pabst die Hände binden zu lassen, so bin ich unmassgeblich 
der Meinung, dass der Pabst die Hände der Priester nur bindet, 
um die Seinigen weiter ausdehnen zu können. England muss, wie 
es den politischen Theil der Kirche durch Gleichstellung der Kirche 
schon zum Theil reformirt hat, auch den finanziellen der Kirche, 
im Grund-Prinzipe reformiren. Dies halte ich für unabwendbar. 
Die Sache scheint nach dem, was schon geschehen ist, auch nicht 
schwierig, und wer sie vollführt, der entfernt den Haupt -Vorwurf 
•von England. 

Schliesslich laden Ew. Ho eh wohlgeboren mich gütigst nach 
England ein, und berühren dadurch einen der wenigen Haupt- 
Wünsche welche ich noch im Leben habe. Ich danke Ihnen dafür. 
Aber wie bei anderen wichtigeren Haupt-Wünschen stellt sich die 
Aussicht auf Erfüllung heute noch dunkel. Doch ist diese Dunkel- 
heit nur momentan, nur Übergang zum Besseren, und daher bleibt 
mein Muth frisch und mein Vertrauen auf die Macht der Ideen un- 
erschütterlich. 

Ich bitte, dass Ew. Hochwohlgeboren mich in Ihrem geneigten 
Andenken behalten. 

51. Bunsen an ScbVn.^) 

London, 15. December 1852. 
Ew. Excellenz 

wollen mir erlauben Ihnen ein Exemplar der zweiten Auflage von 

Niebuhr's „Leben und Briefen'* in der englischen Übersetzung zu 

überreichen, als erneute Huldigung der Übersetzerin, meiner jungen 

liebenswürdigen Freundin, Miss Susannah Winkworth, und meiner 

selbst.^) Die erste Auflage ward in 7 Monaten vergriffen, und die 

Partei des „jungen Irland" bei Seite geschoben worden, wurde indessen in 
einem gegen ihn angestrengten Hochverrathsprocess freigesprochen. 

1) Bunsen hatte in seinem Briefe gesagt (s. «.Studienreisen eines 
jungen Staatsmannes in England'* S. 365) : „O'Conners Zauber ist doch auch 
gebrochen: er hat noch zu rechter Zeit den Fuss aus der Schlinge gezogen. 
Die Pfaffen sind aber schlimmer als er, und die Regierung hat die Zeit 
vorübergehen lassen, ihnen durch den Papst die Hände binden zu lassen." 

2) Bereits gedruckt in der Vierteljahrsschrift für Volkswirthschaft, 
Politik und Kulturgeschichte von E. Wiss, XVIII. Jahrgang (1881) Bd. I S. IfP. 

3) The Life and Letters of Barthold George Niebuhr, and Selections 
of his minor Writings, edited and translated by Susanna Winkworth. With 
Essays on his Character and InÜuence by the Chevalier Bunsen, and Pro- 
fessors Brandis und Loebell. London, Ohapman and Hall 1852. 



90 51- Bansen 1852. 

darüber erschienenen öflfentlichen Bemerkungen, sowie L. Klose^s 
Leben Hardenberges/) erlaubten mir nicht, dazu zu schweigen. So 
entstand das Sendschreiben,*) welches dem dritten Bande vor- 
gedruckt ist. 

Dieses Sendschreiben nun wollte ich Ew. Excellenz darreichen 
als „dem überlebenden Manne der Heroenzeit Preussens", auf den ich 
mich, namentlich auch am Schlüsse, berufe. Da machte aber die 
schöne Freundin Einsprüche, und bestand darauf, Thnen, durch 
mich, ein Exemplar ihres Werkes zu Füssen zu legen. Mögen 
Sie es, verehrter Mann des Vaterlandes, mit Wohlwollen aufneh- 
men, und, wenn das nicht zu viel verlangt ist, mich in Stand setzen, 



1) Dieses Werk erschien Halle 1851. 

2) In diesem Sendschreiben heisst es p. XXXVII: „I shall consider 
this part of Niebuhr's political creed, exactly like the other, from the 
central point of bis political System; that there can be no perfect political 
liberty without an honest, real, constitutional govemment, bat that there 
can be no hope of its taking real root in the conntry, except in a soil pre- 
pared by corporative, county, and provincial self-govemment. 

„Stein, Schön, and Niebuhr, are the three men who were perfectly 
conscious of this truth, among the actors of the first part of that great 
drama, which can only find its historian, when it will be completed, and 
will have risen above conflicting class-interests and individual passions. 
Stein's acts and thougts are now before the public: Schön, the only sur- 
yiyor of those heroes, has written his memoirs, to be published after his 
death: Niebuhr's memoir on a Constitution for Prussia must be somewhere 
in the archives, for he spoke to me of it in B>ome, as a work belonging to 
the past.** 

Deutsch heisst das etwa: ,.Ich werde diesen Theil von Niebuhr's po- 
litischem Glaubensbekenntniss, gerade so wie den anderen, von dem Mittel- 
punkte seines politischen Systems aus beurtheilen, dass nämlich keine voll- 
kommene politische Freiheit bestehen könne ohne eine ehrliche, echte, con- 
stitutionelle Begierung, dass aber nicht zu hoffen stehe, dass sie wirklich 
im Lande Wurzel fasse, wenn der Boden nicht durch Selbstregierung der 
Communen, der Bezirke und der Provinzen vorbereitet ist. 

„Stein, Schön und Niebuhr sind die drei Männer, welche sich dieser 
Wahrheit voUbewusst waren, unter den handelnden Personen in dem ersten 
Theil des grossen Dramas, das seinen Geschichtsschreiber erst finden kann, 
wenn es zu Ende ist und über dem Kampf der Klasseninteressen und der 
persönlichen Leidenschaften stehen wird. Stein's Handeln und Denken liegt 
jetzt der Oeffentlichkeit vor; Schön, der einzig Ueberlebende von jenen 
Heroen, hat seine Denkwürdigkeiten geschrieben, die nach seinem Tode 
veröffentlicht werden sollen; Niebuhr's Denkschrift über eine Verfassung 
für Preussen muss irgendwo in den Archiven liegen, denn er redete mir in 
Eom davon als von einer Arbeit, welche der Vergangenheit angehöre." 



52 Niebuhr 1830. 91 

das dort, nach den mir zu Gebote stehenden, unvollständigen Nach- 
richten, über die grosse Krise von 1810 und überhaupt über jeno 
Zeit Gesagte, zu berichtigen und zu ergänzen! 

Die Auszüge aus NpebuhrJ's Briefen an mich, namentlich 
der letzte, worin er von „den Bestien beider Arten" (Jesuiten 
und Pietisten, durch einen Druckfehler steht ,jjacobin") ^) spricht, 
die ihn in Berlin anfeinden, werden Sie belustigen. Ich habe noch 
mehr Pfeile im Köcher. — 

Ich hoffe, Ihre politischen Memoiren sind vollendet und sind 
in guten Händen. — 

Der Geist der Lüge geht immer unverschämter umher. Um 
so erfreulicher ist es, dass unser theurer König doch nicht von der 
Bahn des Rechts und der Zukunft abgeht. 

Mich beim Jahreswechsel Ihnen zu wohlwollendem Andenken 
empfehlend 

Mit treuer Ergebenheit und Verehrung 

Bunsen. 

52. Niebuhr an Bunsen.^) 

September 18S0. 
. . . When the revolution at Paris broke out, no doubt you, too, 
were seized with the feeling that, for the rest of our life, the same 
perils and afflictions had recommenced, from which the Restoration 

1) Wenn Bansen es nicht ausdrücklich sagte, würde Niemand „jaco- 
bin** für einen Druckfehler halten; das Wort entspricht ganz, wenn nicht 
den damaligen Parteiverhältnissen in Belgien, jedenfalls Niebuhr 's Ansich- 
ten darüber. 

2) Diesen Brief Niebuhr's an Bunsen hier gleichfalls wieder abzu- 
drucken, veranlassen mich die Bemerktmgen, welche Schön daran geknüpft 
hat. Wie der Herausgeber in der Yierteljahrsschrift für Volkswirthschaft 
a. a. 0. S. 2 f. mitteilt, sind alle Versuche, des Originals habhaft zu werden, 
gescheitert; es fand sich im Bunsen'schen Familienarchiv Nichts vor, und 
Miss Winkworth erklärte gleichfalls, den Brief nicht zu besitzen. Bunsen 
hat der Publication von Miss Winkworth folgende Anmerkung beigefügt: 

„The following letter is dated the beginning of September 1830 (nine 
weeks after the great tidings of July). Unhappily a part of it is wanting. 
I have, probably, lent the letter to some one, or shown single sheets of 
it, and tbus some of it has been lost. I recoUect its contents perfectly. 
Even since the summer of 1829, I had, as stated in the Letter, dated my 
letters „1687''. Niebuhr had at first overlooked it. At last he answered it 
in this letter, saying, he „did not think, after all, it would come to 1688 
in France*'. [Deutsch etwa: „Der folgende Brief ist vom September 1830 
datirt (neun Wochen nach den grossen Nachrichten vom Juli).] Leider fehlt 



92 52. Niebuhr 1830. 

and Waterloo had saved us; — the feeling of security with which 
we, like our fathers, had looked forward to the future, had been 
destroyed, as when death entere our circle. In the first warm 
feeling of Indignation against those who had destroyed our treasure 
of happiness, — acpf^aiv äraa&aliriaLv — 1 expounded to my 
audiencO; the causes which had brought us to this pass (I could 
do this all the better, as, last year, I carried the history of cur 
times down to the Restoration). 

I showed how that unhappy party, which had overthrown the 
ministry of Richelieu and Villöle by a coalition with the left, and 
had undermined that of Martignac by the municipal law, had previ- 
ously, in like manner, carried the entire freedom of the press from 
control by censorship, and the law relating to the mode of intro- 
ducing amendmentS; in order to attain their own ends. I called 
down a curse upon the infamous party of the priests and Jesuits, 
and then turned to consider the renewed perils opening before 
Germany, and conjured all Germans to be at one, — to close up 
all schismes and divisions, instead of widening them, — to stand 
up for our existing institutions with their infinite blessings; and 
proclaimed a „Get thee behind me, Satan I** to all who seek to stir 
up the Catholics against the Protestants, and to feed the flame of 
grudge and ill will against that State which is the main prop of 
Germany. My remarks were directed against proceedings which 
have taken place here; — taken place without a reprimand, because 
the coalition of the Jesuits and Jacobins has such powerful influ- 
ence, that in our hitherto harmless Catholic theological faculty, a 
man has been appointed by the Mayence (ültramontane) party, who 
might satisfy the most furious Belgians. 

This party rules, not alone through W — and S — , who keeps 
Altenstein in leading-strings, but also through the insane aristocrats 
at Berlin; nay, even through at least a part of thePietists of high 
rank belonging to the faction of the Kirchenzeitung; especially the 
two Messrs. von — , of whom the one at C — has quite abandoned 



ein Theil davon. Ich habe wahrscheinlich den Brief Jemandem geborgt 
oder einzelne Bogen davon gezeigt und so ist etwas davon verloren ge- 
gangen. Ich erinnere mich seines Inhalts vollkommen. Schon seit dem 
Sommer 1829 hatte ich, wie aus dem Briefe hervorgeht, meine Briefe von 
1687 datirt. !Niebuhr hatte das zuerst übersehen. Schliesslich antwortete 
er darauf in diesem Briefe und bemerkte, er habe nach Allem nicht ge- 
glaubt, dass es in Frankreich zu einem 1688 kommen werde." 



52. Niebnlir 1830. 93 

himself to the Belgicising aristocratic „Members of the Congrega- 
tion". Such an artificial Pietist feels a profound respect for a Jesuit; 
he feels that in his own way the latter is more than he; and plays 
into the hands of this faction with all his might. I cannot conceal 
from myself that efforts are making to blacken me in Berlin by 
these animals (the coalition of both races of animals) and however 
great a misfortune it may be to me in other respects, not to have 
made the express declaration that it was my wish to go to Berlin, 
these things would have made my life there a matyrdom, as re- 
gards my personal relations .... 

The chaotic State in which we are in Germany is, beyond 
description, mournful. The insolence of the French is enough to 
drive us to despair; but that of theEnglish, — their ill-will, their 
contempt for us Germans is enough ta drive one mad! 

You have, I suppose, seen the review of my „History" in the 

„Edinburgh". The Courier says, that the French army numbers 

one hundred veteran Generals, with whom Diebitsch is not to be 

compared; the Globe and Traveller of yesterday reckon us among 

the „half-barbarous" nations — while England in every respect is 

declining morally and intellectually! One could be tempted to 

wish them the chatisement of a revolution, if there were a refuge 

to be found anywhere from the alliance of the tiger and the 

alligatorl 

Wir glauben wenigstens einem Theil unserer Leser einen Gefallen zu 
thun, wenn wir hier auch die in der Vierteljahrsschrifb für Volkswirth- 
schaft nicht ganz correct mitgetheüte Eückühersetzung ins Deutsche folgen 
lassen, welche einer hochverehrten feinsinnigen Dame verdankt wird. 

September 1830. 

Als die Revolution in Paris ausbrach, waren Sie ebenfalls 
ohne Zweifel von dem Gefühl erfasst, dass für den Rest unseres 
Lebens dieselben Gefahren und Besorgnisse begonnen hatten, von 
denen die Restauration und Waterloo uns errettet. Das Gefühl 
der Sicherheit, mit dem wir, wie unsere Väter, in die Zukunft ge- 
sehen, war zerstört, so als wenn der Tod in unsern Kreis tritt. 
In dem ersten heissen Gefühl des Zornes gegen diejenigen, die 
unsern Schatz von Glück — aq^^aiv azaa^aXirjffiVj — zerstört, er- 
klärte ich meinem Auditorium^) die Ursachen, welche uns in diese 
Lage gebracht hatten (ich konnte dies um so besser thun, als ich 



1) In Bonn, wo Niehuhr seit seiner Rückkehr von Bom in freier 
Verbindung mit der Universität vielbesuchte Vorlesungen hielt. 



94 52. Niebuhr 1830. 

im vergaDgenen Jahr die Geschichte unserer Zeit bis zur Restau- 
ration fortgeführt); ich zeigte, wie diese unglückliche Partei, welche 
das Ministerium von Richelieu und Villele durch eine Verbindung mit 
der Linken über den Haufen geworfen, und das von Martignac durch 
das Munizipalgesetz unterminirt hatte, vorher in ähnlicher Art die 
volle Freiheit der Presse von der Zensur-Kontrolle, und das Gesetz 
bezüglich des Modus Amendements einzubringen, bewerkstelligt, 
um ihre eigenen Zwecke zu erreichen. Ich rief einen Fluch auf die 
ehrlose Partei der Priester und Jesuiten herab, und wandte mich 
dann zur Betrachtung der sich erneut eröflEnenden Gefahren für 
Deutschland und beschwor alle Deutschen, einig zu sein, alle Trennun- 
gen und Spaltungen zu schliessen, anstatt sie zu erweitern, unsere 
bestehenden Institutionen mit ihren unendlichen Wohlthaten zu ver- 
theidigen, und rief ein „Tritt hinter mich, Satan" allen denen zu, 
welche die Katholiken gegen die Protestanten aufzureizen, die 
Flamme des bösen Willens und der Missgunst gegen den Staat zu 
nähren suchen, der der Hauptpfeiler von Deutschland ist. Meine 
Bemerkungen waren gegen Vorgänge gerichtet, welche hier statt- 
gefunden, stattgefunden, ohne eine Zurechtweisung, weil die Ver- 
bindung der Jesuiten mit den Jakobinern^) solch mächtigen Einfluss 
hat, dass in unsere bisher harmlose katholisch-theologische Fakultät 
ein Mann von der Mainzer (ultramontanen) Partei ernannt worden 
ist, der die allerwüthendsten Belgier zufrieden stellen würde. 

Diese Partei herrscht nicht nur durch W. und S.,^) der Alten- 
stein am Gängelbande führt, sondern ebenso durch die tollen Aristo- 
kraten in Berlin; ja sogar durch einen Theil wenigsteps der 
Pietisten von hohem Rang, zur Partei der Kirchenzeitung gehörend, 
besonders die beiden Herren von — , von denen der eine in C. 
sich den zu Belgien neigenden aristokratischen „Gliedern der 
Kongregation" ganz hingegeben hat. Solch ein künstlicher 
Pietist fühlt tiefen Respect für einen Jesuiten; er fühlt, dass in 
seiner Art der Andere mehr ist, als er, und spielt in die Hände 
dieser Partei mit all seiner Macht. 

Ich kann mir nicht verhehlen, dass von diesen Thieren (der 
Vereinigung beider Racen von Thieren) Anstrengungen gemacht 
werden, mich in Berlin zu verschwärzen, und wie gross auch immer 
das Unglück in andrer Art für mich sein mag, nicht die bestimmte 



1) Das ist das von Bansen für einen Druckfehler erklärte Wort. 

2) Wittgenstein und Schuckmann? 



53. Schön 1853. 95 

Erklärung abgegeben zu haben, dass es mein Wunsch war, nach 
Berlin zu gehen, so würden diese Dinge dort, was meine persön- 
lichen Beziehungen betrifft, mir das Leben zu einem Martyrium 
gemacht haben 

Der chaotische Zustand, in dem wir uns in Deutschland be- 
finden, ist über alle Beschreibung traurig. Die Unverschämtheit 
der Franzosen ist genügend, uns zur Verzweiflung zu treiben, aber 
der böse Wille der Engländer, ihre Verachtung für uns Deutsche, 
genügt, um einen wahnsinnig zu machen! 

Sie haben vermuthlich die Kritik meiner „Geschichte" in der 
„Edinburger"^) gesehn. Der Courier sagt, dass die französische 
Armee hundert Veteranen-Generale zählt, mit denen Diebitsch nicht 
zu vergleichen ist; der Globe und Traveller von gestern rechnen 
uns unter die halbbarbarischen Nationen — während England in 
jeder Weise moralisch und geistig zurückgeht! Man wird in Ver- 
suchung geführt, ihnen die Züchtigung einer Revolution zu wünschen, 
wenn keine Hilfe sich sonstwie fände gegen die Vereinigung des 
Tigers mit dem Alligator. 

53. SchVn an Bunsen.^) 

Pr. Amau bei Königsberg i. Pr. d. 20. Januar 1853. 

Die heute 80 Jahre alte Hand will dem Geiste, der darauf 
besteht, nicht älter als 40 Jahre werden zu wollen, wenn viel ge- 
schrieben werden soll, nicht mehr folgen, d^her bitte ich um Nach- 
sicht, wenn die Beilage') diktirt ist. 

Der letzte Brief von Niebuhr an Ew. Excellenz im 3*®** Bande 
ist mir aus der Seele geschrieben, aber, wenn Niebuhr heute sehen 
könnte, bis zu welchem Grade das Unwesen sich entwickelt hat, 
dann würde er den Ausdruck: Animal noch zu schwach finden, ich 
habe traurige Erfahrungen mit diesen Menschen gemacht. Gut- 
müthige brave Leute, welche Jahre lang diesen Charakter bewahr- 
ten, habe ich dadurch, dass sie in das Netz der Pietisten kamen, 
in moralische Tiger sich verwandeln sehen. Die Wöllner'sche 
Zeit war arg, aber sie ist tolerant und human gegen die 
Herrsch- und Verfolgungssucht unserer heutigenPietisten. 
Als ich unsem König im vergangenen August*) zuletzt sprach, 

1) The Edinburgh Review, July 1830 No. CII p. 358 ff. 

2) Eigenhändiges Goncept. 

3) Nr. 54 dieser Sammlung. 

4) Es geschah das bei Gelegenheit der Einweihung der Brücken über 
die Weichsel und Nogat. Schön sass hei dem Festmahl gegenüber dem König. 



96 54. Schön 1853. 

schien es mir, als wenn er sich nach Klarheit in seiner Umgebung 
sehne, und so hoffe ich, dass er auch dem Unwesen der Pietisten 
bald ein Ende machen werde. Gott gebe dasi 

Nur noch den dringenden Wunsch, dass Sie von meiner voll- 
kommensten Hochachtung gegen Sie ganz überzeugt sevn mögen. 
Der ausgezeichnete Mann war mir immer werth, aber Alles, was 
ich in der neuen Zeit von Ihnen gehört und gelesen habe, fordert 
meine ganze Hoachtung gegen Sie. 

Gott mit Ihnen! 

S. 

54. Anlage.^) 

Pr. Arnau, den 20. Januar 1853. 

Ew. Exellenz gütiges und freundliches Schreiben vom 15. v. M. 
habe ich erst vor wenigen Tagen erhalten, und dies wird mich 
entschuldigen, wenn ich jetzt erst darauf antworte. 

Vor Allem bitte ich Sie ergebenst meinen Dank für Ihr Schreiben 
vom 15. anzunehmen. Aus den mitgekommenen 3 Bänden Nie- 
buhr's Leben las ich zuerst Ihr Sendschreiben im 3*®° Bande,*) und 
ich fand es so wichtig, dass ich es in die Form eines Aufsatzes 
bringen und deutsch herausgeben wollte. Da fiel mir aber ein, 
dass dazu Ihre Erlaubniss nothwendig sei, und dass die beabsich- 
tigte Umgestaltung gut nur von Ihnen selbst gemacht werden könne. 
Mit dem Wunsche, dass Sie darauf eingehen mögen, erlaube ich 
mir folgende Bemerkungen dazu ergebenst mitzutheilen: 

1. das, was bloss England betrifft, könnte aus dem Aufsatze weg- 

bleiben, und die Umarbeitung erst mit pag. XX anfangen, 

2. zu pag. XXV unten :^) Friedrich der Grosse verdient wohl 

nicht hier als Ausnahme genannt zu werden, denn er 
duldete in Preussen nicht die hergebrachten ständischen 



1) Concept, dictirt, aber von Schön darchcorrigirt, der auch die 
beiden letzten Absätze und die Unterschrift eigenhändig hinzugefügt hat. 

2) Niebuhr's political Opinions and Character. A Letter addressed ta 
the Editor by Chevalier Bunsen, bei Miss Winkworth III p. XI ff. Das 
Sendschreiben ist vom 31. October 1852 datirt. 

3) »What ever had survived the reaction of the not quite adult des- 
potism of the Eoman Oatholic dynasties after the Eeformation, and the 
philosophical liberalism of the autocrats of the eighteenth Century, — among 
whom Frederic the Great alone makes an exception, — was swept away 
theoretically by that Eevolution", nämlich die französische. 



54. Schön 1853. 97 

Versammlungen, so dass während seiner Regierung kein 
Landtag gehalten werden durfte. In Schlesien war sogar 
Pestungsstrafe dem angedroht, welcher auf ständische Ver- 
sammlung sich berufen würde. 

3. zu pag. XXXIX. ^) Bei Aufstellung der Städteordnung war 

darauf gerechnet, dass die besondern Verhältnisse einzelner 
Städte durch das städtische Statut berücksichtigt werden 
sollten. Die Städte-Ordnung sollte nur der Grundton sein 
und zur Anwendung sollte jeder einzelnen Stadt überlassen 
bleiben, den Grundton nach den besonderen Verhältnissen 
eines jeden Ortes zu modifiziren. Ferner enthält die Städte- 
Ordnung allerdings noch einzelne Bestimmungen, welche 
dem Self-government entgegen sind. Diese sollten aber 
nach wenigen Jahren entfernt werden. Man fürchtete, dass 
die plötzliche Mündigkeits-Erklärung der so lange an einem 
Seile kurz gehaltenen Kommunen sie augenblicklich zum 
üebermuthe verleiten könne und wollte durch einstweilige 
Kontrolle in einzelnen Punkten dies verhüten, und doch 
musste die Regierung bei einer Stadt zutreten, weil Magistrat 
und Stadtverordnete in ihrem üebermuthe die tollsten, und 
für die Kommune selbst, nachtheiligsten Beschlüsse ge- 
fasst hatten. 

4. zu pag. XL.*) Der unbestimmte BegriflF, welchen man selbst 

in England mit gentry und yeomanry verbindet, würde in 



1) ,,The Prtissian law on the municipal constitutions was not intended 
to establish unifonuity, but ib did so in fact, because the margin left for 
individual developement (I may say, too, for perfectly independent action, 
without government control) was not large enough. Niebahr, whoseleading 
idea was, that every life is individual. and that every generalisation re- 
mains, more er less, a dead letter, wished that the great cities, such as 
Berlin, Königsberg, Breslau, Cologne, should be called upon to draw up a 
Constitution within the framework of the general law, in conformity with 
their customs and existiog conditions, not exclusing even in some cases 
noble historical recollections.'' 

2) „According to Niebuhr, the possibility of self-government in the 
country districts, and consequenily, of political liberty for the greater part 
of the population, rested upon two bases, of one of which Niebuhr found 
the ideal in England; but the other of which existed, in his opinion, in a 
much more natural and sound state in Germany, than in that classical 
land of liberty; — the one is a resident gentry, and the other a free and 
independent yeomanry." 



98 ^ Schön 1853. 

einem deutschen Aufsätze genau zu bestimmen sein, ich 
würde grosse Landgüter- und kleine Landgüter-Besitzer 
vorschlagen, 
5. zu pag. XLIV.^) In Preussen und in Schlesien zahlen auch 
Rittergüter Grundsteuer. 
Meine weiteren Bemerkungen, zu Ihrem Aufsatze, namentlich 
in Beziehung auf das Jahr 1810, werden sich aus meinen Bemer- 
kungen über die Lebensbeschreibung selbst ergeben. 



Demnächst bitte ich Sie der Miss Susannah Winkworth 
meine Hochachtung zu versichern. Sie hat das herrliche Bild 
unseres verewigten Freundes nicht allein in sich aufgenommen, 
sondern auch vor der Welt schön gestaltet. Wer so lebhaft Grösse 
und Güte erkennt, der verdient volle Hochachtung vor Mit- und 
Nach-Welt. 

Dazu bitte ich Sie, der Miss Winkworth meinen verbind- 
lichsten Dank dafür abzustatten, dass sie mit diesem vorzüglichen 
Werke mich beschenkt hat. Biographieen können meines Erach- 
tens nach nur in zwei Formen aufgestellt werden. Entweder wird 
das Bild vollendet hingestellt, wie üwarow es mit Stein und Pozzo 
di Borge gemacht hat,^) oder man lässt das Bild sich allmählich 
(chronologisch) entwickeln und fügt die Notizen so hinzu, wie 
man einer Geldrechnung die Einnahme- und Ausgabe-Beläge der 
Rechnung, beifügt. Miss Winkworth hat den letzten Weg gewählt, 
und dieser scheint mir hier der angemessenste zu sein. Unsere 
deutschen Biographen dieser Zeit, haben Beläge und Rechnung, 
ohne einen rothen Faden durchgehen zu lassen, zusammengewürfelt, 
und so es dem Leser beinahe unmöglich gemacht, sich ein Bild 
ihres Helden aufzustellen. Sollte der Leser dies aber doch ver- 
suchen, so würde sich ein Bild vor ihm gestalten, welches wenig 
Aehnlichkeit mit dem Helden hat, welcher dargestellt werden sollte. 
In der Lebensgeschichte der Miss Winkworth ist Konstruction, 
aber ich wollte den sehen, welcher aus Pertz sich einen Stein, wie 



1) »They (nämlich der preussische Adel) therefore, oalled (as they 
still call) Stein and Hardenberg men of the Revolution, robbers, democrats, 
and similar epithets, and showed themselves most onwisely pertinacious 
in insisting upon their exclusive right of presentation at Court (Hoffähig- 
keit ....), and more than all the rest, the exemption of their flefs-noble 
form the land-tax, in the provinces on the east of the Elbe/ 

2) Vgl. oben S. 34, N. 3. 



54. Schön 1853. 99 

er war, und aus Droysen sich einen York, wie ich ihn gekannt habe, 
konstruiren könnte.^) Beiden Biographen habe ich es angelegent- 
lich vorgestellt, statt französischer Bloges durchaus konstruirte 
Bilder zu liefern, bei welchen der Notizen-Wust nur Nebensache 
dein müsste, aber wir Deutsche scheinen einmal dazu bestimmt zu 
sein, entweder in den Wolken zu leben, oder in planloser Auf- 
zählung des Details das Wesen einer Sache zu finden. Da muss 
England wieder, auch hier, als Vorbild dienen. 

Zu der Schrift selbst erlaube ich mir in Gemässheit der an 
mich ergangenen Aufforderung folgendes zu bemerken:*) 

Zum vollständigen Bilde von Niebuhr scheint es mir wesent- 
lich zu gehören, dass seine Kindlichkeit hervorgehoben sei, welche 
bei seinem eminenten Geiste, bei seiner ungeheuem Gelehrsamkeit, 
bei seiner hohen Pflichtmässigkeit und bei seiner, wo es darauf ankam, 
unerschütterlichen Festigkeit des Charakters, ihn zu einem liebens- 
würdigen Mann machte. 

Die hohe Entwickelung seines Geistes und seines Charakters 
hatte die Begungen seines Herzens nicht geschwächt und dies ist 
Hochachtung gebietend. Sein Herz war so rein geblieben, wie es 
bei einem unschuldigen Kinde nur sein kann, so dass es ihm un- 
angenehm war, Personen, welche er nicht als lauter erkannte, auch 
nur in seiner Nähe zu sehen. Bei seinen Besuchen bei mir in Berlin 
z. B. traf es sich zuweilen, dass er mit Leuten, welche einen kon- 
ventionellen Besuch bei mir machten, zusammentraf, und von welchen 
er wusste, dass sie es nicht genau mit den Regeln der Moral fort- 
während nahmen, und es war ihm schwer, seine Abneigung nur 
soweit zu verhehlen, als die konventionellen Formen es erforderten. 

Femer: Niebuhr's Wahrhaftigkeit verdient eben so besonders 
herausgehoben zu werden. Eine Thatsache wird hier alles sagen. 
Als ich von Prag abreisen wollte, fand ich den alten Kurfürsten 
von Hessen bei meinem Abschiedsbesuch nicht zu Hause. Die 
Gräfin Hessenstein') schrieb mir darauf, der Kurfürst bedauere, 
mich nicht mehr sprechen zu können und gab mir einen Auftrag 
für Berlin. Diesen Brief erhielt ich, als ich zum Abschiedsbesuch 
bei Niebuhr war. Ich musste darauf antworten: Ich würde den Auftrag 
ausrichten, bäte die Gräfin, mir ihr Wohlwollen zu erhalten und 

1) Vgl. u. A. auch den Brief Schön's an Yamhagen vom 15. Juli 1852. 
in der ^Gegenwart*^ 1872, II S. 71. 

2) Zu dem Folgenden vgl. ,,Aus den Papieren'' III S. 31 ff. 

3) Maitresse des Kurf£brsten. 



100 54. Schön 1853. 

mich Ihrer Kurfürst!. Durchlaucht zu Füssen zu legen. Niebuhr 
wollte sehen, wie ich solchen Brief abfasse, und als er an die 
Stelle kam: ^Sr. Durchlaucht zu Füssen zu legen^ da machte er 
mir Vorwürfe über diesen Ausdruck. Ich stellte ihm vor, dass 
dies nur Form einer Rede sei und dass selbst Kant die Ausdrücke: 
Ihr Diener, Ihr ergebener Diener, in sofern passiren lasse, als der, 
an den diese Aeusserungen gerichtet werden, weiss, dass damit kein 
wirkliches Diener- Verhältniss zugesagt werde, und dass in d^r 
Hofsprache die Aeusserung: ich lege mich Ihnen zu Füssen, soviel 
als: Leben Sie wohll oder: Gott sei mit Ihnen I bedeute. Niebuhr 
blieb aber bei seiner Behauptung und versicherte, dass er auch 
niemals das Wort: Diener, oder „ergebener Diener" gebrauche, wo 
er nicht dies Wort zu erfüllen bereit sei. Kan^ macht sich vor 
seinem Tode darüber Vorwürfe, dass, als er in einer Zeit, wo er 
gerade einen wichtigen Gedanken zu entwickeln hatte, die Ein* 
ladung zu einem Mittagsmahle damit abgelehnt habe, dass er schon 
versagt sei, und dies sei nicht wahr gewesen. Er wollte die Redens- 
art: ich bin schon versagt, nicht als leerer Schall, wie: Ihr Diener, 
Ihr ergebener Diener, gelten lassen, sie wäre als solche noch nicht 
in der gebildeten Welt aufgenommen, sie trüge noch den Stempel 
der Wahrheit und deshalb beunruhige ihn diese Lüge« — 

Kant und Niebuhr I 
wir wollen uns beugen. 

Näher zur Sache. 

Hardenberg war mit guten Gaben des Geistes und des Herzens 
vom Himmel reichlich beschenkt. Die ersten hatten ihm aber die 
vorurtheilsvoUe Erziehung seines Standes verkümmert, und der da» 
malige Bildungsgang in Göttingen hatte dies noch mehr gethan. 
Als ich später noch im Winter 1797 und 98 in Göttingen lebte, 
kam noch damals es nur darauf an, zu lernen, und immer zu lernen 
und von Denken war wenig die Rede; der Professor der Philosophie 
konnte nur mit Mühe ein Kollegium zu Stande bringen, wenn er 
dies encyklopädisch las; für Staatswissenschaft galt Pütter als 
Evangelium.^) Deshalb war bei dem nachherigen Staatskanzler 
Hardenberg, wie auch bei Stein der Fall war, die Idee des Staats 
gänzlich unentwickelt und von Gestaltung dieser Idee war bei ihm 
niemals die Rede gewesen. Daher griflf er, wie bei Männern in 

1) Johann Stephan Pütter, geboren 1725 zu Iserlohn, gestorben 180? 
zu Göttingen, seit 1746 Professor daselbst, der grösste Kenner des Staats- 
rechts des alten deutschen Beichs. 



d 

V 

I 



54. Schön 1853. 101 

der Regel der Fall ist, welche die Führung einer Sache übernehmen, 
von der sie keinen Begriff haben, zu sogenannten praktischen 
Leuten, welche Akten zusammengeschrieben und Buch und Rechnung 
gefuhrt hatten. Stein machte dadurch hiervon eine Ausnahme, 
dass er als wissenschaftlicher Mann dastehen wollte. Hardenberg 
zog drei solche sogenannte praktische Männer an sich, welche ihm 
Pläne zur neuen Gestaltung des Staats und zur Abtragung der 
französischen Kontribution aufstellen sollten. Wissenschaftliche 
Bildung war überhaupt bei keinem dieser drei Männer zu finden; 
sie waren Staats-Handwerker und der eine von ihnen galt noch 
dazu als Projektmacher. Diese stellten nun die tollsten Pläne auf, 
die wohl je zur Umgestaltung eines Staats gemacht worden sind. 
Einiges Gute und viel Schlechtes war, ohne Plan und Maxime, 
durcheinander gemischt, so dass das letzte das erste in der Meinung 
vernichtete. Das Land, obgleich damals beinahe kreditlos, sollte, 
um die französische Kontribution zu bezahlen, mit nnrealisirbarem 
Papiergeld überschwemmt werden, das Volk sollte neue Steuern 
zahlen, wovon eine auf ein nothwendiges Lebensmittel bei weitem 
den Preis der Waare überstieg u. s. w. 

Als Niebuhr über diese Pläne sein Gutachten abgeben 
sollte, sah er mit Recht voraus, dass der Finanzminister, welcher 
die Ausführung dieser Pläne übernehme, alle Achtung und alles 
Vertrauen beim Volke verlieren müsse, und dann dem Lande mehr 
schädlich als nützlich sein würde, dazu kam, dass ungeachtet des 
französischen Drucks, bei welchem man viel zu ertragen geneigt 
war, doch Widersetzlichkeiten vorauszusehen waren, bei welchen 
Napoleon, als Friedensstifter, gewiss wieder das Land besetzt haben 
würde. Niebuhr würde seine Pflicht gegen Gott, gegen den König 
und gegen sein neues Vaterland^) verletzt, und seinen Charakter 
vernichtet haben, wenn er diesen Plänen seine Zustimmung gegeben 
hätte. Im Gefühl der Treue warnte er den König gegen deren 
Annahme. 

Niebuhr sollte neue Pläne aufstellen und man ofiferirte ihm 
das Finanzministerium. Neue und bessere Pläne hätte er leicht 
aufstellen können, aber er sah voraus,, dass der Staatskanzler, un- 
wissend in den in Rede stehenden Dingen, abhängig von seiner 
Umgebung, nur dieser folgen und der Ausfuhrung der besseren 



1) Niebuhr war 1806, dreissig Jahre alt, aus dem dänischen Staats- 
dienst in den preussischen übergetreten. 



102 54. Schön 1853. 

Pläne Hindernisse in den Weg legen würde. Dazu kam, dass die 
einflussreichsten Männer dieser Umgebung, an und für sich persön- 
lich in Opposition mit Niebuhr waren, und dass ihm in seiner Kind- 
lichkeit, wenn er mit einem von diesen beim Staatskanzler zusam- 
mentraf, so zu Muthe war, wie Gretchen, wenn sie Mephistopheles 
beim Dr. Faust fand. 

Ich wui*de von Gumbinnen berufen; man bot mir gleich das 
von Niebuhr abgelehnte Finanzministerium an. Nach meinem Ver- 
langen verhandelte ich nur mit der Person des Staatskanzlers selbst. 
Da fand ich aber bald, dass alles, was Niebuhr veranlasst hatte, 
sich von den Hardenberg'schen Plänen loszusagen, vollkommen be- 
gründet war. Es war überaus schwierig, dem Staatskanzler, der 
niemals über Finanz- und Innere-Staatsangelegenheiten nachgedacht 
hatte, das Verderbliche der Pläne, welche ihm vorgelegt waren, 
und welche er ausgeführt haben wollte, begreiflich zu machen. 
Anfangs ging er auf die Verwerfung einzelner Pläne und auf bessere 
Massregeln ein, und dies belebte Niebuhr schon dermaassen, dass 
er mich aufforderte, in Allem, welches nicht offenbar zum Verder- 
ben führen müsse, nachzugeben, er wollte, wenn ich das Finanz- 
ministerium annehme, dann mein erster Rathgeber sein. Dies ver- 
nichtet wohl jede Verläumdung, die man gegen Niebuhr aus dieser 
Zeit vorbringen kann. Bei fortgesetzter Verhandlung ergab sich 
mir deutlich die Abhängigkeit des Staatskanzlers von den ihn zu- 
nächst umgebenden sogenannten praktischen Männern und dass die 
Annahme der Finanzministerstelle an Ausführung dieser Pläne ge- 
kettet sei. Da konnte ich meinem Gewissen nach nicht anders 
handeln, als das zu thun, was Niebuhr gethan hatte, um so mehr, 
da ich fand, dass auch die Regierungsmaximen, welche wir in Memel 
und in Königsberg aufgestellt hatten, keine Geltung erhalten 
sollten. Der Staatskanzler konnte sich von den hannoverschen 
Standesvorrechten nicht lossagen, und als er mir dies offen er- 
klärte, verlangte ich auf meine Präsidentenstelle nach Gumbinnen 
zurückkehren zu dürfen.^) 



1) Hier steht im Concept noch Folgendes, ist aber durchgestrichen: 
„Der König liess mir darauf seine Ungnade äussern, worauf ich Sr. Maje- 
stät bat, die Aeusserung von mir anzunehmen: dass mein König und Herr 
über mein Leben gebieten, dass aber keine Macht der Erde mich dazu 
nöthigen könne, etwas zu thun, wovon ich überzeugt wäre, dass es zum 
Verderben meines Königs gereiche." Vgl. übrigens ,,Aus den Papieren" I 
S. 64 f. VI S. 23. 



54. Schön 1853. 103 

Alles dies that ich im Einverständniss mit Niebuhr. Hier- 
nach würde der, der Niebuhr wegen seines Verfahrens im Jahre 10 
anklagen will, zugleich mich anklagen müssen ; aber mein Gewissen 
ist ruhig; der König bezeugte mir später Gnade und Wohlwollen 
und die Erfahrung zeigte, dass die Hardenberg'schen Pläne, ob- 
gleich sie nach Niebuhr's und meinen Warnungen wesentlich modi- 
lizirt wurden, doch zum grössten Theil unausführbar waren und zu- 
rückgenommen werden mussten. 

Wenn Stein, von dessen Berufung übrigens damals nicht die 
Eede war, und auch Napoleons wegen nicht sein konnte, die Har- 
denberg'schen Pläne zur Ausführung angenommen hätte, dann würde 
es ihm damit ebenso ergangen sein, wie es ihm mit dem Plane 
ging, die Pumpernickel essenden Westphalen im Jahre 1808 zum 
Aufstande zu bewegen. Stein schrieb mir damals, als ich anno 10 
in Berlin war: Die Krankheit unseres Staats liesse sich nicht mit 
Chamillenthee kuriren, es müsse Höllenstein angewendet werden, 
ich möchte daher keinen Anstoss an den Hardenberg'schen Plänen 
nehmen. Ich antwortete ihm darauf: aber wenn der Höllenstein 
in einer so grossen Portion angewendet werden soll, dass der Tod 
unmittelbar davon die Folge sein muss? Stein nahm das Finanz- 
wesen überhaupt leicht, es langweilte ihn, und deshalb gab er sich 
nicht die Mühe, davon Etwas zu verstehen. Hier kam noch dazu, 
dass nach dem Hardenberg'schen Plane, einer von Stein's Lieblings- 
Gedanken, nämlich die üeberschwemmung des Landes mit unreali- 
sirbarem Papiergelde, ausgeführt werden sollte. An diesem Ge- 
danken hielt Stein so zähe fest, dass er noch im Jahre 1813 sich 
deshalb mit Dohna und Auerswald in Königsberg entzweite, wie 
aus Pertz und Droysen zu ersehen ist. Stein scheute sich mit 
seinem wahren Argumente für eine solche heillose Maassregel her- 
vorzutreten, aber als ich ihn deshalb drängte, kam der alte Ultra- 
Aristokrat, welcher bei Stein, wie bei Hardenberg, immer im Hin- 
tergrunde stand und unerschütterlich dastehen blieb, mit der 
Sprache heraus, dass nämlich, wie Böhnaen als Vorbild dastehe, 
dann, wenn das Papiergeld auf 20 Proz. heruntersinke, der Adel 
im Stande sein würde, seine Schulden mit dem fünften Theil der 
Valuta, welche er erhalten hat, abzutragen zu können.^) Nach dem 
Bilde, welches von Stein im Publice herumläuft, scheint dies un- 
glaublich, aber der Stein, welchen Pertz schildert, so wie der Stein, 



1) Vgl. oben S. 43 f. 



104 54. Schön 1853. 

welchen man sich aus unserer Gesetzgebung von 1807 — 9 abstra- 
hirt und welchen das sogenannte politische Testament von Stein 
näher entwickelt, ist ganz verschieden von dem Stein, welcher 
wirklich da war. Als Belag führe ich nur noch an. dass Stein 
einige Jahre vor seinem Tode einer mir befreundeten Person ge- 
genüber, alles das widerrufen hat, wozu er in Memel und in Kö- 
nigsberg seine Firma zu geben verleitet sei.*) 

Zuletzt scheint es mir nothwendig, dass das Verhältniss 
zwischen Stein und Niebuhr in einer Lebensbeschreibung von Nie- 
buhr näher dargestellt sei. Stein musste die intellektuelle und 
moralische Grösse Niebuhr's ehren und achten, aber im Umgänge 
blickte es doch zuweilen durch, dass Stein das jetzt veraltete 
Bild der Savants bei einzelnen hohen Herren, welche mehr Kon- 
versations-Lexikon als Männer sein sollen, nicht los werden konnte. 
Dies zeigte sich besonders im Jahre 1813 in Dresden, und während 
des Wafifenstillstandes in Reichenbach, wo Stein öfters die richti- 
gen Bedenken Niebuhr's mit beissendem Witze beantwortete. Nie- 
buhr dagegen wurde durch Stein's geistige Blitze, durch dessen 
Witz und durch die Berge, ja Gebirge von Notizen, welche in 
Stein's Kopf aufgehäuft waren, von diesem angezogen, und Niebuhr 
duldete lange die spöttischen Redensarten Stein's. Gegen Ende 
des Waffenstillstandes kam das Verhältniss aber zum Bruch. Nie- 
buhr theilte mir mit hoher Entrüstung mit: Er sei vor Mehreren 
80 unwürdig spöttisch von Stein behandelt, dass ihm nichts ande- 
res übrig bliebe, als Stein auf Pistolen zu fordern, er verlange, 
dass ich die Sache aufnehme und bei dem Duell sein Sekundant sei. 
Auf mein Verlangen, dass Niebuhr mir den Vorfall speziell mit- 
theile, erwiderte er: die Aeusserungen, welche Stein sich gegen 
ihn erlaubt habe, wären so arg, dass er sie nicht wiederholen 
könne. Aus den Andeutungen Niebuhr's konnte ich aber soviel 
abnehmen, dass Stein ihm in plumpen Redensarten Mangel an 
Muth vorgeworfen habe. Nach Niebuhr's Verlangen nahm ich die 
Sache auf und sie wurde dahin arrangirt, dass Niebuhr Stein we- 
der in Reichenbach noch in Prag, noch bis zum Zusammentreffen 
in Rom wiedersah, wo dieser durch Zuvorkommenheit gegen Nie- 
buhr das Verhältniss gut zu machen sich bemühte. 



1) Vgl. oben S. 46 und den Brief Schön's an Rosenkranz vom 15. Fe- 
bruar 1849 in der „Gegenwart" 1872, II S. 70 und „Zu Schutz und Trutz** 
S. 718. 



55. Schön 1842. 105 

Diese mehr, nach der augenblicklichen Stimmung hingeworfe- 
nen, als geordneten Aeusserungen, mögen Ew. Excellenz als solche 
betrachten. Sie sollen wenigstens das Verlangen ausdrücken, Ihrer 
Aufforderung, sei es auch nur unvollkommen, zu genügen. 

Meine Hochachtung gegen Sie, steht fest, und daraus folgt 
der Wunsch, bei Ew. Excellenz in gutem Andenken zu bleiben. 

Schön. 

55. Schön an Friccius.^) 

Königsberg den 28i«ii Dezbr. 42. 

Ein Buch in der Richtung, in welcher die Kriegsgeschichte 
1813/4 geschrieben ist, welche Ew. Hochwohlgeboren mir gütigst 
überschickt haben*) fehlte noch. Alles, was bisher über diesen 
Krieg gedruckt ist, ist beinahe nur Notizen-Sammlung für Soldaten 
von Profession. Von Geschichte, bei der die Thatsache nur Material 
zur Darstellung der Idee ist, ist wenig in diesen Büchern die Rede. 
Der General zog seine Fäden, und die Puppen tanzten. Dazu 
kommt, dass wenn Soldaten von Profession über Soldaten schreiben, 
Zunft -Vorurtheile auch ihr Recht behaupten wollen, und so Dinge 
ungern berührt werden, welche der Meinung über die Zunft, und 
vollends den Alt-Meister nicht günstig sein könnten. Diese Art 
der Kriegs-Geschichtsschreibung hängt noth wendig mit dem Söldner- 
Wesen zusammen, wo vom obersten Feldherrn bis zum Trommel- 
schläger, alles subjectiv war. Dem letzten Kriege bei uns lag 
aber Auflösung der Subjectivität in der allgemeinen Idee zum 
Grunde, und daher ist die alte Form der Kriegs-Geschichte hier 
nicht passend. 

Ew. Hochwohlgeboren haben mehr als alle Ihre Vorgänger 
die Thatsachen zur Idee geführt, und deshalb steht Ihr Buch hoch. 
"Aber hätten Sie die Subjectivität noch mehr zurücktreten lassen, 
so würde das Fleisch und Blut, welches dem Zeitgenossen das 
Bild schwächt, und Alles das, was wie 2 mal 2 = 4 dem einzelnen 
Menschen nicht anzurechnen ist, bei dem schönen Bilde nicht stö- 
rend sein. Dass Sie sich, als Historiker, mit Recht über die Feld- 
herrn stellen, und dass Sie Bilder geben, welche erwärmen und er- 
höhen, das ist ein Haupt -Vorzug Ihres Buches. 

1) Dictirtes Concept 

2) Carl Friccius, Geschichte des Krieges in den Jahren 1813 und 1814. 
Mit besonderer E.ücksicht auf Ostpreussen und das Königsbergsche Land- 
wehrbataillon. Altenburg 1843. 



106 55. Schön 1842. 

Der Historiker, wie gesagt, über den Feldherrn I Aber nun 
auch der Kritiker über den Historikerl Und da bedaure ich es, 
dass ich die erste Hälfte Ihres Buches nicht vor dem Druck er- 
hielt. Nicht um Ihre Meinung zu bestimmen, aber um Notizen zu 
liefern, bei denen für jene Zeit Ihr Buch klassisch werden musste. 
Nur Eins will ich anführen, dass das Bild von Stein anders zu 
stehen gekommen wäre, als es im Buche jetzt gestellt ist. Bei der 
dreimaligen Erhöhung und bei der dreimaligen Erniedrigung Steins, 
stand ich unmittelbar neben ihm, im freundschaftlichsten Verhält- 
nisse. Deshalb habe ich ihn besser gekannt, als es bei Anderen 
der Fall ist. Stein's Genialität wird allenthalben zu gering, viel 
zu gering und seine Bildung zu hoch angeschlagen. Staatsmann 
war er so weit, als Genialität und sprudelnder Geist reichen, das 
grosse Volksleben und der grosse Völkergang waren ihm aber in 
so fern fremde, dass er, ohne philosophische Bildung, beides bei 
sich nicht zur Klarheit bringen konnte. So dachte der alte, geist- 
reiche Ultra-Aristokrat später ungern, an das ihm mit Gewalt ab- 
gedrungene sogenannte Stein'sche Testament, so wiederrief er 
schon in Dresden Hauptsachen davon, ^) und so erklärte er sich 
später laut gegen die Richtung der Gesetzgebung, der er die Firma 
gegeben hatte.*) 

Die Franzosen sollen aus Deutschland! und Alles muss dazu 
losschlagen I war das Wesen seines Lebens. 

Und daran war er bereit, Alles zu setzen, sein ganzes Leben 
darin aufgehen zu lassen. Und dies war gross! 

Aber wenn man nach dem Wie? und nach dem Was folgen 
soll? fragte, so kamen die verworrensten Gedanken heraus. Nament- 
lich in Königsberg im Winter 1813 kamen diese so grell zu Tage, 
dass York nach einer heftigen Szene mit Stein, mit ihm Nichts zu 
thun haben wollte. Dohna war in Verzweiflung, weil Stein glaubte, 
die Sache könne (nach Montecuculi) nur mit Geld gemacht werden, 
es sollten gleich mehrere Millionen Tresor-Scheine gemacht und 
ausgegeben werden.*) Noch am Tage vor der Eröffnung der Stände- 
Versammlung in Königsberg stand die Sache durch Stein in hohem 
Grade bedenklich. York wollte nach England. Sollte die grosse 
Sache Fortgang haben, so musste Stein veranlasst werden, un- 



1) Vgl. oben S. 44. 

2) Vgl. oben S. 45 f. und S. 104. 

3) Vgl. oben S. 43 f. und S. 103. 



56. Schön 1842. 107 

mittelbar nachdem er zur Bewaffnung aufgefordert hatte, von Kö- 
nigsberg abzureisen. Bei der hohen Aufregung, in der Stein war, 
war es schwer, dies von ihm zu erlangen, der Augenblick drängte. 
Aber Stein's edle Natur siegte, er hörte des Freundes Wort, und 
im Augenblick seiner Ueberzeugung von der Nothwendigkeit des 
ihm gemachten Vorschlages trat sein Charakter Grossartig edel 
hervor. Das Bild des Augenblicks ergriff ihn, wie es eine durch 
und durch edle Natur nur ergreifen konnte, mit vollem und stolzem 
Selbstbewusstsein, tief bewegt, stellte er sich zurück, er nahm den 
Vorschlag unbedingt an und wollte vor seiner Abreise sich nur 
noch mit York versöhnen. Das geschah und Stein reiste ab.^) 
Stein hat vielleicht in seinem Leben keinen grossartigern, schönern 
Moment gehabt. An Errichtung der Landwehr hat Stein so wenig, 
als an deren Erhaltung Theil. Das Erste war Dohnas und das 
Zweite Boyens Werk. 

Wäre Stein nicht vornehm erzogen, er würde Ungeheures ge- 
leistet haben. 

Doch genug I Leben Sie wohl! 

Schön. 

56. Bemerkungen SchUn's zu Friccius' Geschichte des Krieges in den 

Jahren 1813 und 1814.') 

1. Wie das Fatum bey den Alten keinen Namen hatte und 
nur die Werkzeuge desselben mit bestimmten Namen, Mercur, 
Apoll, Mars p. bezeichnet wurden, so müsste in einer Kriegs-Ge- 
schichte auch kein Name eines Ober-Generals genannt werden. 
Der Name macht die Sache, ihrem Wesen nach, persönlich und 
hier ist alles Persönliche nur unvollkommenes Material zum Leben 
in der Idee. Wenn man weiss, dass Blücher bey Laon bewusstlos 
krank war, dass Bennigsen, weil er die Schlacht bei Eylau für 
verloren hielt, sich schon vom Schlachtfelde entfernt hatte, als 
Unsere Truppen ankamen, und ohne dass Bennigsen etwas davon 
wusste, den Sieg brachten und dann liest, dass Blücher bey Laon 



1) Vgl. oben S. 24 f. und „Aus den Papieren** VI S. 51 ff. 

2] Diese Bemerkungen sollten ursprünglich einen Theil des vorher- 
gehenden Briefes bilden; sie sind am 25. December 1842 angesetzt worden. 
Schön hat sie dann fortgelassen und den Brief etwas geändert. Eigen- 
händig hat er zu dem ersten Entwurf des Briefs beigeschrieben: „Verän- 
dert an den H. G. A. Friccius geschrieben, dies bleibt Aufsatz. S. 28. Dezbr. 42.^^ 
Ich habe bei dem Abdruck eine besonders bezeichnete Kürzung getroffen 



108 56. Schön 1842. 

und ßennigsen bey Eylau die Franzosen geschlagen habe, dann 
nimmt die Lüge dem schönen Bilde den Glanz. Ferner: Mit dem 
Namen des Ober-Feld-Herm wird jeder Tadel persönlich, und weil 
Niemand eine Neigung haben kann, einen anderen ihm sonst un- 
bekannten Mann persönlich anzugreifen, so wird das, was stark 
und Rücksichtslos dastehen sollte, so weit es das zu gebende Bild 
irgend zulässt, übergangen oder übertüncht. 

Ew. Hochwohlgeboren haben Rücksichtsloser, als alle Ihre 
Vorgänger, der Wahrheit treu zu bleiben sich bemüht, aber die 
Namen haben Sie auch beengt und Sie veranlasst, einzelne, wenn 
auch wenige Bilder zu stellen, welche mehr glänzen, als von den 
Männern Strahlen wirklich ausgegangen sind. 

Der Ober-Befehl ordnete das und das an pp. und nun kann 
der Ober-Befehl, so kritisirt werden, wie man den vor sich stehen- 
den Mann zu kritisiren schon durch Convenienz beschränkt ist.^) 

2. ich bedaure es sehr, dass Ew. Hochwohlgeboren mir nicht 
vor dem Abdruck die erste Hälfte des Werks mitgetheilt haben, 
nicht um von meiner Seite Meinungen bei Ihnen geltend zu machen, 
sondern um in dem Grade Notizen liefern zu können, dass das 
Werk in dieser Hinsicht als klassisch dastehen konnte. 

Wie Ew. Hochwohlgeboren einige frühere Bemerkungen von 
mir in dem vorliegenden Buche wesentlich berücksichtigt haben, so 
glaube ich auch voraussehen zu dürfen, dass die neuen Notizen 
Aufmerksamkeit erlangt haben würden. Ich nehme mir die Er- 
laubniss, noch jetzt folgendes zu bemerken: 

Pag. 3. [Hier folgt die Erzählung, wie die Verbrennung der Magazine 
in Gambinnen verhindert wurde, durchaus übereinstimmend mit den Be- 
richten „Aus den Papieren'* I S. 80f. VI S. 39 f. und in dem Briefe an 
Schwinck oben S. 63.] 

Pag. 5 oben — Bald nach dem Anfang der Retirade von 
Moskau wurde aus dem grossen Hauptquartier der Lieutenant 
von Schenk von einem unsrer Uhlanenregimenter an Macdonald 
mit der Ordre zum Zurückgehen an die Memel abgeschickt. Der 
Lieutenant von Schenk hatte in Tilsit seine Braut und nahm des- 
halb statt von Wilna geradezu zu Macdonald zu gehen seinen Weg 
über Tilsit, verweilte sich da noch und so bekam Macdonald die 
Rückzugsordre so spät. 



1) Bis dahin eigenhändig; das Folgende ist dictirt. 



56. Schön 1842. 109 

Wäre Macdonald 48 Stunden oder 3 Tage früher aufgebrochen^ 
so ist es ungewiss, ob die Bussen zwischen ihn und York noch 
hätten kommen können.^) 

Pag. 9 — Dass in der Mitte Januars Wittgenstein schon 
40000 Mann und Tschitschagoflf 16000 zusammen haben sollten^ 
muss ich bezweifeln. 

Vor Tschitschagoflf kam ein russischer Generalstabsoffizier, ein 
geborner Sachse zu mir, um das Corps anzumelden und einzuquar- 
tieren. Er sagte mir, er wurde 4 Regimenter und das Hauptquartier 
in die Stadt Gumbinnen legen. Ich stellte ihm dies als unmöglich 
vor, da der Ort sehr klein sei, er blieb aber bei seiner Anordnung 
mit der Versicherung, dass die Stadt gewiss nicht belästigt werden 
würde. Und das Hauptquartier mit den angesagten Truppen kamen 
an und die Stadt war so wenig bequartiert, dass das Haus, in wel- 
chem ich wohnte, keine Einquartierung nehmen durfte. 

Pag. 10 oben — Nachdem York die Convention geschlossen 
hatte, schickte Wittgenstein sogleich ein Corps nach Schilluppisch- 
ken, auf der Strasse von Tilsit nach Königsberg (welcher Ort 
eine gute militairische Position abgeben soll), um den von Tilsit 
kommenden Feind, aufzuhalten und zu schlagen. Macdonald muss 
in Tilsit eine Massregel der Art vermuthet haben; denn er ver- 
langte von dem Landrath v. Linker, dass dieser ihm den Marsch 
von Tilsit gerade auf Labiau durch die Niederung über die gefro- 
renen Ströme angebe. 

Linker in dem Wunsche, dass die Franzosen nicht so schnell 
den Bussen entlaufen mögen, rieth von diesem geraden Wege, der 
sehr gut hätte passirt werden können ab, und Macdonald wählte 
die grosse Strasse über Schilluppischken und Skeisgern nach Labiau» 

Nach Wittgenstein's Befehl war das für Schilluppischken be- 
stimmte Corps auch abmarschirt, allein statt nach Schilluppischken 
war es auf der Strasse nach Gumbinnen nach Kraupischken (man 
hatte die Namen beider Oerter verwechselt) gegangen, um dort 
die Ankunft des Feindes abzuwarten. Kraupischken besteht nur 
aus wenigen Häusern, und dicht daneben liegt das Bittergut Brei- 
tenstein; das russische Corps stand dicht gedrängt zum Aufmarsch 
da, und hat in 24 Stunden dermassen die Vorräthe geleert, dass 
der Besitzer von Breitenstein, Herr v. Schimmelpfennig mich um 
Hülfe bat, zugleich aber auch im russischen Hauptquartiere zu 



1) Vgl. „Aus den Papieren" VI S. 46 f. 



110 56. Schön 1842. 

Sommerau, dringende Vorstellungen machte. Da wusste man aber 
von keinem russischen Corps, welches in Kraupischken stationirt 
wärC; und es ergab sich, dass der Kommandeur des Corps statt 
Schilluppischken, Kraupischken gelesen habe. Natürlich bekam das 
Corps in dem Momente Ordre, auf die Strasse von Tilsit nach Labiau 
zu rücken, aber Macdonald hatte unter der Zeit, Schilluppischken 
und Skeisgern passirt, und erst gegen Labiau kam die russische 
Avantgarde mit der französischen Arrieregarde zusammen. 

Wäre die Operation auf Schilluppischken geglückt, so hätten 
wir vielleicht eine andere Kriegsgeschichte, denn Danzig blieb dann 
unbesetzt, und unsere Landwehren hätten es nehmen können.^) 

Pag. 23 — Dem Lobe Hardenberges in Absicht seiner äussern 
Politik in den Jahren 1810, 1812 und 1813 bis zum Waffenstill- 
stände trete ich unbedingt bei. Unser gutes Verhältniss mit Frank- 
reich war nur ein durch die Noth gebotenes Scheinverhältniss, vom 
Anfange des Jahres 1811 ab, war der Staatskanzler der Meinung, 
dass mit Frankreich gebrochen werden müsse, und machte alle An- 
stalten dazu, und ich glaube, dass Metternich auch eben der Rich- 
tung war; im Jahre 1811 namentlich, war man mit den Vorkeh- 
rungen dazu, schon so weit vorgegangen, dass unser Land in drei 
Statthalterschaften getheilt, und für jede Statthalterschaft der kom- 
mandirende General und der Statthalter förmlich berufen, und mit 
Vollmacht versehen waren. Mit der ersten Gewalthandlung von 
Seiten der Franzosen, welche in Preussen, von der starken Garnison 
von Danzig zu besorgen war, sollte der französischen Macht ent- 
gegengetreten werden. Mir war Preussen anvertraut, und der 
General York hatte den Krieg zu führen. Wie dieser gefuhrt wer- 
den sollte, hatte der General York schon für sich aufgestellt, und 
wir waren deshalb in fortwährenden Verhandlungen. 

An unserer Grenze standen zwei Divisionen Bussen, welche 
zur Disposition des General York gestellt waren. 

Bis zur Allianz mit Frankreich im Jahre 1812 blieben unsere 
Vollmachten in voller Kraft; da wurden sie zwar zurückgeschickt, 
aber wenige Monate darauf, als die Kriegsnachrichten für Frank- 
reich bedenklich zu lauten anfingen, da ward mir, um den guten 
Geist im Lande zu erhalten, eine sehr ausgedehnte Vollmacht ge- 
geben, deren eigentlicher Sinn mir nicht verborgen blieb.*) 

1) Vgl. „Aus den Papieren" VI S. 47 und unten den Brief an Droysen 
vom 23. März 1851, Nr. 82. 

2) Vgl. „Aus den Papieren" VI S. 35. 



56.. Schön 1842. 111 

Pag. 29 und 30 — Wenig Menschen haben Stein wohl so ge- 
nau gekannt; als ich ihn kannte, ich sah ihn dreimal hochsteigen, 
und dreimal fallen, und stand bei diesen sechs Ereignissen mit ihm 
in einem nahen vertraulichen Verhältnisse. Viele Züge seines 
Charakters, welche Pag. 29 und 30 verzeichnet sind, unterschreibe 
ich mit Freude, aber um ein grosser Mann zu sein, hinderte ihn 

• 

oft, seine mangelhafte Erziehung, und insbesondere der gänzliche 
Mangel an philosophischer und poetischer Bildung. Bei seiner Bil- 
dung war es nicht darauf angekommen, den sprudelnden Geist, der 
in einem hohen Grade da war, zur Selbsterkenntniss und zur Klar- 
heit zu bringen, sondern er hatte mehrere Sprachen gelernt, ohne 
Grammatiker zu sein, er war in den Einzelheiten der Naturge- 
schichte bewandert, ohne dass die Natur vor ihm stand, er wusste 
so viele historische Notizen, wie selten Jemand wissen wird, aber 
Geschichte war ihm fremd. In der Religion hat er ohne alles 
Nachdenken, mit den positiven Satzungen abgeschlossen, ja, als es 
im Kriege und ihm im Jahre 1813 schlecht ging, schalt er sogar 
auf Luther, dass er Deutschland zerrissen habe, und sehnte sich 
noch einige Augenblicke nach mehreren und stärkern Dogmen, als 
der Protestantismus ihm gab. (Niebuhr und ich, wir fürchteten, 
während des Waffenstillstandes, als Oesterreich Stein an die Seite 
schieben wollte, dass er katholisch werden würde. ^) Sein gänz- 
licher Mangel an philosophischer Bildung artete znweilen sogar in 
einen Hass gegen Philosophie aus, einen dummen Menschen nannte 
er einen Metaphysikus. Selbst das Staatswesen, insofern ihm noth- 
wendig Philosophie zu Grunde liegt, war ihm fremd, über den Gang 
der Entwickelung der Völker, und der daraus folgenden Staats- 
formen, hat er niemals nachgedacht. Er kannte jede einzige Ver- 
fügung, welche Colbert erlassen hatte, aber davon, dass Colbert 
durch sein System einen Mittelstand hervorbringen wollte, davon 
wusste er nichts. Seine poetische Bildung war dermassen vernach- 
lässigt, dass es Mühe machte, ihn im Jahre 1808 dahin zu bringen, 
dass er Faust von Goethe las, und er las ihn nur als Geschichts- 
buch, hintereinander fort, ärgerte sich über die darin vorkommenden 
zweideutigen Scenen, welche einen widrigen Eindruck auf ihn ge- 
macht hatten, und schickte das Buch zurück, ohne sonst etwas von 
Goethe noch lesen zu wollen.*) 



1) Vgl. oben S. 32. 

2) Vgl. „A.U8 den Papieren'* I S. 52. 



112 57. Friccius 1843. 

Alles dies zeugt, was Stein würde geleistet haben, wenn er 
eine seinem Geiste angemessene Bildung bekommen hätte. 

Als handelnder Mann sprach ihn alles Sinnreiche sogleich an, 
aber weil sein Denken und Handeln nur ein Blitzen war, so liess, 
sobald der nächste Donner verrollt war, auch die Kraft bedeutend 
nach. Nur darin war er fest, dass die Franzosen aus Deutschland 
müssten. Und wenn man fragte, was dann werden sollte, wenn 
sie heraus wären, dann zeigte sich, dass das heilige römische Reich 
mit allen seinen Theilen und Theilchen, mit allen seinen Wider- 
sprüchen und UnvoUkommenheiten, bei ihm immer der Grundton 
blieb. Noch in Dresden im Jahre 1813 wollte er, dass die geist- 
lichen Kurfürstenthümer wiederhergestellt werden sollten, denn was 
sollte sonst aus den jüngeren Söhnen des Adels werden.^) 

57. Friccius an Schön. 

Berlin den 28. Mai 1843. 
Ew. Excellenz 

bitte ich um Verzeihung, dass ich Ihnen noch nicht für das ver- 
ehrliche Schreiben vom 28. December 1842, welches für mich von 
besonderem Werth ist, gedankt habe. Ich hatte im Sinne, zugleich 
einige Capitel der folgenden Theile meines Geschichtswerks im 
Manuscript zur Durchsicht zu überreichen, habe aber damit noch 
nicht fertig werden können, und so hat sich mein Dank verzögert. 
In Ew. Excellenz erkenne ich den Mann, welcher am meisten ge- 
eignet ist, mein Buch richtig zu beurtheüen, und darum ist mir 
Ihr Lob das Tröstlichste, Ihr Tadel das Belehrendste. Dass meine 
Subjectivität darin hervortritt, ist mir sehr unangenehm; ich habe 
den Schmerz über die erlittenen Ungerechtigkeiten und Kränkungen 
zu vergessen, mich höher als meine Gegner zu stellen gesucht 
und weiss mich frei von Eitelkeit und Prahlerei; nur durch die 
Veranlassung, welche meinem Werke die Entstehung gab, nemlich 
bloss die Geschichte des Bataillons zu schreiben, mag hin und wie- 
der der Schein einer gereizten Stimmung entstanden sein; doch ist 
die Pflicht der Wahrheit gewiss nicht verletzt. Den einmal ange- 
nommenen Plan, die Geschichte des Bataillons mit der allgemeinen 
zu verbinden, muss ich auch im folgenden Theile meines Werks 
beibehalten, will mich aber noch mehr bemühen, meine Subjectivi- 
tät zurücktreten zu lassen, und auch in der vielleicht nöthig wer- 



1) Vgl. „Aus den Papieren'* I S. 101 und oben S. 44. 



58. Droysen 1847. 113 

dendeD zweiten Auflage des schon gedruckten Bandes noch verbessern 
so viel es möglich ist. Das im folgenden Theile vorkommende 
Capitel über den Wiener Congress, wo sich die Folgen der Schwäche 
und Charakterlosigkeit des Staats-Kanzlers in ihrer ganzen Schreck- 
lichkeit zeigen, macht mir am meisten Sorge. Behalte ich Leben, 
Kraft, Müsse und Lust, so werde ich nach der Geschichte des 
Krieges von 1814 zur Vollendung des ersten Theils meines Werks 
zur Geschichte des Krieges von 1812 übergehen, welcher der wich- 
tigste ist, weil ich darin die Geschichte der Gesetzgebung von 
1807/10 verweben will, und der beste werden kann, weil ich darin 
nicht nöthig habe, von mir selbst zu reden. ^) Zu dem innigsten 
Danke würde ich mich Ew. Excellenz verpflichtet fühlen, wenn 
Sie mich besonders bei der Geschichte der Gesetz-Reform unter- 
stützen und belehren wollten. Ihr Ausspruch, dass ich in me'inem 
Werke die Thatsachen zur Idee mehr geführt hätte, als meine Vor- 
gänger und darin Bilder gegeben worden, welche erhöhen und er- 
wärmen, hat den Gedanken in mir erweckt, nach Vollendung des 
Ganzen einen Auszug daraus als Volksbuch, ungefähr wie Archen- 
olz's kleine Geschichte des siebenjährigen Krieges anzufertigen; es 
wird aber wohl bei dem Gedanken bleiben, besonders da mich ge- 
genwärtig ein Werk für meine amtliche Parthei, die Militair Justiz 
anstrengend beschäftigt. 

Ihrem fernem Wohlwollen empfiehlt sich mit Verehrung 

Ew. Excellenz gehorsamster 

Priccius. 

58. Droysen an Schön. 

Hochverehrter Herr Staatsminister, 

Gnädigster Herr! 

Ew. Excellenz wage ich es, mich mit einer Bitte zu nahen, 
zu der mir der Gegenstand, den sie betrifft, allein den Muth ge- 
ben würde, wenn sie sich nicht zugleich an Ew. Excellenz zu 



1) Dieser Plan ist nicht zur Ausführung gekommen. Ein schon 1819 
niedergeschriebener und 1846, jedoch ganz unwesentlich veränderter Aufsatz, 
„Der bürgerliche Zustand des preussischen Staates nach dem Tilsiter Frieden, 
bis zur Aufhebung der Erbunterthänigkeit durch das Gesetz vom 9. October 
1807," ist von Beitzke in Friccius* Hinterlas senen Schriften (Berlin 1866) 
S. 292 ff. herausgegeben worden. 



114 58. Droysen 1847. 

richten hätte, an deren Güte sich jedes patriotische Wollen mit 
Zuversicht zu richten gewohnt ist. 

Mich beschäftigt seit einiger Zeit eine Biographie oder besser 
ein historisches Denkmal für den alten Feldmarschall York. Glück- 
liche Ullistände haben mir bereits Material genug zugeführt, dass 
ich hoffen darf, die ganze Wucht und Stärke dieses Gewaltigen 
klar zur Anschauung bringen zu können. Und je mehr ich Briefe 
seiner Hand, specielle Mittheilungen ihm Befreundeter und Unter- 
gebener, Documente seiner seharfen und straffen Thätigkeit zusam- 
men finde, desto mehr erstaune ich, wie viel Preussen und Deutsch- 
land hat müssen vergessen lernen und begreife es nur um so mehr. 
Ausser den leider sehr sparsamen Papieren, die sich noch im Be- 
sitz der Familie befinden, sind mir in Berlin in gewissen Archiven 
Actenstücke zugänglich gewesen, welche eine Fülle bedeutendster 
Thatsachen enthalten, und ich habe gegründete Aussicht, deren 
noch wichtigere, vielleicht die wichtigsten zu erhalten. 

Ew. Excellenz sind, wie ich aus diesen Papieren ersehe, seit 
1811 in mannigfachen Beziehungen mit York gewesen, und aus 
Dero Correspondenz mit ihm in Betreff Marienburgs sind wenigstens 
ein Paar Blätter erhalten. 

Ew. Excellenz sind gewiss mit mir der Meinung, dass Preussen 
auf seine grossen Männer stolz sein darf und stolzer sein würde, 
wenn es sie zu kennen Gelegenheit hätte. Wollen Ew. Excellenz 
geneigen, in meinem Interesse für diese Aufgabe und in der Art 
ihrer Fassung wenigstens einigen Ersatz dafür zu finden, dass nicht 
ein Begabterer solchen Schatz zu heben kommt. Ich erdreiste 
mich hinzuzufügen, dass es sehr Zeit ist, die lebendigen Erinne- 
rungen jener Zeit zu sammeln und zu retten, deren Zeitgenossen- 
schaft schon nur ein kleiner Kreis ist. 

So wage ich mit der bescheidenen Zuversicht, die eine gute 
und redlich gewollte Sache gewähren darf, Ew. Excellenz um die 
Mittheilung zu bitten, die Sie im Interesse der Sache mir zu ge- 
währen für angemessen halten wollen. 

Der ich in höchster Ehrerbietung verharre 
Ew. Excellenz ganz ergebener 

Joh. Gust. Droysen, 

Professor in Kiel. 
Kiel, d. 13. Nov. 1847. 



59. Schön 1847. 115 

59. Schön an Droysen. 

Preuss. Amau bey Königsberg in Preussen, 

den 23. Novbr. 1847. 

Ew. Wohlgeboren gefUUige Zuschrift vom 13*®^ d. M. habe ich 
zu ihrer Zeit zu erhalten die Ehre gehabt, und erwiedere darauf 
ergebenst, dass ich die Absicht habe, in der nahe bevorstehenden 
Weihnachts-Zeit Materialien zur Lebens-Geschichte des General 
York, für dieselben zu Papier zu bringen. 

Vorläufig mäche ich Sie dazu auf folgende Druck-Schriften 
aufmerksam : 

1. auf die Lebens-Geschichte des verstorbenen Minister Grafen 
Dohna, von Voigt ^) (eine kleine Schrift), 

2. auf meinen Brief, in der neuesten Schrift von Moritz 
Arndt,*) 

3. auf die Beilage zum Preussischen Militair-Wochen-Blatt^) 
über die Entstehung der Landwehr, mit der Bemerkung, dass 
Scharnhorst hier durchaus unrichtig dargestellt ist, und 

4. auf einen in den Preussischen Provinzialblättern (wenn ich 
nicht irre, 1846)*) enthaltenen Aufsatz, über York, in welchem nach- 
gewiesen wird, dass York, nicht York, sondern Jorek - Gusewski ge- 
heissen hat. Diese Thatsache hat ihre Richtigkeit, wie ich aus 
Original-Briefen von York's Vater ersehen habe. Die Familie 
Jorek -Gusewski existirte, in der Person eines Gastwirths noch vor 
etwa 25 Jahren, in dem Dorfe Rheda, zwischen Danzig und Neu- 
stadt in Westpreussen, auf der Strasse von Danzig nach Berlin. 

Ew. Wohlgeboren haben Recht, dass die Darstellung der 
Werkzeuge, deren der Himmel sich zu entscheidenden Momenten 
bedient hat, rathsam sey, um dadurch den Moment selbst nicht 
allein aller Welt vorzuführen, sondern auch zu zeugen, dass der 
Mensch kann, was er soll. Mein Freund, der Dichter Baron Eichen- 
dorflf behauptet, dass Preussen, (nicht etwa Ober-Schlesien oder 



1) Siehe S. 69 N. 4. 

2) E. M. Arndt, Nothgedrungener Bericht aus seinem Leben und aus 
und mit Urkunden der demagogischen und antidemagogischen Umtriebe, 
Leipzig 1847. Der Brief Schönes, datirt aus Gumbinnen, 9. März 1814, hebt 
namentlich die Bedeutung des preussischen Landtags im Yerhältniss zu der 
Convention York*s hervor. 

3) Jahrgang 1846. Der Aufsatz ist von Gerwien. 

4) In Wirklichkeit steht der anonyme Aufsatz „Notizen über den 
richtigen Familiennamen und die Abstammung des verstorbenen Feld- 
marschalls Grafen York von Wartenburg" im 20. Bande (1838) S. 157 ff. 



116 60. Schön 1847. 

Westphalen, sondern das Königreich Preussen, das ehemalige deutsche 

Ordens-Land) vorzugsweise vom Himmel die Aufgabe bekommen 

habe, in den Gang der Gedanken und der Dinge einzugreifen, und 

das Schicksals-Bad in das richtige Geleise zu bringen. In meinem 

Saale habe ich die Bilder von vier Preussischen Helden aufgestellt: 

Kopernik (Sonne stehe stille! und sie steht!), Kant (Du musst, weil 

Du sollst), Herder (Das Schicksals-Gesetz ist ewige Wahrheit) 

und Simon Dach (Ich bin ja, Herr, in Deiner Macht). ^) Und alle 

vier wurden nicht von der Masse der Volks-Gedanken unmittelbar 

getragen, sondern ihr Licht kam von Oben, wo die Geburts-Stätte 

der Ideen ist. Sie brachen Bahn, und Alles, was in Preussen 

später geschehen ist, wäre nicht geschehen, wenn die vier Heroen 

nicht gewesen wären. Doch Genug! 

meine ergebenste Empfehlung. 

Schön. 

60. Schön an Droysen. 

Preuss. Aman bey Königsberg in Preussen, den 12. Dezbr. 47. 

Ew. Wohlgeboren muss ich um Nachsicht bitten, wenn ich 
Ihnen in dieser Zeit keine Nachrichten vom Leben des General 
York geben kann. Meine Papiere aus jener Zeit liegen entfernt von 
meinem Wohn-Orte, und es ist mir unmöglich, sie jetzt da durch- 
zusehen, Ende April oder Anfangs May k. J. hoflfe ich indessen 
eine Beise dahin machen zu können, und ich muss mir bis dahin 
die Erfüllung Ihres Wunsches vorbehalten. Dann habe ich in Er- 
fahrung gebracht, dass der Graf York selbst noch Nachrichten 
zur Lebensgeschichte seines Vaters sammelt, also der Schluss der 
Acten nicht nahe ist, so, dass die Nachrichten, welche ich geben 
kann, noch immer nicht zu spät kommen werden. 

Überhaupt scheint es für eine solche Lebens-ßeschreibung 
noch sehr früh zu seyn, wenn nicht die Lebens-Beschreibung eine 
blosse Lobrede sein soll. Pertz wollte bald nach dem Tode des 
Ministers v. Stein dessen Lebens-Geschichte herausgeben, und wir 
hätten dann, ein zwar unrichtiges, aber hübsches Bild von Stein 
erhalten. Pertz wollte aber genau zu Werke gehen, und keine 
Notiz unbeachtet lassen, und so ist er bis heute nicht zum Schluss 
gekommen, und das Bild von Stein ist heute wesentlich von dem 
verschieden, welches man bald nach dessen Tode, von ihm hatte. 
Von allen Seiten ist seitdem an seinem Bilde als Staatsmann 



1) Vgl. die Titelbilder vor Theil 1, 2 und 3 von „Aus den Papieren". 



61. Droysen 1847. 117 

gezupft, und heute schon ist beinahe nur noch der sprudehide 

brillante Geist, welcher nicht zu läugnen ist, aber ohne politische 

Klarheit und Bildung übrig geblieben. York hat wohl bey weitem 

nicht so in die Gedanken -Welt eingegriflfen, als dies unter der 

Firma von Stein geschehen ist, aber die Frage: Ob Werkzeug 

oder freier Mann? steht bei seiner Lebens-Geschichte auch Oben an. 

meine ergebenste Empfehlung. 

Schön. 

61. Droysen an Schön. 

Hochgebietender Herr Staatsminister, 
Gnädigster Herr! 

Ew. Excellenz muss ich nicht ohne Beschämung schon für 
zwei so wohlwollende und mich ehrende Schreiben meinen Dank 
zu sagen eilen. Nicht lebhaft genug kann ich die Freude aus- 
sprechen, welche mir Dero gütiges Versprechen, den alten York 
betreffende Papiere mir späterhin mittheilen zu wollen, be- 
reitet. Die Bemühungen, welche Graf York im Interesse meines 
Vorhabens macht, haben bereits einige werthvoUe Documente mir 
zugeführt, wennschon es eben bei diesem Anlass sich deutlich 
herausgestellt, dass manches höchst schätzbare Material doch 
bereits untergegangen ist. 

Ew. Excellenz bin ich sehr verpflichtet für die literarischen 
Notizen, die Hochdieselben mir haben mittheilen wollen. Die ur- 
kundlichen Stücke über York's Familie in den preussischen Pro- 
vinzialblättern 1838 waren mir bereits bekannt: es ist merkwürdig 
genug, dass in Yorks Hause die Tradition, dass die Familie mit 
den Leslie's gemeinsam aus England gekommen sei, geglaubt wird — 
vielleicht hat sie der alte Feldmarschall selbst geglaubt und seinen 
Ursprung nicht gewusst; wenigstens als er 1779 nach Holland ging 
hatte er Empfehlungsschreiben an den englischen Minister im Haag 
Yorke mit sich, um sich ihm als entfernten Verwandten vorzustellen. 

Gar sehr mit Eecht werfen Ew. Excellenz die Frage auf, „ob 
es für eine solche Lebensbeschreibung nicht noch zu früh sei, wenn 
anders sie nicht eine blosse Lobrede sein wolle?'' Weniger die 
Gefahr Yorks Panegyriker zu werden ist es, die ich fürchten muss — 
denn so wenig ich geneigt bin, ihn überall zu loben oder seine be- 
deutenden Schattenseiten zu verbergen, eben so gewiss ist es, dass 
seinem Gedächtniss bei weitem nicht Genüge gethan ist; er war 
einer von jenen unbequemen Menschen, die man, wenn Noth war. 



118 61. Droysen 1847. 

schon brauchen musste ihrer Tüchtigkeit wegen, dann möglichst 
bald zu beseitigen, und zu vergessen suchte, weil eigene Art und 
selbstständiger Sinn schon durch ihr Vorhandensein incommodiren — 
was ich mehr fürchten könnte, wäre die Nothwendigkeit, Verhält- 
nisse zu berühren, welche man, mit einem gewissen Conventionellen 
Firniss übertüncht, statt Geschichte der Nachwelt zu überliefern 
gewünscht zu haben scheint. Ich hoflfe mit der Wahrhaftigkeit 
eigener auf möglichst gründlicher Erforschung gebauter Überzeugung 
das Bild jener grossen Zeit, in die York's Thätigkeit fällt, darzu- 
stellen; denn der Natur der Sache nach wird meine Arbeit mehr 
historisch als biographisch zu sein versuchen. Gewiss wird eine 
spätere Zeit noch unparteiischer urtheilen — vielleicht weil sie 
noch theilnahmloser als schon die jetzige auf Preussens Schicksale 
von 1805 — 1815 zurückblickt. Aber in anderer Beziehung ist es 
wohl an der Zeit, diese historischen Arbeiten zu beginnen; denn 
noch leben Zeugen wichtigster Vorgänge; noch ein oder zwei Jahr- 
zehnte und von denen, die mitgehandelt, ist keiner mehr da, den 
man fragen könnte. Ich bin glücklich genug, von solchen, die York 
von seinen tapferen Gefechten auf dem Rückzuge von Lübeck an 
gekannt, begleitet haben, die ergiebigsten Mittheilungen zu erhalten. 
Und dann noch ein Weiteres. Ew. Excellenz erwähnen Pertz's 
Arbeit über Stein; ich möchte glauben, dass es, 1841 oder 1846 
erschienen, Förderungen gebracht haben würde, die man doch 
schmerzlich entbehrt, denn nicht bloss auf theoretischem, sondern 
vor Allem auch auf historischem Wege dünkt mich, hat sich das 
Bewusstsein der Gegenwart zu klären nöthig, — jenem wahren 
historischem Wege, auf dem die Geschichte der Gegenwart ihr 
ernstes: „erkenne Dich selbst!" so ernst zuruft. 

Ew. Excellenz wollen die Freimüthigkeit meiner Worte ent- 
schuldigen; und mit dieser Bitte verbinde ich den Dank für die 
erhabenen Worte, mit denen Hochdieselbe mich an die grossen 
vier Männer Preussens erinnert haben. „Ich bin ja, Herr, in Deiner 
Macht" hat Ihr Simon Dach gesungen; es ist das alte theure Trost- 
wort, das immer wieder die Kraft erweckt und die Hoffnung erneut; 
jüngst in schwersten häuslichen Trübsalen hab' auch ich es erprobt. 

Ew. Excellenz mich zu gütiger Erinnerung empfehlend, habe 
ich die Ehre in ehrfurchtsvoller Ergebenheit zu sein 

Ew. Excellenz ganz gehorsamer 

Joh. Gust. Droysen. 
Kiel, d. 18. Dezbr. 47. 



62. Schön 1847. 119 

62. Schttn an Droysen. 

Ew. Wohlgeboren werden es gütigst entschuldigen, wenn ich 
Ihr gefälliges Schreiben vom 18. d. M. dictirend beantworte. Die 
Hand wird alt, und die Gedanken wollen noch jung bleiben, und 
so laufen diese der Hand immer vor, welches hemmend ist. 

Sie schreiben: York habe Anno 1779 Empfehlungen an den 
Englischen Gesandten Yorke, als an einen entfernten Verwandten, 
nach dem Haag mitgenommen. Hat York damals gewusst, dass 
er nicht York, sondern Jorek-Gusewski heisst, so kann Folgendes 
die Thatsache erläutern: 

Der verstorbene General von Stutterheim^) war mit York 
Lieutenant gewesen, und erzählte mir: Nach dem ßayerschen Erb- 
folge-Kriege als das Regiment, bei welchem York stand, in seine 
Garnison zurückgekehrt war, hätten an einem Tage auf der Parade, 
die Officiere sich über die Plünderungen geneckt, welche jeder 
Einzelne verübt haben sollte. York habe an diesen Neckereien 
wenig Theil genommen, als aber einem Kapitain zur Last gelegt 
sei, dass er eine Altardecke mitgenommen, hätte York geäussert: 
Das ist ja I gestohlen! Der Kapitain habe diese Aeusserung ernst- 
lich genommen, und von dem Chef des Regiments sei eine Unter- 
suchung gegen York angeordnet. York wäre durch das daraut 
folgende Kriegsrecht, freigesprochen, worauf die Entlassung des 
Kapitains nothwendig hätte folgen müssen. Friedrich H. habe 
aber das Urtheil umgestossen und darunter geschrieben : Geplündert 
ist nicht gestohlen, York kann sich zum Teufel scheeren! 

So erzählte der General von Stutterheim die Geschichte und 
versicherte, dass diese Königliche Entscheidung allgemeine Theil- 
nahme für York erregt habe. Jeder hätte sich bemüht, ihm als 
einem braven Manne Beistand zu leisten, und so hätte ein mit 
York befreundeter Lieutenant von Hogendorp, ein Holländer aus 
einer angesehenen holländischen Familie, den Vorschlag gemacht, 
dass York sich, wie man damals sagte, an die Holländisch- 
ostindische Kompagnie verkaufen möge, wozu er durch Empfehlun- 
gen behilflich sein wolle. Darauf wäre York nach Holland ge- 
gangen. 

Wenn man nun, den Eindruck sich lebhaft vorstellt, welchen 
der Machtspruch Friedrich 11. gegen alles Recht, und gegen einen 

1) Ludwig August von Stutterheim, geboren 1750, gestorben als Ge- 
neral der Infanterie a. D. 1826 zu Königsberg. Er war Compagnieöhef im 
bayrischen Erbfolgekrieg und 1795 ff. Vorgesetzter York*s. 



120 62. Schön 1847. 

braven Mann nothwendig allgemein machen musste und dazu denkt, 
dass die Sage: York's Vater sei als Jacobite ausgewandert, ver- 
breitet war, dann liegt es nahe, dass Jeder, der da glaubte, dass 
eine Empfehlung von York diesem behülflich sein könne, diese gab 
und namentlich diese auch an den englischen Gesandten Yorke 
richtete, und dass York die dabei stattfindende Täuschung hin- 
gehen liess. 

Es kann aber auch sein, dass York von seiner Abstammung 
damals nicht unterrichtet war. Aber dass ihm diese später nicht 
unbekannt sein konnte, geht daraus hervor, dass er im letzten 
Kriege bei dem Lobe eines Pommerschen Eegiments gesagt haben 
soll: Er sei auch ein Pommer; worauf ein Soldat geäussert habe: 
Nun will Alles Pommer sein. Das Dorf Reda, aus welchem der 
Vater von York, wie der Gastwirth Jorek-Gusewski in Beda behaup- 
tet, herstammen soll, liegt nämlich in Pommerellen und Pomme- 
rellen hat früher zu Hinterpommern gehört. 

Ich habe den Auftrag gemacht, mir Abschrift der Papiere zu 
besorgen, welche der Gastwirth Jorek-Gusewski über die Abstam- 
mung von York, vor mehreren Jahren mir vorlegte, und wenn ich 
sie erhalte, werde ich nicht ermangeln sie Ihnen mitzutheilen. 

Geht aus diesen Papieren das hervor, was mir vor mehreren 
Jahren nachdem ich diese Papiere gelesen, und von dem Gastwirth 
Jorek-Gusewski gehört hatte, klar war, dann bin ich der Meinung, 
dass es ehrenvoller für York ist, von einem Vater abzustammen, 
der als Jorek-Gusewski, sich so auszeichnete, dass Friedrich II. 
ihn zum Officier in seiner Garde machen musste, als der Sohn 
eines Jacobiten zu sein, und die Piction gelten zu lassen, dass der 
Vater, der Religion wegen, ausgewandert, aber in Preussen luthe- 
risch geworden sei. 

Preuss. Amau den 28. Dezember 1847.1) 

Indem ich diesen Brief unterschreiben will, werde ich ungewiss, 
ob, nach der Erzählung des Generals v. Stutterheim, York [durch] 
kriegsrechtliches Urtheil nicht zu einem kurzen Pestungs-Arrest 
verurtheilt sey, welchem Urtheile Priedrich II. nur nachsetzte: G^ 
plündert ist nicht gestohlen pp. Perner: Es dürfte sich vielleicht 
der Machtspruch des Königs*) durch Polgendes erklären lassen: 



1) Bis hierhin dictirt, von da ab eigenhändig. 

2) Im Concept steht noch: „gegen einen, wie der General Stutter- 
heim sagte, anerkannt tüchtigen Ofücier/^ 



63. Schön 1848. 121 

Bis zum Jahre 1806 war es in der Preussischen Armee Kegel, 
dass die Officiere der eigentlichen Linien-Truppen (Musketiere,^) 
Cürassiere, Dragoner), von anerkannt adlicher Geburt seyn sollten. 
Bürgerliche konnten nur bey den Husaren und bey den Garnison-Ke- 
gimentern, welche später leichte Infanterie wurden, Officiere werden. 
Nur im Kriege machte man davon eine Ausnahme, liess aber mit 
dem Priedens-Schluss die Regel wieder eintreten. So kam wahr- 
scheinlich York's Vater von der Garde zu einem Garnison-Regi- 
ment. Das Regiment, zu welchem unser York kam, gehörte zu 
den neuen Regimentern, welche Friedrich II. nach der Occupation 
von Westpreussen stiftete. Die Regimenter sollten bey ihrer Stif- 
tung leichte Infanterie (Püseliere) seyn, wurden aber bald darauf 
wie Linien-Infanterie behandelt. Und nun entsteht die Frage: 
Hat Friedrich II. bey seinem Machtspruche, die Abstammung York's 
gekannt? Da der Vater Jorek-Gusewski*) Garde-Officier gewesen 
war, ist dies wahrscheinlich. — Ferner wäre bey der York'schen 
Abstammung zu erforschen: Ob der berühmte Jakobite, der Lord 
Mar^chal Keith, der sehr hochgeachtete Freund Friedrich 11., der 
bis zu seinem Tode neben Sanssouci wohnte, von York's Vater, als 
Jakobite, oder von unsrem York (dem Sohne) Etwas gewusst hat? 
Waren unsere Yorks (Vater und Sohn) Jakobiten, dann lag es 
nahe, dass der sehr einflussreiche Lord Mardchal sie nicht ver 
lassen haben würde. Hat irgend eine Verbindung zwischen York's 
Vater und dem Lord Mar^chal statt gefunden? Es ist nun Sache 
des Historikers, aus diesen Brocken einen Vers zu machen. 

Schön. 

63. Schön an Droysen. 

Preuss. Amau bey Königsberg in Preussen 

den 25. Januar 1848. 

Ew. Wohlgeboren kann ich jetzt die Nachricht geben, dass 

der Vater des Peldmarschall York, als 

David von Jork 

im Jahre 1747 als Fähnrich bey der Garde — 1760 als Kapitain 

bey einer Grenadier-Gompagnie 

angestellt ist, und im Jahre 1783 als David v. Jork entlassen ist. 

Ebenso, dass dessen Sohn der nachherige Feld -Marschall Hans 

Ludwig von Jork, im Jahre 1775 beim Kegiment Luck eintrat, und 



i) Im Concept steht hier noch „Grenadiere". 
2) Im Concept steht noch ,, ausgezeichneter*'. 



122 63. Schön 1848. 

im Jahre 1780 als Jork cassirt wurde. Erst bey dem Wieder-Ein- 
tritt im Jahre 1787 ist von York, statt Jork die Rede. 

Die Listen des Kriegs-Ministerii müssen eben das ergeben. 

Dabey 
bleibe ich der Meinung, daas ich lieber von einem braven Preussi- 
schen Capitain aus Pomerellen, als von einem Jakobiten abstammen 
würde. 

Hierzu fuge ich noch, da Ew. Wohlgeboren Nachrichten aus 
unsrer grossen Zeit sammeln, eine historische Notiz bey.^) Weil 
man gar nicht aufhörte, die Geschichte über Entstehung unserer 
Landwehr zu verunstalten, und mit rechtem Raffinement dies be- 
trieb, war ich genöthigt, gestützt auf das, was ich erlebt habe, und 
auf offizielle und ständische Akten, der Wahrheit ihr Recht zu 
retten, und dem Vorurtheile, dass nur Militair-Personen über Be- 
waflFnungs-Angelegenheiten eine Meinung haben können, offen ent- 
gegen zu treten. Nach meiner Erfahrung über Verfälschung der 
Geschichte möchte man zweifelhaft werden, ob wirklieh ein Alex- 
ander der Grosse gelebt hat. Vielleicht hat. Aristoteles,; äub titulö 
Alexander alle die Erorberungen gemacht, meine ergebenste Em- 
pfehlung. 

Schön. 



1) TJeber die Einrichtung der Ostpreussischen Landwehr. Send- 
schreiben an Herin Gottschalk in Preuss.-Eylau. Neue Preussische Pro- 
vinzial-Blätter Band Y (1848) S. 1 ff. Der Aufsatz ist datirt Pr. Aman, 
20. October 1847. Er ist auch wohl unter der „gedruckten Notiz" zu ver- 
stehen, die Schön an Pertz übersandte, oben Nr. 15 S. 20. 

Gegen diesen kurzen Aufsatz Schönes (er umfasst nur drei Seiten), 
in welchem bestritten wurde, dass Scharnhorst der Stifter der Landwehr 
sei, wandte sich eine lange Abhandlung im Militärwochenblatt 1848 No. 9, 
„Beiträge zu den Miliz- und Landwehrorganisationen im preussischen 
Staat,'* der in den Provinzialblättem S. 276 ff abgedruckt wurde. Die Be- 
daction fügte folgende Bemerkung hinzu: 

„Aus dem Militärwochenblatt 1848 No. 9, welche von einem hochge- 
stellten Staatsbeamten in Berlin eingesendet wurde mit einer geneigten 
Zuschrift, in der es heisst: 

„Das letzte Hefb Ihrer Provinzialblätter, welche schon so viel Inter- 
essantes über Kunst, Alterthümer und Geschichte gebracht haben, ent- 
hält einen kurzen Aufsatz über die Bildung der Landwehr im J. 1813; er 
hat Alle, die auch nur den Namen Schamhorst*s und sein "Wirken geschicht- 
lich kennen, betrübt und ist das letzte Unangenehme, welches der von uns 
allen, ich darf sagen, von vielen herzlich geliebte, alte Gen. v. Boyen auf 
seinem Sterbelager erfal^ren hat." 

Dem Wunsche, dass zur Beendigung des Streits der ganze Artikel 



63a. Müller 1848. 123 

63a. Geheimer Kabinetsrath Müller an Schön. 

Ew. Excellenz 
beehre ich mich auf die hochgeneigte Zuschrift vom 13. d. M. ge- 
horsamst anzuzeigen, dass nach mehrmaliger sorgfältiger Durch- 
suchung der bezüglichen Ranglisten der Capitain v. Jork stets mit 
einem J und nicht mit einem Y bezeichnet ist. In einer Cabinets» 
ordre vom 8^®^ Februar 1781, die an denselben auf die Bitte um 
Begnadigung seines Sohnes, des damals cassirten Secondelieutenants, 
nachmaligen Feldmarschalls v. York erlassen und abschriftlich in 
ungedruckten Notizen über das Leben des Letztern befindlich ist, 
findet sich jedoch folgende Addresse vor: an den Capitain v. York 
Klingspornschen Grenadier-Bataillons. Es ist daher leicht möglich, 
dass schon der Vater das Y statt des J für das gewöhnliche Leben 
in Cours gesetzt haben mag, zumal einem Gerücht zufolge einer 
seiner Vorfahren als Catholik und Anhänger der Stuarts aus Eng- 
land vertrieben und an den Ostsee-Küsten Zuflucht genommen hat. 
Mehreres zur Sache habe ich nicht ermitteln können; vielleicht 
geht mir indessen aus dem geheimen Archiv, wohin ich mich auch 



in das nächste Heft der Provinzialblätter aufgenommen würde, genügt die 
B.edaction um so lieber, als auch des Herrn Staatsministers von Schön 
Excellenz sich damit einverstanden erklärt: 

,,Ich habe nicht das geringste Bedenken dabei, dass Ew. Wohlgeboren 
den in dem beiliegenden Militär-Wochenblatt !No. 9 enthaltenden Aufsatz, 
betitelt: Beiträge etc. in die Provincialblätter aufnehmen und ermangele 
nicht, dies auf das gefällige Schreiben ganz ergeben st zu erwiedem. 

Pr. Amau, den 2. März 1848. Schön. 

Dazu vgl. man die Mittheilungen Schön*s an Droysen vom 22. März 
1848 unten S. 131 f. Es darf wohl auch auf die falsche Sentimentalität hin- 
gewiesen werden, mit welcher der „hochgestellte Staatsbeamte" den ster- 
benden Boyen in die Sache hineinzieht. Boyen*s Mittheilungen über 
den Landtag von 1813 (Erinnerungen aus dem Leben des Generalfeldmar- 
schalls Hermann von Boyen, herausgegeben von F. Nippold, 11, Leipzig 
1889, S. 328 ff.) beruhen nach seiner eigenen Angabe auf Hörensagen. Die 
entscheidenden Acten sind endlich von A. Bezzenberger, Urkunden des Pro- 
vinzialarchivs in Königsberg und des Gräflich Dohnaschen Majoratsarchivs 
in Schlobitten, betreffend die Erhebung Ostpreussens im Jahre 1813 und die 
Errichtung der Landwehr, Königsberg 1894, S. 9 ff. herausgegeben worden. 
Alexander Dohna nennt sich selbst in dem Brief an Schön vom 12. Sep- 
tember 1813 („Aus den Papieren'* VI S. 203) den „Anreger der preussischen 
Landwehr** und in dem Briefe an den König (ebenda S. 536) spricht er 
von dem „besonderen Antheil", welchen er an der Entstehung der preussi- 
schen Landwehr gehabt habe. 



124 63a. MüUer 1848. 

gewendet, etwas Bestimmteres zu. In diesem Fall werde ich eine 
sofortige weitere Mittheilung nicht unterlassen. 

Ew. Excellenz geneigte Aeusserungen über Entstehung, 
Zweck und Zukunft unserer Landwehr haben für mich das leben- 
digste Interesse. Die hierüber von Ew. Excellenz so treflflich ent- 
wickelten Ansichten muss jeder, der mit König und Vaterland es 
gut meint, vollständig theilen. Es ist mir jedoch sehr angenehm, 
Hochdieselben mit ziemlicher Zuverlässigkeit benachrichtigen zu 
können, dass eine Aenderung in der bisherigen Landwehrverfassung 
weder im Project ist, viel weniger einer wirklichen Ausfuhrung 
nahe steht. Man beabsichtigt zwar in dem Avancement der Offi- 
ziere der Linien- Truppen anderweitige Grundsätze aufzustellen 
— was zu dem bezüglichen Zeitungsgerücht wohl Veranlassung ge- 
geben haben mag. Dies Project wird aber selbst im Fall der Aus- 
führung auf die Offiziere der Landwehr nicht influiren, vielmehr 
werden diese in der bisherigen Art ernannt und beibehalten werden 
und nur in einzelnen Bezirken, wo ein geeigneter Compagnieführer 
aus den vorhandenen Landwehroffizieren nicht auszumitteln ist, wird 
durch einstweilige Commandirung aus der Linie zu Hülfe gekommen 
werden. — Im Allgemeinen giebt's indess noch viel bei uns zu 
ändern und — besser zu machen. 

Im Begriff diesen Brief zu schliessen, geht mir noch eine 
neue Kunde über das bezügl. J. — Y. durch meinen Kegistratur- 
rath — Archivar Fiebig zu. Da diese auf den Grund wiederholter 
Kecherchen gegeben wird, so dürfte sie als die zuverlässigste be- 
trachtet werden können, und schliesse daher die Notiz hier bei. 

Ew. Excellenz unschätzbarem Wohlwollen mich bestens em- 
pfehlend verharre Hochderoselben treuester und gehorsamster 

Mueller. 
Berlin, den 22. Januar 1848. 

Anlage A. 

Ein Fähnrich des Namens Josep Gusewski hat während 
des 7jährigen Krieges weder bei dem 1. 2. 3. und dem Grenadier- 
Garde-Bataillon gestanden. 

Bei dem letztgenannten Bataillon wurde am 8^®*^ Februar 1759 
ein Christian von Götzcky zum Fähnrich ernannt, in der Kangliste 
pro August 1759 aber ausgelassen, ohne weitere Nachricht über 
die Art seines Abgangs und Verbleibens. Ein ähnlicher Name mit 
dem in Frage Gestellten als der p. v. Götzky kommt bei den 
Garden im 7jährigen Kriege nicht vor. 



63b. Müller 1848. 125 

Dagegen kommt aus dieser Zeit ein 

David von Jorck vor, welcher 
1747. 27, Juli Fähnrich im Regiment Garde zu Fuss war, 

1752. 10, October zum Seconde-Lieutenant 
1757. 25. Juni „ Premier-Lieutenant 

1759. 11. Februar „ Stabs-Capitain und 

1760. 27. August „ wirkl. Gapitain und Comp.-Chef beim Königs 

bergschen Grenadier-Bat. N. 4 avancirte, 
1783. 4. Juli demittirt und zur anderweitigen Versorgung no- 

tirt worden ist. 
Im Juli 1783. 
war sein Alter 62 Jahr 
seine Dienstzeit 43 ^ 5 Monat und sein Vaterland Pommern, 

Anlage B.^) 

Nach .den bei der Geheimen-Kriegs-Canzlei in den älteren 
Listen angestellten genauen Ermittelungen, kömmt der als Feld- 
marschall verstorbene Hans Ludwig v. Jork zuerst als Gefreiter 
Corporal in der Liste beim Regiment v. Luck im Jahre 1775 mit 
einem Alter von 15 Jahren und 3 Monaten vor. Darnach ist er 
im November 1759 in Potsdam geboren, also zu einer Zeit, wo sein 
Vater der Capitain David v. Jork bei der Garde in Potsdam stand. 
In dieser und den folgenden Listen bis zu der am 10*®^ Januar 1780 
erfolgten Cassation, ist der Name Jork mit einem J geschrieben. 
Bei der im Jahre 1787 erfolgten Wiederaufnahme desselben in den 
Dienst ist in der Order das J undeutlich und zwar ^^geschrieben, 

woraus dann die Umwandlung des J in einem Y wohl zu folgern 
sein dürfte.^) 

63b. Geh. Cabinetsrath MUller an SchOn. 

Ew. Excellenz 
erlaube ich mir in Verfolg meines ergebensten Schreibens vom 
22'®° d. M. die vorbehaltene weitere Notiz über die York'sche 
Schreibart und Abstammung in der Anlage gehorsamst zu übersenden. 

Müller. 
Berlin, den 25. Januar 1848. 



1) Am Bande hat Schön geschrieben: ,, beste Notiz/* 

2) Darunter hat Schön bemerkt: „Den 25. Januar 1848 diese Nach- 
richten an H. Professor Droysen nach Kiel geschickt/* 



126 63b. Müller 1848. 

Anlage. 

Ew. Wohlgeboren 
gefällige Anfrage über die Voreltern des Grafen York war nicht 
so leicht zu beantworten, als Sie vielleicht erwartet hatten. Im 
Geheimen Staats-Archiv sind darüber keine Spuren. Nur in 
meinen Privatnotizen und durch Nachfragen bei meinem Freund, 
dem Professor Preuss habe ich Einiges gefunden und zwar folgendes : 
David Jonathan Jork, Sohn des Predigers Johannes Jorken Gast- 
kowski zu Rowe und Wobesde bei Stolp in Pommern, geboren 
daselbst am 7. Juli 1721 war am 27. Juli 1747 Fähnrich bei der 
Garde zu Potsdam geworden, kam nachher zum von Lossau'schen 
Grenadier-Bataillon und wurde 1783 als Hauptmann verabschiedet. 
Er machte 1761 auf dem Marsch zu Eisenberg in Sachsen sein 
Testament, in welchem er seine Liebste Maria Sophia Pflug und 
zwei mit ihr erzeugte Kinder zu Universal-Erben einsetzte, wobei 
er sagte, dass er sonst keine eheleiblichen Kinder habe. Es scheint 
hiernach, als wenn er mit derselben nur in Concubinat gelebt habe, 
wahrscheinlich ist aber späterhin eine Trauung und damit legiti- 
matio per subsequens matrimonium erfolgt, denn im Jahre 1786 
lebte zu Königsberg in Pr. die 60jährige Wittwe eines von York, 
muthmasslich Mutter des nachherigen Feldmarschalls und zweier 
Töchter mit einer Pension von 50 Thaler. Dieser von York, wie 
er sich schreibt, sagt im Dezember 1786, dass sein Vater 8 Jahre 
unter König Friedrich Wilhelm gedient, allen glorreichen Kriegen 
Friedrichs II. beigewohnt habe, 11 mal verwundet gewesen sei. — 
Seine Wunden und sein hohes Alter hätten ihn verhindert, zu- 
letzt die Revues mitzumachen. Er selbst hatte 18 Jahre im 
preussischen Dienst gestanden, musste wegen einer jugendlichen 
Uebereilung wegen die Entlassung genommen^) und war 7 Jahre 
in holländischen Diensten gewesen, bat 1786 um Wiederanstellung. 
Sehr leicht wird sich nun feststellen lassen, ob dieser v. York der 
verstorbene Feldmarschall gewesen ist oder nicht, weil die Listen 
ergeben müssen, ob er etwa 1778 oder 1779 aus preussischen 
Diensten entlassen wurde, warum? und ob er als gewesener hol- 
ländischer Capitain 1787 oder später wieder eintrat.^) 



1) So steht in der mir vorliegenden Abschrift. 

2) Ein noch in Schönes Papieren befindlicher Brief des Pfarrers 
C. Hom aus Rowe vom 22. Februar 1848 über York's Familie ergiebt Nichts, 

was nicht in den Preussischen Provincialblättern XX (1838) S. 157 ff. be- 
reits mitgetheüt wäre. 



64. Droysen 1848. 127 

64. Droysen an Schön. 

Hochgebietender Herr Staatsminister, 
Gnädigster Herr! 

Vor allem wollen Ew. Bxcellenz es mir nachsehen, dass ich 
zu säumig auf zwei ebenso inhaltreiche wie gütige Schreiben erst 
heute Antwort und Dank sage. Aber der erwartete, dann einge- 
tretene Tod des dänischen Königs und die hastigen Vornahmen 
seines Nachfolgers^) haben mich in letzten Wochen mit zu dringenden 
Geschäften und Interessen des Augenblicks in Anspruch genommen; 
denn die Lage unserer Verhältnisse ist von der Art, dass jeder 
nach Mass seiner Kraft mit Hand anlegen muss zu helfen. 

Vielen Dank für den Aufsatz über die Landwehr, der mir 
ohne Ew. Excellenz Güte schwerlich auch nur zu Gesicht gekommen 
wäre. Von ganzem Herzen unterschreibe ich Ew. Excellenz Äusse- 
rungen über die wirklich seltsam conventionelle Fassung der preussi- 
schen Geschichte jener Zeit, sie wird wirklich nach der Voltairischen 
Formel Thistorie c'est ä dire une fable convenue. Freilich Haupt- 
schuld ist die Begünstigung des Lügen-Systems, mit dem man, seit 
gewisse Personen das Ruder ergriffen, Vergangenheit und Gegen- 
wart zusammenhalten und entadeln musste, um der Zukunft gewiss 
zu bleiben, wie man hoffte. Aber ein anderer Umstand trat hinzu, 
den ich bei Gelegenheit seit meinen Vorarbeiten für York mehr 
und mehr auffallend finde; die Geschichte jener Zeiten ist für 
Preussen immer nur aus dem militairischen, und zwar so zu sagen 
Gneisenau'schen Gesichtspunkt behandelt; nicht als meinte ich des 
herrlichsten Mannes Namen damit zu beflecken; aber der ganze 
Kreis hervorragendster Schriftsteller: Müflfling, Clausewitz, Grol- 
mann u. s. w. ist aus diesen Beziehungen hervorgegangen, hält 
daran bis zur unglaublichsten Ungerechtigkeit gegen die blossen 
„Taktiker." Ew. Excellenz Mittheilungen aus den Erzählungen des 
alten General Stutterheim sind mir um so lehrreicher gewesen, da 
sie das mir von anderer Seite her bekannt gewordene theils er- 
gänzen, theils berichtigen. 

Von einer Verbindung York's oder seines Vaters mit Keith 
ist keine Spur zu entdecken. Allerdings ist der Name des Vaters 

1) König Christian VIII. von Dänemark war am 20. Januar 1848 ge- 
storben. Sein Nachfolger Friedrich VII. erliess am 28. Januar ein 
ßescript, durch welches Notabein zur Feststellung einer Gesammtstaats- 
verfassung für Dänemark und Schleswig-Holstein auf sehr liberaler GrviaaLÄr 
läge einberufen wurden. 



128 ^' Droysen 1848. 

in dem Königl. Patent vom 27. August 1759, das demselben die 
Königsbergische Grenadiercompagnie überträgt, von York ge- 
schrieben, sonst alle Documente für Vater oder Sohn, deren mir zahl- 
reiche vorliegen, bis zum Eintritt des Sohnes in das holländische 
Regiment Meuron durchaus übereinstimmend in der Schreibung 
Jork und Jorck. Mir ist nach den in Richters Preussischen Pro- 
vinzialblättern mitgetheilten Actenstücken^) und den sonstigen Notizen, 
die mir vorliegen, kein Zweifel über York's Abstammung, sondern 
nur darüber, ob er über dieselbe selbst je in Zweifel gewesen. 
War er es nicht, wie ich mich mehr und mehr überzeuge, so 
giebt dies einen merkwürdigen Zug zu seinem Charakter oder 
richtiger ein Motiv zu dessen Verständniss. Denn ich glaube ihn 
nicht zu überschätzen seiner grossen Bedeutung und Kraft nach; 
aber es ist dennoch etwas nicht klar -edles in ihm, mehr Phrase 
als das ächte tiete pectus, nicht die gediegene Gewalt um höchsten 
sittlichen Zwecks willen zu leben und zu handeln, etwas innerlich 
unwahres, aber gebunden durch Ehrgefühl, Pflichtgefühl, Willens- 
stärke, in summa Motive, wie man sie den Richtungen und der 
Moral der Zeit Friedrich II., ich meine der französirend-aufgeklärt- 
rationellen auch sonst anmerkt. Ew. Bxcellenz haben mit York in 
persönlichen Berührungen gestanden; passen diese Bezeichnungen 
zu Dero Erfahrungen und Auffassungen? 

AUmählig sammelt sich eine lehrreiche Reihe von York'schen 
Briefen; ich finde vielfach freundliche Unterstützung. Natürlich 
ist in den Briefen vieles, was durchaus nicht zu veröffent- 
lichen sein würde, namentlich in denen nach 1815 und gar 
nach 1819. Aus den früheren Jahren habe ich deren weniger, 
was um so mehr zu beklagen, da die, welche mir vorliegen, fast 
alle reich an Beiträgen zur Geschichte jener Zeit sind. Sollten 
Ew. Excellenz deren haben oder wissen — denn bei York's amt- 
lichen Verhältnissen iju, Preussen von 1807 bis 1813 muss er wohl 
mancherlei briefliche Beziehungen angeknüpft haben, — so bin ich 
so dreist, um Ew. Excellenz gütige Vermittelung zu bitten. 

Ew. Excellenz wollen mir gestatten. Denselben in einigen 
Tagen einen Aufsatz zu übersenden, den ich in BetreflF unserer 
Landesangelegenheiten zu schreiben mich verpflichtet gehalten habe. 

Der ich mich in vollster Ehrerbietung und Verehrung empfehle 
Ew. Excellenz ganz gehorsamster 

Kiel, d . 9. Febr. 1848. Joh. Gust. Droysen. 

V S. oben 8. 115, Note 4. 



65. Droysen 1848. 129 

65. Droysen an Schön. ^) 

Hochgebietender Herr Staatsminister, 
Gnädigster Herr! 

Ew. Bxcellenz nehme ich mir die Freiheit ein Schriftchen zu 
übersenden, das Sie des Interesses wegen, welches die behandelte 
Frage in Anspruch nehmen darf, vielleicht einen Augenblick Ihrer 
Aufmerksamkeit würdigen.^) 

Ew. Excellenz grosse Nachsicht hat mich bereits so ver- 
wöhnt, dass ich auch diesen Anlass nicht vorübergehen lasse, ohne 
mich fragend an Hochdero Güte zu wenden. 

In einer sehr wichtigen Correspondenz zwischen York und 
Scharnhorst vom Jahr 1811, die mir handschriftlich vorliegt, finde 
ich von York s. d. 13. Jul. 1811 Marienwerder folgendes: „Er- 
lauben Sie, dass ich noch eine wichtige Frage Ihrer Beurtheilung 
anheim gebe. Werde ich wenn das Gewitter plötzlich losbricht, 
wohl Zeit genug haben, zu Allem die erforderlichen Arrangements 
zu treffen? würde es nicht gut sein, vorläufig die Entwürfe ge- 
hörig zu bearbeiten, wozu natürlich nothwendig ist, dass ich mit 
dem Staatsrath v. Schön Kücksprache nehme, v. Schön ist ein 
Mann von Kraft, zu dem ich das grösste Zutrauen hege. Da der 
König zu ihm grosses Vertrauen hat, so sollte ich glauben, dass 
die Sache kein Bedenken fände." 

Dies ist geschrieben nachdem York bereits seine grosse Voll- 
macht erhalten hatte; ich muss vermuthen, dass es sich um die 
vorläufigen Massregeln zu der für denNothfall beabsichtigten allge- 
meinen Insurrection handelt. Ist Ew. Excellenz über diese Dinge 
irgend etwas erinnerlich und darf ich ohne zu dreist zu sein um 
gütige Belehrung bitten? Auch sonst begegne ich in diesem Jahre 
oft genug Ihrem verehrten Namen. Welche Zeit! Und wie von den 
Nachgebornen vergessen! sie lesen lieber die Gaukeleien von Thiers 
und die blutige Blumenlese von Lamartine*) und unsere besten His- 
toriker bringen es dahin, das Heldenleben Friedrich II. zu ver- 
wässern und zu parfümiren. 



1) Ein Theil dieses Briefes ist bereits „Aus den Papieren^ 1 Anlagen 
S. 135 ff. veröffentlicht worden. 

2) J. G-. Droysen, Die gemeinsame Verfassung fiir Dänemark und 
Schleswig-Holstein, Kiel 1848. Wiederabgedruckt in J. Q-. Droysen*s Kleinen 
Schriften, Heft 1, Berlin o. J. [1863] S. 65 ff. 

3) Lamartine's Histoire des Girondins. 



130 66. Schön 1848. 

Mit dem immer neuen und wahrhaften Bekenntniss innigster 

Verehrung habe ich die Ehre zu unterzeichnen 

Ew. Excellenz ganz gehorsamster 

Joh. Gust. Droysen. 

66. SchOn an Droysen. 

Preuss. Amau bey Königsberg in Preussen, 

den 22. März 1848. 

Zunächst meinen ergebensten Dank für die gefällige Mit- 
theilung Ihrer Schrift in der Holsteinschen Angelegenheit. Das 
grosse Drama, welches die Völker jetzt auffuhren, scheint zwar die 
Sache für den Augenblick in den Hintergrund zu stellen, aber als 
Theil des Dramas wird sie doch in dem Schluss-Akte ihre Geltung 
behalten. 

Die Zeit vom Jahre 1811 steht klar vor mir.*) Als man in 
Berlin glaubte gewiss zu seyn, dass Napoleon die Absicht habe, 
unsem König vom Throne zu stossen, als man wusste, dass die 
einzelnen Generale schon bestimmt wären, welche unser Land be- 
setzen sollten (General Grandjean sollte von Danzig aus Preussen 
besetzen), da wurde unser Land in 3 Statthalterschaften getheilt 
(Preussen, Pommern und Brandenburg, und Schlesien) und Scharn- 
horst kam als Ingenieur-General angeblich die Festungen und die 
Anstalten zu Verhinderung einer Landung der Engländer zu in- 
spiciren, mit der Vollmacht für Preussen, zuerst zu York nach 
Marienwerder, und setzte ihn durch Aushändigung der Vollmacht, 
als militairischen General -Gouverneur für den befürchteten Fall, 
ein. Von da kam er nach Königsberg und forderte von mir, da- 
mals Präsident in Gumbinnen, eine geheime Zusammenkunft in 
Wehlau, diese erfolgte, und Schamhorst machte mir von der auf 
mich gestellten Vollmacht, als General-Civil-Gouvemeur von Preussen, 
deren Original er York übergeben habe, Mittheilung und theilte 
mir seine Gedanken über Volks-Bewaffnung, was er darunter ver- 
stand, mit. Diese Gedanken waren nun nicht die meinigen. Scham- 
horst wollte, dass ich zur Linie so viel Kekruten stellen sollte, 
dass die Linien-Compagnie auf 200 — 300 Mann komme, und dass 
übrigens das Volk dahin gebracht werde, dass jeder Einzelne so 
viel Franzosen todtschlage, als er könne; wollten sich dazu als Polizei- 
Wache, Einzelne verbinden, so wäre dies zuzulassen. Dagegen pro- 
testirte ich total, es war damals noch viel Sauerteig in unserer 

1) ZvL dem Folgenden vgl. „Aus den Pa^iwen^' l^.^^^.Y^ %.^^VC 



66. Schön 1848. 131 

Linie, z. B. alle gebildeten Nicht-Adlichen waren nicht militair- 
pflichtig, die alten Officiere, nach der früheren Regel, nach welcher 
nur Edelleute Officiere der Linie werden konnten pp. waren noch da. 
Stunden lang disputirten wir über die Art der Volks-BewaflFnung. 
ich forderte formirte National-Truppen neben der Linie, Scham- 
horst hatte zu diesen kein Vertrauen, und opponirte dermassen 
gegen meinen Plan, dass ich erklärte, die Vollmacht nicht annehmen 
zu können, wenn die Ausführung des Schamhorst'schen Plans Be« 
dingung sey. Da wurde der Freund (ich stand mit Scharnhorst 
in einem nahen Verhältnisse) bedenklich, und unsere Gonferenz hatte 
das Resultat, dass ich mit York, unbeschränkt das Nothwendige 
und Heilsame yerabreden möge. Nun kam es auf eine Zusammen- 
kunft zwischen York und mir an, die sehr trüben Wolken am po- 
litischen Horizont schienen sich zerstreuen zu wollen, und daher 
kamen wir erst nach einigen Wochen in Königsberg zusammen. 

York war schon in Königsberg, als ich da ankam, und er 
empfing mich, als ich in sein Zimmer trat, mit den Worten : Vor Allem, 
sollte unser Plan misslingen, so überleben wir dies beide nicht. Darauf 
antwortete ich ihm, indem wir uns die Hände reichten: Verstände dies 
sich nicht schon- von selbst, so würden Andere dafür sorgen. Nun theilte 
York mir seinen Kampfplan, wo er von der Weichsel bis zwischen 
den Seen bey Loetzen Position nehmen würde, und ich ihm meine 
Gedanken über Volksbewaffnung nach Art der später errichteten 
Landwehr, mit, und wir wurden Einig. York stellte zu unserer 
Correspondenz Militair-Ordonnanzen (es war uns untersagt, uns der 
Post zu bedienen) und nach der Allianz mit Frankreich schrieb mir 
York, dass er unsere Original -Vollmacht an den König zurück- 
geschickt habe. Doch! blieb der Geist dieser Vollmacht zwischen 
uns lebendig. 

ich vermuthe, dass dies Ew. Wohlgeboren genügen wird, und 

empfehle mich Ihnen angelegentlich. 

Schön. 

Durch diesen Brief wird Ew. Wohlgeboren mein unlängst 
gedrucktes Sendschreiben über die Entstehung der Landwehr^) 
noch klarer werden, ich sah darauf den Sturm von Seiten der 
höheren Militairs in Berlin kommen. Dieser ist auch, wie Sie aus 
der Staatszeitung werden ersehen haben, erfolgt. Darauf forderten 
mich 2 Literaten auf, dagegen zu schreiben, oder wenigstens Ma- 

1) S. oben S. 122. 



132 66. Schön 1848. 

terialien dazu zu geben. Darauf habe ich das geantwortet, was ich 
Ihnen Vertraulich nachstehend mittheile: 

Ungefähr ppp. 

Auf Ihren Wunsch kann ich^) nicht eingehen, 1) gegen einen 
Anonymus kämpfe ich nicht, und will auch nicht, dass einer meiner 
Freunde gegen ihn kämpfe. 2) Vorurtheile wegdemonstriren zu 
wollen, ist eine langwierige Arbeit. Diese müssen sich selbst ver- 
zehren. Ihr bestes Vertilgungs-Mittel ist, ihnen auch nicht einmal 
einen Schein von Aufmerksamkeit zu gönnen. 3) Die jetzige Schrey- 
berey in der Staatszeitung ist ein aufgewärmter Kohl, der von 
selbst in Fäulniss übergehen muss. Bald nach dem Tode des 
Minister Dohna schrieb der Professor Voigt dessen Lebensgeschichte 
und führte darin auf den Grund der ständischen Akten, der Ober- 
präsidial-Akten, der Dohna'schen Briefe und meiner Erfahrung aus, 
dass Dohna Stifter der Landwehr sey. Dies, dass nämlich ein 
Mann, der nicht Preussischer Militair sey Stifter der 
Landwehr seyn solle, regte die höhern Militairs in Berlin der- 
massen auf, dass Boyen in einer Zeitung dagegen schrieb,*) jal dass 
sogar Varnhagen veranlasst wurde, in der Berliner Zeitung den 
Minister Dohna für bornirt zu erklären.^) Voigt antwortete, dass 
Declamationen ihn nicht widerlegten und keine Gründe oder That- 
sachen gegen seine Behauptung aufgestellt wären. Nun ruhte die 
Sache, bis vor etwa einem Jahre, ohne die Quellen, welche Voigt 
gehabt hatte, zu benutzen, wie aus heiler Haut, in einem Aufsatze 
zum Militair- Wochenblatte, demonstrirt wurde, dass Schamhorst der 
Stifter der Landwehr seyn soll. Herr Gottschalk in Eylau liess 
sich dadurch imponiren, verfolgte diesen Parol-Befehl weiter, und 
schickte mir seinen Aufsatz. Da hielt ich mich zur Ehre der 
Wahrheit für verpflichtet, das abgedruckte Sendschreiben an ihn zu 
erlassen. Im vollen Bewusstseyn, dass von Berlin aus darauf ein 
Sturm gegen mich ausbrechen würde. Gleich darauf traten auch 

1) Von hier ab von fremder Hand. 

2) Vielmehr in einer eigenen Broschüre. Vgl. oben S. 70. 

3) Vamhagen's Anzeige von Voigt's Leben Dohna*s steht in den 
Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik 1833 Nr. 35 f, I S. 278 ff. Stäge- 
mann urtheilte ähnlich über die Persönlichkeit Alexander Dohna's; vgl. 
„Aus dem Nachlasse Varnhagen's von Ense. Briefe vonChamisso u. s. w.", 
herausgegeben von Ludmilla Assing (Leipzig 1867) 11 S. 203. Der Artikel 
Varnhagen's ist sehr lesenswerth, ebenso wie seine Beiträge zur Charakte- 

ristik Stein's bei Gelegenheit seiner Anzeige von Gagems Schrift: „Mein 
An t heil an der Politik^^ in demselben Bande dw 3a^iT\i^'ÖDÄx, 



67. Schön 1850. 133 

die Staatszeitung und das Militair- Wochenblatt gegen mich auf 
und der Redacteur der Provinzial-Blätter bekam den Auftrag, die 
Gegenschrift in das nächste Provinzialblatt aufzunehmen, wozu ich 
meine Zustimmung ohne Bedenken ertheilte. 4) Das, was die Gegen- 
schrift sagt ist von der Art, dass kein Mann von unbefangener 
Ansicht dadurch überzeugt werden kann, dass die Sache sich 
anders verhalte als sie von mir dargestellt ist. Daher bin ich der 
Meinung, dass Nichts gegen den Artikel qu. geschrieben werde. 
Dabey habe ich aber Nichts dawider, dass das Publicum in öffent- 
lichen Blättern mit der Bemerkung auf mein Sendschreiben auf- 
merksam gemacht werde, dass das, was Voigt in seinem Leben 
des Ministers Dohna aufstellte, hier von einem in der Sache selbst 
thätig gewesenen Manne, auf den Grund ständischer und öffentlicher 
Verhandlungen und Briefe und Erfahrungen bestätigt wird, und 
dass dies begründete Zeugniss der Welt das hohe Bild hinstelle, 
wie in einem Volke, in welchem die Ideen der Vaterlandsliebe, der 
Treue und der Tapferkeit leben, ohne alle Anregung irgend eines 
Mannes, der ausschliesslich zur Vertheidigung des Vaterlandes mit 
Waffengewalt berufen ist, also ohne alle Standesrichtung der Ge- 
danke und die That der Volks-Bewaffnung, entstanden und ins 

Leben gerufen sind. ppp. 

S.^) 

67. SchSn an Droysen. 

Pres. Aman bey Königsberg in Preussen, 

den 28. Februar 1860. 
Meine ergebenste Empfehlung vor Allem. 
Ew. Wohlgeboren kenne ich 

1. durch unseren Freund Moser, ^) 

2. als Schriftsteller: 

Sophokles,') 

Befreiungs-Kriege,*) 

Georg Forster,®) (dem ich beiläufig gesagt, in seinem 

1) pp. und Unterschrift eigenhändig. 

2) Siehe oben S. 66. 

3) Augenscheinlich eine Verwechselung mit Droysen*a Uebersetzung 
des Aeschylos. 

4) Vorlesungen über die Freiheitskriege. Von Joh. Gust. Droysen. 
2 Theile. Kiel 1846. 

5) Eine Verwechselung mit Gervinus, der Georg Forster's Sobriffcen 
herausgegeben und mit einer biographischen Einleitung versehen hat. VgL 
unten S. 141. 



134 67. Schön 1850. 

Geburtsorte Nassenhuben eine Gedenktafel habe 
setzen lassen) 

3. aus unserem Schriftwechsel über York, 

4. aus Gesprächen mit meinen Freunden, welche mit Ihnen in 
Frankfurt a. M.*) waren. 

Sie fragten bey Moser an: Ob es wahr sey, dass ich das 
Merkwürdige aus meinem Leben niederschriebe? 

Schlosser in Heidelberg liess mir den Wunsch äussern, dass 
ich ihm Notizen mittheilen möge.*) 

Luden') sprach über die Bearbeitung dessen, was ich aus 
meinem Leben niedergeschrieben hätte und niederschreiben würde. 

Varnhagen von Ense*) äusserte, dass Notizen aus meiner Zeit 
Werth haben würden. Dazu kam, dass meine nächsten Freunde 
forderten, ich möge Jemanden ernennen, dem nach meinem Tode 
meine Schriftstücke zur Bearbeitung zu übergeben wären. 

Darauf 

verlangte Luden alle Papiere und ich sagte sie ihm zu. 

Nun ist Luden todt und da soll ich, da ich 77 Jahre alt bin, 
bald bestimmen. Wer Luden's Stelle einnehmen soll. 



Bey dem, was ich niedergeschrieben habe, ist wesentlich vor- 
ausgesetzt: 

1. meine Persönlichkeit, von der in den Schriftstücken wenig 
die Bede ist. 

2. die spezifisch Preussische Zeit, in der ich lebte. 

Dem Historiker, dem beides nicht klar vorsteht, würde Man- 
ches dunkel bleiben, und dagegen bedarf wieder der Freund, und 
der, welcher die spezifisch Preussische Zeit erkennt, des Allgemei- 
nen Historikers. Hier muss also, meines Erachtens, eine Verbin- 
dung eintreten, wenn die aufzustellenden Bilder wahr und klar 
seyn sollen. 



1) Droysen war 1848 und 1849 Mitglied des Frankfurter Parlaments. 

2) Das geschah im Jahre 1845; vgl. „Zu Schutz und Trutz" S. 320. 

3) Heinrich Luden, geboren 1780 zu Loxstedt im Hannoverschen^ 
seit 1806 Professor der Geschichte in Jena, gestorben daselbst am 23. Mai 1847. 

4) Vgl. was aus dem Briefwechsel Varnhagen*s und Schönes „Aus den 
Papieren" I S. 219 ff. H S. 277 ff. und in der „Gegenwart" 1872, K 8. 68 ff. 
114 ff. gedruckt ist. Die beiden Männer hatten sich zuerst bei ihrem gemein- 
samen Freunde Stägemann kennen gelernt und verkehrten 1848 in Berlin 

viel mit einander. 



67. Schön 1850. 135 

Meine Persönlichkeit hat am vollständigsten und klarsten, der 
Baron von Eichendorff aufgefasst. Wir lebten Jahre lang mit ein- 
ander in nahen Verhältnissen. Er sitzt in der Götter urältestem 
Rathe, und kennt das spezifische Preussenthum wie in seiner Noth- 
wendigkeit, so auch in seiner Einseitigkeit. Aber ein Historiker 
im Gegensatz vom Notizenkrämer ist dem Freunde, dem Dichter, 
dem spezifischen Preussen nöthig, theils als Moderator und theils als 
Repräsentant der Welt-Ordnung zur angemessenen Basis des Bildes. 

Baron Eichendorflf (pensionirter Geheimer Rath in Berlin) ist 
bereit, in Absicht des in Rede stehenden Gegenstandes eine bio- 
graphische Ehe mit Ihnen einzugehen, so, dass nach meinem Tode 
Ihnen und ihm, auf den Grund eines Abkommens meine sämmt- 
lichen Papiere ausgeliefert werden könnten. 



Im Voraus muss ich einer möglichen Differenz erwähnen. Für 
mich ist Bundes-Staat Widerspruch in sich. Nordamerika ist ein 
staatliches Unding (In den Westlichen Staaten Faustrecht. Die 
Engländer plünderten mit einem Regimente Washington, weil die 
Oestlichen Staaten, der Ordre des Präsidenten entgegen, die be- 
waffnete Macht nicht einmal zusammen gezogen hatten. In Europa 
hätte der Staat nicht 6 Monate Existenz). Dies Unding nach 
Europa versetzt käme nicht zur Geburt. Die gesetzgebende Macht 
kann getheilt werden und deren Vertheilung ist bey einem ge- 
wissen Culturstande sogar nothwendig. Eine Theilung der aus- 
übenden Macht ist, meines Erachtens Widerspruch in sich. Staaten 
können Bündnisse schliessen, aber ein Bundes-Staat, als Idea 
superior, also mit Ausschluss der ausübenden Macht, oder auch nur 
eines Theils derselben, ist Contradictio in adjecto. Die deutschen 
Fürsten mögen an der Gesetzgebung Theil haben, wie ich heute 
daran Theil habe, dies Verhältniss kann aber nicht den Ausdruck: 
Bundesstaat, rechtfertigen. Im Begriff des Staats liegt, meines 
Erachtens nothwendig: Einheit der ausübenden Macht. Die Idee des 
Staates ist wie jede Idee, Lieblingskind der Gottheit und wenn z. B. 
der Staat Lichtenstein oder der Staat Homburg, zwischen sich und der 
Gottheit noch ein drittes, einen Bundesstaat annimmt, dann hebt 
er sich und seinen sogenannten Bundesstaat, als Staat auf, und 
dann sind 2 Wechselbälge fertig, welche beide schon todt geboren 
werden. 

Drey, meiner Meinung nach gehaltlose Redens-Arten haben 
in der neuesten Zeit viel Unglück übet DevsiXÄdciX.'MA ^^^'^^ö^ "^^sä. 



136 68. Droysen 1850. 

werden, wenn man nicht ablässt, den Menschen damit den Ver- 
stand zu betäuben, noch unberechenbares Unglück zur Folge haben« 

1. Bundes-Staat (Wort ohne Begriff). 

2. Nationalität, als wichtigste und alleinige Staats-Basis. 

So weit die deutsche Zunge reicht u. s. w. 
Siebenbürgen, Yg und wohl mehr von Nord-Amerika. 

Und dagegen: 
Litthauer und Cassuben und Wenden, und Polen, und Czechen, 
welche kein Wort deutsch verstehen, sollen singen: So weit die 
deutsche Zunge reicht u. s. w. 

Eine hochheilige Sache wird zur offenbaren Albernheit herab- 
gewürdigt. 

3. Rechtsboden. In Dingen, wo von Operationen der Ver- 
nunft, die Rede ist, will man den lieben Gott mit seiner Welt- 
Ordnung nach dem Königl. Preussischen Allgemeinen Landrecht 
beurtheilen. 

Ist die von mir nur als möglich gestellte Differenz da? 
Und ist sie da, würde sie die projectirte Ehe vor der Trauung 
aufheben? 

Jede Zeile, jal jedes Wort in diesem Briefe soll meine hohe 

Achtung gegen Ew. Wohlgeboren ausdrücken. 

ich bitte ergebenst um Antwort! 

Schön. 

68. Droysen an Schön. 

Hochgeehrter Herr Staatsminister I 

Ew. Excellenz beeile ich mich für Dero überaus gütiges 
Schreiben vom 28^*^ Februar er, meinen aufrichtigsten Dank zu 
sagen. 

Dass ich Ew. Excellenz Anerbieten als einen ehrenvollen Auf- 
trag ansehe und mit aller Freudigkeit nicht bloss des Forschers, 
dem sich eine neue und reiche Quelle erschliesst, sondern und mehr 
noch des Patrioten, der der zum Theil gern und geflissentlich ver- 
hüllten Vergangenheit längst sich zugewandt hat, als nützlich zur 
Lehre, zur Busse und Besserung — dass ich Dero Auftrag in diesem 
Sinn mit frohem Dank übernehme, will wenigstens ausgesprochen sein. 

Eben jetzt war ich wieder zu meinem alten York zurück- 
gekehrt und beschäftigt, die überreiche Correspondenz des furcht- 
baren Jabrea 1811 zu bearbeiten; — jenes Jahres, wo Schamhorst 



68. Droysen 1850. 137 

in DoUstädt wochenlang auf den Befehl nach Petersburg zu kommen 
wartete. Mehrere Andeutungen verwiesen mich auf Ew. Excellenz, 
und ich war im Begriff, Sie mit neuen Fragen zu belästigen, als 
mir Ihr Schreiben zukam. 

Ich werde in den Ostern nach Berlin müssen, um gewisse 
York'sche Papiere, die im Kj'iegs-Ministerium mir zugänglich sein 
werden, zu benutzen. Ich werde dann Gelegenheit haben, mit 
Eichendorff die Besprechungen zu halten, um die ich ihn gleich 
jetzt, in Folge Ihres Schreibens mich ihm präsentirend, brieflich 
bitten werde. 

Mit vollstem Recht fordern Ew. Excellenz, dass zur Lösung 
jener Aufgabe die Würdigung des „spezifischen Preussenthums" eine 
Vorbedingung sei. Vielleicht haftet mir aus der pommerschen 
Heimath her ein Theil davon an ; noch heut ist mir lebhaft in der 
Erinnerung, wie der alte Blücher, vor dem väterlichen Pfarrhause 
haltend, mich vor sich auf das Pferd hob, erinnerlich, wie er mit 
Eyssenhardt und Scharnhorst — ich meine im Sommer 1811 — in 
des Vaters Studierstube empfangen wurde.^) — Und noch heut be- 
kenne ich mich zu eben diesem Panier, vielleicht haben Sie es in 
den „Freiheitskriegen", die Sie anzuführen die Güte haben — denn 
der „Georg Forster" muss auf einer Verwechselung beruhen — 
wiedererkannt. Aber der Bundes-Staat? und bin ich in Frankfurt 
nicht von denen gewesen, die für ihn gestrebt? Ich erlaube mir in 
Antwort darauf zwei Schriftchen Ew. Excellenz mitzutheilen, in 
denen ich meine Anschauungen dargestellt habe.*) Mir ist die 
Aufgabe Frankfurts immer nur gewesen, für Preussen die einzig 
mögliche Basis der Legalität zu demjenigen zu gewinnen, 
was nach der staunenswürdigen Geschichte zweier Jahrhunderte die 

— mir so verzeihliche und nicht unsinnige — Beconstruction des 
Staates 1815 diesem Staate und diesem Fürstengeschlecht als histo- 
rischen Beruf völlig nahe gerückt hat. Und er war am 18. März 
1848 erfüllt und erfüllbar, wenn man an höchster Stelle am 19. 
mehr stolz als sentimental, mehr Soldat als Dilettant in der Po- 
pularität, mehr Preusse als Berliner war. Es hat also gehen müssen 

— die Aufgaben Preussens sind darum nicht andere geworden, und 



1) Droysen*s Vater war Feldprediger im Blüoher*sclien Corps gewesen, 
er ward dann Gamisonprediger in Treptow und 1812 Diaconus in Greiffen- 
hagen. 

2) Die eine dieser beiden Schriften sind Droysen's ,3eiträ^<^ «ras. 
neuesten deutschen Geschichte", BramiBckweig 1^^^. 



138 69. Schön 1850. 

Gott sei Dank, sie sind wieder und nur deutlicher denn je vor 
Aller Augen. Ich sehe in Erfurt^) nichts anderes als die energi 
sehe Erneuerung dessen, was der schroffe Pommer Hertzberg*) nannte 
Tancien Systeme vigoureux de la maison de Brandenbourg. 

So mein Standpunkt. So weit Ew. Excellenz politische Wirk- 
samkeit mir bisher ersichtlich geworden, besorge ich mit Nichten 
den ihr zu Grunde liegenden Gedanken so fern zu stehen, dass 
ihrer richtigen Auffassung dadurch Abbruch geschähe. Haben Ew. 
■ Excellenz mir das Vertrauen schenken wollen, dereinst an Dero 
biographischem Monument mitzuarbeiten — ich an meinem Theil 
bin, soweit meine sonstige Befähigung reicht, mit Freuden bereit. 

Nur eine Bemerkung wollen Ew. Excellenz mir noch ge- 
statten. Sie haben den Beginn der Arbeit an einen Zeitpunkt ge- 
knüpft, den die Vorsehung noch lange hinausschieben wolle. Ihre 
Vollendung gewiss wird Weile haben und haben müssen. Aber 
wieder und wieder, wie ich so mit meinem alten York verkehre, 
fühle ich Verlangen, ihn nach diesem und jenem fragen zu können, 
oft dem Wichtigsten. Aber ich bitte, diese Äusserungen nicht als 
Indiskretionen betrachten zu wollen, wie ich mich denn gern be- 
scheide, wenn ihnen keine weitere Berücksichtigung zu Theil wird. 

Indem ich hoffe, dass Ew. Excellenz Anlass nehmen werden 
mir zu schreiben, bin ich so dreist, im Interesse meines York zu 
fragen: ob Sie mit demselben, wie ich nach seinen Andeutungen 
glauben muss, den Plan des Volksaufgebots en masse, den er im 
Anfang Februar 1812 dem Könige vorlegte, bearbeitet haben und 
ob derselbe etwa schon mit Scharnhorst im Sommer 1811 besprochen 
worden ist. 

Mit aufrichtigster Verehrung Ew. Excellenz ganz ergebener 

Joh. Gust. Droysen. 
Kiel, d. 9. März 1850. 

69. Schön an Droysen. 

Prss. Ainau, den 16. März 50. 
Ew. Wohlgeboren gefälliges Schreiben vom 9. d. M. habe ich 
in diesen Tagen zu empfangen die Freude gehabt, ich danke ver- 
bindlichst für die gütige Aufnahme meines Vorschlages. Es ist mir 

1) Das Parlament der Union war damals in Erfurt zusammengetreten. 

2) Ewald Friedrich Graf von Hertzberg, geboren zu Lottin in Pom- 
mem 172b, Minister unter Friedrich 11. und Friedrich Wilhelm IL, ge- 
storben zu Berlin 1795. 



69. Schön 1850. 139 

sehr lieb, dass Sie bey Ihrer nächsten Anwesenheit in Berlin mit 
meinem Freunde Eichendorff darüber Rücksprache nehmen wollen. 

Was den weitern Inhalt Ihres gefälligen Schreibens betrifft, 
so bin ich auch der Meinung, dass die Welt-Ordnung keine Sprünge 
duldet, dabey werden Sie mir aber beistimmen, dass, wer deren 
Werk fördern will, sowohl in Beziehung auf Einsicht, als auf 
Willen von deren Normen nicht abweichen darf. Wer hiemach 
eine Staats-Constitution aufstellt, welche die, ihrem Wesen nach, 
nur in Einheit denkbare Staats-Gewalt zwischen einem Kaiser und 
einzelnen Fürsten in der Hoffnung theilt, dass der Erste durch 
physische Gewalt den Letzten bald ihren Antheil entziehen wird, 
und so aus einem constitutionellen politischen Wechselbalge die Idee 
des Staats sich entwickeln soll, der verletzt jene Normen, und nimmt 
an, dass Widerspruch in sich, und Täuschung Basis der Volks-Ent- 
wickelung seyn können, ich weiss zwar, dass im Grossen Gange 
der Zeit die Hölle zuweilen Material und Geräthe liefern muss, 
um, wie in der Sage vom Schmidt von Apolda, den Schlüssel zur 
Himmels -Thüre zu hämmern. Aber dies sind Reservat-Rechte des 
Himmels. Der Mensch soll und darf nur Werkzeug der Idee seyn, 
und der Staats-Kanzler Hardenberg^) hatte Recht, wenn er jeden 
Politiker, der auf Inkonsequenz und Täuschung baut, verdammte. 

Hätte mein König, als ihm die deutsche Krone, gestützt auf 
die Frankfurter Constitution angeboten wurde, über deren Annahme 
meinen Rath gefordert, dann würde ich ihn gewarnt haben, eine 
Krone anzunehmen, deren Basis Widerspruch in sich und Täuschung 
ist, ich würde ihm gerathen haben zu erklären: Er sey bereit, den 
Standpunkt eines deutschen Kaysers einzunehmen, wenn die der 
Kayser-Krone als Basis dienende Constitution einen Staat consti- 
tuire, hiernach die deutschen Fürsten zu ihrem richtigen Stand- 
punkte als Parlaments-Mitglieder zurückführe und die ausübende 
Macht, wie deren Wesen es unbedingt fordert, allein und ausschliess- 
lich in des Kaysers Hand sey. Die Frankfurter Versammlung möge 
dies beschliessen, und wenn durch diesen Beschluss die Kayser-Krone 
von Inconsequenz und Täuschung gesäubert sey, dann sey er bereit, 
sie anzunehmen, und deren Macht und Herrlichkeit vor aller Welt 
und gegen alle Welt geltend zu machen. 

In Frankfurt hätten zwar die Männer des verkrüppelten 



1) Im Concept heisst es: „ich stimme hierin dem grössten Politiker 
unserer Zeit, dem Staats-Kanzler Hardenberg, bei^ u. s. w. 



140 6^. Schön 1850. 

deutschen Zustandes vor dem Rheinbünde, die Ritter der alten Zeit, 
welche über Pütters deutsches Staatsrecht nicht hinaus sehen und mit 
der jetzigen Zeit durch Provozirung kühner Griflfe sich versöhnen 
wollen, und ebenso die Männer des Rechtsbodens, und die wüsten 
Tober und Schwätzer dazu den Kopf geschüttelt. Aber vor der 
Idee des Staats hätten sie ihre Knie beugen müssen. Und wären 
1 bis 2 bis S deutsche Fürsten, weil sie ihre Aufgabe als Fürsten 
wenn auch nur So So glauben erfüllen zu können, z. B. Bayern pp. 
zurückgetreten und hätten auf Selbstständigkeit Anspruch gemacht, 
so würde dies kein Unglück, sondern ein Fortschritt zur höheren 
Kultur Deutschlands gewesen seyn. Einheit Deutschlands ist kein 
BegriflF, der eine Nothwendigkeit in sich trägt. Deutschland würde 
sich zu 2 — 4 deutschen Staaten gebildet haben, von welchen Jeder 
seine Aufgabe lösen konnte. So war die Entwickelung Deutsch- 
lands möglich, ohne dass man, wie jetzt bey der Frankfurter Con- 
stitution, der Intelligenz Hohn sprach und durch Täuschung die 
deutschen Herzen verpestete. 



Alle Nachrichten, welche ich zu York's Leben geben kann, 
bin ich zu geben bereit. 

Von dem Volksbewaffnungs-Plan, welchen York im Februar 
1812 dem Könige eingereicht hat, weiss ich Nichts. MeinVerhält- 
niss mit York war auch nicht von der Art, dass er mir hätte 
zumuthen können, für ihn Etwas auszuarbeiten, indem York wusste, 
dass ich, um Etwas an den König zu bringen, seiner Firma nicht 
bedurfte. Nur 2 Mal habe ich mit York über Volks-Bewaffnung 
verhandelt. Das erste Mal, nachdem wir beide im Jahre 1811 
zur Statthalterschaft in Preussen die Vollmacht erhalten hatten, 
da protestirte ich gegen den Schamhorstschen Plan, das Volk in 
das Linien-Militair einzureihen, und bestand auf Volks-Bataillone nach 
Art der späteren Landwehr,^) Das 2** Mal, einige Tage vor dem 
Grossen Landtage 1813, in welchem wir Landwehr stifteten und den 
Landsturm bildeten, wo ich das, was auf dem I^andtage beschlossen 
wurde, York im Voraus entwickelte. Bey beiden Gelegenheiten 
schien mir York nicht klar in dem, was zu thun sey. 

Spricht der York'sche Plan vom Februar 12 von wirklicher 
Volks-Bewaffnung, dann hat Schamhorst daran keinen TheiL Ab- 
gerechnet, dass das Verhältniss zwischen Schanihorst und York immer 



1) Vgl oben S. 130 f. 



70. Schön 1850. 141 

sehr kalt und entfernt war, protestirte Scharnhorst, wie gegen 
unsere Landwehr im März 1813 in Breslau, so gegen jede bewaffnete 
Macht, welche nicht Form der Linie hatte. Das Nähere darüber 
sagt Voigt's Lebensbeschreibung des Minister Dohna und ein Auf- 
satz von mir in den neuen Preussischen Provinzial-Blättern von 
A. Hagen 1847 oder 1848.^) Wenn Sie nach Berlin kommen, 
rathe ich, Beides auf der Eönigl. Bibliothek anzusehen, 
ich bitte um Ihr ferneres, freundliches Andenken. 

Schön. 

70. Schön an Droysen. 

Prss. Aman, den 22. März 50. 

Einige Tage nach dem Abgange meines Schreibens erhielt 
ich die beiden Schriften, welche Bw. Wohlgeboren bey mir ange- 
meldet hatten, und ich ermangele nicht, für deren gefällige Mitthei- 
lung meinen ergebensten Dank abzustatten. 

Beide Schriften habe ich mit Interesse gelesen. Besonders 
war mir in den Beiträgen, das Ende Pagina 49 u. Pagina 50 
wichtig, wenn ich in der ersten Stelle statt: gelang es pp. setzte: 
verirrte sich dies Streben dahin pp. 

In der Aufgabe Preussens stimme ich bey, nur unsere Wege, 
diese Aufgabe zu lösen, sind verschieden. 

Mein Aufsatz über Landwehr pp. steht in den in Königsberg 
herauskommenden Neuen Preussischen Provinzial-Blättern von August 
Hagen, Jahrgang 1848, Heft 1. 

In Absicht der George Porster'schen Lebensbeschreibung habe 
ich Ew. Wohlgeboren mit Gervinus verwechselt. 

Möge ich bey Ihnen in gutem Andenken bleiben I 

Schön. 

Die Haupt-Klippe bey York's Leben, wird immer die Capitu- 
lation mit den Bussen seyn. Sein ostensibler Bericht darüber an 
den König, welchen er Jedem vorlas, und in welchem er vom Sand- 
hügel spricht, ist ein Meisterstück theatralischer Kunst. Was das 
Kriegs-Ministerium darüber weiss, ist von wenig Werth. Dagegen 
ist dabey das wichtig, was das Kriegs-Ministerium nicht weiss. 
Es ist noch zu früh, um über diese Klippe fortzukommen, ich 
rathe diesen Punkt sehr neutral dahin gestellt seyn zu lassen. 
Militärisch ist York nicht zu rechtfertigen und wenn man diesen 
Schritt politisch betrachtet, dann ist er ohne Rückhalt, ToU- 

1) S. oben S. 122. 131. 



142 71. Droysen 1850. 

manns Werk, welches nur dadurch Grosse That werden konnte, 
dass Er, statt zu capitulieren und seine Corps dabey unthätig zu 
machen, mit den Russen gemeinschaftlich Tilsit umstellte und Mac- 
donald mit seinen Truppen, wie er unbedenklich konnte, gefangen 
nahm. In Tilsit selbst standen 2 Preussische Cavallerie-Regimenter. 
Dann überschrie die Grösse der That die militairische Sünde, dann 
war das Signal Grossartig in sich, dann fiel Danzig bald, und dann 
hatten wir 30 m. Mann mehr zur Disposition. Vielleicht hätte 
Wallenstein so gehandelt I Von einem Preussischen General war 
dies nicht zu verlangen. Was York statt zu capituliren hätte thun 
können, das musste der Eönigsberger Landtag Februar 1818 ersetzen. 
Durch diesen Landtag bekam das, was York gethan hatte, erst 
eine Basis I Hier hatte York den Grössten und zugleich schönsten 
Moment seinös Lebens. Mein gedruckter Brief an Arndt*) enthält 
darüber das Nähere. Vielleicht schicke ich Ihnen noch nach Berlin 

dazu Notizen. 

S. 

71. Droysen an SchSn. 

BerHn, d. 14. Juni 1850. 
Hochzuverehrender Herr Staatsminister I 

Ew. Excellenz wollen mich entschuldigen, dass ich erst heut 
meinen Dank für Dero letztes Schreiben und die treflflichen Mit- 
theilungen über 1812, die Sie mir durch Herrn von Eichendorff zu- 
kommen zu lassen die Güte hatten, ausspreche. Die verworrenen 
Verhältnisse der Herzogthümer haben auch meine Thätigkeit so 
mannigfach in Anspruch genommen, dass ich von Neuem hierher 
zu reisen genöthigt war. Ich werde die etwa 10 Tage meines 
Aufenthaltes hier benutzen, um die bereits im Mai angeknüpften 
Besprechungen mit Herrn von Eichendorff fortzusetzen; sowie ich 
die letzten mir noch erreichbaren Materialien in Betreff York's zu 
benutzen Gelegenheit nehmen werde. 

Erlauben Ew. Excellenz mir, dass ich in Betreff dieser meine 
Fragen an Sie fortsetze. Um 1820 hatten Sie über die preussischen 
Lieferungen von 1812/13 ein Memoir für York ausarbeiten lassen, 
das Sie mit einem erläuternden Schreiben begleiteten. Leider 
findet sich nur das Letztere unter Yorks Papieren; sollte sich 
vielleicht in den Ihrigen noch eine Abschrift des Memoirs befinden? 
Sodann erwähnen Ew. Excellenz in Ihrem Schreiben vom 16. März er. 



1) Siehe oben S. 115. 



71. Droysen 1850. 143 

einer Besprechung mit York über Volksbewaffnung im Jahre 1811. 
Ihre damalige amtliche Stellung muss Sie in alle jene peinliche 
Alternativen eines plötzlichen Losbrechens gegen Frankreich, eines 
Heranziehens der Russen u. s. w. hineingezogen haben, welche erst 
mit der Rückkehr Knesebeck's aus Petersburg im März 1812 ein 
Ende nahmen. Ich habe diesen Schwankungen besondere Aufmerk- 
samkeit zuzuwenden und die fast ununterbrochene Correspondenz 
York's mit Scharnhorst, Boyen und Haake^) vom Mai 1811 bis 
März 1812, die mir vorliegt, lässt mich tief in den Zusammenhang 
dieser Dinge sehen. Bis zu welchem Grade war die oberste Civil- 
Behörde der Provinz von der beabsichtigten „spanischen Insurrek- 
tion" unterrichtet? was brachte Schamhorst im Oktober 1811 aus 
Petersburg mit zurück? Erinnern Ew. Excellenz sich der An- 
wesenheit des russischen Capitain von Kotzebue in Königsberg am 
Ende Februar 1812? — Besonders peinlich scheint im April 1812 
der Umstand empfunden worden zu sein, dass für das Verpflegungs- 
wesen aus Berlin der Regierungsrath Minuth gesandt wurde. „Ich 
kann, schreibt York, dem L. H. M. von Auerswald*) und dem 
G. St. R. V. Schön das Zeugniss geben, dass sie als wahrhaft 
patriotische Männer jede kleinliche Nebenrücksicht vergessen, u. s. w. 
aber" — und so schlägt er vor, den Minister v. Schrötter an die 
Spitze dieses grossen Geschäftes zu stellen, „namentlich seines höheren 
Ranges wegen." Ist. auf diesen Vorschlag eingegangen worden? 
Ew. Excellenz müssen schon die Zudringlichkeit meiner Fragen 
entschuldigen. Aber ich habe noch eine auf dem Herzen, die 
freilich bedenklicher zu beantworten ist: Die Allianz von 1812 
muss einen furchtbaren Eindruck, namentlich auf die Armee, ge- 
macht haben. Dieser muss durch die ungefähr 300 Officiers- Ab- 
schiede in Folge des Tractats auf die peinlichste Weise anschaulich 
geworden sein; ja ich finde ausdrücklich Klagen der nach Gurland 
commandirten Officiere, dass das Corps nicht gleich andern Con- 
tingenten aufgelöst und unter die Armee-Corps der grossen Armee 



1) Der General Karl Georg Ernst von Hake, geboren 1768 zu Flatow 
in Osthavelland, gestorben 1835 zu Castellamare, war seit 1810 Chef des 
allgemeinen Kriegsdepartements, 1813 preussischer Bevollmächtigter im 
Hauptquartier Schwarzenbergs, 1819 bis 1883 Kriegsminister. 

2) Hans Jakob von Auerswald, geboren 25. Juli 1757, gestorben 
3. April 1833, Schön's Schwiegervater, war 1808 — 1810 Oberpräsident von 
Ostpreussen, Westpreussen und Litthauen, 1811—1814 IjaxiäXi^teÄ^&^^^ ^^"s» 
Königreichs Preusseiij dann bis 1824 OberpTd.a\ÖL^iLt notl 0«X.'^x«v\aÄ'K^' 



144 71. Droysen 1850. 

vertheilt worden. Ist Ew. Excellenz etwas in dieser Richtung Be- 
stätigendes erinnerlich; oder erachten Sie die ganze Beobachtung 
für irrig? Namentlich Mittheilungen über die letzte Frage würden 
mich sehr belehren. Unzweifelhaft sehen Ew. Excellenz den Ge- 
neral Below;^) ich meine, dass u, a. er davon gewisse Erinnerungen 
haben könnte. 

Ew. Excellenz werden die Stein'sche Biographie, so weit sie 
erschienen ist, kennen. Wie ich höre, ist u. a. die Beyme'sche 
Familie äusserst beleidigt über die Art, wie der Kanzler*) behandelt 
ist und es wird Baron Vincke-Olbendorf*) aus den Papieren des 
Kanzlers eine geharnischte Rechtfertigung schreiben. Es wäre 
wohl gar manches, was man in dieser Biographie anders wünschen 
könnte; wenigstens ich vermisse schmerzlich den altpreussischen 
Hauch, der selbst in den bösesten Tagen nicht erstorben war, ja 
da in doppelter Energie erwachte; freilich ein Inponderabile, das 
sich am wenigsten in Stadt Hannover erlernt.*) 

Ich meine damit am wenigsten den märkischen Localpatrio- 
tismus, der zur Zeit wieder eine so bedeutende Rolle spielt. Es 
ist mir in schmerzlicher Weise interessant, dies hier an Ort und 
Stelle zu beobachten. Ich würde gegen jegUche energische und 
Macht schaffende Handhabung der inneren und äusseren Verhältnisse 
widerspruchslos sein; aber man verfährt, wie mir scheint, ohne 
System und Plan; man trifft Massregeln ad vocem und hat vor 
Allem den Stolz der Macht, deren man wirklich Herr ist, verlernt. 
Gebe Gott, dass Preussen diese Zeit der Prüfung besteht und nicht 
an der Pusillanimität derer zu Grunde geht, welche jetzt klar, fest 
und kühn sein sollten. 

Der ich in aller Ergebenheit verharre 

Ew. Excellenz ganz gehorsamer 

Joh. Gust. Droysen. 

1) GeneraUieutenant Gustav v. Below, früher Adjutant Friedrichs 
Wilhelms IV., damals Divisionscommandeur zu Königsberg, gestorben da- 
selbst am 30. November 1852. 

2) Karl Friedrich Beyme, geboren 1765 zu Königsberg i. N., .gestorben 
1838, war seit 1798 Cabinetsrath und als solcher von Stein befehdet. Er 
wurde im November 1808 Staatsminister und Grosskanzler; 1810 entlassen, 
war er nachher 1816 bis 1819 wieder Staatsminister. 

3) Karl Freiherr von Vincke, Gutsbesitzer auf Olbendorff in Schlesien, 
ein Sohn des Oberpräsidenten, früher Ofücier, war einer der hervorragendsten 
Führer der sog. altliberalen Partei. 

4) Pertz war 1795 in Hannover geboren und dort ven 1817 bis zu 
seiner Berufung nach Berlin als ObeTbiblioÜieVÄT \Ä^^ ^'m. kiODi-q «xi^j^^tAUt» 



72. Schön 1850. 145 

72. Schön an Droysen. 

Frenss. Aman den 7. July 1850. 

Ew. Wohlgeboren gefällige Zuschrift vom 14. v. M. habe ich 
zwar an geweihter Stätte — in Marienburg — aber erst am 3. d. M. 
zu erhalten die Ehre gehabt, und damit werden Sie es entschuldigen, 
wenn ich heute erst antworte, ich richte diesen Brief nach Kiel, 
da Sie nur 10 Tage in Berlin bleiben wollten. 

York betreffend theile ich, auf Ihre Anfragen bereitwillig 
Folgendes mit: 

1. Von dem Memoir, welches ich über die Preussischen Lie- 
ferungen von 1814 hätte ausarbeiten lassen, und im Jahre 1820 
an York geschickt haben soll, weiss ich Nichts mehr, ich muss 
auch ein Missverständniss dabey vermuthen, denn ich kann nicht 
absehen, wie im Jahre 1820 von diesen Lieferungen noch die 
Rede seyn konnte. Sey es aber, wie es sey, so rathe ich, in York's 
Leben nicht in den Fehler von Pertz zu verfallen, der ähnliche 
Ausarbeitungen, welche Stein sich von irgend einem Calculator 
hatte machen lassen, und welche sich nicht allein durch Nichts 
auszeichnen, sondern alltägliche Subalternbeamten- Werke sind, als 
wichtige Gegenstände in sein Buch aufgenommen hat. Oder sollte 
die Schrift, welche der Professor Voigt über das, was Preussen 
von 1806 bis 1814 geleistet hat, hat drucken lassen, damit ge- 
meint seyn? 

2. meine Besprechung mit York über Volks-Bewafihung be- 
treffend, aus meinem Schreiben vom 16. März c. an Ew. Wohlge- 
boren. 

Im^) Spätsommer 1811 hatte man in Berlin die Nachricht, dass 
Napoleon unseren König vom Throne stossen wolle, und dass drei 
Generale von ihm schon den Auftrag hätten, die Preussischen Staaten 
zu besetzen. Der General Grandjean sollte von Danzig aus Preussen 
besetzen, da kam Scharnhorst zuerst zu York nach Marienwerder 
und übergab ihm die bewaffnete Macht. Mit mir hatte er darauf 
in Wehlau eine geheime Zusammenkunft und übergab mir die Re- 
gierung des Landes. Schamhorst verlangte eine Landes-Bewaff- 
nung, der Grosse Linien-Soldat, der noch dazu als Ausländer zu 
unserem Volke kein Vertrauen hatte, verstand aber darunter nur, 



1) Biese Mittheilung hatte Schön schon am 22. März 1848 an Droysen 
gelangen lassen (s. oben Brief 66 S. 130 f.). Es muaa ümoi ^jöä «c^l^bSivKö. ^g^ 
wesen sein. 



146 72. Schön 1850. 

dass ich die York'schen Linien-Compagnien auf 200 — 300 Mann 
bringen sollte, und dass das übrige Volk, dann als Jan-Hagel ge- 
gen den Feind Unfug treibe. Gegen diesen Plan erklärte ich mich 
unbedingt. Die allgemeine Wehr-Pflicht war damals noch nicht 
ausgesprochen, es galt noch die alte Canton-Einrichtung mit ihren 
Ausnahmen, der König hatte das von Scharnhorst und von mir 
anno 1809 aufgestellte Conscriptions-Gesetz^) nicht genehmigt, das 
alte Junkerthum war dagegen aufgetreten u. s. w. ich verlangte 
Volks-Bataillone mit gewählten Offizieren. Scharnhorst opponirte 
heftig und erst nach einigen Stunden, als ich erklärte, dass, 
wenn die Volksbewaffnung nach Scharnhorst's Plan gemacht werden 
solle, ich die Statthalterschaft von Preussen, nicht annehme, gab 
mein edler Freund nach, und überliess mir das Weitere mit York 
abzumachen. Da kam ich mit York in Königsberg zusammen und 
York trat mir bey. 

3. Zwischen Gumbinnen, wo ich damals Präsident war und 
Marienwerder, wo York war, waren Militair-Ordonnanzen gestellt, 
durch welche unsere Mittheilungen stattfanden. Dabey war ich 
mit dem Staats-Kanzler in einem Schrift-Wechsel. 

Die Allianz mit Frankreich im Jahre 1812. hob Alles dies 
auf und York schickte unsere Vollmacht zurück. 

4. Von der im Jahre 1811. beabsichtigten Bewaffnung war 
ausser York und ich, in Preussen Niemand unterrichtet. Nicht 
der Post durfte ich meine Briefe in dieser Sache anvertrauen. 

5. Scharnhorst brachte aus Petersburg, so viel ich weiss, nur 
zurück, dass Russland uns nicht retten könne, aber bey der Ersten 
Gelegenheit uns Beistand leisten wolle. Es kämen deshalb 2 Di- 
visionen Russen an die Grenze zu York's Disposition. Dies sind 
die beiden Divisionen, welche der Stein des Anstosses für Napoleon 
waren. 

6. Von Capitän Kotzebue im April 1812. weiss ich Nichts. 

7. Minuth kam der Verpflegung der Franzosen wegen. Anno 
1812. nach Preussen. Sein Erscheinen machte einen üblen Ein- 
druck, weil man annahm, dass Minuth sehr für die Franzosen ge- 
stimmt sey. Bald bemerkte man aber, dass Minuth geschickt sey, 
um mit den einzelnen Französischen Machthabern in einzelnen 
Fällen sich abzufinden, welches Geschäfte man weder dem Land- 
hofraeister v. Auerswald noch mir zumuthen konnte. York's Brief 



1) Vgl „Aus den Papieren'* IV S. !)?>^ i. 



72. Schön 1850. 147 

gegen Minuth ist wohl im Ersten Eyfer geschrieben, der Minister 
Schroetter war dazu ganz ungeeignet. 

8. Die Allianz mit Prankreich 1812. machte allerdings einen trau- 
rigen Eindruck im Lande, der Officier-Stand stand aber, da die mili- 
tairischen Anordnungen von Memel und Königsberg, noch nicht in 
den Köpfen des Volkes lebten, und auch nur nothwondige Polgen der 
damaligen grossen Staats-Einrichtungen waren, und da die allge- 
meine Wehrpflicht fehlte, damals noch so entfernt vom Volke, dass 
das Abgehen einiger Offiziere keinen besonderen Einfluss auf das 
Staatsleben im Volke hatte. Die Armee hatte vor 1806 zu lange 
das Volk tyrannisirt, 

Herr Pertz hat mir beide Bände seines Buches, betitelt: 
Das Leben Stein's geschickt. Das Buch liest sich leicht fort, 
aber eine Biographie Stein's ist es nicht. Es ist eine Eloge, wie 
sie in der Pariser Akademie als Leichen-Rede, für verstorbene 
Mitglieder gehalten wurden. Man findet darin nicht allein Alles, 
was Stein gethan hat, sondern auch Vieles, was er nicht gethan 
hat, er aber doch ' gethan haben soll. Alles in majorem Stein's 
gloriam. Als Herr Pertz mich um Nachrichten über Stein bat, 
warnte ich ihn, keinen Panegyrikus zu schreiben. Stein würde sich 
sonst im Grabe umdrehen. Stein sey trotz aller Mängel, ein Grosser 
Mann.^) Das Buch geht aber gerade vom Gegentheil aus, und 
Herr Pertz hat es vermieden, weitere Nachrichten von mir einzu- 
ziehn. Im Gegentheil sind ein Paar Hiebe, gegen philosophische 
und wissenschaftliche staatliche Bildung, wovon in Stein keine Spur 
war, gegen mich angebracht. Wenn ich Lust behalte, werde ich 
vielleicht im nächsten Winter (in summer in the fields, in winter 
in the study) einen Commentar zu dem Buche schreiben. Der An- 
griff auf Beyme forderte, dass der Verfasser des Buches dabei 
sagte, dass Stein Beyme's Empfänglichkeit für Ideen, und seine 
Kunst anerkannte, und ihn zum Justiz-Minister vorschlug. 



Pur Ew. Wohlgeboren neueste Schrift über Schleswig-Holstein*) 
welche ich richtig erhalten habe, danke ich verbindlichst, ich habe 
sie mit Interesse gelesen, und bey dem Standpunkte, von dem sie 



1) S. namentlich Nr. 14 dieser Sammlung. 

2) Die Herzogthümer Schleswig-Holstein und das Königreich Däne- 
mark. Aktenmässige Geschichte der dänischen Politik seit dem Jahre 1806. 
Hamburg 1850. Die Verfasser, Joh. Gust. Droysen und K. Samwer, haben 
sich bloss unter der Vorrede genannt. 



148 73. Schön 1850. 

ausgeht, ist sie vorzüglich. Aber, da nach dem Bilde, welches ich 
von Ihnen habe, Sie auch Bemerkungen erlauben, so erlaube ich 
mir die Frage: Ob im grossen Gange der Völker wohl privat- 
rechtliche Vorschriften, welche ein Privat -Verhältniss voraussetzen, 
da wohl im Völker-Leben Anwendung finden können, wo die Basis 
im Völker- Verhältnisse, Widerspruch in sich ist? Ist Dänemark im 
grossen Gulturgange, als Staat, noth wendig, dann muss es eine 
Basis als Staat haben, und die Inseln allein geben keinen Staat. 
Fichte^) trank gerne Ehein-Wein, und erklärte deshalb scherzweise, 
dass wenn der Bhein-Wein zu Entwickelung des Preussischen Staates 
nöthig sey, Preussen (nach seinem, dem Fichte'schen Handels-Staate) 
die Rhein- Wein-Berge erobern müsse. Von der anderen Seite ist 
Holstein als Staat an sich, ein Widerspruch in sich. Kommt nun 
noch das deutsche Verhältniss, als vollendete Missgeburt dazu, 
dann ist es wohl nothwendig, dass dieser politischen Missgestalt 
ein finde gemacht werde. Der Fehler in dieser Sache scheint mir 
darin zu liegen, dass man mit Täuschungen und Winkelzügen gegen 
die kleinen deutschen Fürstenthümer vorgeht, statt von der Idee 
des Staates auszugehen, welche als Conditio sine qua non, Selbst- 
ständigkeit und Möglichkeit der vollständigen fintwickelung des 
Volkes verlangt, also nicht Bundes-Staat (lederner Schleif-Stein) 
oder Lichtensteiner, oder Homburger oder Beuss-Schleitz-Loben- 
steiner Souverainetät zulässt, welche in der ausübenden Macht un- 
bedingte fiinheit fordert, und in der gesetzgebenden nur Theilnahme, 
aber nicht Sonderung zulässt. Wenn Holstein und Schleswig nicht 
Dänemark verschlang, dann musste dies über kurz oder lang immer, 
in entgegengesetzter Art eintreten. 

Betrachten Ew. Wohlgeboren diese Äusserung als ein Zeichen 
meiner Achtung gegen Sie. Sie soll diese ausdrücken. 

Gott erhalte Ew. Wohlgeboren wohll 

Schön. 

73. Schiin an Droysen. 

Preuss. Amau, den 19. Dezbr. 1850. 
Ew. Wohlgeboren wollen im nächsten Frühjahre zu uns nach 
Preussen kommen, sagt mir, mein Schwiegersohn Bardeleben, ^) mit 

1) Der Philosoph Johann Gottlieb Fichte, geboren zu Jßammenaa 
in der Lausitz 1762, gestorben zu Berlin 1814, war ein Jugendfreund Schöns. 
Vgl. „Aus den Papieren" I S. 9 ff. und Anlagen S. 7 ff. sowie „Zur Knaben- 
und Jünglingszeit Th. v. Schönes" (Berlin 1896) S. 101 ff. 

2) Der Landrath Curt v. Bardeleben, geboTen cm 24. April 1796, ge- 
storben am 13. Februar 1854, war in exateT "EAie m\\. ^ydät '^Q^äö^x \^5i^ 



73. Schön 1850. 149 

vieler Freude. Ich theile diese Freude, und der Zweck dieses 
Briefes ist, diese Ihre Absicht zu einem unabänderlichen und uner- 
schütterlichen Beschluss zu erheben. 

Um York's Leben schreiben zu können, dazu gehört, dass man 
den Ort seiner tiefsten Erniedrigung (Braunsberg) und den Ort seiner 
grössten Erhöhung (Königsberger Landschafts-Haus) selbst sehe, 
und die schriftlichen Verhandlungen wegen Errrichtung der Land- 
wehr, so weit York daran Theil genommen hat, an Ort und Stelle 
lese. Und das ist noch nicht das wichtigste Argument I Entscheiden- 
der sind noch: Marienburg ist eine grosse Tragödie in architekto- 
nischer Form. Für den Historiker ist es eine geweihte Stätte, 
und für Jeden, der den Himmel offen sehen will, ein Wallfahrt- 
Ort. Ferner : In Königsberg lebte Kant. In Wehlau und in Oliva 
wurde das Fundament der Grösse des Preussischen Staats gelegt! 
In Preussen wurden Kopernik, Simon Dach, Kant, Herder, Hamann, 
Hippel, Beichard p. p. geboren, u. s. w. u. s. w. 
Beise-Plan. 

Der Eisenbahn wegen, ist Stettin als Abfahrts-Ort, und 
Marienburg als Ort der Ankunft anzunehmen. Zwischen Stettin 
und Marienburg kann der Weg entweder durch Pommern, längs 
der Seeküste über Danzig, oder über Woldenberg, Jastrow, 
Conitz, durch Westpreussen genommen werden, ich rathe, sicher, 
den Weg über Danzig und den Bückweg über Conitz zu wählen. 

In längstens 36 Stunden ist der Weg von Stettin nach Danzig, 
und der von Danzig nach Marienburg in 5 Stunden gemacht. 

Abfahrt von Stettin um 12 Uhr Mittags, Eisenbahn bis Star- 
gard, von da Schnell-Post bis Danzig. Ankunft in Danzig Abends 
8—10—12 Uhr! 

Ein Tag Aufenthalt in Danzig. Herr Professor Schulz, Direktor 
der Danziger Kunst-Schule und Herr Professor Hirsch, mit den Merk- 
würdigkeiten der Stadt genau bekannt, werden die Führer seyn. 

Am folgenden Tage früh. Abfahrt von Danzig nach Marien- 
burg mit Herrn Professor Schulz. In Marienburg, begrüsse ich 
Sie, und bemächtige mich Ihrer dermassen, dass Sie mit mir in 
meinem Wagen, von Marienburg durch Braunsberg und Königsberg 



Oberpräsidenten von Auerswald, seit 1839 mit Schönes zweiter Tochter 
Lydia (geboren zu Gambinnen am 27. Dezember 1872, gestorben zu Königs- 
berg am 22. März 1861) vermählt. Er war 1840 Mitglied des Huldigungs- 
landtages von Preussen, 1848 der Frankfurter und der Berliner NatioxiAX.- 
Versammlung. 



150 73. SciLÖn 3850. 

nach Arnau fahren. Aman wird Ihr Haupt-Quartier, von wo aus 
Sie die Zunftgenossen in Königsberg besuchen und überhaupt 
Königsberg durchforschen. Unser gemeinschaftlicher Freund Moser 
stellt sich wohl bald in Arnau ein, und mein Schwiegersohn Barde- 
leben wird dann da auch nicht fehlen. In Arnau geht Jeder von 
uns seinen Weg, und wir nehmen nur die Momente wahr, wo, um 
mit Luther zu reden, die Geister auf einander platzen. 

Was die Zeit der Reise betrifft, so werden Sie verlangen, 
dass die Reise in der akademischen Oster-Perien-Zeit gemacht werde. 
Zwischen dem 6*«° und 10*®° April muss ich in Marienburg seyn. Wenn 
Ew. Wohlgeboren nun am 4*®° April Ihre Vorlesungen schliessen, 
und an eben dem Tage noch von Kiel abreisen, dann können Sie 
spätestens den 7*®° gegen Mittag in Stettin und den 8^° spät Abends 
in Danzig seyn. Den 8*®° bleiben Sie in Danzig, und den 9*®° V. M. 
begrüsse ich Sie in Marienburg. Dieser Tages-Plan würde mir am 
meisten zusagen. Sollten aber die dortigen Ferien sich leichter 
nach Ostern ausdehnen, als vor Ostern anticipiren lassen, dann 
würde ich suchen, mich auch so einzurichten, dass, statt April, 
immer May angenommen werde. 

Summa Summarum: Sie kommen zu meiner Freude, und ich 
empfange Sie an geweihter Stätte in Marienburg. 



Bis zum Monat April ist zwar noch lange, und für einen Mann 
meines Alters sehr lange hin, und bey dem schnellen Lauf des jetzi- 
gen öffentlichen Lebens kann noch mancher Stein in den Weg von 
Kiel nach Arnau rollen. Aber, Was man wünscht, will man gesi- 
chert haben, und Nichts bey dessen Sicherung versäumen. 



Wenn die Verhältnisse eines Landes so verschoben und ver- 
schroben sind, wie dies bey Schleswig-Holstein jetzt der Fall ist, 
dann ist es unmöglich mit Berücksichtigung dieser Verhältnisse, und 
aus ihnen, einen im Reiche der Vernunft geltenden Ausweg zu 
finden. Dann bleibt nichts übrig, als mit Beseitigung des gegen- 
wärtigen Wirrwarrs die Idee, hier die des Staats, hell und klar und 
allein in's Auge zu fassen, und ohne Rücksicht auf Friedrich und 
dessen Jungfer Ranudchen,^) auch Christine und wie die Präten- 
denten sonst heissen mögen, ausschliesslich auf die Bildung eines 



1) Gemeint sind Friedrich YII. von Dänemark und seine Gemahlin 
(seit dem 7. August 1850) Luise Christine Rasmussen, nachherige Gräfin 
Donner (geboren 1814, gestorben 186T). 



73. Schön 1850. 151 

Staats bedacht zu seyn, dem Oldenburg^) und Lübeck unbedingt zu- 
fallen müssten. Die ganze Welt (nicht wie Willisen^) that, bloss 
die Preussischen Lieutenants) würde zum Beistande zu Bildung 
dieses Staats aufzufordern seyn. Der liebe Gott, welcher dadurch, 
dass er uns die Idee des Staats gab, die Bestimmung der Grenzen 
der Staaten sich selbst vorbehalten hat, und dem Nationalitäten da- 
bey nur Tasten bey einem Pianoforte sind, stellt sich einmal nicht 
vor einem irdischen Gerichtshofe, im Gegentheil sind ihm mit 
Traktaten und Erbrezessen beschriebene Pergament-Stücke nur Ma- 
terial zu dem ihm schuldigen Brandopfer, wenn es darauf an- 
kommt, eine Idee zu gestalten. Vor Willisen lag dieser Weg noch 
oflfen da, er konnte ein hochpotenzirter Napoleon werden, der 
Grosse, herrliche Geist der Holsteiner, stiess ihn beinahe dahin. 
Aber er konnte die Preussische Offizierschaft nicht loswerden, und 
indem er diese noch durch sogenannte Politik, besser glatte Pfiffig- 
keit zu verbessern bemüht war, machte er daraus eine ekelhafte 
widrige Pratze und Willisen hat unberechenbares Unglück ange- 
richtet. Aber mit Achtung, mit hoher Achtung wird man immer 
an Holstein denken. 

Entschuldigen Sie diese Herzens -Ergiessung. Es schmerzt 
tief, wenn man sieht, dass da, wo die Stimme des Himmels sich 
zu regen anfängt, diese mit Koth und Unrath beworfen und dadurch 

zum Schweigen gebracht wird. Leben Sie wohll 

Schön. 

Wilberforce*) der bigotte Englische High church man sagt: 

Wenn der Himmel den Untergang eines Staats oder eines Volks 

bestimmt hat, dann müssen selbst die Edelsten dieses Volkes zur 

Erfüllung des Spruchs beitragen. Dies auf die herrlichen Männer 

in der Kieler Regentschaft angewendet, ist die Berufung Willisen's 

nur der Schlussstein der Aufgabe, und Willisen ist angelegentlich 

bemüht gewesen, durch Vernichtung jeder Spur eines Lebens für 

eine Idee die Aufgabe vollständig zu lösen. Man kann vom Hol- 

steinschen Volke jetzt mit Schlegel sagen: 

Der Fall der Heldentugend 

Ein göttlich Trauerspiel. S. 

1) D. h. doch wohl das sog. Fürstenthum Lübeck. 

2) Wilhelm von Willisen, geboren zu Stassfurt 1790, preussischer Ge- 
neral, 1850 Oberbefehlshaber der Schleswigholsteinischen Armee, Anfang 
December 1850 als solcher entlassen. 

3) "William Wilberforce, geboren 1759, gestorben 1833, war der Haupt- 
vorkämpfer der Abschaffung der Negersklaverei. 



152 74. Droysen 1860. 

74^ Droysen an Schön. 

Hochverehrter Herr Präsident! 

Ew. Excellenz eile ich meinen herzlichsten Dank fnr die 
fireundlichen und vortrefflichen Weisungen nnd Anordnungen zu 
sagen, mit denen Sie mich für die Reise nach Prenssen ausgestattet 
haben. Wenn es irgend möglich ist, folge ich Ihrem Plan. Aber 
zunächst sind die Dinge bei uns so angethan, dass man nicht wohl 
sagen kann, wo man in nächster Zeit sein Haupt niederl^en wird; 
und, ich rechne es mir zur Ehre an, dass, wenn die Dänen durch 
preussisch-östreichische Hilfe in diesem Lande das Regiment wieder 
haben werden, meine persönliche Sicherheit und Freiheit in Q^fahr 
sein wird. Wenn derartige Hindemisse nicht eintreten, so werde 
ich, sobald irgend möglich, meine Reise antreten. Ich kann nicht 
sagen, wie ich mich darauf fireue, Ew. Excellenz zu sehen und zu 
sprechen, an Ihrer Hand dies altedle Preussenland kennen zu 
lernen und in die stolzesten Erinnerungen zurückzuwandern. 

Mir und meinen Freunden waren die schönen Worte, die 
Ew. Excellenz über uns und unsere Sache schrieben, wahrhaft er- 
hebend. Freilich hat Herr v. WUlisen, ein rechtes Abbild dieser 
unglücklichen und nur zu berlinischen dilettantisch -geistreich- 
charakterlosen Phrasenmanier, unsere Dinge ruinieri. In dem 
Masse als ich denselben von Anfang an nahe gestanden, fühle 
ich mich gedrungen, das, was hier gewollt worden ist, Ew. Exoellenz 
darzul^en. Weder der Nationalitätsschwindel hat uns bestimmt, 
noch das Verkennen der Staatsidee uns missleitet, noch der Fetisch- 
dienst mit den alten Pergamenten uns stumpf gemacht. Wir sind 
an ein verwesendes Staatswesen gefesselt gewesen, das nur unser 
Blut und unsere Kraft aufsaugend sich noch scheinbar hinfristete. 
Dieser Staat Kopenhagen ist seit dem Verlust Norw^ens, Ja seit 
dem Schönens unrettbar.*) und wenn man ihm jetzt ausser den 
Herzogthümem noch Lübeck und Hamburg dazu in den Bachen 

1"^ Es war tlamals und später eine in Sehleswig-Holstttn sehr wbreitete 
Torsielluiig. dass die Stadt Kopenhagen, die allerÜngs für Dinemaik eine 
mindesieDs so bedeutende Bolle spielt, wie Bucis für Frankreich, ganz 
B&nemaik und seine Politik unbedingt und so gut wie aoascUieBalieh be- 
henselie. Die Anschauung, dass D&nemaik seit don Terinst Norwegens 
vim Kieler Frieden l^l-l^ dem Untergang geweiht sei. war ackon den Zeit- 
genossen geliufig: ..die Teiiülende Soltanei** nennt z. R X H. Voaa Däne- 
mark bereits in einem ungedruckten Bri^ an Schumaehor Twa Jahre 1815l 
Schonen und die Xachbariandschaiten wmden bekanntlich 1(58 in Vertrag 
Ton Boeeküde an Schweden abgetreten. 



74. Droysen 1850. 153 

schöbe — schon 1813 der feine Plan Russlands — so würde er 
nur um so unrettbarer sein. Was die Bornirtheit des Herrn Harden- 
berg, als er Ostfriesland 1813 für englische verschnittene Uniformen 
und verdorbene Flinten dahingab, nicht ohne einigen hannoverischen 
Patriotismus dem neu werdenden Preussen Schaden gebracht hat, 
das konnte — seit 1846 lag das klar vor — durch unsere Sache 
reichlichst und zum Heil für die ganze nordische Politik erfasst 
werden. Preussen bedurfte, um nicht an der Ostsee zu ersticken 
oder erstickt zu werden, die Obmacht über Holstein und soviel von 
Schleswig als nöthig ist, eine Wasserverbindung der Ost- und Nord- 
see zu decken, die zugleich den Sundzoll paralysirt, zugleich die 
nothwendige norddeutsche Marine gleichsam verdoppelt hätte. 
Hiermit wäre die Idee des Staates, zu der in erster Reihe gehört, 
dass man sich auf sich selber stützen kann, zunächst für Preussen 
erst wahrhaft realisirt worden; sie wäre den kümmerlichen Existenzen 
der Hansastädte, — denn sie sind nur unter solcher norddeutschen 
Staatsbildung entschuldbar — endlich zu Theil geworden, sie wäre 
uns, die wir sie fort und fort entbehren, zu grösstem Segen und 
in der uns entsprechenden Weise zugeführt. Einmal diese Ge- 
danken erfassend würde Preussen die Kraft gehabt haben, sie gegen 
die neidische Wuth Russlands so gut wie gegen die Palmerstonsche 
Krämerhaftigkeit — die selbst gar bald ihren Vortheil herausge- 
funden hätte — zu vertheidigen ; und die Energie dieser neuen 
Gestaltung hätte — die innere Form der Einigung mit den kleineren 
Staaten hätte sich von selbst ergeben — das pulverisirte süddeutsche 
Wesen und die nur in Lug und Trug starke Weisheit der Wiener 
Hofburg unter den Füssen gehabt. Bis zu dem hündischen Tage 
von Ollmütz haben wir darauf gerechnet, dass Preussen diesen Plan 
haben werde, weil es ihn haben müsse; wir erwarteten von Preussen, 
dessen Schwäche und dessen Schwierigkeiten wir würdigten, nichts, 
als dass es uns die russischen und östreichischen Interventionen 
vom Rücken her fernhalten würde; nachdem Willisens Stumpfsinn 
dem Feind Zeit gelassen sich aller Positionen zu bemächtigen, 
mussten wir die Eisdecke des Winters erwarten, um das Terrain 
uns zu einem Erfolg vorbereiten zu lassen. Der Frost ist leider 
noch ausgeblieben. Der Januar bringt ihn sicher. Aber zuvor ist 
Preussen da, um in widerlicher Gottseligkeit oder Feigheit gleich 
dem seeligen Franciscus sich selbst zu kastriren. 

Die Dinge müssen denn ihren Gang gehen. Sie sind freilich 
noch weit davon, an ihrem Ende zu sein. Auch in Betreff unserer. 



154 74. Droysen 1860. 

Man wird uns jetzt unterwerfen; aber in demselben Augenblick 
bricht das alte Dänemark wie ein ausgebranntes Räucherkerzchen 
zusammen ; möglich, dass dann Russland direct versucht, hier anzu- 
kommen, möglich dass es andere norddeutsche Gombinationen — 
natürlich direct gegen Freussen versucht. Jedenfalls — und das 
dürfte von entschiedener Bedeutung sein, — die Halbinsel Jütland 
hängt mit ihrer materiellen Existenz ganz von dem Handel der 
Eibmündung ab, da die ganze Westküste dieses ackerbauenden 
Landes hafenlos ist; Jütland verarmt ohne Hamburg, doppelt, wenn 
es an Kopenhagen hängt. Das war der richtige Blick des Kron- 
prinzen von Schweden, der 1813 hier in Kiel ein cimbrisches König- 
reich gründen wollte. Die anmuthigen Zollfaseleien meines Freundes, 
des Wiener Minister v. Bruck^) sind allen den Wiener Projecten 
ähnlich, — freilich immer noch hinreichend, um die unermessliche 
Geistesarmuth und Pusillanimität der Berliner Staatsmänner zu 
blenden. Die Wiener werden dies und noch mehr und Alles 
durchsetzen, — wenn es von dem officiellen Preussen abhängt. 

Es beginnt ein neues Jahr — Ew. Excellenz wollen mir er- 
lauben, mit demselben mich Ihrer Wohlgewogenheit aufs Neue zu 
empfehlen. Möchte es für Preussen heilvoller und würdiger wer- 
den als die drei letzten waren; Sie und Ihre Freunde haben in 
schweren Zeiten nicht an dem Vaterlande verzweifelt; auch Sie 
einem Monarchen zur Seite, der wenig von dem Geist in sich hat, 
welcher Preussen gross gemacht. 

Schliessend, möchte ich mir noch eine Bitte erlauben. Aus den 
Jahren 1811/13 sind ein Paar Briefe von Ew. Excellenz an York in 
meinen Händen; vielleicht haben Sie Ihrerseits die Briefe von York 
vollständiger aufbewahrt; vielleicht gestatten Sie mir Abschrift 
von denselben. Es liegt mir daran, mein Material möglichst abzu- 
schliessen. 

Der ich in aller Ergebenheit und Verehrung verharre 

Ew. Excellenz ganz gehorsamer 

Joh. Gust. Droysen. 



2) Karl Ludwig (Freiherr von) Brück, geboren zu Elberfeld 1798, ge- 
storben zu Wien 1860, einer der Gründer des österreichischen Lloyd, war 
seit Ende 1848 österreichischer Handelsminister xmd betrieb damals den 
Eintritt des österreichischen Gesammtstaats in den Zollverein. 



75. Schön 1851. 155 

75. Schon an Droysen. 

Prss. Amau den 10. Januar 1851. 
Vor Allem, meinen verbindlichsten Dank, für Ew. Wohlgebo- 
ren freundliche Zuschrift. Dann gönnen Sie mir die Freude, Ihnen 
gleich und Punkt auf Punkt antworten zu können. 

1. Meine älteren Papiere liegen verpackt und vernagelt mehr 
als 20 Meilen von hier, bey einem Freunde. Erst im Frühjahr 
kann ich eine Reise dahin machen. Von Marienburg aus, können 
wir vielleicht unsere Reise nach Königsberg über den Wohnort 
dieses Freundes nehmen, ich furchte aber, dass die von Ihnen ver- 
langten York'schen Briefe nicht da seyn werden. Als nemlich 
Davoust im Jahre 1812 mit vieler Ruhe und mit allem Anstände 
mir ankündigte, dass wenn ich bey meinem Widerwillen gegen Er- 
füllung seines Verlangens beharren sollte, ich verhaftet und zu 
einem Kriegs- Gerichte in das Haupt -Quartier geschickt werden 
müsse, da hielt ich es für nothwendig, alle meine Papiere, welche 
nicht in Französische Hände kommen durften, zu vernichten.^) 

Bey dem guten Ausgange, welchen die Davoust'sche Drohung 
nahm, habe ich den Verlust dieser Papiere schon oft sehr bedauert. 
Davoust verklagte mich zwar öffentlich bei Napoleon, der bald 
darauf in Gumbinnen ankam, Napoleon zeigte aber bey der drei- 
stündigen Audienz, welche ich gleich darauf bey ihm hatte, nicht 
den geringsten Unwillen. Im Gegentheil betraf das Gespräch nur Staats- 
Einrichtungen und besonders die Preussische Ordens-Geschichte. ^) 
Er mochte zu dem von ihm gestifteten Chevalier Prussien^) noch 
Materialien sammeln wollen. 

2. Sie erklären Dänemark für morsch und zusammenbrechend. 
Friedrich der Grosse stellte in einer von seinen geistreichen 

kleinen Gesellschaften die Frage: Welches das grösste Volk der 
Erde sey? Man nannte die Griechen, die Römer, die Gothen pp. 
Der König schüttelte zu jedem von diesen den Kopf. Und als man 
ihn nun um Angabe dieses Volkes bat, da nannte er die Dänen. 
— Denn: so weit hinauf man von diesen Etwas wüsste, wären sie 
immer schlecht regiert und — sie wären doch noch ein Volk. 
Wie man sich an Gestank in einem Zimmer so gewöhnen kann, 
dass man ihn nicht mehr bemerkt, so scheint die schlechte Regie- 
rung in das Wesen Dänemarks übergegangen zu seyn, so dass das, 

1) Vgl. oben Nr. 6, S. 7, sowie „Aus den Papieren" I S. 69 f. VI S. 24 f. 
, 2) Vgl. „Aus den Papieren" I S. 71 ff. VI S. 26 ff. und oben Nr. 39, S. 63. 
3) Ich weiss nicht, worauf sich das bezieht. 



156 75. Schön 1851. 

was kein anderes Volk ertragen würde, dem dänischen Volke natür- 
lich und nicht unangemessen erscheint. Wie hat Oestreich an 
die Staats-Bankerotte sich gewöhnt I Es prahlt heute sogar damit, 
und das Oestreichische Volk findet dies ganz in der Ordnung. 
Bey Dänemark kommt heute noch besonders dazu, dass in dem 
tollen, wüsten, verrückten, vielleicht moralisch scheusslichen Copen- 
hagener Cassino-Regimente,^ doch zwei Ideen, die des Staats und 
der Tapferkeit vorwalten und dass der Himmel, wo er sein 
Lieblings-Kindchen, gehätschelt und gepappt sieht, eine Menge Un- 
arten verzeiht. Wie arg mag es im Haupt-Quartier Alexander des 
Grossen, und Julius Caesar's hergegangen seyn, und wie schlecht 
ging es in Rom her, als Rom die grösste Macht hatte I Man könnte 
die Frage stellen. Ob Holstein nicht durch Verquickung mit Däne- 
mark die Aufgabe hatte, Moralität und Intelligenz nach Gopenhagen 
zu bringen, und dadurch den im dänischen Volke vorwaltenden 
Ideen, Fundament und Dauer zu geben? 

3. Sie meinen, Preussen müsste die Gommunication (den Kieler 
Kanal) zwischen Ost- und Nord-See unter seinen Schutz nehmen, 
und der Gedanke, dass die Ost-See und die Elbe nur die Preussi- 
sche Grenze seyn könnten, hat viel für sich. Aber wenn der 
Himmel darauf antwortet: Dann würde oflfen und vor aller Welt 
Dänemark mit seinem Sunde nur eine Provinz von Russland oder 
von England, und Eins von diesen beiden Reichen würde dadurch 
Cultur-Despot von halb Deutschland seyn, während Dänemark als 
Mittelreich, wie es gegen England in der neuen Zeit gethan hat, 
sich, wenn auch nur nach Hamster- Art, kraus machen kann. Dazu 
kommt, dass dann erst Mecklenburg und Lübeck zu Preussischen 
Provinzen gemacht seyn müssten. Dies halte ich zwar für so un- 
bedingt nothwendig, dass es in dem Begrifif eines Preussischen 
Staats liegt. Aber die Vernunft-Lästerungen, welche durch deutsche 
Einheit, Staatenbund, Bundesstaat, kleiner Fürsten Souverainetät p.p. 
getrieben sind, haben die himmelsreine jungfräuliche Idee des Staats 
dermassen genothzüchtigt, dass dies Himmelskind in Deutschland 
eine vollständige Gassen-H . . . geworden ist. Holstein hat hier- 
nach nicht gut gerechnet, wenn es, indem es selbst die Idee des 
Staats verläugnete, auf Geltung dieser Idee bey einem anderen 
Volke rechnete. 



1) So nannte man die damals in Dänemark herrschende Partei nach 
ihrem ersten Versammlungsorte. 



75. Schön 1851. 157 

4. Sie verdammen Hardenberg wegen Ost-Friesland. Es ist 
meine Pflicht, da ich mit der Sache genauer bekannt bin, ihn zu 
vertheidigen. 

Der bis zur Blindheit und Wuth verstockte Erz-Feind Preussens, 
der Graf Münster hatte dem Englischen Kabinette eingeredet^ dass 
die Fort-Existenz Hannovers durch die Einverleibung von Ost- 
Priesland bedingt sey. Der Englische Gesandte Stewart^) mit 
seinem Attach^e, meinem guten Freunde von London her, dem als 
Schriftsteller bekannten Sir Francis dlvernois,^ waren hiemach 
angewiesen, unter keinen Umständen den Subsidien- Vertrag über 
etwa 5 Millionen Thaler jährlich mit uns zu unterschreiben, wenn 
nicht zugleich Ost-Friesland für Hannover gesichert wäre. Harden- 
berg protestirte gegen diese Bedingung auf Grund des Status quo 
vor 1806, welcher leider I Basis seyn sollte. Der Russische Mit- 
Commissarius (Stein) stimmte bey. Da erklärte Stewart, dass diese 
Bedingung auch für Russland bey dem Subsidien-Traktat über etwa 
6 Millionen Rubel, jährlich, gelte und nun konnte Stein den Status 
quo nicht länger halten, und nun stand nicht allein die Allianz 
Englands, sondern auch die Russlands mit uns auf dem Spiel. 
Russland konnte ohne Englische Subsidien den Krieg nicht fort- 
setzen. Dazu kam, dass der künftige Zustand Deutschlands bey 
unseren so genannten Staats-Männern damals eine dicke Nebel- 
Wolke war. Man sprach zwar vom Status quo vor 1805 und 1806, 
aber der gesunde Menschen -Verstand suchte damals sich doch schon 
durch zu arbeiten, und Stein (vom Kaiser Alexander) und ich (von 
unserem Könige) hatten den Auftrag, Grundzüge zur Gestaltung 
Deutschlands aufzustellen.*) Stein, als vollendeter Notizen-Krämer 
im grossartigsten Umfange, welche Notizen- Wirthschaft er Geschichte 
nannte, sprach zwar viel von Geistlichen Fürstentümern (als Versor- 
gungs-Anstalten für jüngere Söhne des Adels) und von Reichs- 
Ritterschaft, Aber er hörte doch mein Constructions-Princip schon 



1) Sir Charles Stewart, geboren 1778, gestorben 1854, nach dem Tode 
seines Halbbruders Gastlereagh Marquis of Londonderry, schloss 1813 die 
Convention von Beichenbach und unterzeichnete 1814 den Frieden von Paris. 

2) Sir Francis dlvemois, geboren 1758 zu Genf, lebte 1782—89, wegen 
politischer Unruhen aus seiner Vaterstadt verbannt, in England, wohin er 
1792 nach der Besetzung Genfs durch die Franzosen zurückkehrte. 1814 
siedelte er wieder nach Genf über, wo er 1842 starb. Vgl. »Aus den Pa- 
pieren« I, Anlagen S. 110. 238. III S. 26 und „Studienreisen eines jungen 
Staatsmanns in England'' S. 302 f. 

3) Vgl „Ana den Papieren« I S. 101. lU. ^. l-^i. ^^^ Oö«ö.%« ^^^ 



158 75. Schön 1851. 

ruhig an, dass nur Staaten in voller Erfüllung ihrer Aufgabe, in 
Deutschland seyn dürften, und alles Uuterthan werden müsse, was 
die Bedingung der Selbstständigkeit und der Förderung des Volks 
zu einem höheren Leben (Universität und Akademie, General-Stab, 
Kanonen-Giesserei, kirchliche und gewerbliche Institutionen)^) in 
voller Ausdehnung zu erfüllen ausser Stande sey. Hiernach war 
das Pesthalten an dem früheren Preussischen Plickwerk in West- 
phalen^) eben eine solche Thorheit, als wenn man damals an eine 
Preussische Rhein-Provinz gedacht hätte. Preussen hatte seine Auf- 
gabe durch Sachsen, Thüringen und Mecklenburg zu lösen, West- 
phalen mit seinem Rechtsboden, wo vom Reiche der Vernunft die Rede 
ist, und mit seinem früheren Jus primae noctis, hat noch niemals zu 
Entwickelung des Preussischen Volks beigetragen, und die Rhein- 
Provinz mit ihrer gänzlichen Ideenlosigkeit, versunken in grobem 
Materialismus ist vollends hemmend beim Fortschritt zum höheren 
Leben. Summa Summarum: Durch Ost-Priesland gaben wir Etwas 
hin, to save the stock, welches in Goerlitz und in Reichenbach 
keinen Werth für uns hatte. 

Dagegen 
zum Schluss noch Folgendes über Hardenberg: Hardenberg durfte 
bekanntlich nach Napoleon's Verlangen an den Verhandlungen zum 
Tilsiter Frieden 1807 keinen Theil nehmen. Er musste in Memel, 
13 Meilen entfernt bleiben. Unseren Commissarien Kaikreuth') und 
Golz*) war aber Nagler*) mit der Anweisung beigegeben, über 
jeden Punkt Hardenberg's Meinung zu hören, ich war an einem 
Vormittage in Memel gerade bey Hardenberg, als der Nagler'sche 
Brief ankam, welcher die von Napoleon gestellten grausamen Be- 

1) Vgl. Schöns Aufzeichnungen aus Görlitz vom 17. Mai 1813 »Aus 
den Papieren" I, Anlagen S. 149 ff. 

2) Nämlich an den zusammenhangslosen Stücken dieses Landes, welche 
1803-1806 oder früher zu Preussen gehört hatten. 

3) Vgl. oben S. 56 N. 2. 

4) August Friedrich Ferdinand Graf v. d. Goltz, geboren 1765 zu 
Dresden, ward 1802 preussischer Gesandter in St. Petersburg, am 6. Juli 1807 
Minister des Aeussem, 1814 Oberhofmarschall, 1816 als Nachfolger W. von 
Humboldt*s Bxmdestagsgesandter, 1824 wieder Hofmarschall. Er starb 1832. 

5) Karl Friedrich Ferdinand (von) Nagler, geboren zu Ansbach 1770, 
gestorben zu Berlin 1846, der Schwager von Altenstein. Er ward Cabinets- 
secretär der Königin Luise xmd Staatsrath, 1810 auf Betrieb Hardenberg's 
entlassen, übernahm dann 1821 die Verwaltung der preussischen Post, war 

1824 bis 1835 Bandes tagsgesandter und -ward. 1?>^^ 8ta.at8minister. Zu dem 
folgenden vgl unten den Brief Nr. 78. 



75. Schön 1851. 159 

dinguBgen meldete, und wozu Nagler bemerkte, dass aus den Aeusse- 
rungen Talleyrand's abzunehmen wäre, dass nur die milderen Be- 
dingungen zu erwarten wären, wenn wir dem Rheinbunde beiträten. 
Nagler mit den beiden Commissarien meinten, dass wohl nichts 
Anderes übrig bleiben würde. Diese letzte Stelle des Briefes konnte 
Hardenberg vor Entrüstung kaum lesen, er warf den Brief mit 
Heftigkeit hin, und rief: Die Sklaven, die Knechts-Seelen I Die 
schlechtesten, die härtesten Priedens-Bedingungen sind Gut im Ver- 
gleich zum Aufgeben des kleinsten Theils der Souveränität! In 
diesem Geiste und in dieser Aufregung schrieb er seine Erklärung 
nieder und schickte sie nach Tilsit ab. Und — rettete uns da- 
durch von Grosser Schmach; hielt Grund und Boden fest, auf dem 
der selbstständige und unabhängige König von Preussen im Jahre 
1813 sein Recht und seine Würde wieder geltend machen konnte. 
Und nun heute: Bundes-Staat und Union und Staaten- Bund und 
zerfetzte ausübende Macht und Einheit Deutschlands, und So weit 
die Deutsche Zunge reicht pp. Und wie die Ausgeburten der Hölle 
Alle heissen mögen III 

Noch mehr von Hardenberg. So wie er sich in Memel gegen 
Nagler erklärte, so handelte er im Jahre 1813 auch in Kaiisch. 
Der ersten entfernten Andeutung Russlands, uns in das Verhältnisse 
wie früher Navarra zu Prankreich stand, zu setzen, trat er mit der 
grössten Bestimmtheit entgegen. 

Als er den Wechselbalg: Bundestag in Wien nicht mehr ab- 
wehren konnte, sorgte er dafür, dass diese Missgeburt wenigstens 
als solche vor aller Welt dastehe, und als Wilhelm Humboldt, als 
er zum Preussischen Abgeordneten für Frankfurt ernannt war, nase- 
weiserweise anfragte: ob das Ding ein Bundes-Staat oder ein 
Staatenbund wäre? — nahm Hardenberg ihm sofort den Auftrag 
ab, und schickte den allerbeschränktesten Kopf von allen unsern 
Diplomaten^) (und dies will viel sagen) nach Prankfurt. Hätte 
er einen entschieden blödsinnigen, oder noch besser einen Tobenden 
zur Hand gehabt, er würde ihn noch lieber nach Prankfurt ge- 
schickt haben, denn: Lächerlichkeit ist auch eine Wafife, welche 
man, wenn keine andere Wafife Geltung hat, ergreifen muss, damit 
der menschliche Verstand zu seinem Rechte komme. 

ich denke, für diesmal, wird dies mehr als Genug sein, ich 

empfehle mich ergebenst 

Schön. 

1) Den obengenannten Grafen von der Goltz. S. unten Brief 78. 



160 76. Droysen 1851. 

76. Droysen an SchOn. 
Hochgebietender Herr Minister I 

Ew. Excellenz komme ich heute erst meinen herzlichsten Dank 
für Ihr überaus gütiges und lehrreiches Schreiben vom 10^ Januar 
zu sagen. Die Abwickelung unserer hiesigen Verhältnisse hat auch 
meine Zeit und meine Gedanken vielfach in Anspruch genommen, 
und es ist eben kein erfreulich Geschäft, von einem gestrandeten 
Schiff das und jenes zu bergen. 

Dass wir mit dem östreichisch-preussischen Schutz herzlich 
schlecht fahren werden, wussten wir im Voraus; man muss es mit 
in den Kauf nehmen, dass allerlei Ehrenrühriges, wie beispiels- 
weise die Halbirung der deutschen Festung in Holstein^) mit unter- 
läuft; am wenigsten uns fällt es zur Last oder gereicht es zum 
Vorwurf. 

Mit Freuden stimme ich dem bei, was Ew. Excellenz in Be- 
treff der „Idee des Staates* geltend machen, und am wenigsten 
bin ich geneigt, dem nationalen Factor eine höchste Bedeutung zu 
vindiciren. Aber auch Sie werden beistimmen, dass man sich einer 
positiven Unterwerfung mit Recht widersetzt, und nichts anderes 
als ein Versuch, die Herzogthümer aus ihrem rechtlichen Bestand 
zur Unterwerfung unter das dänische Volk, dänische Beamte und 
dänische — d. h. Kopenhagener Interessen zu bringen, war und 
ist das, was seit dem März 1848 mit „Sr. Majestät teutschen Landen* 
wie ihre alte Benennung ist, vorgenommen worden. 

Ew. Excellenz weisen den Holsteinem die Aufgabe zu, Mo- 
ralität und Intelligenz nach Kopenhagen zu bringen. Unter 
russischem Schutz hat die depravirte Residenz den glänzendsten 
Erfolg gegen uns und gegen das Deutsche überhaupt erkämpft, jetzt 
ergiesst sich das ganze Candidatenproletariat weltlichen und geist- 
lichen Dienstes aus Dänemark über die Herzogthümer, wie denn 
die mehr als 1200 derartigen Personen, die in Schleswig bei Kirche 
und Schule, in Gerichten, im Zollwesen, in der Administration bis 
zum Polizeibüttel hinab angestellt worden sind, begonnen haben^ 
dies arme Land gründlichst zu demoralisiren. Die beiden deutschen 
Grossmächte sind beflissen, denselben Segen auch für Holstein zu 
beschaffen; und wir werden den Hohn, die Brutalität und die 
Habgier dieser Dänen demnächst hier in voller Blüthe sehen. AUer- 



1) Das Kronwerk in Rendsburg war den dänischen Truppen ausge- 
Uefert worden. 



76. Droysen 1851. 161 

dings sind beide Herzogthümer reich genug, um das öde Dänemark 
einiger Maassen über Wasser zu halten ; hat doch dies kleine 
Holstein alllein seit März 1848 ziemlich genau 26 MiU. Rthr. Pr. 
baar gezahlt, für etwa 72 Million Menschen gewiss genug, wenn 
man dabei vor Augen sieht, dass das Land im Entferntesten nicht 
erschöpft ist; aus diesen nicht ganz 500,000 Seelen waren 25,000 
Mann unter Waffen, die übrigen 13,000 waren aus Schleswig und 
Deutschland; Leistungen, die denen Ostpreussens 1813 gleichkommen. 

So bin ich wieder bei der schönen Zeit von 1813. 

Meinen verbindlichsten Dank für Ew. Excellenz weitere Mit- 
theilungen. Wie schade, dass die Correspondenz mit York von 1811 
wegen des Herrn Davoust hat verbrannt werden müssen. Soeben 
erhalte ich die Abschrift des Tagebuches des Oberpräsidenten von 
Auerswald aus November, December 1812, Januar^ Februar 1813. 
Leider sind die Notizen nur sehr kurz, aber für den Kundigen doch 
überaus lehrreich; keine hat mir mehr Vergnügen gemacht, als dass 
der gute Minister Goltz noch am 7*®** Februar den Oberpräsidenten 
„vor den russischen Umtrieben" warnt. Ich hoffte irgend eine 
Aufklärung über die Befehle zu erhalten, die Hauptmann Schack, 
der wenige Stunden vor Natzmer aus Berlin abgefertigt wurde und am 
11. Januar bei York eintraf [mitbrachte]. Ich habe gemuthmasst, dass 
der König diesem Schack seine Billigung anvertraut haben wird. Aber 
das Tagebuch enthält nichts der Art, keine Erwähnung Schack's; 
es bemerkt zum 26. Januar, dass Major Thile des Königs Genehmi- 
gung gebracht habe. Ist Ew. Excellenz in Betreff der Sendung 
Schack's irgend etwas bekannt? 

Eine Anfrage an General-Lieutenant Graf Dohna^) in Königs- 
berg vom Ende November 1850 in Betreff dieser und anderer Dinge 
ist zu meinem Bedauern bisher unbeantwortet geblieben. Ich be- 
dauere dies um so mehr, als Graf Dohna in den Verhandlungen 
im Dezember 1812 sehr thätig gewesen ist; sein Schweigen nöthigt 
mich, über ihn und seine Mitthätigkeit einfach das mitzutheilen, 
was sich aus den damals erwachsenen Correspondenzen ergiebt. 

Besonders dankbar bin ich Ew. Excellenz für die weiteren 
Aufklärungen, die Sie mir über Hardenberg geben. Allerdings bin 
ich weit entfernt, ihm seine hohen Verdienste zu bestreiten; wenn 
ich ihm das Aufgeben von Ostfriesland vorwarf, so rechtfertigen 



1) S. oben S. 86. Graf Friedrich von Dohna Ivatt^ \i«t^\\Ä ^^-sl^^öäv.-- 
zag von 1812 auf russischer Seite mitgem&cVxt« 



W 



162 77. Schön 1851. 

Ew. Excelleuz ihn auf eine Weise, der ich mich fugen muss. Und 
doch kann ich ihn von schwerer Schuld nicht freisprechen. Seit 
dem 1. November 1812 waren die Anerbietungen Russlands zu 
einem Bündniss in seinen Händen; wenigstens eventuelle Ent- 
schliessungen über die fernere Politik Preussens zu fassen, hatte 
man Anlass und Zeit genug; aber acht Wochen lang zögerte man, 
die Frage scharf anzusehen; man fragte in Wien vor und mnsste 
doch wahrlich wissen, dass man sich dorther am wenigsten Heil 
für Preussen erwarten konnte. Die insolenten Erbietungen in 
Kaiisch waren die Folge dieser Zögerung, und eine fernere Folge 
war, dass man einen Vertrag abschloss, wie nie einer mit mehr 
gemüthlicher Vertrauensthorheit gemacht worden ist. Noch mehr 
auf Hardenberg bin ich erzürnt wegen der unglücklichen Diplomatie 
von 1814/15, noch mehr wegen des am Hofe zu Gent^) Versäumten 
und wegen der Incredibilien des zweiten Pariser Friedens. Immer- 
hin mag es schwer gewesen sein, mit dem Könige, wie er denn 
war, grosse Geschäfte zu machen, zumal wenn man nicht einmal 
ganz sein Vertrauen hatte; und Hardenberg hatte es nicht; mehr 
als einmal hat der König hinter seinem Rücken seine persönliche 
Politik gemacht. Dass er es in des Königs persönlichen Ver- 
hältnissen nicht besass, davon wissen Ew. Excellenz selbst das 
schlagendste Beispiel, wenn anders ich über einHeirathsprojekt 1814*) 
ich meine nicht das mit der Grossfurstin Katharina, sondern mit 
einer französischen Gräfin, deren Namen ich nicht weiss, — recht 
unterrichtet bin. 

Von der Gegenwart und ihrem Wirrwarr spreche ich nicht; 
möglich, dass er mir unfreiwillige Müsse genug bringt, meine Reise 
nach Ostpreussen ganz nach Gefallen einzurichten. 

Der ich mit aufrichtigster Verehrung und Dankbarkeit verharre 
Ew. Excellenz ganz ergebenster 

Joh. Gust. Droysen. 
Kiel, d. 15. Febr. 1851. 

77. Schön an Droysen. 

Prss. Aman den 20tea Febr. 1851. 
Ew. Wohlgeboren freundliches Schreiben vom 15. d, M. habe 
ich gestern erhalten, und ich ermangele nicht, Ihnen meinen Dank 
dafür abzustatten. 



1) Des 1815 nach Gent geflüchteten Ludwigs XYIII. 
2) Vgl „Aus den Papieren'' 111 S. ^% fi. \ ^. 1^ «., 



77. Schön 1851. 163 

In der Holsteinischen Sache bitte ich, gefälligst anzunehmen, 
dass so sehr meine Philosophie von der abweicht, welche man da 
geltend machen wollte, ich die braven Männer, welche ihrer Über- 
zeugung lebten, ehre und an deren unglücklichem Schicksal, leb- 
haften Antheil nehme. 

Die Zeit rückt näher, wo wir, wenn wir Anfangs April c. in 
Marienburg zusammenkommen wollen, darüber Abrede nehmen müssen. 
Vor dem 8^"^ April muss ich in Marienburg seyn. Sobald Sie in 
Ihren Verhältnissen klar sehen können, bitte ich, dass Sie mir über 
unsere Zusammenkunft schreiben. 

Was York's Leben betrifft, so vermuthe ich, dass das Auers- 
wald'sche Tagebuch dazu wenig Notizen wird liefern können. Auers- 
wald war in der Zeit kein Mann des Vertrauens. Ihm war die 
ganze Verhandlung mit York und mit mir vom Sommer 1811 ab 
unbekannt. Er war so wenig mit der damaligen Richtung unseres 
Gouvernements bekannt, dass, als bey der Eetirade der Franzosen, 
der Französische Gesandte in Berlin forderte, dass Vieh, Pferde 
und Lebens-Mittel von der rechten Seite der Weichsel auf deren 
linkes Ufer gebracht werden sollten, also das ganze Königreich 
Preussen von uns selbst verheert werden sollte, und der Staats- 
Kanzler deshalb, um Abschrift seiner Verfügung dem Gesandten 
mittheilen zu können, an Auerswald und an mich schrieb, Auers- 
wald darauf wirklich einging, während ich die Verfügung wegwarf, 
bis 2 Tage darauf ein Courier von Berlin den mündlichen Befehl 
brachte, von dieser Anordnung keine Notiz zu nehmen. Auerswald 
— mein Schwieger- Vater — war ein ehrlicher, braver Mann, nicht 
ohne Bildung, aber für kritische Momente nicht geeignet. 

Was Schack am 11. Januar York brachte, weiss ich nicht 
denn ich habe weder mit York noch mit Schack darüber ge- 
sprochen. Was er aber nur gebracht haben kann, ist mir klar 
Schon als York vor Riga rückte, war davon die Rede, dass unser 
Corps die erste günstige Gelegenheit wahrnehmen müsse, um sich 
von den Franzosen loszusagen. Petersburg ist davon unterrichtet 
gewesen; denn York erzählte mir in Tilsit, nach seiner Convention, 
dass der Russische commandirende General in Riga die Sache so 
plump genommen habe, dass er von York verlangt hätte, gleich 
nach York's Ankunft vor Riga mit seinem Corps überzugehen. 
York sagte: Er habe ihm darauf erwidert: Zuvor müssen wir aber 
eine Aflfaire gehabt haben. Ferner sagte mir York in Tilsit: Als 
er die Ordre bekommen habe, Macdonald's Arriere-Garde zu bilden, 



164 77. öchön 1851. 

habe er ausgerufen: Bon Voyagel Wir sehen uns nicht wieder. 
Nicht Schack allein, sondern auch Seidlitz^) gingen als Couriere 
an den König ab, und Seidlitz brachte, wie dieser mir selbst mit- 
theilte, den Bescheid, dass York nach Umständen handeln möge, 
beim Übergange aber vor Allem die Person des Königs 
zu schonen habe. Seidlitz hatte schon Schwierigkeit zu York zu 
kommen. Die Convention selbst brachte zuerst Thiele und den Tag 
darauf Abschrift davon der Graf Brandenburg an den König. Beide 
gingen über Gumbinnen, und ich musste sie mit Eeise-Geld ver- 
sehen. Schack und später Thiele haben hiernach wohl nur die 
schriftliche ostensible Erklärung gebracht, dass York zur Unter- 
suchung gezogen werden würde, wovon der Französische Gesandte 
Abschrift erhielt, mündlich hatten sie aber die Billigung seines 
Verfahrens ihm mitzutheilen. .Wenn darüber nichts Schriftliches 
zu finden ist, so hat dies darin seinen Grund, dass Schamhorst 
unaufhörlich gegen jedes Schreiben in solchen Dingen warnte, und 
selbst darüber Nichts schrieb. 

Von dem General Grafen Dohna in Königsberg werden Sie 
über diese Zeit Wenig, wohl Nichts erfahren können. Dohna war 
damals unbedeutender Russischer Officier, der in die Verhältnisse 
nicht eingeweiht war. Selbst später, als sein ältester Bruder der 
Minister so gross auftrat,^) wurde er bey unseren Verhandlungen 
nicht zugezogen. Ist er bey den Verhandlungen im Dezember 1812 
thätig gewesen, so kann sich dies nur auf die Thätigkeit eines 
Couriers beschränkt haben. 

Was Hardenberg betrifft, so war allerdings seit dem 1. Novem- 
ber 1812, die Erklärung Russlands zum Beistande in unseren Händen. 
Aber 1^^^ hatten auf den Grund der Erfahrungen von 1806 und 1807, 
weder der König noch Hardenberg, Vertrauen, und konnten es 
nicht haben. Der Kayser hatte eine Grosse Parthey in der Armee 
gegen sich und zwar in dem Grade, dass im Jahre 1807 die Ge- 
fahr einer Meuterey in der Armee, den Gross-Fürsten Constantin 
an der Spitze, den Kayser zum Frieden nöthigte. In Tauroggen 
war nach der Schlacht von Priedland eine heftige Szene zwischen 
den beiden Brüdern vorgekommen. 2^"^ hatten damals die Fran- 
zosen noch so viel Truppen in unserem Lande, (2 Armee-Corps 

1) Generalmajor Anton von Seydlitz, geboren 1777, gestorben 1832 in 
Köln, YorVs Waffengefährte und vertrauter Adjutant. Vgl. „Aus den Pa- 
pi'eren" VI 8. 38. 

2) JNämlich bei der Stiftung det l»aiLÖL^^\iT. 



77. Schön 1851. 165 

und die Besatzungen der Weichsel-, Oder- und Elbe-Festungen) und 
die Franzosen waren vor dem 1. November, bis sie nach Wilna 
kamen, noch so geordnet, dass sie, wenn die Auflösung von Wilna 
nicht stattgefunden hätte, und York nicht abgefallen wäre, den 
damals schon aufgelösten Russischen Truppen an der Weichsel die 
Spitze bieten konnten. Wenn dann Alexander Friede zu machen 
genöthigt wurde, dann war der Preussische Staat aufgelöst. Erst 
Ende November liess ich in das Gumbinner Intelligenz Blatt setzen: 

Frisch auf Kameraden, 
Aufs Pferd, Auf's Pferd. ^) 

Vom 15^®° Dezember ab, wurde uns die Auflösung der Französi- 
schen Armee klar, und als die Russen kamen und ein ganzes Armee- 
Corps Russen, ohne die Stadt zu belästigen, in 200 kleinen Häusern 
in Gumbinnen untergebracht werden konnte,*) da sahen wir, dass, 
wenn wir nicht abgefallen wären, Napoleon mit diesen Feinden an 
der Weichsel wohl fertig werden musste. 

Die allerdings insolenten Russischen Forderungen in Kaiisch 
wurden dadurch angeregt, dass wir einen erklärten Gegner Russ- 
lands, den der Kaiser Alexander persönlich nicht mochte, trotz 
aller Gegen- Vorstellungen Hardenberges den General Knesebeck') 
als Negociateur nach Kaiisch "schickten. Als dieser abgerufen wer- 
den musste, und Scharnhorst in Kaiisch ankam, erhielt die Sache 
eine andere Gestalt, und wenn der Traktat nicht bestimmt genug 
zu seyn scheint, so sind die Geheimen Artikel sehr bestimmt ab- 
gefasst. 

Dem Getreibe zu Gent konnte Hardenberg kein Vertrauen 
schenken; und Was den 2'®'^Pariser Frieden betrifft, so setzte uns, 
unser Zug nach Paris, so Grossartig dieser an sich war, doch in 
die schwierige Lage, dass wir in Frankreich eine durch Schlachten 
und Scharmützel sehr geschwächte kleine Armee hatten, während 
Ostreicher und Russen und England mit grossen geordneten Truppen- 
Massen dastanden, ich weiss, dass Hardenberg und Humboldt 
damals wie Männer auftraten. Aber die Persönlichkeit des Königs 
schwächte die Preussischen Forderungen, und es ist mir nach dem, 
was ich von Humboldt weiss, wahrscheinlich, dass Gneisenau mit 
seinem Soldaten-Calcul, das feste Auftreten Hardenberg's nicht 



1) Vgl. „Aus den Papieren'* I S. 83. 

2) Vgl. oben S. 109. 

3) Karl Friedrich von dem Knesebeck, geboreiL z.\l "Käx^^ \i^'s."^'^'^- 
ßuppin 1768, gestorben daselbst als GeneraAieJVdixiwcÄCiVisÄ. V^A&. 



166 78. Schön 1851. 

unterstützt hat. Diese Verhandlungen waren Ursache einer fort- 
währenden Spannung, welche zwischen Humboldt und Gneisenau 
stattfand. 

Summa Summarum : Hardenberg war ein eminenter Geist und 
ein eben so eminenter Charakter, und hätte er nicht eine Hannover- 
sche, also schlechtest mögliche Erziehung gehabt, und hätte seine 
Göttinger Bildung ihn nicht herabgezogen, und wäre er endlich 
persönlich nicht so Grund liederlich (nicht lüderlich) gewesen, dann 
wurde er Gross und Erhaben da stehen. Die Hannoversche Er- 
ziehung machte, dass er die Ultra-Aristokratie niemals ganz los 
werden konnte, und die Göttinger Bildung hatte ihn von jeder philo- 
sophischen Entwickelung entfernt. Im Gegentheil war ihm durch 
die Pütter'sche Schule die Idee des Staates verdunkelt, so dass er 
so wenig als Stein, ein Grosser Staats-Mann genannt werden kann. 
Aber er war eine Geistreiche, durch und durch Edle Natur, so 
dass man von ihm sagen kann: 

He was a complete Gentleman I 

Leben Sie wohll 

Schön. 

78. Schdn an Droysen. 

Prss. Arnau den 22. Febr. 51. 

Um Missverständnisse, zu vermeiden, sey das Nachstehende 
Nachtrag zu meinem letzten Schreiben. 

Wenn ein Graf Dohna in den York'schen Papieren öfters ge- 
nannt wird, so ist dies entweder der Minister, oder der verab- 
schiedete Major Ludwig Graf Dohna auf Brunau, dieser, ein tüch- 
tiger Mann, war insbesondere bey Errichtung der Landwehr sehr 
wichtig. Er ging mit unserem Landtags-Beschluss wegen Stiftung 
der Landwehr nach Breslau zum Könige. Der jetzige commandi- 
rende General Friedrich dagegen war damals Russischer Ritt- 
meister, und warb in Preussen für die Russisch-Deutsche Legion, 
und hatte, soviel ich weiss, keinen Antheil an unserem öffentlichen 
Leben. 

Ferner: Schon der König von Neapel sagte mir auf der Re- 
tirade, ich würde die Russen eben so aufgelöst als die Franzosen 
finden, und das Russisch- Wittgenstein'sche Corps, die Hauptarmee, 
war auch wirklich, in einem solchen Zustande, dass, als der Russische 
General Paulucci bei Memel Preussen zu erobern versuchte, ich 
dreist durch Stein dem Kaiser AlexanöieT ei:\L!^"^ic«vi \öiSÄ^Tv konnte, 



78. Schön 1851. 167 

dass, wenn nicht das Verfahren Paulucci's gänzlich vernichtet würde, 
ich das Volk aufbieten würde, und nach dem Zustande der Russischen 
Armee, diese bald aus Preussen zu bringen hoffte.^) York war 
auch überzeugt, dass ohne Volks-Aufgebot, die Russen mit uns, 
gegen Napoleon nicht Stand halten konnten, und wollte deshalb, 
als es ungewiss war, ob unser Landtag den Volks-Krieg beschliessen 
würde, nach England fliehen. Nach der Schlacht von Goerschen, 
war der verwundete Scharnhorst, als ich ihn in Dresden sprach, 
empört darüber, dass Russland zu uns von so und so viel Regi- 
mentern gesprochen habe, welche es in's Feuer bringen wolle, dass 
diese angeblichen Regimenter aber nur schwache Cadres von Re- 
gimentern gewesen wären, dass es den Russen bey ihrer Unordnung, 
zuletzt an Munition gefehlt habe, dass die Russische 6arde, trotz der 
Ordre nicht herangekommen wäre, und schloss damit, dass wir ohne 
den Zutritt Ostreichs verloren wären. Bekanntlich ging Schamhorst 
deshalb, trotz seiner Wunde, von Dresden nach Ostreich. 

Wenn man dies Alles, und die Erfahrung vom Jahre 1807, 
in Betracht zieht, dann ist es wohl klar, dass der König und 
Hardenberg Bedenken haben mussten, am 1. November 1812, auf 
Russische Forderung sich dieser hinzugeben. ich bin überzeugt, 
dass der Kayser Alexander den besten Willen für uns gehabt hat. 
Aber ich habe auch gesehen, dass kein Souverain in seinen Hand- 
lungen durch die Roheit seines Volkes so beschränkt ist, als der 
Kayser von Russland. Hardenberg sah darin sehr klar, und wenn 
man noch dazu erwägt, dass der König so wenig als Scharnhorst 
(dieser Grosse Linien-Soldat) weder Sinn noch Neigung für einen 
Volkskrieg hatten, dann hat, meines Erachtens, gerade damals 
Hardenberg sich als Grosser Politiker gezeigt. Scharnhorst wollte 
bekanntlich Anfangs gar nicht auf unsere Volks-Bewaflfnung als 
Landwehr, eingehen, und dem König war dieser Gedanke auch so 
fremd, dass er, als der Graf Ludwig (nicht Friedrich) Dohna ihm 
unsere Landwehr- und Landsturm-Constitution brachte, er an diesen 
zuerst die Frage richtete: Ob der General York nicht schon die 
Bürger-Krone trage? Mir ist kein Moment bekannt, in dem in 
dieser Zeit, trotz aller Hindernisse, der Staats-Kanzler nicht dem 
Gedanken der Befreiung unseres Staates gelebt hätte. Schon^) 
früher im Jahre 1807 als Hardenberg auf Napoleon's Verlangen 



1) Vgl. oben S. 21 f. 37 f. 

2) Vgl. oben S. 158 f. 



168 78. Schön 1851. 

Yon allen Geschäften entfernt; und aus dem Lande gewiesen werden 
musste; erfahr er in Memel kurz vor seiner Abreise nach Russland, 
dass man zum Friedens-Schluss in Tilsit damit umgehe, durch den 
Zutritt zum Rheinbunde bessere Bedingungen zu erhalten, ich war 
gerade bey Hardenberg in Memel, als er diese Nachricht erhielt. 
Sie regte ihn aufs höchste und auf das tiefste auf. Er warf den 
Nagler'schen Brief zur Seite, und rief entrüstet: lieber den schlech- 
testen, den allerschlechtesten Frieden, als die Aufopferung der 
Selbstständigkeit derPreussischen Königs-Krone durch den Rheinbund. 
Er schickte deshalb eine gewaltige Erklärung nach Tilse,^) wo der 
König war, — und rettete uns. 

Mit dem Rheinbunde waren wir 1813 Empörer. Jetzt trat 
der selbstständige, unabhängige König von Preussen in die Schranken. 
In tragisch kritischen Momenten zeigt sich der Grosse Charakter. 
Nur der, welcher unbedingt einer Idee leben kann, kann einen 
grossen Charakter halten. Stein wurde, so hoch er auch sonst 
stand, in tragisch kritischen Momenten verzagt. Als während dem 
Waffenstillstand 1813 die Russen vom Nachhausegehen sprachen 
und Ostreich immer nicht zu uns treten wollte, da besorgten Nie- 
buhr und ich, dass Stein, um Ruhe zu erlangen, indem er auf 
Luther wie auf einen Buben schalt, katholisch werden würde.*) 
Die Ursache war, dass Stein, durch Notizen-Kram, welchen er 
Geschichte nannte, abgestumpft, sich zu der Höhe eines grossen 
Staats-Mannes nicht erheben konnte. Struensee*) und Hardenberg 
sind wohl die grössten Männer, welche Preussen, seitdem es König- 
reich ist, in seinem Ministerio gehabt hat. Hardenberg lachte über 
den ihm in Wien aufgedrungenen Deutschen Bundestag in Prankfurt 
und nachdem W. v. Humboldt auch mit diesem politischen Wechsel- 
balg (diesem Pasquill auf die Idee des Staates) Nichts zu thun 

haben wollte, schickte er den Diplomatiker, welchen 

wir damals hatten, den Grafen Golz*) nach Prankfurt. Hätte Harden- 
berg in der jetzigen Zeit an der Spitze unserer Staats-Geschäfte ge- 
standen, dann würden, da ihn jetzt weder Ostreich, noch Prankreich 



1) Alter, noch heute volksmässiger Name von Tilsit. 

2) Vgl. oben S. 32. 

3) Karl August (von) Struensee, Bruder des dänischen Ministers, ge- 
boren 1735 zu Halle, 1771—72 in Dänemark, ward 1782 Director der See- 
handlmig, 1791 Minister des Accise-, Zoll-, Oommercial- und Fabrikwesens. 

Er starb 1804 zu Berlin. Vgl. „Aus dsn Papieren" I S. 29 ff. 
4) Vgl oben S, 159. 



79. Droysen 1851. 169 

noch Bussland hinderte^ die Gehalt- und Sinnlosen Tiraden von 
deutscher Einheit mit souverainen Fürsten, von Staaten-Bund und 
Bundes-Staat wie nichts beachtet, jal gleich in ihrer Geburt von 
ihm vernichtet seyn. Nun kam aber, zu unserm Unglücke ein 
Coelner Korn-Krämer^) an die Spitze, dessen höchstes Ideal, ein 
Burge-Meister von Coeln oder höchstens ein gefiirsteter Pfaflfe von 
Coeln, seinem Wesen nach, nur seyn kann, und nun konnte aller- 
dings von dem selbstständigen, unabhängigen Könige von Preussen, 
von Gottes Gnaden (Vox populi Vox Dei) nicht viel mehr die 
Rede seyn. 

Nehmen Sie diese Herzens-Erleichterung nicht ungütig auf. 

Schön. 

Hardenberg stellte schon bald, nachdem Anspach pp. an uns 
abgetreten waren, als Preussischer Minister von Anspach und Bay- 
reuth gestützt auf die Idee des Staats, den Satz: Was imTerritorio 
ist, gehört zum Territorium! und forderte Preussische Landes-Hoheit, 
über mehrere unmittelbare Eeichs-Länderchen und behauptete sie. 

79. Droysen an Schön. 

Hochzuverehrender Herr Staatsminister I 
Ew. Excellenz haben mir von Neuem eine so reiche Fülle 
wahrhaft historischen Stoffes mitgetheilt, dass ich meinen Dank 
nicht lebhaft genug aussprechen kann. Sie wollen mir gestatten, 
auf einzelne Ihrer Bemerkungen einzugehen. 

Namentlich ist mir Ew. Excellenz weitere Mittheilung über 
Hardenberg in hohem Masse lehrreich, und stimme ich der Ansicht 
über die dreifache Quelle seiner staatsmännischen Fehler — han- 
noversche Erziehung, Göttinger Studium, Epicurismus — vollkom- 
men bei. Wie möchte ich seine eminente Begabung leugnen; aber 
statt der streng stolzen Disciplin Kantischer Studien und Pflicht- 
anschauungen hat er die lauwarme und möglichst seichte univer- 
selle Aufklärung in sich aufgenommen, in der man sich in den 
siebziger und achtziger Jahren so ausserordentlich wohlwollend und 
schön selig fühlte — wie denn aus dieser Richtung viele treffliche 
Diplomaten und möglichst wenige Staatsmänner, viele liebens- 
würdige Gesellschaftsmenschen und wenige Charaktere hervorge- 
gangen sind — ähnlich wie, wenn auch mit erhöhter Anmasslich- 

1) Gemeint scheint der Märzminister Ludolf Oamphausen zu sein, der 
aber Bankier war. 



170 79. Droysen 1851. 

keit, aus der romantisch-speculativen Bildungsepoche von 1815 — 1830, 
wie wir denn jetzt daran gründlichst laboriren. 

Ich erkenne Hardenberges grosse Vorzüge; aber ich fühle 
mich seiner ganzen Weise im innersten Herzen abgewandt; soll ich 
es aufrichtig sagen, er erscheint mir um nichts besser als die Jo- 
sephinische Manier, ganz auf die Mechanisirung des Staatswesens 
gewandt, die er mit derselben Schroffheit und Energie wie Mont- 
gelas durchgetrieben haben würde, wenn seine angeborene Milde 
dazu angethan gewesen wäre, für die grossen sittlichen Factoren 
innerhalb des Staatslebens ohne Interesse und Yerständniss, durch 
und durch unproductiv, d. h. nicht von der Art Männer, die 1807/8 
dem Staate neue Lebenskräfte im Volk erweckten, aber ein grosses 
Pormtalent, bewunderungswürdig das Gegebene zu fassen und wirre 
Lagen oder Fragen auf einfachste Alternativen zu bringen. 

Vortrefflich wie Ew. Excellenz ihn gegen meine einzelnen 
Vorwürfe vertreten. Aber so leichten Kaufes gebe ich meinen Vor- 
wurf gegen die Versäumnisse am Ende des Jahres 1812 nicht auf, 
wennschon ich Ew. Excellenz entgegenkommend beifügen muss, dass 
der König hinter dem Rücken seine Verständnisse mit Kussland 
unterhielt, ja sich bereits im Februar 1812 engagirt hatte, und 
zwar durch Knesebeck. Ich bin sehr erstaunt zu lesen, dass 
Ew. Excellenz in Betreff der wenig preiswürdigen Verhandlungen 
von Kaiisch Knesebeck erwähnend von diesem sagen: „Dass der 
Kaiser ihn nicht mochte." Sowohl bei jener ganz geheimen Sen- 
dung im Februar 1812 als später namentlich in Bautzen und 
Trachenberg hat gerade Knesebeck ein fast unbedingtes Vertrauen 
des Kaisers gehabt; wenn derselbe in Kaiisch ungnädig gewesen, 
so kann der Grund nur gewesen sein, dass das, was Knesebeck in 
Petersburg Namens seines Königs verhandelt und zugesagt hatte, 
von dem Könige sehr zögernd und wider Willen fast zugestanden 
und ausgeführt wurde. Wenn ich der Verhandlungen in Gent er- 
wähnte, so war es vielleicht der grösste diplomatische Fehler, den 
Hardenberg gemacht hat, dass er übersah, wie dort die Verhand- 
lungen in Betreff Frankreich's fertig gemacht wurden ohne 
Preussen, während der Feldzug wesentlich durch Preussen ent- 
schieden wurde. — 

Leider habe ich noch zu wenig Kunde über Hardenberg's 

Verhalten nach dem Kriege und bis an sein Ende. Einzelne grosse 

Zuge seiner inneren Verwaltung treten mir da wohl entgegen, aber 

man müsste gründlicher als iehi ea löiÄiet ^^^TCEL^dsit^ 4aa Empor- 



79. Droysen 1851. 171 

kommen Bernstorf s^) for das Äussere, Hake's für den Ejrieg u. s. w., 
das 6ebahren jener ganzen Gesellschaft, welche schon 1811 an- 
pochte, verfolgen, ihre wachsende Einwirkung auf den doch nicht 
sehr weit blickenden Monarchen beobachten können, — um da. 
nicht ungerecht zu werden. 

Ew. Excellenz habe ich mir erlaubt, ein Exemplar des soeben 
fertig gewordenen ersten Theiles der Biographie von York durch 
den Verleger zusenden zu lassen. Nicht ohne ein wenig Herz- 
klopfen erwarte ich Ihre Nachricht über das Buch, und ich kann 
nur bitten, dasselbe mit grosser Nachsicht lesen zu wollen. Ich 
habe den alten Peldherrn nie gesehen, meine Auffassung seines 
Wesens ist auf geradezu gelehrte Weise entstanden; — gleichsam 
ein Portrait nicht einmal nach einer Todtenmaske, sondern nach 
Erzählungen von Freunden und Feinden. Mir war es darum zu 
thun, die positiven Stärken dieses Charakters in sich zusammen- 
hängend zu sehen, sie gleichsam psychologisch zu erklären, wobei 
denn natürlich auch die Schwächen, ihren reichlichen Beitrag^ 
liefernd, weniger nach moralischen Kategorien gescholten, als in 
ihrer Zugehörigkeit mitgenommen wurden. Die Pertz'sche Art 
habe ich nicht eben zum Muster nehmen mögen. Am meisten war 
mir darum zu thun, einmal einen preussischenTon anzuschlagen, 
welcher leider gar sehr in Vergessenheit gerathen ist. Ob man 
mir das in Berlin verzeihen wird, weiss ich nicht. 

Ew. Excellenz haben die Güte, mich an die Reise nach Ost- 
preussen zu mahnen. Wie gern wäre ich um den 8. April in Ma- 
rienburg, mich Ihnen vorzustellen. Aber in dem jammervollen 
Wirrwarr hiesiger Verhältnisse ist es unmöglich, auf 14 Tage voraus 
einen Plan zu fassen. 

Wahrscheinlich haben wir in nächster Woche hier Ungarn 
und Lombarden als Einquartirung und die bisherigen Erfahrungen 
mit diesen Wallensteinern sind nicht der Art, dass man Weib und 
Kind allein mit ihnen im Hause lassen möchte. Auch dürfte nach 
einer vorläufigen Anfrage die Bewilligung eines Urlaubes Seitens^ 
der jetzt hier regierenden Behörden nicht ganz unbedenklich sein,, 
und was des Jammers mehr ist. Wir sind hier eben ein unter- 
worfenes Land, das leider nicht unsinnig genug war, sich gegen 
die sog. deutschen Truppen widerspenstig zu zeigen, um es völlig: 

1) Christian Günther Graf von Bemstorff, geboren 1769 zu Kopen- 
hagen, gestorben 1835 zu Berlin, trat 1818 in preussische Dienste und 
wurde nach dem Aachener Congress Minister des Aeusseren. 



172 80. 81. Schön 1851. 

in der Manier des Herrn Eaynau^) zu behandeln, dem man es aber 
im Uebrigen beibringen zu wollen scheint, dass es doch eigentlich 
Gott danken müsste, wenn es nur erst wieder von den Dänen be- 
herrscht und ausgesogen wurde. 

Der ich in aufrichtigster Ehrerbietung verharre 
Ew. Excellenz ganz ergebenster 

Joh. Gust. Droysen. 
Kiel, d. 7. März 1851. 

80. Schön an Droysen. 

Prss. Amau den 8. März 51. 

In meinem Familienleben ist ein trauriges Ereigniss einge- 
treten, bey dem es nicht wahrscheinlich ist, dass ich in den ersten 
Tagen des künftigen Monats, nach Marienburg werde reisen können.*) 
Für den Fall, dass Ew. Wohlgeboren etwa Einleitungen treffen 
dürften, um meinen Wunsch wegen unserer Zusammenkunft in Ma- 
rienburg zu erfüllen, theile ich Ihnen das eben Geäusserte mit. 

Vielleicht, dass ich in der Woche nach Ostern die Reise nach 

Marienburg machen kann, darüber schreibe ich aber noch an Ew. 

Wohlgeboren. 

Schön. 

81. Schdn an Droysen. 

Prss. Amau, den 16. März 51. 

Ew. Wohlgebornen freundliches Schreiben vom 7^^ d. M. habe 
ich vor 3 Tagen erhalten, und danke für die Hoffnung, dass ich 
York's Leben erhalten werde. 

Um über Hardenberg mehr in's Klare zu kommen, schreibe 
ich schon heute. Wenn man Hardenberg mit dem Bilde eines voll- 
endeten Staats-Künstlers vergleicht, so entspricht er allerdings 
diesem Bilde nicht. Aber Wer von allen handelnden Staats-Män- 
nern entspricht diesem Bilde? Den Alten war der Staat nur ein 
Mittel zu Euhm und Macht. Der Staat als nothwendige Bedingung 
der Entwickelung jedes Individuums im Staate, als Vorbereitung 
zu einem höheren Leben war ihnen unbekannt. Der Sohn des 
Atheniensischen Bürgers ging mit Sklaven hinter sich, zur Schule^ 



1) Julius Jacob Freiherr von Hajoiau, die „Hyäne von Brescia**, 
Bastard Wilhelm's IX. von Hessen-Kassel, geboren zu Kassel 1786, gestor- 
ben als k. k. Feldzeugmeister a. D. 1853 zu Wien. 

2) Scbön'a zweite Frau, Auguste Amalie Henriette, geb. von Langenau, 
starb am 12. März 1851. 



81. Schön 1851. 173 

und von 60 Mensclien, da war nur Einer, der Anspruch darauf 
machte, Homo, nicht Res zu seyn. SuUy's Ziel war, nach Hein- 
rich IV., das Huhn im Topfe, statt, dass Klarheit im Kopfe und 
Reinheit im Herzen das Ziel hätte seyn sollen, alsdann sich das 
Huhn im Topfe, von selbst gefunden hätte. Colbert war nur ein 
bewusstloses Gewaltiges Werkzeug der Welt-Ordnung um den Feu- 
dalismus, durch sein System als Gegengift, zu stürzen, und dann 
selbst vertrieben zu werden. Chatham und sein Sohn William Pitt 
standen hoch, sehr hoch. Aber ob Beiden der Grosse Gang der 
Cultur klar vor Augen gestanden hat, ist mir zweifelhaft. Peel ent- 
spricht am meisten dem Bilde, welches Sie an Hardenberg anlegen. 
Er schrieb eigenhändig der Stadt Elbing:^) Man möge nicht glauben, 
dass er bey seinen Operationen bloss die materiellen Interessen im 
Auge habe, im Gegentheil käme es ihm besonders darauf an, die 
Verleitung zur Gesetzwidrigkeit, und also zum Verderben des Cha- 
rakters des Volkes, welche das Mercantil-System mit sich führt, 
zu vernichten, und so, das Volk von einer moralischen Krankheit 
zu befreien. Dies war ungefähr der Sinn seines Briefes. Harden- 
berg, wenn er in anderen Verhältnissen erzogen und gebildet wäre, 
würde fähig gewesen seyn, einen solchen Gedanken zu haben und 
ihm zu leben. Die Welt hatte ihm aber die Gabe, womit ihn der 
Himmel beschenkt hatte, geraubt, und trotzdem, fand jede Idee, 
jeder hohe oder Gute Gedanke bey ihm Anklang, wenn ihn auch 
Erziehung und Bildung unfähig gemacht hatten, den Gedanken zu 
halten und zu gestalten. Er war in dieser Hinsicht ein Gegenstück 
von Stein. Dieser wies nicht allein jede Idee von sich, sondern 
bemühte sich sogar, dagegen zu eyfern. Sein grösstes Scheltwort 
im Staats- Wesen war Metaphysikus. Das war ein vollendeter Goet- 
tinger! 

Specielles. 
Nicht Knesebeck im Februar 1812, sondern Scharnhorst traf 
die Verabredungen mit dem Kayser Alexander etwa im September 
1811. Nach unserer Zusammenkunft in Wehlau, fuhr Scharnhorst 
zum Minister Grafen Dohna und verschwand da. Er ging unter 
einem anderen Namen, Petersburg vermeidend, nach Zarskoje Selo. 
Dies geschah mit Vorwissen und nach dem Willen von Harden- 
berg. So geheim die Sache gehalten wurde, so muss doch ein Ver- 
dacht bey den Franzosen entstanden seyn, denn Scharnhorst sollte 

1) Vgl. Vierteljahrsschrift für Volkswirth8clia.ft \3l. ^.-Nf^. ^^.\X:^^. 
(17. Jahrgang 2. Bd. 1880) S. 76 ff. 



174 81. Schön 1851. 

in Breslau leben, und um jeden Verdacht zu entfernen, wählte man, 
auch mit Vorwissen und nach dem Verlangen von Hardenberg, 
Knesebeck zur weiteren Verhandlung mit Russland. Knesebeck 
hatte sich nehmlich, ungeachtet er als treuer Preusse gegen Na- 
poleon war, häufig nachtheilig über das Bussische Treiben ge- 
äussert. York, vermuthe ich, war damals, mit dem Gange der 
Dinge ganz unbekannt, wie auch, ein Gespräch mit ihm, im Januar 
oder Februar 1812 mir zeigte. In Bautzen war nur von militairischen 
Operationen die Rede, aber auch da war Hardenberg. In Trachen- 
berg kam es nur darauf an, dafür zu sorgen, dass Nichts zu Stande 
kam, und dazu war Knesebeck ganz geeignet. Der Kayser wollte 
persönlich den Krieg fortgeführt haben, die Russischen Truppen 
sehnten sich aber nach Hause, und so waren alle Knesebeck'schen 
Bedenken beim weiteren Rückzuge oder vollends beim Frieden, 
sehr erwünscht. Knesebeck hat Nichts zugesagt, wozu er nicht von 
Jffardenberg beauftragt war, und wenn die Zusagen nicht alle er- 
füllt seyn sollten (wovon ich Nichts weiss), dann ist der König 
Schuld. So viel ich weiss, haben wir, nach Hardenberg's Willen, 
.mehr erfüllt, als zugesagt war. Wir stellten mehr Truppen in's 
Feld als wir versprochen hatten, aber, im Gegentheil hatte sich 
knesebeck über die Stärke der Russen täuschen lassen. Knesebeck 
war ein Mann, der 50 procent mehr gelernt hatte, als ihm Kopf 
:zu Theil geworden war. Er war ein erklärter Gegner gegen 
Schamhorst und gegen unsere Gesetzgebung von 1807 — 1809. Er 
trat in Breslau, gegen unsere Landwehr auf. Er hatte Alles ge- 
lernt. Er war ein militairischer Goettinger. Stein sagte: ihm 
käme ein Erbrechen an, wenn bey militairischen Verhandlungen, 
Knesebeck immer mit der triangulirten Land-Karte ankäme, und 
immer ausser sich werden wollte, wenn man nur entfernt die Ab- 
sicht habe, von der Hypotenuse abzugehen. Dabey war Knesebeck 
ein braver, ehrlicher MannI Der Russische Kayser gab ihm, wie 
er Jedem that, freundliche Worte, aber als Knesebeck in Kaiisch, 
nach seiner Hardenberg'schen Instruction, als selbststän- 
diger Preusse sprechen wollte, da liess Alexander alle liebliche 
jRedens- Arten fallen, und schickte den confusen Abgesandten zurück. 
Schamhorst machte zum Glück noch Alles gut. 

Von den Genter Verhandlungen ist Hardenberg ohne Zweifel 
vollkommen unterrichtet gewesen. Aber sein Abscheu gegen die 
Bourbona irar m gross, dass er Nichts Kluges da erwartete, und 
sieb lieber frey erhielt. 



82. Schön 1851. 175 

Summa Summarum: 

Hardenberg hatte die Anlage zu einem Grossen, Edlen Cha- 
rakter. Die Welt verhinderte ihn, diesen zu entwickeln und zu 
gestalten. Den Sinn für das Hohe und Erhabene, für das Edele 
und für das Schöne konnte sie aber doch in ihm nicht vertillgen. 

York und Hardenberg waren entgegengesetzte Charaktere. 
Hardenberg wollte, bey einem hohen Sinne die ganze Welt mit 
Wohlwollen umfassen. York speculierte nur auf das radicale 
Böse. Hardenberg hatte keinen Sinn für Erwerb und ßeichthum, 
York machte aus seinem Streben darnach kein Hehl. Hardenberg 
starb bankrott, York mit einem grösseren Beichthum als ihm zuge- 
dacht war. Die Naturen beider Männer waren so widerstreitend, 
dass die Anhänger Hardenberges, Scharnhorst, Gneisenau, GroU- 
mann,^) welche York nahe nicht kannten, mit ihm nichts zu thun 

haben wollten. 

Für jetzt Genug! 

Schön. 

82. Schön an Droysen.^) 

Bald nach dem Abgange meines letzten Briefes erhielt ich 
Ew. Wohlgeboren schönes Geschenk in York's Leben. 

Mit hohem Interesse habe ich dieses Buch gelesen, die Art 
der Darstellung ist darin anziehend, die Charakteristik nach den 
Notizen, welche nur vorgelegen haben, treu, und indem ich 
meine Kenntniss der Person dazufügte, so anschaulich gehalten, 
dass ich an vielen, ja! an den meisten Stellen York mit seinem 
Vogelgesichte, mit seinem Bemühen: anders zu scheinen als er war 
und mit seinem Erheben über die Welt, leibhaftig vor mir stehen 
sah. Dabei musste ich aber an einigen Stellen bedauern, dass Ew. 
Wohlgeboren nicht mehr Notizen zugekommen sind, durch welche 
nicht allein die Charakteristik vollkommener geworden, sondern 
auch einzelne Thatsachen klarer hervorgetreten sein würden. 

Ich nehme an, dass, wie die Pertz'sche Schrift über Stein schon 
eine zweite Auflage fordert, die Ihrige über York auch bald eine 
solche verlangen wird und für diesen Fall halte ich mich für ver- 
bunden, Ihnen folgendes ergebenst mitzutheilen: 



1) General Karl Wilhelm Georg Grolmann, geboren 1777 zu Berlin, 
gestorben 1843» 

2) Dictirt. 



176 82. Schön 1851. 

1. Das unter der Firma von Stein bekannt gewordene soge- 
nannte politische Testament vom J. 1808 zeigt, dass ich bei einem ge- 
wissen Kulturzustande des Volks zu dessen Entwickelung einen 
Adel für nothwendig halte. Die Stellung eines solchen Adels war 
damals von uns in einer Adels-Constitution entwickelt. Moralisch- 
politische Realität war die Basis des Standes und alles was nicht 
zu diesem hohen Bilde politisch-moralischer Würdigkeit passte, und 
nicht unbedingt nothwendig war, sollte von ihm entfernt bleiben, 
z. B. jedes Scheinleben.*) 

York's Leben seit dem Jahre 1806 fiel in eine Zeit, in welcher 
sich ein Adel nach dieser Theorie bilden konnte, und daher scheint 
es mir angemessener, wenn auf dem Bande des Buchs statt des 
prahlenden goldenen Grafen- Wappens eine Gestaltung der Idee der 
Tapferkeit angebracht wäre, welche dabei das York'sche Wappen 
zu ihren Füssen haben könnte. 

Dazu kommt, dass dies Wappen in sich nicht construirt zu 
sein scheint. Der Kopf auf dem Mittelhelm ist unverständlich. 
Soll er etwa der berüchtigte Kopf der Tempel-Herrn sein? Ver- 
muthlich soll das Mittelschild das Wappen der Grafen Hardwicke 
sein, dann liegt aber Täuschung zum Grunde, von welcher 

2. der Biograph zwar Kenntniss nehmen soll; aber als That- 
sache sie nicht hinstellen darf. Im Buche selbst ist zwar die eng- 
lische Abkunft als Sage behandelt und als solche gehörte sie aller- 
dings in die Biographie, aber da, wo das Gegentheil beinahe 
mathematisch bewiesen ist, da, erlauben Sie mir diese Äusserung, 
durfte der Biograph die erwiesene Thatsache nicht mit Stillschwei- 
gen übergehen. Die Briefe von York's Vater an seinen Bruder 
Jorek Gusewski in einem Dorfe zwischen Danzig und Neustadt, 
welche in den Händen des Sohnes dieses Bruders waren, habe ich 
selbst gelesen. Die Geheime Kriegs-Kanzlei in Berlin hat bezeugt, 
dass ein Fähnrich Jorck (nicht York) in der Garde gestanden habe 
und in ein Garnison-Regiment versetzt sey, die in Königsberg her- 
auskommenden Preusss.-Provinzial- Blätter haben vor etwa zwei 
Jahren in einem besonderen Aufsatze diese Abstammung York's als 
Jorek Gusewsky ausführlich nachgewiesen.^) Diese unangreifbaren 
Notizen dürfte der Biograph meines Erachtens nicht unbenutzt 
lassen, um so weniger, da York als Nachkomme der Hardwicke'g 



1) Die letzte Zeile eigenhändig von Schön hinzugefügt. 

2) Vgl. oben S. 115. 



82. Schön 1851. 177 

nur Glied einer Kette ist, als Stammvater und Träger der Idee 
der Tapferkeit in einem bis dahin unscheinbaren Geschlechte un- 
gleich höher zu stehen gekommen wäre. 

3t Der Brief, in welchem York die Stelle eines Gouverneurs 
des Kronprinzen^) ablehnt, ist mir unbegreiflich; — Ich habe viel 
mit York gesprochen, ich habe viel von ihm gehört, ich habe 
manches von ihm gelesen, ich habe ihn handeln gesehen, aber ich 
habe in diesem Allen kein Zeichen der geistigen Entwickelung ge- 
funden, welche dieser Brief bei seinem Verfasser voraussetzt. — 
Ich kann nicht errathen, wer die Materialien zu diesem Briefe ge- 
liefert haben mag. York lebte damals in Königsberg, in voller 
Opposition mit den Männern, welche geistiges Leben in unser 
Volk zu bringen bemüht waren, und der Brief an den General 
Köckritz*) zeigt dagegen, dass ein Mann, welcher geistig so ent- 
wickelt ist, unmöglich sich mit den gedankenlosen Vertheidigern der 
gemeinen früheren Zeit hätte verbinden können. Selbst wenn man 
die durch Eitelkeit veranlasste hohe Aufregung in Betracht zieht, 
in welcher York deshalb war, dass man ihn bei Aufstellung und 
Ausführung der grossen Staatspläne nicht zuzog, dann würde ein 
Mann, der einen Brief, wie den an Köckritz schreiben kann, doch 
unmöglich mit einem Manne, wie Köckritz war, und mit den da- 
maligen Vertheidigern des früheren gemeinen Wesens Hand in 
Hand gehen können. 

4. In dem Buche ist zwar mehrmals angedeutet, dass York 
als Staatsmann nicht entwickelt gewesen sey, aber da sein Bild in 
anderer Hinsicht leuchtend dasteht, so wird seine Unkultur in 
Staatsangelegenheiten dadurch einigermassen übertüncht, und hier- 
nach dürfte es rathsam* gewesen sein, hinter der York'schen Kritik 
über unsere Gesetzgebung von 1807 — 9, das tief verwerfliche der- 
selben wenigstens anzudeuten. Jetzt werden alle machthabenden 
Lobredner der Zeit 1760 — 1806 sich auf York's Meinung berufen. 
Eadowitz,^) der in seiner letzten Schrift die Nothwendigkeit einer 



1) Droysen, Leben York's I S. 193 ff. (1. Aufl.). 

2) Eben jenes ablehnende Schreiben. General Karl Leopold von 
Köckeritz (gestorben 1821) war ein vertrauter Freund Friedrich Wilhelms m. 

3) Joseph Maria von Radowitz, der nahe Freund Friedrich Wil- 
helms rV., geboren 1797 zu Blankenburg am Harz, seit 1824 im preussischen 
Heere, 1848/49 Mitglied des Frankfurter Parlaments, 1850 Minister des 
Aeusseren, gestorben zu Berlin 1853. Seine „Neuen Gespräche aus der 
Gegenwart** waren 1851 erschienen. 



178 82. Schön 1851. 

Leibeigenschaft schon andeutet, wird dies nun mit York's Meinung 
belegen, die Ultra-Aristokraten werden York als Bibelspruch an- 
führen und alle Lobredner der früheren Zeit werden frohlocken. 

Enthielte die Biographie kein Raisonnement, welches allerdings 
ein Widerspruch in sich wäre, dann könnte die York'sche Äusse- 
rung über unaere Gesetzgebung von 1807 — 9 als Bild einer ge- 
meinen Zeit dastehen; da aber Ihre Biographie, eine wirkliche 
Biographie, und in der Majorität der Bilder und der Scenen eine 
vorzügliche Biographie ist, da denke ich, müsste der Biograph das 
Schmutzbild, wie es York hier aufgestellt hat, ausdrücklich in die 
Rumpelkammer zurückwerfen, wohin es gehört. Dies scheint mir 
um so mehr hier erforderlich gewesen zu sein, da ich dieses Bild 
nicht als Produkt des Geistes von York betrachte, sondern nur als 
Art der Wuth ansehe, welche in ihm deshalb kochte, dass man ihn 
bei Aufstellung der neuen Staatsprincipien unberücksichtigt liess. 

6. Ueber Knesebeck und dessen Kriegsplan hat der 3^ Band 
von Stein's Leben^) die richtige Auskunft gegeben. Das Reclamiren 
des Gedankens über die Art der Russischen Kriegsführung im J. 
1812 scheint mir dem ähnlich, als wenn Jemand einen Werth 
darauf setzen wollte, nach einem Gewitter zuerst gutes Wetter 
prophezeit zu haben. Bei der Schwäche, welche in der Russischen 
Armee ihrem Wesen nach liegt, blieb nichts anderes übrig, als den 
Feind in Wüsteneien zu locken, und dadurch zu lähmen. Bei der 
Russischen Armee selbst wusste man nur, dass der Gedanke des 
Zurückzuges bis hinter Smolensk von dem General v. PhulP) komme, 
und dieser wurde bekanntlich dadurch so verhasst, dass er sich 
von den Armee zu entfernen und zu verbergen genöthigt war, und 
dass sein Namens- Vetter Pfuel,^) unser jetziger General, seinen 
Namen ablegen und den Namen Gielsdorf annehmen musste, um 
nur nicht von den Russen massakrirt zu werden. Den Gedanken 
der russischen Retirade hat gewiss auch Knesebeck gehabt, aber 



1) Pertz, Leben Stein's III S. 64 ff. 582. 

2) Karl Ludwig August von Phull, geboren 1757 zu Ludwigsburg, 
gestorben 1826 zu Stuttgart, war 1777 in preussische, 1807 in russische 
Kriegsdienste gegangen, damals der „militärische Gewissensdirector" 
Alexanders I. 

3) General Ernst Heinrich Adolf von Pfuel, geboren 1797 zu Jahns- 
felde in der Mark, gestorben 1866 zu Berlin, hatte 1806 unter Blücher ge- 
fochten, trat 1809 in österreichische, 1812 in russische Kriegsdienste, 1815 

wieder in preussische. Er war von Ende September bis Anfang November 
1848 Ministerpräsident. 



82. Schön 1851. 179 

unter hundert gebildeten Männern hatten ihn damals gewiss auch 
neunundneunzig zu eben der Zeit. 

6. Die Geschichte der Ordre an den Kommandanten zu Pillau, 
auf den französischen Kaper, Feuer geben zu lassen, ist eine der 
dunkelsten im Leben York's. — York wusste so gut wie wir alle 
es wussten, dass zu unserer Vereinigung mit Oestreich gegen 
Prankreich alles vorbereitet sey und dass man sich nur darnach 
sehnte, eine Gewaltthat französischer Seits zu haben, auf welche 
man sich stützen konnte. Dazu kam, dass wir als selbstständige 
Macht keinen erklärten Krieg mit England hatten, also völker- 
rechtlich keine Kapereien in unsern Häfen dulden durften. Statt 
dieses bei der Ordre an den Kommandanten zu Pillau zu beachten, 
liess York seinem damaligen Groll gegen Scharnhorst, Gneisenau 
und gegen uns alle, die wir damals als Repräsentanten der bessern 
Zeit dastanden, in dem Grade freien Lauf, dass er, auch dadurch 
aufgeregt, dass die Ordre nicht durch ihn gegangen war, statt 
Scharnhorst seine etwaigen Bedenken vorzustellen, durch Köckritz, 
dem damaligen blinden Werkzeuge der finsteren Parthei, sich un- 
mittelbar an den König drängte und dort den König gegen Scharn- 
horst dermaassen aufregte, dass der König in Ausdrücken, welche 
bis an die äusserste Grenze der Konvenienz gingen, Scharnhorst 
mit Vorwürfen überhäufte, so dass dieser davon ein Nervenfieber 
bekam und dass wir in der grössten Besorgniss waren, unseren 
grossen Freund zu verlieren. Dieses Ereigniss ist ein sehr dunkler 
Schatten in York's Leben. ^) 

7. S. 491 sagt, dass York ohne Autorisation, eigenmächtig 
und wenn nicht gegen die ausdrückliche, so doch gegen die wahr- 
scheinliche Willensmeinung des Königs gehandelt habe. 

Bei dieser Stelle habe ich in meinem Exemplar ein grosses 
Fragezeichen gemacht, und bedaure, dass mir diese Stelle vor dem 
Abdruck nicht zur Erklärung zugekommen ist. 

York stand den Russen gegenüber im Auslande, und ich stand 
im Lande, auf dem entscheidenden Punkte. Alles was mir von 
Berlin zukam, ergab mir klar, dass der erste Moment der Mög- 
lichkeit vom französischen Joche sich zu befreien dem Könige der 
wünschenswertheste sei. Ein Bruch ohne alle äussere Nothwendig- 
keit widerstrebte zwar dem rechtlichen Charakter des Königs, aber 
es lag in der Natur der Sache, dass er mit Sehnsucht die Umstände 



1) Vgl. Droysen, Leben York's I S. 219 (1. Aufl.) und oben S. ^^, 



180 82. Schön 1851. 

herbeiwünschte, bei denen auch nur entfernt die Abschüttelung des 
Jochs sich entschuldigen Hesse. Alle meine Vorschläge, welche ich 
nach dieser Ansicht der Sache machte, wurden nicht allein unbe- 
dingt, sondern überreichlich genehmigt. York hatte, so viel ich 
weiss, dieselbe Ansicht der Sache. In Tilsit, unmittelbar nach der 
Kapitulation, theilte er mir mit, dass er dem General Essen bei 
dessen Aufforderung zum Uebertritt geantwortet habe:^) Dies müsse 
sich militairisch erst entschuldigen lassen. Er äusserte ferner: 
Dass als Macdonald auf dem Bückzuge ihm das Kommando der 
Arriere-Garde übertragen habe, er ausgerufen hätte: Bon Voyagel, 
mich siehst Du nicht wieder! Und was nun vollends die Sache klar 
stellt, ist: dass Seidlitz mir selbst gesagt hat: der König habe 
bei der Abfertigung ihn beauftragt, dem General York zu 
sagen: Er möge nach seiner Ueberzeugung handeln, aber 
seine (des Königs) Person schonen. Dies war doch sehr deutlich.^ 

Den Bericht an den König mit dem Sandhügel, betrachtete 
York selbst nur als ein Scheinbild, denn er las ihn in Tilsit Jedem 
vor, der ihm nahe kam. 

8. Der General Massenbach, welcher nach der Kapitulation 
noch unmittelbar unter Macdonald in Tilsit stand, war ein aner- 
kannt schwacher Mann, den York, wie dieser mir selbst sagte, nur 
durch die unbedingte militairische Ordre zum Abmarsch glaubte 
veranlassen zu können. Die Ordre, so kategorisch sie gestellt 
war, hatte aber nur die Folge, dass Massenbach darüber total den 
Kopf verlor. Zum Glück war in dem Momente der Graf v. Lehn- 
dorflP) ohne irgend ein Dienstverhältniss in Tilsit. Diesem ver- 
traute Massenbach sich an und Lehndorff leitete die Sache so gut 
wie sie geworden ist. Namentlich ist der Brief von Massenbach 
an Macdonald über den Abmarsch, so wenig er aus Massenbach's 
Kopfe entstehen konnte, vonLehndorflf aufgesetzt und von Massen- 
bach nur unterschrieben. 

Betrachten Ew. Wohlgeboren alles das, was ich Ihnen hier 

mitgetheilt habe, als ein Zeichen meiner Achtung gegen Sie. — 

Ihr Buch ist gut, ja vorzüglich und weil ich es als solches erkenne, 

werden Sie den Wunsch natürlich finden, dass jeder Schatten von 

ihm entfernt bliebe. 

Preuss. Arnau den 22. März 1851. 

1) Vgl. oben S. 163. 
2) Vergl oben S. 164 £. 
3) Karl Or&f von Lehndorff-StemoTt, ^^^ioxeii Yll^, ^^%\.Q^^Ti. \^5A. 



82. Schön 1851. 181 

Den 23. März. 

9. Diebitsch versicherte Vor der Kapitulation, dass der Pass 
bei Schilluppischken auf dem Wege von Tilsit nach Koenigsberg 
besetzt, uud dadurch Macdonald umstellt sey. Der Eussische Ge- 
neral, welcher diesen Pass stark besetzen sollte, hatte aber die 
Ordre so verstanden, dass er nicht Schilluppischken, sondern Krau- 
pischken, in einer ganz andern Richtung besetzen solle. Dies 
Missverständniss löste sich erst auf, nachdem Macdonald mit seinem 
ganzen Corps den Pass bei Schilluppischken schon passirt und einen 
Marsch nach Koenigsberg zu voraus war. Hätte das Missverständ- 
niss nicht stattgefunden, dann musste Macdonald entweder das 
Gewehr strecken, oder mit einem grossen Verlust sich durchzu- 
schlagen suchen. Das letzte war bei dem sehr tiefen Schnee rechts 
und links der Strasse beinahe unmöglich und so kann man an- 
nehmen, dass Macdonald bei Schilluppischken hätte kapituliren 
müssen. Kam das Macdonald'sche Corps, wie jetzt durch das Miss- 
verständniss der Fall war, nicht nach Danzig, alsdann war Danzig 
ohne zureichende Besatzung. Es konnte sich dann nicht vier Wochen 
lang halten, das Preussisch-Russische Belagerungs Corps von 30000 
Mann vor Danzig, konnte am Ende des Waflfenstillstandes an der 
unteren Elbe sein und die Rückzugslinie von Napoleon abschneiden, 
wenn Napoleon nicht früher seinen Rückzug antrat. Alsdann gab 
es keine Schlacht von Dresden, an der Katzbach, Dennewitz etc. 
und vollends keine Schlacht von Leipzig. Und wir hätten eine 
ganz andere Kriegsgeschichte.^) 



Als*) ich in Pertz' 3^" Band p. 292 den Brief von York, wahr- 
scheinlich an Scharnhorst, las, in welchem York schreibt, dass es 
ihm Mühe gekostet habe, Stein von Eröffnung der ständischen Ver- 
sammlung abzuhalten, habe ich über diese grelle Lüge laut auf- 
lachen müssen, ich sehe York dabey vor mir stehen, mit dem 
pfiffigsten Gesicht voll von Freude, die Sache auf diese Art, zu 
seiner Sicherung gedreht zu haben. Wahrscheinlich finde ich noch, 
unter meinen alten Papieren, specielle Notizen über diese Sache. 
Die Theologen haben in ihrer Pastoral-Theologie ein besonderes 
Kapitel: Politica pastoralis. So hatte York seine Politica militaris 
mit einem sehr reichlichen Inhalte. Die Lehre vom Schein, hatte 
er von Grund aus studirt, und dabey konnte es natürlich 

1) Vergl. oben S. 109 die Auseinandersetzung zu dem Buche von Friccius. 

2) Von hier ab eigenhändig. Zu dem folgenden vgl. oben S. 88 f. 



182 83. Droysen 1851. 

auf mehr oder weniger Wahrheit, nicht ankommen. Sein Lebens- 
gang hatte ihn erbittert gegen alle Menschen gemacht, und 
daraus folgte, dass Täuschung im Benehmen zu Anderen immer 
vorwaltete. Er war ein unglücklicher in sich zerrissener Mann! 
Vielleicht als Folge der Lüge von seiner Abstammung. Dass er 
diese kannte, und dass er wusste, dass er nicht York hiess, geht 
daraus hervor, dass er sich einmal vergass, zu sagen: Er sey auch 
ein Pommerl (Rehda liegt in Pomerellen).^) Doch Sey Friede mit ihm! 

Schön. 

83. Droysen an Schön. 

Hochverehrter Herr Minister! 

Ew. Fxcellenz beeile ich mich, meinen Dank für die ein- 
gehende Kritik des ersten Theiles der York'schen Biographie zu 
sagen und bitte um die Erlaubniss, einiges entgegnen zu dürfen. 

Es war allerdings für mich nicht eben bequem, einem Charakter, 
mit dessen Anschauungsweise ich mich sehr oft in prinzipiellem 
Gegensatz befand, gerecht zu werden. Ich glaubte meine Ansicht 
allerdings nicht verleugnen zu dürfen, aber zugleich darauf alle 
Aufmerksamkeit wenden zu müssen, dass die Auffassungen und 
Meinungen York's als zusammenhängend mit seiner ganzen Art und 
mit den Tüchtigkeiten seines Charakters erschienen und darin die- 
jenige Rechtfertigung erhielten, die ihnen der Biograph schuldet, 
die der snbjectiven Wahrheit, Portrait-Wahrheit. 

Ich würde dieser etwas sehr wesentliches entzogen haben, 
hätte ich die Briefe, welche über die grosse Legislation von 1808 
handeln, fortgelassen; und ich denke, iah habe denselben ein 
Minuszeichen vorgesetzt, welches hinreicht, das, was die eigene 
Flachheit dieser Schreiben nicht auswischt, bedeutungslos zu machen. 

Es ist nicht klar, ob York an seine englische Abkunft ge- 
glaubt hat oder nicht. In diesem Punkte und in ähnlichen traue 
ich seiner Wahrheitsliebe nicht viel, aber gewiss ist, dass sein 
Wappen — das Andreas-Kreuz, der Löwenkopf als Helmzier und 
die Devise — das der Earls von Hardwicke ist, dass es abweicht 
von dem der alten pommerschen Familie von Jorcke, und dass ein 
Fräulein dieses Namens noch in den achtziger Jahren des vorigen 
Jahrhunderts noch einen Gutsantheil an dem Gute Gustkow oder 
Gastkow bei Bütow, auf das sich der bald Gusewsky bald Gast- 



1) Vgl oben S. 120. 



83. Droysen 1851. 183 

kowsky geschriebene Name bezieht, gehabt hat. Ich habe am 
Schluss des Vorwortes angedeutet, dass ich auf die Frage von der 
Herkunft der Familie zurückkommen würde; es wird geschehen bei 
Erwähnung des Schreibens von dem Ludwig Kreflft aus Gelingen 
der sich 1827 bei York als Verwandter meldete.^) Es fehlen mir 
nur zum Abschluss der Untersuchung noch einige Data aus Pomme- 
rellen, die ich erwarte. 

Allerdings ist das Schreiben York's an Köckeritz wegen Ueber- 
nahme einer Stelle als Gouverneur des Kronprinzen sehr merk- 
würdig. Das Concept, das mir vorgelegen, ist von York's eigener 
Hand ohne viele Correkturen. Eine Reihe von Briefen York's an 
seine Söhne zeigen, dass er allerdings der grossartigsten Fassungen, 
der überraschendsten Combinationen, des mächtigsten Gedanken- 
ausdrnckes fähig war. Es ist auch nicht einen Augenblick daran 
zu denken, dass ihm dieser äusserlich an Köckeritz, in Wahrheit 
an den König adressirte und demselben zum Spiegel bestimmte 
Brief — das letztere sieht man aus Kleist's Notiz — nicht voll- 
ständigst der Form wie dem Inhalt nach zugehören sollte. 

Ueber Knesebeck suspendire ich noch mein ürtheil. Ein 
flüchtiger Blick in seine Papiere hat mich ganz ungemein über- 
rascht. Kannte ich früher von ihm nur sein Verfahren gegen Gnei- 
senau in der Demagogenzeit — so zeigte mir seine Correspondenz 
namentlich von 1813/15 einen Mann sehr anderer Art und aller- 
dings am wenigsten einen solchen, wie ihn Peii;z in seinem 3. Theil 
von Stein schildert. 

Ungemein lehrreich sind mir Ew. Excellenz Mittheilungen über 
Pillau, über Graf Lehndorflf. Gewiss ist in dem Verhältniss des 
Königs zu Yorks entscheidendem Schritt noch vieles aufzuklären. 
Es wäre unschätzbar, wenn sich unter Ew. Excellenz Papieren 
noch diejenigen vorfänden, auf welche Sie sich bezogen, als Sie 
am 4. Januar 1813 an York schrieben: von Berlin schreibt man 
mir: der König ist decidirü und es werden nur noch Formalitäten 
wegen Augereau berichtigt u. s. w. Von Graf Brandenburg, der 
am 20. December Berlin verliess, von Graf Henkel, der am 2. Ja- 
nuar ankam, habe ich die ausdrücklichen Angaben, dass sie den 
König nichts weniger als decidirt gefunden, dass nur von der 
östreichischen Negoziation die Rede gewesen sei u. s. w. Ew. Ex- 
cellenz sprachen sowohl Seydlitz wie York erst nach dem ent- 



1) S. Droysen, Leben York's m S. 45^ 0^. kx^:^. 



184 84. Droysen 1851. 

scheidenden Schritt und ich vermag nicht zu sagen, wie weit beide 
der Wahrheit streng getreu in ihren Aeusserungen gegen Sie ge- 
blieben sind. 

Doch genug der Rechtfertigungen oder Entschuldigungen für 
mich. Ich hoffe sie demnächst persönlich fortzusetzen. 

Denn allerdings hoffe ich noch im Laufe dieses Monats diesen 
meinen sehnlichen Wunsch erfüllt zu sehen. Ich werde etwa um 
den 20. April in Königsberg sein können, da es, wie augenblick- 
lich die Dinge hier stehen, nicht mehr zu besorgen ist, dass meiner 
Abreise von hier am 15. April noch neue Schwierigkeiten erwachsen. 
Ich werde dann etwa 12 Tage^) in Ew. Excellenz Nähe sein können. 
Es würde mir von dem grössten Werthe sein, in dieser Zeit die 
Landtags-Akten von 1813, sowie die sonstigen auf York bezüglichen 
Papiere einsehen und excerpiren zu können und ich darf mich an 
Ew. Excellenz Güte mit der Bitte wenden, mir in diesen Beziehungen 
Vorschub leisten zu wollen. 

Der ich in wahrhafter Verehrung verharre 

Ew. Excellenz ganz ergebener 

Joh. Gust. Droysen. 
Kiel, den 6. April 1851. 

84. Droysen an Schön. 

Hochverehrter Herr Minister! 

Ew. Excellenz wollen mich entschuldigen, wenn ich erst heut 
den wahrhaften und innigen Dank wiederhole, zu dem mich Dero 
überaus grosse Güte verpflichtet hat. Sie gesehen und gesprochen 
zu haben, wird hinfort in meinen Erinnerungen ein hellster 
Punkt sein. 

Allerlei Leiden im häuslichen Kreise, allerlei Aergerniss in 
den öffentlichen Verhältnissen erwarteten mich bei meiner Rückkehr 
nach Kiel. Sodann nahm mich der Anfang der Vorlesungen in 
Anspruch. Nie habe ich meine Vorträge mit so viel Freude, so 
viel innerer Spannung gelesen. Es hat etwas Erhebendes, diese 
trefflichen jungen Leute nach so traurig vergeblichem Kriege, theil- 
weise verstümmelt, alle gebräunt und gereift, alle voll Durst nach 
Wissenschaft, vor sich zu sehen. Es sind nur einige zwanzig, mit 
denen ich unmittelbar zu schaffen habe; aber sie sind dazu ange- 
than, dem Lande eine Phalanx zu werden. Hat man ihnen das 



1) Nach einem Brief Schön's an Gart v. Bardeleben war Droysen am 
23. April 1851 in Preussisch-Arnau. 



84. Droysen 1851. 185 

Schwert der Vaterlandsvertheidigung aus den Händen gewunden, 
sie wissen auch das Schwert der Gedanken nicht minder rühmlich 
zu führen. Es ist in dem tiefen Unglück unseres Landes und 
Volks ein Adel, ein Ernst, eine sittliche Schönheit, in der eine 
grosse Verheissung liegt. Aber es ist bitter, wie wir — denn auch 
Schleswig sind wir — leiden müssen. Es liegt eine Verordnung 
für Schleswig vor mir, welche befiehlt, dass Jeder Königliche 
Officiere und Beamte grüssen müsse, aber — so heissst es wört- 
lich — nicht cavalierer Weise, sondern so, dass die Kopfbedeckung 
mit der Hand bis an den Schenkel hinabgeführt wird. Ist der- 
gleichen Unsinn auch durch Übermass Gegengift gegen sich selbst, 
so bleibt es doch schmachvoll, dass so deutsche Menschen behandelt 
werden. 

Ew. Excellenz werden schon wissen, dass die Nachricht von 
meinem Besuch in Aman in gewissen Kreisen Berlin's Aufmerk- 
samkeit erregt hat. Man hat mich merken lassen, dass überhaupt 
die jetzt in Mode kommenden geschichtlichen Aufklärungen in 
nicht geringem Masse bedenklich seien und dass Ew. Excellenz 
hochbedeutende und eigenthümliche Stellung in der Monarchie wohl 
nicht so ohne Weiteres Gegenstand historischer Darstellung zu 
werden geeignet sei. Ich finde solche Sorgen sehr erklärlich. 
Die Geschichte der letzten 60 Jahre dieser Monarchie ist ein Kampf, 
der lange im Stillen und nur in den höchsten Regionen geführt, 
jetzt denen die Gewalt überwiesen hat, deren trübe selbst- 
süchtige und engherzige Tendenzen, so oft sie zur Macht gelangten, 
den Staat an den Band des Verderbens geführt haben. Diesen 
gegenüber haben die Ideen gestanden, in denen der Staat ge- 
gründet und erwachsen ist, Ideen, die in dem Masse schärfer und 
reiner ausgeprägt worden, als die Wissenschaft sich ihrer be- 
mächtigte und sie mit den höchsten Aufgaben der Vernunft in Zu- 
sammenhang setzte. Ew. Excellenz Leben, ausgehend von dem 
Studium Kant's und den Erfahrungen des englischen Staatslebens 
hat in dem Vorkampf eben jener Idee stehend, ein bei Weitem 
nicht bloss biographisches Interesse. Es darstellend, würde man 
jenen innem Kampf des Staates entwickeln, und das von dem 
Standpunkt der Betrachtung aus, den ein so gegründetes und ver- 
wandtes Leben gebietet. Weder York's noch Stein's Biographien 
haben diese Wucht eines gestaltenden, unverrückbar festgehaltenen, 
mit Bewusstsein durchgeführten Gedankens, da sind Kräfte, 
Leidenschaften, Vortreflflichkeiten mancher Art, aber nur hin und 



186 85. Schön 1851. 

wieder, man möchte sagen zufällig und beiläufig streifen sie den 
Lebensnerv dieses Staates und seiner Geschichte. Hab' ich irgend 
von Ew. Excellenz Art und Vergangenheit ein richtiges Bild ge- 
wonnen, so begreife ich die Sorge der jetzt Mächtigen, dass eine 
Darstellung, wie sie sie beabsichtigt glauben, für sie selbst ein 
Spiegel und zwar ein eben nicht schmeichelnder sein dürfte. 

Je mehr ich mich in die Verhältnisse der ersten Monate von 
1813 hineinstudiere, desto grossartiger und erstaunungswürdiger er- 
scheinen sie mir. Freilich muss man dann die Dinge, namentlich 
die Königsbergischen, nicht in so engherziger und rechthaberischer 
Weise behandeln, wie Pertz gethan. Möchte es mir gelingen, das 
vortreffliche Material, das ich namentlich durch Ew. Excellenz 
Güte bereits habe — in einigermassen angemessener Weise zu 
verarbeiten. 

Freilich bleiben da manche untergeordnete Fragen zu erle- 
digen. Ew. Excellenz gestatten mir, eine höchst auffallende An- 
gabe in dem Tagebuch des Landhofmeisters v. Auerswald Ihnen zu 
gütiger Beurtheilung vorzulegen. Auerswald berichtet am 22. Ja- 
nuar Steins Ankunft: „will die Administration für russische Zwecke 
übernehmen, was ich nicht zugebe." Sodann am 23. Januar: „in 
Aufforderung von York berufe ich unter meiner Verantwortlichkeit 
als königlicher Commissarius einen Landtag zum 5. Februar." End- 
lich unter dem 24. Januar: „Stein genehmigt den Landtag. Ich 
erlasse die Ausschreibungen u. s. w." Es ist doch kaum glaublich, 
dass Auerswald in seinem Privattagebuch fehlerhafte Angaben nie- 
dergeschrieben habe; aber von welchem Gesichtspunkt aus könn ;n 
die hier mitgeteilten richtig sein? Das Schreiben Stein's an Auers- 
wald, ihn zur Berufung eines Landtags aufzufordern, datirt vom 
22. Januar (Pertz III, p. 274). Vielleicht wissen Ew. Excellenz 
diese sonderbaren Widersprüche zu deuten. 

Indem ich mich Ew. Excellenz und den hochverehrten Ihrigen 
auf das Angelegentlichste empfehle, verharre ich in treuster und 
innigster Verehrung Ew. Excellenz ganz gehorsamer 

Joh. Gust. Droysen. 
Kiel den 15. Mai 1851. 

85. Schön an Droysen. 

Pr. Amau den 2. Juny 1851. 

Gleich nach dem Empfange Ihres freundlichen Schreibens 
vom 15^° V. M. wollte ich dafür danken, aber da wollte ich noch 



85. Schön 1851. 187 

erst Müflfling lesen, und da kam eine Reise nach Marienburg da- 
zwischen, und so schreibe ich erst heute, wenngleich nicht weniger 
angelegentlich, meinen Dank. 

Das, was Ew. Wohlgeboren mir über die Holsteiner junge Welt 
schreiben, bestätigt ein Brief, welchen ich unlängst von Herrn 
V. Hasenkamp erhielt. Eine solche Masse von Charakter kann und 
darf der Himmel nicht untergehen lassen. Es heisst zwar: „Meine 
Wege sind nicht eure Wege, und meine Gedanken sind nicht eure 
Gedanken", Aber! das Reich der Ideen hat auch seine Nothwendig- 
keit, und vielleicht ist Holstein bestimmt. Kern zu einem Staate, 
im eigentlichen Sinne dieses Worts zu werden. Der Theologe nennt 
dies Gottvertrauen. 

Was Ew. Wohlgeboren mir über die Aufbewahrung meiner 
Papiere mittheilen, hat mich zwar aufmerksam gemacht, aber ich 
kann es mir noch nicht denken, dass unserejetzigendirecten und in- 
directen Machthaber, auf meine Äusserungen einen bedeutenden 
Werth setzen sollten. Der Charakter dieser Herren ist: Intelligenz, 
Wissenschaft und Charakter nicht allein zu verachten, sondern die- 
sen Himmelskindern geradezu und sogar prahlend in die Augen zu 
schlagen. Die jetzigen Bücher -Verbote und Ausweisungen halte 
ich nur für ein Spielwerk, welches man den Unter-Beamten erlaubt. 
Über Scham und Schande ist man längst hinaus. Diese Richtung 
lässt sich auch construiren. Der Pietiste hat die Allmacht Gottes 
vor Augen und sieht seine Gegner, als Kläffer an, welche ohne sein 
Zuthun der Rache des Himmels nicht entgehen werden. Der Ab- 
ßolutiste stützt sich auf die physische Gewalt, und ist überzeugt, dass 
diese, im Momente, in dem es darauf ankommt, seine Gegner zer- 
malmen werde. Der Ultra- Aristokrat sieht den Kampf des Pietisten 
und Absoluten gegen Intelligenz und Welt-Ordnung gern, um den 
Zeitpunkt herbeizuführen, wo er als Schieds-Mann die frühere ver- 
altete Zeit wieder geltend machen kann. Früher schämte man sich 
noch. Jemandem einen Kaufschilling für seine Seele zu bieten, oder 
Lohn für geleistete Dienste, als Kaufschilling für Seligkeit, zu be- 
trachten. Von dieser Scham ist nicht mehr die Rede, und Pietisten, 
Absolutisten und Ultra- Aristokraten sind Eins, und Alle drey haben 
nur die eine Besorgniss, dass die klare Einsicht und das reine 
Herz, welche Gott unserem Könige gegeben hat, mit Kraft sich 
äussern könnten. Seitdem es diesen Leuten gelungen ist, das 
Vertrauen, welches der König früher zu mir hatte, wenigstens für 
jetzt abzutödten, und das herrliche BM '&\ft\yQ5crf^ \sl ^5ä>sä\ö. 



188 85. Schön 1851. 

Sohne*) zu besudeln, betrachten sie mich als einen vertrockneten 
Ast, der, wenn nur nicht ein Keim an ihm sich blicken lässt, ganz 
ausser ihrer Beachtung liegt. Doch! ist Ihre Warnung mir werth, 
und ich werde sie nicht unbeachtet lassen. 

Diese Bxpectoration ist, für heute, nur für den Freund. 



Die Differenz zwischen dem Auerswald'schen Tagebuche und 
allen sonstigen und vollständig officiellen Notizen ist durch den 
Mangel an Haltung, welcher damals bey Auerswald vorwaltete, er- 
klärt. Meines Erachtens haben diese Auerswald'schen Notizen gar 
keinen Werth. Als er von Stein die in den Akten befindliche Auf- 
forderung zum Landtage erhielt, hat er gewiss mit York darüber 
gesprochen, und statt nun in seinem Tagebuche zu schreiben: York 
habe Nichts dawider, schrieb er: auf York's Verlangen. Auerswald 
war über Stein's Ankunft entzückt und schrieb in dieser Entzückung 
den Landtag aus. Als ich ihn aber darauf aufmerksam machte, 
dass er dadurch ein Verbrechen begangen habe, schlug er ebenso 
gehaltlos Stein gegenüber, in das Gegentheil um. Wo offizielle 
Stücke so klar, wie hier sprechen, sind die Auerswald'schen Notizen 
ohne allen Werth. 

In meinen Gedanken, beschäftige ich mich oft mit Ihrem 
2tcii Theile von York. Sie stehen, wie Hercules am Scheide- Wege. 
Der Erste Theil ist der Versucher, der schon anfängt, sich breit 
zu machen. Nach einer Nachricht aus Schlesien, frohlocken die 
Kreuzzeitung-Ritter über die Wuth, mit der York gegen unsere 
Zeit von 1807 — 1810 geeifert. Auch hier sagt man, sollen diese 
Stellen des Buchs vom Einzelnen gerne gelesen werden. Müffling^) 
geht sogar so weit, Gneisenau als einen miserablen Menschen da- 
zustellen, der immer MüflFling's Correctur bedurft hätte. Es ist 
Zeit, und es ist durchaus nothwendig, dass Sie der Schlange den 
Kopf zertreten. Wo von Idee und Wahrheit die Rede ist, da kann 
es nicht darauf ankommen, dass der in sich schon zerrissene York 
zermalmet werde. Der 2^^ Theil kann, meines Erachtens nun, voll- 
ständige Kehrseite des Ersten Theils werden. — MüflFling hat mich 
tief empört. Jede Thatsache ist theils umgekehrt, theils verdreht. 



1) Marcus (von) Niebuhr, 1854 geadelt, geboren 1817 zu Rom, war seit 
1851 Cabinetssecretär des Königs und ein eifriger Anhänger der damals 
herrschenden Partei. Er starb 1857 geisteskrank in Oberweiler. 
2J In seinen Memoiren. Ygl. oben S. ^^. 



86. Droysen 1851. 189 

ich weiss durch Theilnehmer an dem Kriegs-Rathe in Laon, dass 
Gneisenau und Büiow nicht weichen, sondern schlagen wollten und 
dass Boyen dafür goldene Worte sprach, dass aber die Müflfling- 
schen Jünger: York und Kleist, aus Wuth gegen Gneisenau bis 
Holland zurücklaufen wollten. Ich weiss ferner durch Bülow selbst, 
dass unser grosses Hauptquartier nach der Schlacht von Leipzig, 
Napoleon verfolgen wollte und Bülow es übernahm, schnell am Rhein 
zu seyn, dass aber MüflFling mit seinem Freunde dies hintertrieb. 
Bülow sprach noch vor seinem Tode so erbittert darüber, dass er, 
Müflfling, nur Hans A . . . . MüflFling, nannte. Jetzt sollen Memoiren 
von dem Müflflingschen Intimus, Knesebeck erscheinen, welche wahr- 
scheinlich noch mehr gegen die Koenigsberger Zeit, in's Hörn 
stossen werden. Wenn es nicht klar wäre, dass Knesebeck und 
MüflFling sich einander zu loben übereingekommen wären, dann ist 
es von MüflFling mehr als verrückt, zu behaupten, dass der Russische 
Kayser Ende Februar erst von Knesebeck erfahren habe, wie er 
den Krieg führen musste. Mein guter Bekannter PhuU hatte kein 
Hehl zu erklären, dass er den Rückzug der Russen erst bis zur 
Position zwischen Witepsk und Smolensk und von da, je nachdem 
Napoleon auf Moskau oder Petersburg gehen wollte, weiter ver- 
langt habe, die Russen wollten PhuU bekanntlich deshalb todt- 
schlagen, sein Namens-Vetter musste den Namen Pfuel 
ablegen, und nun, — ist Alles Knesebeck ! I ! ^) Allerdings standen 
Gneisenau, wie Grollmann, immer in oflFener Opposition gegen MüflF- 
ling, weil dieser immer für's Retiriren war Und nun will dieser 
Gneisenau noch angefeuert haben. Doch ! Genug I 

Und nun, nur noch aus Achtung und aus vollem Herzen, 
lassen Sie, (wie alle Welt sagt, und ich fest glaube) Reiner 
und heller Charakter, Ihren Ersten Theil von York, nicht Funda- 
ment zu Teufelskünsten werden 1 

Leben Sie wohl! und wenn Sie mir Freude machen wollen, 

schreiben Sie mir bald wieder. 

Schön. . 

86. Droysen an Schön. 

Hochverehrter Herr Minister! 
Ew. Excellenz will ich nicht lange säumen, meinen herzlichen 
Dank für Ihr gütiges Schreiben vom 2. Juni zu sagen. Wie er- 

1) Vgl. oben S. 178 f. 



190 86. Droysen 1851. 

freut mich Ew. Excellenz Theilnahme für unser hiesiges Land und 
Volk! Freilich sind wir übel daran, am meisten deshalb, weil jedes 
vernünftige Abkommen mit den Dänen, jedes staatlich mögliche 
Arrangement dadurch erschwert, ja vereitelt wird, dass sie uns 
durchaus nur als Heloten gestellt wissen wollen. Wir danken es 
der Hohen Deutschen Diplomatie und der Solidarität der conserva- 
tiven Interessen, dass „dies oder nichts** jetzt die einzige Alter- 
native ist. Aber wir sind noch weit entfernt, gebrochen oder auch 
nur verzagt zu sein. Hat man uns das Schwert aus der Hand ge- 
wunden, so hatte ich die Ehre, Ihnen neulich zu schreiben, wir 
greifen zu einem andern Schwert, dem der Gedanken. 

Was sagen Ew. Excellenz dazu, dass eben jetzt in unserer 
Ohnmacht und tiefsten Erniedrigung von hier aus eine umfassende 
wissenschaftliche Review unternommen wird? Ich nehme mir die 
Freiheit, das Einladungsschreiben, das wir an die wissenschaft- 
lichen Freunde in Deutschland gesandt, als Umschlag beizufügen.') 
Wir haben alle Aussicht auf Unterstützung Seitens unserer besten 
Männer; mehr als einer äussert sich mit uns dahin einverstanden, 
dass ein energisches Zusammenfassen unseres wissenschaftlichen 
Schaffens, der ruhige Stolz, Regionen inne zu haben und zu be- 
herrschen, zu denen weder die Brutalität noch die lügenhafte So- 
phistik, die jetzt herrschen, emporreichen, die unerschütterliche Macht 
der Gedanken, welche auch die beliebte Corrüption ihrer oft un- 
würdigen Träger nicht zu stören vermag, jetzt wenn je an der 
Zeit sei. 

Ew. Excellenz tiefe Indignation über die Müffling'schen Er- 
innerungen theile ich vollkommen. Sie sind um so widerlicher, als 
der schwer defamirte Gneisenau sich nicht mehr vertheidigen kann, 
auch kaum noch irgend jemand am Leben ist, der gerade in den 
besprochenen Dingen für ihn das Wort ergreifen könnte. Ew. Ex- 
cellenz haben zwar nicht den militairischen Dingen, die Müflfling 
behandelt, unmittelbar nahe gestanden, aber wie ich denn auch 
nach dem mir in grosser Ausführlichkeit vorliegenden Material über 
die Vorgänge in den Tagen von Laon sagen darf, dass am wenig- 
sten York und Kleist rückwärts wollten, wie denn überhaupt York 
wenigstens der Kameradschaftlichkeit mit Müfifling nicht im Ent- 
ferntesten zu beschuldigen ist; er stimmte selbst in dem bezeich- 



1) Es handelt sich um die damals gegründete ,;Allgemeine Monats- 
schrift.** 



86. Droysen 1851. 191 

nenden Ehrennamen mit Bülow's Urtheil überein, wofür wieder 
Müflfling ihn wenigstens im Gespräch mit mir und in Briefen an 
mich nicht etwa mit der Schärfe sittlichen Zornes, wohl aber mit 
dem scharfsinnigsten Bekritteln und Negiren der Eigenschaften, in 
denen York wirklich bedeutend war, möglichst nivellirt hat. — 
Aber was wird aus der glorreichen Geschichte Preussens, wenn solche 
Zeugnisse, wie die Müffling's über Gneisenau ungebrochen bleiben? 

Ew. Excellenz Mahnungen und Warnungen in Betreff der 
Fortsetzung der York'schen Biographie sollen wahrlich nicht ver- 
geblich sein. Freilich ich kann es nicht wehren, dass sich die 
Herren von der Kreuz-Zeitung an denjenigen Parthien erfreuen, 
die York als einen der ihrigen bezeichnen und welche ich als ge- 
wissenhafter Historiker nicht habe verschweigen dürfen, wennschon 
ich ausgesprochen, wie ich ihn in diesen seinen schwächsten Par- 
thien taxire. 

Aber denselbigen Herren ist viel mehr peinlich als dies süss 
gewesen, dass York's Verfahren 1812, welches ihrem Fetischdienst 
mit dem Königthum so bitter wenig zusagt, so gründlichst veran- 
schaulicht worden ist. Der Anfang von 1813 wird mir des Weite- 
ren Gelegenheit geben zu zeigen, was es mit den grossen geschicht- 
lichen Gedanken und mit dem Volk, wenn sie es erfüllen, auf sich 
hat. Ich hoffe, Ew. Excellenz werden, wenn ich die Fortsetzung 
geschrieben habe, mir das Zeugniss geben, dass ich nach bestem 
Gewissen wahr und treu und ohne Connivenzen berichtet habe, 
— wennschon ich nicht dafür einstehen kann, dass man auch da 
wieder Material zu „Teufelskünsten" finden wird; ist doch dieser 
Tage das Gedächtniss des kalt rationellen und am wenigsten Kreuz- 
zeitungslichen alten Fritz durch eben dergleichen Künste zu einer 
kläglichen Treubündlerei ausgebeutet worden. 

Sollte die Notiz von Knesebeck'schen Memoiren nicht auf 
einem Irrthum beruhen? 

Ich glaube zu wissen, dass sich in seinem Nachlass wohl ein 
sehr geordnetes Material an Briefen, Denkschriften, Tagebuchs- 
Notizen vorgefunden, aber nichts Zusammenhängendes und Ausge- 
arbeitetes; so wenigstens sagte mir der Offizier, der von Seiten 
des Generalstabes die Papiere übernommen und für das Archiv 
arrangirt hat. Die glorreichen Erzählungen von der Petersburger 
Reise Knesebeck's im Februar 1812, die erst sein Schwager Graf 
Henkel im Militär-Wochenblatt 1848 und dann in zweiter Gestalt 
Müflfling gebracht, finden eine sehr rechtzeitige Rectification in den 



192 86. Droysen 1851. 

eben erschienenen Memoiren von WoUzogen^) und den beigefugten 
Denkschriften und Recognoscirungen; er hat schon das grosse 
Princip ausgesprochen, das Knesebeck 1812 als ganz neue Ent- 
deckung nach Petersburg gebracht haben will : dass man das Ueber- 
gewicht von Genie auf Napoleons Seite durch Raum und Zeit auf 
russischer Seite paralysiren müsse. Und am Ende nicht dieser 
Gedanke ist das Bedeutendste, sondern die praktischen Anordnun- 
gen, ihn in so weiten Strecken mit Hunderttausenden zu realisiren 
— PhuU's und etwa Barclay's Verdienst — und die Charakter- 
stärke trotz ungeheuren Elends und trotz des Brandes von Moskau 
unerschütterlich zu bleiben — Stein's Verdienst, der den weichen 
Alexander terrorisirte, und Verdienst des in Hass und Wuth er- 
glühenden Volkes, während die Vornehmen und Gebildeten lieber 
mit einem schnöden Frieden ihre Behaglichkeit erkauft hätten. 

Ein Theil der Anfragen, die ich in Anlass des Tagebuches 
von Auerswald an Ew. Excellenz richtete, haben sich durch eine 
correktere Abschrift, die ich kürzlich erhalten, erledigt; es war York 
statt Stein geschrieben! 

Eben jetzt schreibe ich an dem II. Theil York*s, die Januar- 
tage 1813: Lehndorflf's erste Botschaft von York an Ew. Ecellenz, 
Schulz' Reise und Bericht vom 3^®° und 4'®° Januar, Ihre Ankunft, 
so heiss sie York ersehnt, verzögert sich noch; leider fehlt mir 
das Datum, wann Sie kamen, natürlich auch, was Ew. Excellenz 
mit ihm verhandelt, wie Sie ihn fanden u. s. w. Mein letztes von 
Ihnen an York ist vom 4^° Januar, von Berlin schreibt man: der 
König ist decidirt und es werden nur noch Formalitäten wegen 
Augereau berichtigt; so wäre ja alles in hoher Harmonie, wie der 
Drang der Umstände (das Fatum) auch geben muss; Ew. Excel- 
lenz haben das Schicksal beim Schopf genommen, wie jeder grosse 
Mann thut; Gott segne Sie.'' Dann bemerken Ew. Excellenz, dass 
Stein Ihnen geschrieben, dass man wüsste, was! Wahrlich, oft er- 
scheint es mir wie Thorheit, aus den zufälligen Bruchstücken, 
die mir vorliegen, die Zusammenhänge reconstruiren zu wollen. 
Glücklicherweise besteht die Geschichte nicht allein in den That- 
sächlichkeiten und Richtigkeiten. 

Der ich in innigster und treuester Verehrung verharre 

Ew. Excellenz ganz ergebener 

Joh. Gust. Droysen. 
Kiel, d. 10. Juni 1851. 



1) Vgl. oben S. 35. 



87. Schön 18&1. 193 

87. Schön an Droysen. 

Preuss. Arnau den 19'«» Juny 1851. 
Ew. Wohlgeboren freundliches Schreiben vom 10. d. M. habe* 
ich richtig erhalten und, nach meinem Danke dafür, ermangele ich 
nicht. Folgendes darauf ergebenst zu erwiedern: 

1. Der Entschluss, gerade jetzt eine wissenschaftliche Monats- 
Schrift von Holstein ausgehen zu lassen, ist brav und herrlich. 
Er ist ähnlich dem der Errichtung der Berliner Universität im 
Sommer 1807 in Memel im Momente der tiefsten Erniedrigung 
Preussens. In solchen Momenten ist nur Errettung in der Ewig- 
keit, im Reiche der Ideen, und diese geben zugleich Wehr und 
Waffe gegen das augenblickliche höllische Getreibe. Alle Gelehrten 
Deutschlands müssen für Ihre Monats-Schrift arbeiten, wenn sie werth 
sind, Priester des höheren Lebens zu seyn. Gott segne Ihr Vorhaben! 

(Wahrscheinlich ist Einer der Unterschriebenen Nitsch, ein 
Bruder der verstorbenen Frau Gernhart. Grüssen Sie ihn von mir 
und den Meinigen, durch seine verstorbene Schwester, welche noch 
im Grabe von uns hochverehrt wird.) 

2. Unsere DiflFerenz wegen Laon wird sich dadurch auflösen, 
dass ich den Krieges-Rath vor der Schlacht, und Sie den in der 
Schlacht und nach der Schlacht im Auge haben, York und Müflf- 
ling waren allerdings, sich abstossende Naturen, aber Selbstsucht 
und daraus folgende Malice waren bei York so vorherrschend, dass 
er, vor Anno 1808 in Königsberg, mit dem Teufel Brüderschaft 
schloss, um alle die, welche ihm in Förderung seiner Selbstsucht 
hinderlich waren, zu verderben. Es lag in York, in dem wüthenden 
Hasse gegen Gneisenau und gegen das Haupt-Quartier überhaupt, 
seinen Verstand zu opfern. Als aber auf Boyen's Kraft -Wort 
(Wir Preussen schlagen uns hier noch, oder als Preussen niemals 
mehr) Bülow wankte und York und Kleist überstimmt waren, und 
Napoleon geschlagen war, da kam es York darauf an, Held des 
Tages zu werden, und der Befehl des Nicht- Verfolgens (durch die 
früheren Bedenken im Krieges-Rathe veranlasst) brachte ihn dazu, 
sein Corps zu verlassen, wodurch leicht der Sieg verloren gegangen 
wäre. (Dies aus Mittheilungen meines nächsten Freundes, des 
späteren General und Gouverneur Jaski, des nächsten Freundes von 
Boyen. Jaski war damals General-Stabs-Offizier beim Bülow'schen 
Corps.) Quilibet praesumitur bonus sagt der Juriste, bei York muss 
man eben von dem theologischen Satze, quilibet praesumitur malus 
ausgehen. 

13 



194 87. Schön 1851. 

3. Knesebeck's Memoiren, sagt General v. Below, wären nur 
für Freunde gedruckt, General Groeben besässe ein Exemplar, und 
so bald er (Below) von Groeben ein Exemplar erhalten, wolle er 
mir die Schrift schicken.^) Dass der General-Stabs-Offizier dies 
Memoir nicht gefunden hat, ist wohl natürlich, da Knesebeck wohl 
wusste, dass der General -Stab wohl nicht geneigt seyn würde, 
die Kjiesebeck'schen Phantasie-Bilder, als Thatsachen drucken zu 
lassen. 

4. Der kluge, unterrichtete, gescheute Cancrin (Sohn des Can- 
crinius de Salinio aus Hessen)*) nannte Barclay nicht anders, als 
Unsere Alte dumme Frau und nach meiner Unterhaltung mit 
Barclay, trete ich dieser Bezeichnung bey. Barclay war nur be- 
wusstloses Werkzeug von Alexander, und von Diebitsch. 

5. Die ^4 Tage, an welchen ich mit York in Tilsit war, 
Hessen sich noch bestimmt angeben, wenn es darauf ankäme. 
Amtlich verhandelten wir, über die Sold-Zahlung und die Verpflegung 
der Truppen. Privatim theilte mir York viel von seiner Kriegs- 
Geschichte mit, besonders von den Aufforderungen von Essen und 
Paulucci, und wie er mündlich die Antwort gegeben habe: Es 
müssten erst militairische Ereignisse eintreten, welche einen Über- 
gang entschuldigen Hessen. Er theilte mir den Sand-Hügel-Brief, 
wie Jedem, der ihm nahe kam, mit, mir als Species einer farce, 
welche er noch dadurch vervollständigte, dass er meinte, der König 
müsste hiemach ein Schein-Kriegsrecht über ihn abhalten lassen. 
Über die Folge seiner Capitulation war er nicht ganz ruhig, denn 
es war wohl klar, dass wenn wir bey Napoleon blieben, und Na- 
poleon sich an der Oder setzte, die gerettete, sehr schwache 
Russische Armee ihn nicht besiegen konnte. Statt an Volks-Be- 
waflfnung, welche damals in Tilsit auch nicht möglich war, dachte 
York nur an Verstärkung seines Corps. York war in dem, was 
werden sollte, damals in Tilsit durchaus unklar, nur, dass der alte 



1) Die „B^nchstücke aus den hinterlassenen Papieren des General- 
Feldmarschalls Karl Friedrich von dem Knesebeck^' sind allerdings 1850 
als Manuscript für Familienmitglieder und Freunde gedruckt worden. Die 
Memoiren reichen bis 1792 und dazu ist ein Aufsatz über die Mission nach 
Eussland und ein poetischer Anhang gefügt worden. 

2) Georg (Graf von) Cancrin, geboren 1774 zu Hanau, 1823—1844 
russischer Finanzminister, gestorben 1845 zu Pawlowsk. Sein Vater Franz 
Ludwig Cancrin, geboren 1738 zu Breitenbach in Hessen, seit 1783 in 
St. Petersburg, gestorben daselbst 1812 oder, nach andern Angaben, 1816, 
war einer der berühmtesten Berg- und Salzwerkskundigen seiner Zeit. 



87. Schön 1851. 195 

Linien-Soldat immer durchblickte. Unserer Abrede nach sollte in 
Königsberg erst Alles erwogen und bestimmt werden. York ver- 
weilte in unserem Gespräche in Tilsit gern und mit Freude bey 
der Ordre, dass er, die Arriere-Garde beim Rückzuge seyn sollte. 
Nun sah er den Moment voraus, wo auch Militärisch eine Los- 
sagung statt finden konnte. Er wiederholte dabey die Worte: 

Bon voyage! Macdonald! ^) 



In Königsberg angekommen, lernte York, den Russischen 
commandirenden General Wittgenstein kennen und hatte das Russi- 
sche Corps gesehen. Die gleichgültige Art, mit der Er und Kleist 
von den Russen behandelt wurden, sagte beiden nicht zu, und als 
ich darauf York in Königsberg sprach, stand es wohl bey ihm fest, 
dass Napoleon mit den Russen bald fertig werden würde. Da 
wachte bei York der Gedanke der Volks-Hülfe auf. 

6. Meine Worte: Stein hat mir geschrieben, dass man weiss 
Was? kann ich nicht mehr erklären. Vielleicht bringt aber, das 
Datum, und der weitere Inhalt meines Briefes, mich auf die Spur. 



Auf Ihren 2'®° Theil von York bin ich in einem hohen Grade 
gespannt. Es ist keine kleine Aufgabe, aus dem Bilde des Ersten 
Theils, den wahren York zu entwickeln. Sie haben ein Kunstwerk, 
im edelsten Sinne des Worts zu liefern. 

Es kommt hier darauf an, Einsicht und Moralität gegen York 
zu retten. Es muss Sie noch mehr als mich verletzen, dass Ihr 
York im Ersten Theile (in einem aus Ihrer reinen, klaren und 
lauteren Seele geflossenen Werke) als Codex von Satans -Knechten 
proclamirt wird. Wie in der Sage (von Mahlmann bearbeitet) der 
Schmidt von Apolda bey Weimar die Hölle zwang, dass sie ihm 
Amboss, Eisen und Hammer liefere, um für sich einen Schlüssel 
zur Himmels-Pforte zu schmieden, so sollen Sie, umgekehrt, die 
einzelnen, nach Moralität schmeckenden Momente des ersten Theils, 
im zweiten Theile benutzen, um den durch und durch zerrütteten 
moralisch-morschen Charakter York's zu entwickeln. Sie könnten 
Ihre Äusserung in Arnau als Motto dem zweiten Theile vorsetzen 
lassen: Wäre York nicht Preussischer Offizier geworden, dann 
würde er Räuber geworden seyn. Das Schicksal, wobey York 
allerdings nur bewusstloses Werkzeug bleibt, kann nur Prinzip 



1) Vgl. oben S. 163 f. 



196 88. Droysen 1851. 

einer York'schen Biographie seyo. Auf diesem Wege, denke ich, 

ist York allein zu halten, ohne dass sein Bild Widerwillen erregt, 

Ihre Aufgabe beim zweiten Theile ist schwierig, aber indem Sie als 

Advocatus des Reichs der Ideen, das heisst: des Reichs Gottes, 

gegen gemeines Getriebe auftreten, dessen Klugheit, nur Pfiffigkeit,. 

nach Fichte : vollendete Sündhaftigkeit ist, ist die Aufgabe herrlich 

und schön. Und ich hoffe, Sie werden sie lösen. 

Glück zu! 

Schön. 

88. Droysen an SchOn. 

Hochverehrter Herr Staatsminister! 
Mit Ew. Bxcellenz und Ihrem schönen Preussenlande 1813 
bin ich jetzt so Tag für Tag beschäftigt, dass ich am liebsten ganz 
in Ihrer Nähe wäre, um zu fragen und wieder zu fragen. Die 
Acten sind doch ein gar dürftiger Abdruck des Lebendigen und 
Wirklichen — und gar diese Landtags-Acten von 1813, denen man 
eine gewisse Vorsicht in jeder Zeile ansieht. Die eigentliche und 
entscheidende Bewegung der Dinge ist ja sichtlich ausserhalb der 
officiellen Versammlung gewesen; und Ew. ExceUenz haben, das 
ergeben Aeusserungen von York und Graf Lehndorflf, von dorther 
in ausgedehntestem Sinn eingewirkt, bei Weitem weiter, als der 
von Herrn Pertz „Erinnerungen** getaufte Aufsatz angiebt.^) Die 
Art, wie Herr Pertz denselben benutzt oder eigentlich stillschwei- 
gend desavouirt hat, indignirt mich;^) der unsinnige Eifer, den herr- 
lichen Stein als den allein gescheuten, energischen, staatsmännischen 
und was weiss ich sonst darzustellen — genau die tendenziöse 
Manier, mit der die Franzosen ihre Historie geschändet und na- 
mentlich den einseitig grandiosen Napoleon zu einer Art Heroen- 
kult znrecht fantasirt haben — verdirbt selbst das sonst reiche 
Material der Stein'schen Biographie; was nicht vollständig mitge- 
theilt wird, was Herr Pertz nur in seiner Darstellung benutzt, er- 
scheint mir zweifelhaft, und unzuverlässig. Persönlich ärgert mich 
nebenbei noch die vollständige Unfähigkeit, preussisch zu empfinden, 
der widerliche Eifer, den Kaiser Alexander zu überfirnissen. Es 
ist wahrhaft unerträglich, wie verkehrt Pertz die preussischen Vor- 
gänge im Januar und Februar 1813 auffasst; von dem edlen Stolz, 
der damals die Provinz zugleich gegen die russischen Uebergriflfe 



1) Siehe oben S. 24 f. 

2) EQer hat Schön an den Rand geschrieben: »Bravo!" 



i 



88. Droysen 1861. 197 

Front machen liess, hat er keinen Begriflf, keinen BegriflF davon, 
wie sehr sich Stein vergriflF, als er sich jene kaiserliche Vollmacht 
so ausstellte, wie er gethan, nachdem Ew. Bxcellenz mit Wittgen- 
stein ein völlig anderes Verhältniss verabredet, und nachdem das- 
selbe in der Sendung des Fürsten Dolgorucki an York — eine 
förmlich diplomatische, in der die Russen selbst die d^licatesse des 
principes hervorhoben — einen Ausdruck gefunden. Wie gross er- 
scheint in Ihrem Aufsatz Stein darin, dass er seinen Irrthum er- 
kennt und hinweggeht, wie klein bei Pertz, dass ihm alle anderen, 
wackersten Patrioten nur wie Marionetten erschienen sein sollen, 
die er in Bewegung zu setzen habe. — Ich werde, da ich in der 
York'schen Biographie diese Dinge nicht untersuchend und kriti- 
sirend besprechen kann, für unsere Monatsschrift wohl einen Auf- 
satz schreiben, der Herrn Pertz's Verfahren an dem Beispiel dieses 
Theils seiner Arbeit erläutert; denn solche geflissentlichen Ent- 
stellungen der so wenig aufgeklärten preussischen Geschichte sind 
am wenigsten zu gestatten!^) 

Durch Mittheilungen von General Thile 11. und Natzmer*) bin 
ich in dem Verständniss jener Zeit und jener Verhältnisse ganz 
ungemein gefördert. An Graf LehndorflF-Steinorth habe ich vor 
längerer Zeit geschrieben, aber noch keine Antwort erhalten. Un- 
schätzbar wäre es, wenn sich von Bardeleben') Briefe oder Tage- 
bücher aus jener Zeit fänden; ich werde dieser Tage deshalb nach 
Binau schreiben. 

Ew. Excellenz wollen mir einige weitere Fragen gestatten. 
In den ständischen Protocollen vom 7. Februar findet sich die An- 
gabe, dass York der Comitte, die von ihm den Landwehrentwurf 
(den Dohna'schen) entgegen nahm, geäussert habe, dass „seine Vor- 
schläge und Pläne schon im vorigen Kriege von dem Könige appro- 
birt, obgleich damals nicht exekutirt worden''. Dies können nur 
die mit Ew. Excellenz 1811 verabredeten Projecte sein und es ist 
mir sehr überraschend gewesen, so zu entnehmen, dass ein förm- 



1) Der Aufsatz erschien in der Allgemeinen Monatsschrifb 1851, n 
S. 159 ff. 

2) VgL jetzt ^Aus dem Leben des Generals Oldwig von Natzmer", 
Berlin 1876. 

3) Karl Alexander von Bardeleben, geboren 1770 zu Biesenwerder in 
Preussen, 1812 Civiloommissär beim französischen Heere, 1813 Inspector der 
Landwehr^ gestorben am 28. August 1813 in Folge einer Verwundung im 
Kriege. 



198 88. Droysen 1851. 

lieber Plan dem Könige vorgelegt worden. Erinnern Ew. Excel- 
lenz sich der Sache vielleicht noch genauer? und sind Ew. Excel- 
lenz wirklich ohne allen Antheil an dem von Clausewitz aufge- 
schriebenen Entwurf? denn der von diesem 1811 dem Könige vor- 
gelegte ist nach den Königlichen Randbemerkungen — in Amdt's 
nothgedrungenem Bericht^) — zu urtheilen von ganz abweichendem 
Inhalt gewesen, wohl nur eine „spanische Insurrection". 

In derselben Schrift Arndt's ist Ew. Excellenz Schreiben vom 
11. März 1814 abgedruckt mit den wichtigen Bemerkungen über 
jenen Landtag.*) Namentlich werden da ein paar hochbedeutsame 
Worte aus einer Rede Dohna's erwähnt, die auch sonst in der Er- 
innerung als ein entscheidender Moment auf diesem Landtag lebt. 
Herr Pertz freilich macht aus derselben eine Ansprache, wie Voigt 
vor ihm, obschon er entweder aus Ew. Excellenz Brief entnehmen 
konnte, dass sie in der ersten Sitzung vor York's Eintritt, oder 
aus den im Militär- Wochenblatt publicirten ProtocoUen, dass sie in 
der zweiten Sitzung vom 7. Februar gehalten worden;^) — wenn 
anders die Rede Dohna's, von der Oberbürgermeister Heidemann 
ein besonderes Promemoria zu den Acten legte, dieselbe ist, aus 
der die von Ew. ExceUenz aufbewahrten Worte: „Bevor ich den 
Platz als Präsident einnehme, muss ich überzeugt sein, dass jeder 
weiss, was wir thun u. s. w." 

Von ganz besonderer Wichtigkeit ist mir die zweite Adresse 
der Stände an den König vom 9^^ Februar, welche das Gens- 
darmerie Gesetz betrifft.*) Dieser Punkt ist für die Gegenwart von 
so hoher Bedeutung, dass ich gern vollständig darüber im Klaren 
wäre. Mir ist bekannt, welchen Eifer die Stände der Mark und 
Schlesiens gegen dies Gesetz in Thätigkeit gesetzt haben. Ich 
besitze die „Bemerkungen der Nationalversammlung gegen das Ge- 
setz vom 30. Juli 1812'*, beschlossen am 26. September 1812, so- 
wie die Eingabe der Nationalrepräsentanten vom 16. Februar 1814 
gegen dasselbe, gegen die „neuen durch keine einzige dringende 
Veranlassung herbeigeführten, unsere ehemalige Verfassung wesent- 
lich abändernden Einrichtungen". Die Preussischen Stände bitten 
in jener Adresse vom 9. Februar 1813 nur „die Gensdarmerie und 
was damit in dem Gesetz vom 12. Juli 1812 in Verbindung steht" 

1) I S. 402 ff. Vgl. Pertz, Leben Gneisenau^s II S. 112 ff. 

2) Vgl. oben S. 115. 

3) Schön schreibt am Bande: ^nach'^. 

4) Die Adresse ist „Aus den Pai^iex^Ti'' TL ^. W^i. «Jö^'^i^xwakt. 



88. Droysen 1851. 199 

aufgehoben zu sehen. Entweder es war die Provinz mit der neuen 
Kreiseinrichtung und den im Eingang des Gesetzes ausgesprochenen 
Motiven — „das üebergewicht einzelner Klassen zu hindern und 
den Einfluss gleichmässiger zu vertheilen" — einverstanden oder 
sie hielt es nicht für angemessen, nach Art früherer Zeit die Be- 
drängniss des Staates zu allerlei Handfesten und Verwilligungen zu 
verwenden, sondern gab und gewährte ohne Vorbehalt und ohne 
Bedingung. Ich habe in meiner Darstellung jener herrlichen Er- 
hebung in Ostpreussen nicht umhin können zu bemerken und aus- 
zusprechen, dass in der Provinz nicht umsonst Kant 50 Jahre lang 
Lehrer der Landesuniversität gewesen, dass etwas von dem hohen 
sittlichen Geist Kant's in der damaligen Generation gelebt habe. 
Es wäre mir von dem höchsten Werth, jener Adresse über das 
Gesetz vom 12. Juli 1812 ihre ganze Bedeutung zu sichern. Wohl 
werden Ew. Excellenz wie kein Andrer wissen, wie sich die Pro- 
vinz zu diesem Gezetz verhielt, und ich würde sehr dankbar sein, 
wenn Sie mich darüber aufklären könnten. 

Irre ich nicht, so sind Ew. Excellenz während der ganzen 
Zeit des Landtages in Königsberg gewesen. Es liegt mir eine 
Notiz vom 8. Februar vor, in der es heisst: York habe vom Könige 
einen Courier mit günstigen Nachrichten erhalten. Da ich bemüht 
bin, die jedesmalige Sachlage nur so weit als sie den betreffenden 
Personen vorlag und deren Handeln motiviren konnte, zu erläutern, 
so wäre mir viel daran gelegen, diesen wichtigen Punkt aufklären 
zu können. Ist Ew. Excellenz vielleicht irgend etwas über diesen 
Courier erinnerlich? ist vielleicht Graf Brandenburg, der am 28'®^ 
von Breslau nach Plock ging und am 2. Februar in Graudenz war, 
damals nach Königsberg gekommen? 

Ew. ExceUenz wollen entschuldigen, dass ich Sie mit so klein- 
lichen Fragen behellige; aber wir armen Historiker müssen uns 
nun einmal so streng wie möglich an den kleinen Dingen con- 
trolliren. 

In Betreff der Mittheilungen, die Ew. Excellenz mir neuer- 
dings über Laon gemacht, den herzlichsten Dank. General Hede- 
mann, der als Adjutant des Prinzen Wilhelm die Vorgänge in 
nächster Nähe beobachtet und theilweise vermittelt hat, schickte 
mir jüngst ein sehr schönes Expose über die Verhältnisse jener Tage. 

Ich hoflfe in den Herbstferien etwa Ende August nach Berlin 
zu gehen, um dort für die Feldzüge von 18\.?>jV4. ^\^ k:t0^s^:s<^ t^nj^ 
benutzen — falls bis dahin nieVil d\^ lim?,^ m ÖÄt '^'^'«v^^^i^ '^^- 



200 89. Schön 1851. 

weit gelangt sind, d ass man einem Missliebigen wie mir die Archive 
zu versagen vorzieht. — Die Tugend hat die Wissenschaft, dass 
man dem Unsinn des Augenblicks mit der Buhe zuschaut, die die 
Erkenntniss der Gedanken und der ewigen sittlichen Mächte ge- 
währt. Auch bedrängt von Sorge und Kummer lebe ich froh des 
doch gewissen Triumphes der Sache, in der ich Preussens Beruf, 
Preussens Macht und Unentbehrlichkeit erkannt zu haben meine. 
Mit der innigsten Verehrung und treuesten Ergebenheit 
Ew. Excellenz ganz ergebener 

Joh. Gust. Droysen. 
Kiel, d. 15. Juli 1851. 

89. Schön an Droysen. 

Prss. Arnau den 15. August 1851. 
Seit etwa 4 Wochen habe ich, im Vergleich zu meinem ruhi- 
gen, einfachen und einsamen Leben, wie Ew. Wohlgeboren es 
kennen, ein so zerstreutes und unruhiges Leben gefuhrt, dass, wollte 
ich nicht Ihr freundliches Schreiben vom 15**** v. M. als kaltes 
Akten-Stück behandeln, ich jetzt erst in die Stimmung gekommen 
bin, mit meinem Grusse, Antwort ertheilen zu können. In diesen 
Wochen war ein Grosses und Herrliches Getriebe im Lande. Man 
wusste, dass die Ultra-Aristokratische und besonders die pietistische 
Parthey in Berlin alle Künste angewendet hatte, um den König 
gegen Preussen, weil dies dem Treiben dieser Parthey widerstand, 
einzunehmen. Es waren Aeusserungen des Königs, welche Ent- 
rüstung gegen Preussen zeigten, bekannt geworden, und nun kam 
es darauf an: durch die Art der Aufnahme dem Könige zu zeugen, 
dass er getäuscht sey. Und dies ist im Allgemeinen geglückt. 
Die Jünger der Berliner Klicke hier, wurden von der Volksstimme 
in den Schatten gedrückt, gerade wie Anno 1813. Die Tugend- 
bündler und die wüsten Stürmer verschwanden, als in unserem 
Landtage die Stimme des Volks laut wurde. Vox populi übte 
wieder seine Macht aus, aber, wie im Jahre 1813, nachdem diese 
Macht sich geltend gemacht hatte, Satanas, wenigstens an einzel- 
nen Menschen, seine Wuth äusserte (Dohna pp.) so hatte sich die 
Hölle auch jetzt einzelne Wenige ausersehen, welche begeifert wer- 
den sollten. Dies schwächte allerdings die grosse Erscheinung, 
aber vernichtet konnte sie dadurch nicht werden. Das Standbild*) 



1) Das iStandbild Friedrich Wilhelma III. zu Königsberg war am 
3. Augast enthmt worden. 



89. Schön 1851. 201 

als Werk und Ausspruch des Volks steht da, und im Momente der 
Enthüllung vernichtete es im Könige alle Berliner Unklarheit, und 
er stand in seiner guten Natur, wie ihn Gott geschaffen hat, da. 
Genug I 

Antwort: 

1. Dem, was Sie über Pertz, in Stein's Leben schreiben, 
stimme ich bey. Es ist eine grelle Ironie des Schicksals, dass die 
Nachkommen Stein's, wie die Zeitungen melden, mit diesem Buche 
unzufrieden sind, und dies, wie es scheint, die Erscheinung dos 
4. Bandes, welcher schon vor mehreren Wochen im Druck war, 
hemmt.^) Vielleicht ist mein abgedruckter Aufsatz, die Ursache 
der Unzufriedenheit der Familie, denn dieser Aufsatz vernichtet 
wohl klar, das hohe Bild, wie Pertz es von Stein, als Staats- und 
. Volks-Mann giebt. ich habe Pertz, den ich als Panegyriker stehen 
lasse, darum befragt,*) und ihm als Vorbild geschrieben. Wie 
Sie zwar zu Ihrem Bedauern im ersten Theile von York, das all- 
gemeine Geschrey beachtet hätten, jetzt aber, nachdem Sie in 
Preussen gewesen wären, aus dem Grossen Mann des ersten Ban- 
des, einen interessanten Avanturier zu machen bemüht seyn müssten, 
wie York wirklich nur gewesen ist. ich habe dabey geäussert, die 
Aufgabe sey allerdings schwierig, aber Sie gingen darauf los pp. 

2. Sie wollen für Ihre Monatsschrift, einen Aufsatz über das 
Stein'sche Bild von Pertz, schreiben. Das ist nun sehr gut, Aber 
entziehen Sie dadurch Ihrem York Nichts, im Gegentheil ziehen 
Sie in diesen Alles hinein, was Sie aus unserer Grossen Zeit, ver- 
abreichen können. Und sorgen Sie dafür, dass das Publicum, 
durch die öffentlichen Blätter auf Ihren Monats-Aufsatz aufmerksam 
gemacht werde. Die Coelner und die Allgemeine Augsburger, viel- 
leicht auch Haude und Spener würden als Feuilleton einen solchen 
Artikel gerne aufnehmen. 

3. Graf Lehndorff sprach zu mir von Ihrer Aufforderung. 
Trotz meiner Ermahnung, fürchte ich aber, wird er nicht antwor- 
ten. Sein Bild von York steht nehmlich ungleich tiefer als das 
meinige. Er hält York für einen blossen Schauspieler; er ist 
überzeugt, dass York durch Seidlitz und Brandenburg vollständig 
bevollmächtigt war, die Capitulation abzuschliessen. Er behauptet. 



1) Vgl. oben S. 34 den Brief von Pertz vom 18. August 1851. 

2) Das muss in dem verlorenen Brief Schönes an.'P«s:feL'^<^\s!k.\^t.kÄ.'^^^ 
1851 gestanden haben. Siehe oben S. 2A, 



202 89. Schön 1851. 

York's Verlassen der Armee nach der Schlacht von Laon, weil 
Gneisenau eine Compagnie vom York'schen Corps directe abcom- 
mandirt habe, sey eine platte farce, denn er (Lehndorflf) habe York 
schon auf der nächsten Station hinter der Armee gefunden, wo er 
vorgegeben hat, dass er eines zerbrochenen Wagens wegen, habe 
Halt machen müssen. Das Bild, welches Lehndorfif von York hat, 
ist weder Gross als Mann, noch als Avanturier. 

4. Zu York's Aeusserung: dass er schon im vorigen Krieg 
dem Könige einen Bewaffnuugsplan vorgelegt habe: 

Vom Tilsiter Frieden' ab, regnete es Bewaflfnungs-Pläne, und 
da mag York auch einen vorgelegt haben. 

Nach meiner Besprechung mit York in Königsberg Ende 1811, 
wo ich die Aufstellung einer bewaffneten Macht, neben der Linie 
forderte, und worin York mir beistimmte, und wobey der Land- 
sturm ultima Ratio war, hat York über unsere Conferenz an den 
König berichtet. 

Nach den Worten York's: im vorigen Krieg ist wohl ein 
andrer Plan gemeint, den Schamhorst, wie alle damals eingereich- 
ten Plane ad acta legte. 

5. Dohna's merkwürdige Rede,^) hielt er in derselben Sitzung, 
in der York eintrat, unmittelbar nachdem York den Sitzungs-Saal 
verlassen hatte. 

6. Gegen das Gensdarmerie-Bdict war ein allgemeiner Wider- 
willen. 1) weil man darin eine Copie einer Französischen Listi- 
tution sah. 2) weil man darin eine Organisation eines vollständigen 
Spion-Systems fand. Das letzte wurde auch bald dadurch bestä- 
tigt, dass man eine Instruction eines Gensdamerie-Offiziers auf der 
Strasse fand, nach welcher er, wie sich ziemlich klar ergab, gegen 
die Männer des Volkes spioniren sollte. Es kam dem damaligen 
Ministerio (Schuckmann,*) Wittgenstein)*) darauf an, besonders mir 
und dem Minister Dohna die Popularität zu nehmen. Unser Ein- 
fluss und unsere Macht war dem damals achtungslos dastehenden 
Ministerio lästig. 

7. Ich bin nicht während der ganzen Dauer des Landtages in 



1) Vgl. „Aus den Papieren" VI S. 55. 

2) Kaspar Friedrich (von) Schuckmann, geboren 1755 zu Mollen bei 
Neubrandenburg, gestorben 1834 zu Berlin, war 1814-— 18M Minister des 
Innern. 

S) Wilhelm Filrat von Wittgenstein-Hohenstein, geboren 1770, gestor- 
ben 1851, war seit 1815 Staatsminister \m9LlÄm\a\»erc ^^^ Vwi\!^^^^^ 



89. Schön 1851. 203 

Königsberg anwesend gewesen, ich war nur etwa 4 Tage vor Er- 
öffnung des Landtages und etwa 4 Tage nachdem die Hauptsache 
fest stand; da. 

8. Der Courier, den York bekommen haben sollte, war der 
nachherige Minister Rother.^) Er kam mit mir zugleich vor Er- 
öffnung des Landtages in Königsberg an, und reisete, nachdem das 
Wesen der Sache feststand ab. Er war nicht vom Könige, son- 
dern vom Staats-Kanzler, besonders an Stein abgeschickt, dem er 
einen Ermunterungs-Brief von Hardenberg brachte. Dasselbe sollte 
er mündlich bey mir ausrichten, mit der Zusage des Beistandes. 
Davon, dass er besondere Aufträge für York gehabt habe, weiss 
ich Nichts, kann dies auch nicht annehmen, da York, nach dem 
Gezanke mit Stein (Pertz 3. Band, mein Aufsatz) am Tage vor Er- 
öffnung des Landtages alle Haltung verloren. Der Staats-Kanz- 
ler Hardenberg war damals in unserer grossen Sache, ganz auf 
dem richtigen Punkte. Er betrachtete sie nicht als militairische 
oder Beamten-Sache, sondern allein und nur als Sache des Volkes. 
Nicht als Präsident, sondern als Mann des Volkes war ich ihm da- 
mals wichtig und von diesem Standpunkte aus, war auch das, wo- 
mit er Rother für mich beauftragt hatte. Zu York, hatte er wie 
Scharnhorst und Gneisenau überhaupt wenig Vertrauen. Seit der 
Zeit, als York im Jahre 1809, durch Koeckritz sich an den König 
gedrängt, und die abscheuliche Denunciation gegen Scharnhorst an- 
gebracht hatte,*) nahm ihn auch der Staats-Kanzler, wie einen zwei- 
deutigen Charakter, mit dem er jedes nahe Verhältniss zu vermei- 
den suchte. 

Wenn Sie nach Berlin kommen, suchen Sie doch wieder, im 
Cadetten-Hause, bey dem Hauptmann Besserer, meinen herrlichen 
Freund Eichendorff auf. Sagen Sie ihm, der König habe bey der 
Enthüllungs-Szene des Stand-Bildes mich als den Volks-Tribunen 
betrachtet, und alle guten Worte, und Herzens-Ergiessungen über 
das schöne Fest öffentlich an mich gerichtet. Aber auch ausserdem 
war der König freundlich zu mir, wobey, natürlich, Einige aus 
seiner Umgebung lange Gesichter machten, und gewiss Alles an- 

1) Christian (von) Eother, geboren 1778 zu Ruppertsdorf bei Strehlen, 
1810 Eechnungsrath bei Hardenberg, später Vorstand der Bank und der 
SeehandluDg, 1836—1848 Minister, gestorben 1849 zu Eogau in Nieder- 
Schlesien. 

2) Vgl. oben S. 55. 179. 



204 90. Schön 1851. 

gewendet haben, um jede Expectoration des Königs mit mir, abzu- 
wenden, wie dies ihnen auch geglückt ist. 

ich denke für heute, wird dies Genug sein. Aber noch den 
Wunsch, dass es Ihnen wohl ergehe, und dass Sie mich in Ihrem 

freundlichen Andenken erhalten mögen. 

Schön. 

90. Schön an Droysen. 

Preuss. Amau den 4. Novbr. 51. 

Ew. Wohlgeboren Rand-Glossen zu Pertz^) habe ich richtig 
erhalten, und ich ermangele nicht, meinen Dank dafiir abzustatten. 
Sie sind die erste Andeutung, dass im Pertz'schen Buche das Le- 
ben Stein's doch nicht unbedingt zu finden sey. Dabey ist nur die 
Frage: Ob diese Andeutung nicht zu rücksichtsvoll, zu zart, ja! 
bis zu dem Grade Zu Zart gehalten sey, dass Vielen die Glossen, 
nur als hingeworfene Betrachtungen, erscheinen werden. Die offene, 
prahlende Opposition gegen Wissenschaft, die Tgnorirung vollgilti- 
ger Notizen, weil sie nicht zur Eloge passen, ja! die üeberkleiste- 
rung und Verrenkung einzelner Thatsachen, denke ich, hätten wohl, 
in majorem Dei (hier speziell veritatis) gloriam einen Kayser-Schnitt 
gefordert. Ew. Wohlgeboren haben aber nun die Bahn gebrochen, 
ich hoffe, es wird auf Ihrem Wege, Chaussee-, vielleicht Eisen- 
Bahnmässig, weiter gehen. 

Die Königsberger Zeitung meldet, dass Sie keinen 2. Theil 
von York herausgeben würden, ich kann es nicht glauben, denn 
in Ihrem Bilde liegt bey mir unbedingte Wahrheitsliebe (What 
shall be, must be), und bliebe York, wie er im Ersten Theile da- 
steht, stehen, dann würde dies Bild in der letzten Potenz, nur 
die platte Pfiffigkeit, (nach Pichte die vollendete Sündhaftigkeit) 
reizend, und anlockend geben. Weiss bleibe zwar Weiss, und 
bleibe in Ehren, Aber Schwarz -Weiss ist schlechter als Schwarz. 
Der Teufel ist ein Wohlthäter, aber Mephistopheles ist scheusslich. 

Was sagen Sie zu Eichendorff's Heyllos schönem Buche?*) 
so weit Heyllos, Schön, und Schön, Heyllos seyn kann. Wenn man 
statt: positiv christlicher oder besser: katholisch-kirchlicher Glaube, 
moralischer Glaube (nach Kant) setzt, und die Grenze des Oberen 
Erkenntniss- Vermögens als Basis zur Gestaltung dieses Glaubens 



1) Allgemeine Monatsschrift 1851, 11 S. 159 ff. 

2) Der äeutBche Boman des achtzehnten Jahrhunderts in seinem Ver- 
bältniss zum Ciirisfcenthum. Leipzig 18bl. 



91. Droysen 1851. 205 

hinstellt (Über diese Grenze hinaus hat die Phantasie freies Spiel), 
dann könnte das Buch bleiben, wie es ist, und dann wäre es ein 
herrliches Buch. Jetzt aber kann man für positiv christliche Re- 
ligion, Buddhaismus setzen, und das Buch passt auch dazu. Übrigens 
ist mir dies Buch überaus werth, denn mein Freund EichendorflF, 
steht in keiner seiner Schriften so leib und lebhaftig selbst da. 

Gott gebe Ihnen Glück und Segen in Ihrem neuen Verhält- 
nisse!^) Von Jena ist viel Licht ausgegangen, es möge volle 
Flamme werden! 

Leben Sie wohl! 

Schön. 

Zur Rechtfertigung meines lieben Freundes Eichendorflf muss 
ich noch bemerken, dass sein Bild des Katholizismus ganz verschie- 
den von dem der katholischen Geistlichkeit und der Welt ist. In 
dem Coelibatair im kirchlichen Rocke, sieht er nur den Menschen, 
der über dem Geschlechts-Unterschied steht, das Fasten ist ihm nur 
ein Bild der Enthaltsamkeit, wenngleich im ersten Fall, der lüsterne 
PfaflFe die junge SchaflFnerin lüstern ansieht, und im letzten Falle, 
der polnische katholische Bauer ihm sagte, dass er in 12 Monaten 
kaum einmal, gekochtes oder gebratenes Fleisch zu sehen be- 
komme. Die höhere Geistlichkeit sieht er, wenn sie gleich schwelgt, 
und den Lüsten lebt, als Wesen höherer Art, u. s. w. In Summa: 
Er lebt in einem idealisirten Katholizismus und diesen kann man 
bei ihm, bey einer durchaus Edlen Natur wohl gelten lassen. Er 
hätte nur seinen Katholizismus im Buche näher bezeichnen sollen. 

S. 

91. Droysen an Schön. 

Hochverehrter Herr Minister! 

Ew. Excellenz meinen ehrerbietigsten Glückwunsch zum be- 
ginnenden Jahre dazubringen, ist mir der erwünschte Anlass, nach 
langem Schweigen endlich einmal wieder zu schreiben. 

Nicht die kleinen Veränderungen und Unruhen in meinen 
äussern Verhältnissen haben mich daran gehindert; aber der ekel- 
hafte Gang der öffentlichen Verhältnisse und die wachsenden sitt- 
lichen Zerrüttungen, auf die jetzt offiziell speculirt wird, haben mich 
tief niedergebeugt. Ich habe Gott gedankt, dass endlich die voU- 

1) Droysen war mit dem Wintersemester 1851/52 Professor in Jena 
geworden. 



206 91. Broysen 1851. 

endete Travestie der „Rettungen** zum Vorschein gekommen ist 
und den Beweis geliefert hat, was es mit der Scheinheiligkeit der 
jetzt in frechster Rohheit sich durchsetzenden Gewalten auf sich 
hat und was die Priucipien, auf die sie sich berufen, was ihre 
Lehren von dem sittlichen Gehalt des Staats- und Menschenleben 
bedeuten. Seit dem 2^^ Dezember ist die Situation auf grauen- 
hafte Weise einfacher geworden. Der Fall von Lord Palmerston^) 
vollendet — wenigstens für den Augenblick — die grosse czaarische 
Combination. Und für Preussen hat jener Perponcher'sche Klub in 
der Junkerstrasse zu Königsberg, dem Ew. Bxcellenz im Verein 
mit den stolzesten Namen, die Preussen hat, den Kopf zertraten, — 
nicht 1815, nicht 1820, am wenigsten 1840, aber jetzt hat er 
völlig gesiegt. Und ich meine nicht zu irren, wenn ich sage, dass 
unter den Besiegten des Königs Majestät selber ist, wenigstens 
seines eigensten Wesens ein Theil und der edlere Theil. Nicht 
von 1848, aber vom Dezember 1850 und 1851 datirt eine neue 
Aera. 

Als sich Preussen vor Oestreich beugte, ward eine zweihundert- 
jährige Geschichte Lügen gestraft, ward das geistige Leben der 
Nation bis zur Reformation hinauf verleugnet, ward der rettende 
Gedanke Deutschlands, der, in dem Preussen seine Stärke und seinen 
Beruf hat, todtgesprochen. Als das officielle Europa den Usur- 
pator, der nichts als die grossartigste Unverschämtheit für sich hat, 
in der Stellung anzuerkennen eilte, in der es den cäsarisch begabten 
Oheim nur überwältigt anerkannte, seitdem ist das legitime Europa 
nur noch durch die Gewalt der geordneten über die ungeordneten 
Massen legitimirt, nicht mehr durch die Zuversicht tieferen Rechtes, 
durch den Beruf, Ideen zu vertreten, die über die Angst des Augen- 
blicks rettend und tröstend emporragen. Wer mag sagen, wie die 
Dinge weiter verlaufen werden. Um die Zeit der Reformation ent- 
wickelte sich an dem Kampf des italienischen Staatensystems — 
auch fünf Staaten — der Anfang des europäischen Staatensystems; 
wird dem europäischen jetzt ein Weltstaatensystem folgen? in sich 
unruhig und wirr, bis sich, wie in jenem die fünfte Macht Preussen, 
so zwischen Nordamerika, England, Russland, China die fünfte 
Macht findet? und wird sie der geographischen Nothwendigkeit 
folgend wie einst Preussen, sich auferbauen an der Landenge, die 

1) Lord Palmerston war, weil er ohne die Genehmigung der Königin 
einzuholen die durch den Staatsstreich vom 2. December 1851 geschaffene 
Gewalt Louis N&poleon Bonaparte^a aneTkamxt. 'h&ttQ, entlassen worden. 



91. Droysen 1851. 207 

die Ostmeere, oder an der, die die Westmeere scheidet, beim Suez 
oder Panama? Denn so gewiss der grosse Gang der Weltgeschichte 
ihren Portgang hat, — dass er an unserer Scholle haften bleibe, 
ist keine Nothwendigkeit, und Herr v. ManteuflFel dürfte nicht eben 
der Mann sein, sie für Preussen zu interessiren. 

Verzeihen Ew. Bxcellenz diese weitschichtigen Betrachtungen 
oder Betrübnisse. Denn ich läugne es nicht, dass ich mit tiefstem 
Gram dies stolz edle Preussen dahinwelken sehe* 

Der vierte Theil der Stein'schen Biographie, den Ew. Excel- 
lenz schon in Händen haben werden, bringt wieder unvergleich- 
liches Material für die Geschichte Preussens. Er ist, wie mich 
dünkt, besser und unabhängiger gearbeitet als die früheren. Ew. 
Excellenz fanden meine Randglossen zum dritten Theil zu zart. 
Ich habe absichtlich nicht in der lauten Weise geschrieben, die 
leider durch den betäubenden publicistischen Lärm der letzten Jahre 
üblich geworden und vielleicht, wenn man gehört werden will, nothr 
wendig ist. Und zum Zwecke, dünkt mich, ist des Gesagten genug. 

Ew. Excellenz fragten in Ihrem letzten Schreiben, ob ich in 
der That den York unbeendet lassen wollte. Ich denke, in wenigen 
Monaten ihn zur Publication fertig zu haben. Es wird demnächst 
ein Theil des Manuscripts — bis zum Waflfenstillstand — an Ge- 
neral ßelow nach Königsberg wandern, der die Güte haben will, 
es zu lesen, um noch etwaige Bemerkungen und Erläuterungen mir 
vor dem Druck mitzutheilen. Wenn Ew. Excellenz sich die Mühe 
nehmen wollten, ebenfalls das Manuscript zu lesen, so würde ich 
im höchsten Masse dankbar sein. Freilich muss ich bedenklich 
sein, ob ich Ew. Excellenz Beifall gewinnen werde. Theils ist es 
schwierig, auf gelehrtem Wege arbeitend, denen genug zuthun, die 
nach lebendiger Anschauung urtheilten, — wie selten gelingt eine 
Büste nach der blossen Todtenmaske — theils und namentlich liegt 
dem Biographen nicht so Lob und Tadel, als Darlegung des psycho- 
logischen Zusammenhanges ob; wie denn in dieser Richtung unser 
Arbeiten dem des Dramatikers gleicht, es nimmt Shakespeare weder 
für Hamlet noch gegen Lear Parthei und mit herbester Ruhe gegen 
die Personen lässt er sich an ihnen das Gericht ihrer Schuld voll- 
ziehen. Es ist um vieles leichter, ein Urtheil zu formuliren, als 
den Thatbestand festzustellen; und ich meiner Seits werde froh 
sein, wenn ich diesen äusserst complicirten Charakter so modellirt 
haben werde, dass man erkennt, wie er oder Gottes Hand durch 
ihn so Grosses hat leisten können. 



208 92. Schön 1862. 

Zu meiner grossen Freude höre ich, dass in dem Königsberger 
landständischen Archiv die ungemein reichen Acten namentlich in 
Betreff der Landtage von 1806 — 14 geordnet und damit erst nutz- 
bar gemacht sind. Ich würde viel darum geben, wenn es mir mög- 
lich wäre hinzukommen und zunächst für die Nationalversammlungen 
von 1811, 12, 13, 14 Material aus ihnen zu sammeln. Es ist über 
diese bisher so gut wie nichts bekannt. Wie ja überhaupt die 
preussische Geschichte, die innere wie die diplomatische, auf eine 
Weise versäumt ist, die weder mit ihrer Wichtigkeit noch mit dem 
Charakter Preussens, wenigstens dem vor-Manteuflferschen in Ueber- 
einstimmung ist. 

Unter York's Papieren habe ich einen sehr anziehenden und 
eingehenden Brief von Ew. Excellenz an York aus Reichenbach vom 
5. Juli 18 13, leider nur diesen, obschon Ew. Excellenz deren mehrere 
an York über den Gang der Verhandlungen und manche Perso- 
nalien geschrieben haben müssen. York schreibt 1820 an Reyher 
seine Freude darüber, „dass die preussischen Stände seiner so wohl- 
wollend gedacht hätten.'' Ist Ew. Excellenz vielleicht bekannt, 
was das besagen will? 

Die ersten vier Tage des neuen Jahres werde ich in Berlin 
sein und ich hoffe, Herrn v. Bardeleben dort zu sprechen. 

Der ich mich mit wahrhafter Verehrung und Ergebenheit em- 
pfehle. Ew. Excellenz ganz gehorsamer 

Joh. Gust. Droysen. 
Jena, d. 29. Dezbr. 1851. 

92. SchBn an Droysen. 

Preuss. Arnau, den 18ten Jauiuar 1852. 
Verzeihen Sie die confuse 
Gestalt dieses Briefes. S. 

Der Brief von Ew. Wohlgeboren vom 29^^ v. M. kam in ein 

Haus voll Trauer. Meine aelteste Tochter,^) die Sie bey mir sahen, 

die, nach dem Tode meiner Frau, in meinem hohen Alter meine 

Stütze seyn sollte, starb in dieser Zeit. Momente dieser Art 

schneiden tief in's Leben, und fordern volle Mannes-Kraft heraus. 

Die Vernunft muss dem Greise unaufhörlich zurufen: spare the sexl 

wenn dieser Haltung behalten soll. Und Er soll sie behalten, und 

What shall be, must be. 



1) Malwina von Schön, geboren am 21. Juni 1810 zu Gumbinnen, starb 
am 4. Januar ISbl zu Pr. Aman. 



92. Schön 1852. 209 

Den Bindruck, den die neuen Ereignisse in unserem Vater- 
lande auf Sie machen, theile ich mit Ihnen. Wir sind in der Mitte 
eines Grossen Trauerspiels. 

Der Fall der Helden-Tugend 
Ein göttlich Trauerspiel! 

Ob es sich zum Helden-Gedicht verwandeln wird, in welchem 
am Ende doch die Idee (hier die des Staats und unseres Staats) 
in voller Glorie dasteht, that is the question. Zermalmet uns, 
die wir jetzt leben, auch diese Ungewissheit, wenn nur Preussen 
als Staat der Idee, wie England der des Verstandes ist, seine Auf- 
gabe behält. Noch ist es trübe, ja! finster vor unseren Augen, und 
beinahe jeder Posttag bringt neue schwarze Wolken herauf. Aber, 
Wer wie ich, im Winter 1806/7 in dicker Finsfcerniss leben musste, 
und im Sommer 1807 die schönste Morgenröthe sah, der kann nicht 
aufhören, den baldigen Eintritt dieser zu hofifen. Aber heute ist 
der Druck schwer. Sehr schwer! 

Aus dem, was Sie über den 2^^ Theil von York schreiben, 
vermuthe ich, dass Sie York als Werkzeug des Welt-Ganges ent- 
wickeln wollen. Die Persönlichkeit, der Held, ist dann zwar da- 
hin, aber die Wahrheit bekommt, in der für York schonendsten 
Art, ihre Rechte. In York war keine Spur von Freiheit, er war 
Knecht der Verhältnisse, welche Knechtsdienste er zuweilen Gut, 
zuweilen als unfreies Wesen, durch Lüge und Täuschung schlecht 
ausführte. Er hat keine Idee gestaltet, aber er hat, selbst indem 
er getrieben wurde, seine Selbstsucht zuweilen auf eine interessante 
Art, selbstständig gepflegt. Wallenstein folgte den Sternen, Fried- 
rich II. lebte der Pflicht, Scharnhorst liess sich aufgehen in der 
Idee des Staats, Blücher war zwar nur Bravour, aber in herrlicher 
menschlicher Gestalt (im Unterschiede von Courage, auf Ideen ge- 
stützt), Gneisenau erhob sich, rücksichtslos, an dem Bilde eines 
Helden, und York! — war ein Schiff auf wogendem Meere, wel- 
ches nur dadurch Interesse bekommt, dass es bald auf dem Rande 
einer hohen Welle, vor einem Abgrunde tanzt, und bald aus der 
Tiefe sich wieder erhebt. Doch Genug! Ihr Gedanke: Er war ein 
Werkzeug, pas plus, ist vortrefflich, und meines Erachten s hier der 
einzig Richtige. 

Der 4*® Theil von Stein, liefert allerdings eine Menge No- 
tizen, wären sie nur nicht so durch und durch schlecht. Stein in 
Wien und in Paris ist ein vollendetes Gegenstück der Fvtsä.^ 
welche unter dem politiscben Teatamen^^ nqyq. Jää^ ^Ä^^ '^^^^ 



210 92. Schön 1862. 

Es ist nun klar, dass Stein in Wien das Fundament zu dem gräss- 
liehen späteren und noch heutigen deutschen Unwesen legte. Der 
verstorbene Grossherzog von Oldenburg sagte schon im August 1813 
in Berlin: Wir werden die Franzosen aus Deutschland treiben^ aber 
dann, wenn dies geschehen ist, und Stein das Grosse Wort 
behält, dann wird das Unwesen in Deutschland grösser werden, 
als es je unter Napoleon war. ich habe Pertz geschrieben: Er 
habe nun Massen, Berge, jal Gebirge von Notizen in vier dicken 
Bänden zusammengebracht, so, dass es für den, der Stein nicht ge- 
kannt hat, unmöglich sey, aus dem Notizen-Haufen der verschie- 
densten Art sich ein Bild von Stein zu machen. Er möge die er- 
schienenen vier Bände als Notizen-Magazin betrachten, und im 5. Bande 
ein philosophisch construirtes Bild von Stein geben, an dem Mit- 
und Nachwelt ein Yorbild eines Grossen Mannes hätten, der trotz- 
dem, dass er ein Staats-Mann seyn wollte, der er nicht war, und 
dadurch grenzenloses Unglück anrichtete, doch ein Grosser Mann 
war.^) ich habe ihm den Aristides als Muster vorgeschlagen, der 
über Staat und Staats-Gestaltung wahrscheinlich auch sehr unklare 
Gedanken gehabt hat, aber doch ein Grosser Mann war. 



Von den Briefen, welche ich aus Beicheubach an York ge- 
schrieben haben mag, weiss ich Nichts mehr. 

Das Andenken der Preussischen Stände an York, dessen er 
in dem Briefe an General Beyher erwähnt, besteht darin, dass ein 
Königsberger Abgeordneter auf dem Landtage den Antrag machte, 
die Strasse : Sackheim in Königsberg, York-Strasse zu nennen. Der 
Vorschlag wurde aber nicht genehmigt.^) 



Professor Voigt schreibt, mit vollem Eyfer an der Biogra- 
phie des verstorbenen Minister Dohna. Das kann, kein blendendes, 
aber ein schönes Bild werden.') 



1) Vgl. den Brief an Pertz vom 28. December 1851, oben S. 36 £ 
und den Brief Alexander von Humboldt's an den Burggrafen von Brünneck 
„Aus den Papieren" I S. 169 der Anlagen. 

2) Im Anfang der ftlnfziger Jahre wurde der fehlgeschlagene Versuch 
gemacht, das Sackheimer Thor in ,,York-Thor'' umzubenennen. Erst vor 
wenigen Jahren hat die bis dahin Alte Beiferbahn genannte Strasse den 
Kamen York-Strasse erhalten. 

3) Dieser Plan konnte nicht ausgeführt werden. Vgl. ,,Aus den Pa- 
Pieren'' VI S. 15 f. 



93. Droysen 1852. 211 

Mit General v. Below habe ich es abgemacht, dass er das 
Manuscript von York, so bald er es von Ew. Wohlgeboren erhält, 
mir zuschickt. 

Es liegt mir viel daran, bei Ihnen, in freundlichem Anden. 

ken zu seyn. 

Schön. 

93. Droysen an SchBn. 

Hochverehrter Herr Staatsminister 1 

Ew. Excellenz wollen mir vor Allem den Ausdruck meiner 
innigsten Mittrauer gestatten. 

Die Pflege eines schwer erkrankten Kindes, das sich endlich 
nach zehntägiger Gefahr auf beruhigendem Wege findet, hat mich, 
länger als ich gesollt, schweigen lassen. 

Ich habe in dieser Zeit, freilich ohne hinreichende Spannung 
das seltsame Buch von Marwitz^) gelesen; gewiss eine charakte- 
ristische, wenn auch nicht eben erquickliche Erscheinung. Ich ver- 
muthe, dass in das Buch einiges aus der Gegenwart hineingefälscht 
ist in majorem Dei gloriam. Wenigstens stimmt zu dem, was sonst 
von Fritz Marwitz wie von seinem Bruder Alexander bekannt ist, 
eigentlich nicht die Wuth auf die höhere wissenschaftliche Bildung, 
die für das heutige System das Bezeichnende ist. Diese ge- 
flissentliche und rohe Abkehr von dem, was nach 1807 als ein 
wesentliches Moment der Bettung erkannt und bethätigt wurde, 
diese frechstolze Gedankenarmuth, die bereits zum Styl der domi- 
nirenden Klique gehört, macht mir schwere Sorge. Der crasse 
Positivismus findet in dem Gang der deutschen Wissenschaften 
selbst leider grosse Unterstützung. Die glänzenden Resultate, welche 
die physikalische Methode, die der Wage und des Mikroskopes, 
die, mit ihrem Recht materialistisch, in den ihr zukommenden Be- 
weisen gewonnen hat, versuchten mit grösstem Erfolg die anderen 
Disciplinen; ich bin erstaunt und betroffen zu sehen, dass hier in 
Mitteldeutschland diese inductive Methode bereits den höheren 
Schulunterricht, nicht bloss den der polytechnischen Anstalten, be- 
herrscht, dass man das heranwachsende Geschlecht auch die alten 
Sprachen, womöglich auch die Geschichte nach dieser Art ;, stets 
selbst suchend und beobachtend^ lernen lässt. Schon merkt man, 
wie daraus ein aberwitziges und altkluges, ein intellectuell über- 

1) Aus dem Nachlasse Friedrich August Lxid^<^^ '^o^ ^'st '^^x-^iriiKi. 
auf Friedersdorf. Berlin 1852. 



212 93. Droysen 1862. 

reiztes und an Willensstärke, Pflichtgefühl und höherer Greistes- 
zucht verkommenes Geschlecht wird, voll Eitelkeit, Selbstsucht und 
Lüsternheit, ohne Strenge, ohne Idee und Ideal. Dazu kommt, dass 
die derzeitig übliche ^Gesinnungstüchtigkeit^ die freie Bewegung 
der Geister möglichst ausschliesst; man möchte glauben, dass die 
Begierenden sich die traurigen Prinzipien angeeignet haben, die 
Prankreich seit 1789 und unter Napoleon zu Grunde gerichtet 
haben. 

Und leider sind die Wissenschaften, welche dem Unwesen 
rettend und helfend entgegentreten konnten, in völliger Ohnmacht. 
Die Philosophie ist durch Hegel und seine Schule für geraume Zeit 
nicht blos discreditirt, sondern in ihrem eigensten Leben zerrüttet; 
die Götzendienerei mit dem construirenden, ja schöpferischen Denken 
hat, indem alles ihm vindicirt wurde, zu dem Feuerbach'schen^) 
Wahnwitz getrieben, der methodisch und ethisch jener polytech- 
nischen Bichtung völlig entspricht; und was sich in der Geschichte 
und Politik in einer deutschen und preussisch-evangelischen Bich- 
tung bewegte, was die vaterländische, die europäische Geschichte 
in diesem Zusammenhang betrachtete, das ist durch die Ereignisse 
seit 1848 oder richtiger seit 1850 Lügen gestraft. Wie soll man 
fordern, dass die Jugend dieser patriotischen Geschichtsbetrachtung 
noch Glauben schenkt, seit Preussen officiell und mit dem Beifall 
der Wortfuhrenden Alles das verläugnet, was wir lehren oder hoffen. 
Nicht in den schmerzlichen und erniedrigenden Niederlagen der 
preussischen Politik gegen Oestreich, Dänemark, Sachsen u. s. w. 
ist die Hauptsache: aber diese tiefe bis in die letzten Wurzeln zer- 
störende und vergiftende Umwandlung der Gedanken, in denen 
Preussens Hoheit und Beruf bestand, raubt mir die Hoffnung, die 
ich lange festgehalten habe, und ich sehe des Jammers kein Ende. 
Die Begierenden in Preussen scheinen die materielle Wohlfahrt als 
Ersatz bieten oder retten zu wollen. Sie wird ihnen unter den 
Händen wegsterben. Der rettende Zorn, der von 1807 bis 1813 
emporschwoll, — ich fürchte, dass er dahin ist. 

Ew. Excellenz werden nun wohl das Manuscript der York 
sehen Biographie, so weit sie fertig ist, in Händen haben. Ich 
bitte um Nachsicht. 

Ich hörte schon aus Berlin, dass Pertz seinen Stein „im Aus- 
zuge** herausgeben will. Ich denke, das wird die Wirkung von 

1) Ludwig Fenerbach, geboren 1804 zu Landshut, gestorben 1872 auf 
dem Beohenherg hei Nürnberg. 



94. Schön 1852. 213 

Ew. Excellenz Vorschlag sein, wenn auch schwerlich die erwartete. 
Es thut mir leid, dass ihm die Gneisenau'schen Papiere überwiesen 
sind; denn bei aller Achtung vor seinem Talent, er hat jenen alten 
preussischen Hauch nicht, den Gneisenau noch weniger als Stein 
entbehren kann. 

Die Wirkung der Marwitz'schen Schrift wird noch weitere 
reactionaire Memoiren zum Vorschein bringen und man wird bald 
den Genuas haben, die preussische Geschichte seit 1786 überwie- 
gend aus den Gesichtspunkten betrachten zu können, welche sich 
bis 1848 mit einem sehr gerechten Schamgefühl möglichst zu ver- 
bergen suchten. 

In treuester Ergebenheit und Verehrung Ew. Excellenz ganz 

gehorsamer 

Joh. Gust. Droysen. 
Jena, d. 1. Febr. 1852. 

94. SchBn an Droysen. 

Preuss. Amau, d. 4. Febr. 1852. 
Der General v. Below hat mir das Manuscript zukommen 
lassen, welches Ew. Wohlgeboren, als einen Theil des 2. Bandes 
von York's Leben ihm mitgetheilt haben. Nach Ihrem Wunsche 
habe ich in der Beilage meine Bemerkungen gleich beim Lesen 
niedergeschrieben. In diesem Hefte habe ich York nicht allein 
treu, sondern auch sein Bild, , wie jede Biographie es geben soll, 
künstlerisch correct dargestellt gefunden. Die Zeichnung ist richtig, 
das Colorit lebendig, und das Clair obscure vorzüglich gehalten. 
Aber Wie werden Sie nun diesen 2^®° Theil, mit dem Ersten in 
Harmonie bringen? Werden Sie in der Vorrede zum 2^° Theile 
eine Kezension des Ersten schreiben? Oder werden Sie den 2. Theil 
mit einer Charakteristik York's, mit Rücksicht auf den ersten Theil, 
anfangen? Das Sonnenlicht der Wahrheit dürfen Sie dem Bilde 
nicht vorenthalten. York, als unfreyes, in jedem einzelnen Falle 
nur von Umständen und Verhältnissen getriebenes Werkzeug des 
Welt-Ganges, betrachtet, löset die Schwierigkeit. Wie der Himmel 
einen Lügen-Fürsten, sich gegenüber stellen muss, wenn er unser 
Himmel seyn soll, so sind diesem Fürsten auch irdische Jünger zur 
Entwickelung unseres Himmels nöthig. Sie sind die unerläss- 
lichen Schatten zur Grösse der Erscheinung, welche dargestellt 
werden soll. Und bey York machen diese Schatten, den Hintergrund 
so schwarz und finster, dass die Licht-Partien dadurch, la^dax^^^^ 
gewinnen. 



214 d^- Schön 1852. 

Ew. Wohlgeboren könneii diese Aufgabe löBen, and ich bin 
sehr begierig darauf. 

Zum 4. Theil von Stein habe ich an Pertz geschrieben: dieser 
4^« Theil bestätige meine Meinung, dass Stein ein grosser Mann, 
aber kein Staats-Mann gewesen sey, wie dies, ohne philosophische 
und poetische Entwickelung Niemand seyn kann. Der Stein im 
4**** Bande stehe im Widerspruche mit der Firma des politischen 
Testaments vom Jahre 1808 und zeuge, dass dies Testament nur 
Stein's, ihm aufgedrungenes Adoptiv-Kind sey. Er (Pertz) habe 
nun Berge von Zeichnungen, Skizzen und Farben zu einem Orossen 
Bilde zusammengebracht, Er habe so Viel zusammengehäuft; dass 
es dem, der Stein nicht kannte, schwer seyn moss, sich ein Bild 
von Stein zu machen. Er möge jetzt die vorhandenen vier Bände als 
Materialien-Magazin betrachten und im 5^*^ Bande ein philosophisch 
construirtes Bild von Stein geben, nach Art des Aristides im Cor- 
nelius Nepos. Wie Aristides der Idee der Oerechtigkeit unbedingt 
lebte, so Stein der des Vaterlandes, und wie die damaligen Staaten 
zeugen, ist Aristides über Staat und Staats-Oestaltung wahrschein- 
lich auch nicht klar gewesen, und er mag auch nicht frey von 
Griechisch- Spiessbürgerlichen (Reichsfreiherrlichen) Oedanken ge- 
wesen seyn, u. s. w.^) 

ich nehme mir die Erlaubniss, diesem Briefe eine Übersetzung 
einer Schrift beizufügen, welche der ehemalige Bussische Minister 
Uwarow,*) so viel ich weiss, nur für Freunde in französischer Sprache, 
unter dem Titel: „Stein et Pozzo di Borgo'' hat drucken lassen. 
Mit Stein stand ich bekanntlich sehr nahe, und mit Pozzo di Borge 
verlebte ich einen Winter in London, und sprach ihn wieder im 
Jahre 1813.') In dieser Schrift stehen beide Männer lebendig und 
klar vor mir. Wenn eine Definition das Eigenthümliche eines Ge- 
genstandes, welches ihn von allen Anderen unterscheidet angeben 
soll, dann giebt diese Schrift die vollständigste Definition von beiden 
Männern. Sie ist die beste und schärfste Kritik von Pertz, sie ist 
die Philosophie zu den Pertz'schen 4 Bänden, ich könnte die 
Schrift hier in Verlag geben, aber ich wünsche, dass eine renom- 
mirte Buchhandlung den Verlag übernehme, damit sie Aufsehen 

1) Vgl. oben S. 209 f. 
2) Vgl oben S. 34. 
3j Vgl oben S. 19 N. 2. 



95. Schön 1852. 215 

errege. Die üebersetzung müsste auf starkem, glattem Papier, mit 
breiten Eändern elegant gedruckt werden. 

Halten Sie den Gedanken für gut und wollten Sie die Sache 
besorgen? 

Auf 20 — 30 Exemplare subscribire ich im Voraus. 

Sollte die Verlagshandlung ein Honorar bewilligen, so bitte 
ich den Betrag desselben durch eine Buchhandlung an den Herrn 
Doctor Jung in Königsberg zahlen zu lassen. 

Damit Ew. Wohlgeboren diese Sache ganz übersehen können, 
lege ich das Original von üwarow, aber mit der ausdrücklichen 
Bitte bey: 

Es nach 3 Tagen des Empfangs an den Herrn Apellations- 

Bath, Professor Dr. Simson, Mitglied der zweiten Kammer, nach 

Berlin zur gefälligen Abgabe an die dortige Königliche Bibliothek 

zu schicken. Behalten Ew. Wohlgeboren mich in Ihrem gütigen 

Andenken. 

Schön. 

95. SchOn an Droysen. 

Preuss. Amau den 14. Febr. 1852. 
Für Ihren Brief vom 1. d. M., danke ich, und ich danke be- 
sonders für die in dem Briefe geäusserte Theilnahme an dem Trauer- 
Falle, welcher mich wiederholt betroflfen hat. Kein Unglück kommt 
allein I sagt das Sprichwort und so war dieser Fall noch mit an- 
deren Sorgen begleitet. Die schwersten Prüfungen waren mir für 
mein hohes Alter aufgespart. Einzelne Momente waren schwer, 
aber der alte Körper hat seine Knechtsdienste beim G-eiste noch 
verrichten können, und What shall be, must be, ist an mir be- 
stätigt. Aber dafür bin ich dem Gemüthe auch Zuckerbrot schuldig 
und so will ich im May mich auf Reisen begeben, und vielleicht 
auch Sachsen besuchen. Dabey freue ich mich darauf, Sie alsdann 
wieder zu sehen. 

Das Bild des heutigen Zustandes des Preussischen Staates, 
welches Ihr Schreiben aufstellt, ist auch das meinige, nur in der 
Entwickelung desselben weiche ich von Ihrer Meinung ab. ich 
hoflfe im Gegentheil, dass die Crisis nahe, und dass die Morgen- 
röthe schon im Anzüge ist. Marwitz muss bedeutend dazu bei- 
tragen, und ich hoffe, dasi^dem gegebenen Vorbilde, mehrere und 
stärkere Stimmen folgen werden. Salzmann hat durch seine Sohxv^V. 
die Kunst die Kinder schlecht zu exzieken, öaä ^\»^^^tKäcssä.%^s^^^>ks: 



216 95. Schön 1852. 

gefördert, als durch seine positiven Schriften. Eben der Fall ist, 
mit Swift's Instruction for servant, und wenn Gerlach^) sagt: der 
König von Preussen ist niemals unabhängig gewesen, und die Ent- 
wickelung dieses Satzes zeugen soll, dass der König von Preussen 
nur immer Commis des Adels war, und wenn unsere Pietisten, als 
Bodelschwingh*) Bedenken hatte, Finanz-Minister zu werden, weil er 
Nichts von Finanzen versteht, ihm sagten: Bete Morgens und bete 
Abends II so wird Oott dir eingeben, was Du thun sollst, dann sind 
dies so starke Kopf-Nüsse, dass auch der mit Bergen von Unrath 
unterdrückte Verstand, und noch mehr, die Himmelstochter Ver- 
nunft, sich durcharbeiten und zu ihrem Rechte kommen müssten. 
Von der anderen Seite steht der Preussische Staat, von allen 
deutschen Stämmen, für öffentliches Leben, am wenigsten verkrüppelt 
da, in seinem Benehmen ist, verhältnismässig die grösste Masse der 
Ideen, es müsste kein gerechter Gott im Himmel, und keine Welt- 
Ordnung seyn, wenn der Preussische Staat zu Grunde gehen sollte. 
Die Jahre 1807 — 1814 werden immer als Contra-Viola im grossen 
Conzerte ihr Recht behaupten, und die Violinen, Flöten, Klari- 
netten pp. wenn sie von dem Grund-Tone abweichen, zu diesem 
zurückführen. Und wie schnell läuft jetzt die ZeitI Wie langsam 
schleppten vor dem Jahre 1806, die Abgeordneten der Hölle die 
Bau-Steine zu unserem Verderben zusammen, und welche Eyle haben 
sie jetzt I Diese Eyle ist das Beste Zeichen, dass Ideen sich zu 
regen anfangen. Der Historiker vor dem Jahre 1806, konnte ge- 
mächlich seine Nachtruhe und seinen Mittags-Schlaf halten, der 
heutige Historiker hat nicht Tag nicht Nacht, Ruhe. Summa 
Summarum: Das Reich der Vernunft ist unüberwindlich! nur für 
den, der jetzt nahe an 80 Jahre alt ist, ist es traurig, dass der 
liebe Gott zu seinen Siegen sich immer so viel Zeit nimmt. Aber! 
das ist Selbstsucht! 



ich erinnere mich nicht, als ich die Freude hatte, Sie bey 
mir zu sehen, dass ich Ihnen ein fac simile*) von dem Concepte des 
Testaments, welches unter der Firma von Stein, im Jahre 1808 in 
die Welt kam, gegeben habe. Fürsten geben Orden, und Gelehrte 

1) Ernst Ludwig von Gerlach, geboren zu Berlin 1795, gestorben da- 
selbst 1877, der Bundschauer der Kreuzzeitung. 

2) Karl von Bodelschwingh, geboren 1800 zu Haus Yelmede hei 
Hamm, gestorben 1873, war 1851—58 und 1862—66 Finanzminister. 

3) Zu dem Folgenden vgl. o\)en S. ^i. ^11 l^i. 



95. Schön 1852. 217 

geben Bücher, als Zeichen der Achtung. Das beiliegende fac simile 
vertritt bey mir diese Stelle, und ich bitte Sie, es anzunehmen. 
Dabey wird dem Historiker die Oeschichte der Entstehung dieses 
Kindes wichtig sein. Zu dem sogenannten Perponcher'schen Club, 
i:am eine höhere, wichtigere Kabale, welche Stein vertrieb. Nico- 
lovius, Graf Dohna- Wundlack, Süvem, Hr. v. Rhediger und ich, wir 
sahen im Voraus, dass unser angefangenes Werk nicht allein nicht 
fortgesetzt, sondern auch das, was schon geschehen war, zerstört 
werden wurde. Mit Mühe war Stein nur zum Besseren geschleppt; 
jetzt kam das Werk in Altenstein's Hand, dem erbitterten Gegner 
Stein's und unseres Werkes. Es kam darauf an, den Geist und 
das Wesen unseres Treibens, wenigstens vor der Welt zu retten, 
und dazu zum letztenmale sich der Firma von Stein zu bedienen, 
ich schrieb das beiliegende politische Testament und verlangte, 
dass Stein ihm seinen Namen gebe. Der Gedanke an sich sagte 
Stein zu, beim Vorlesen wurde sein Gesicht aber bedenklich, er 
versprach indessen die Unterschrift. Er zauderte damit, trotz mei- 
ner Erinnerung, da stellte ich ihm, am Abende vor seiner Abreise, 
bey seinem Abschieds-Besuche bey mir, die Wichtigkeit eines sol- 
chen Testamentes und die daraus folgende Gelebrität für ihn leb- 
haft vor, und verlangte die Zusage der Unterschrift unbedingt und 
aufs Neue. Im Momente unserer Trennung gab er mir diese, und 
am andern Morgen, nachdem Stein abgereist war, ging dieser auf 
den menschlichen Verstand gezogene Wechsel, unter der Firma eines 
renommirten Hauses, in alle Welt. Und — er ist bereitwilliger 
acceptirt worden, als es damals zu erwarten war. Pertz giebt sich 
damit ab, die Vaterschaft für Stein nachzuweisen, und wir wollen 
ihn dabey lassen, denn diese ist hier unwichtig. Aber der 4** Theil 
seines Lebens von Stein, besser seiner Eloge auf Stein, zeugt, dass 
der, der nur regierende Fürsten, Beichs-Ritter, und Patrizier im 
Kopfe hat, unmöglich in der dem Testamente zum Grunde liegen- 
den Idee das Staats-Leben und das, was über Repräsentation, 
Herren-Recht, und Allgemeine Wehrpflicht, das Testament sagt, 
mit Ueberzeugung unterschreiben kann. Wer in der Altvomehmen 
Zeit aufgewachsen und in der damaligen Goettinger Richtung ge- 
bildet ist, dem kann die klare Zeit zwar anfliegen, aber es gehört 
wenigstens ein Halb-Gott dazu, um darin leben zu können. Be- 
sonders, wenn einem solchen an sich Guten Geiste, jede philoso- 
phische und poetische Bildung, wie dies bey Stein der Fall war, 
abgeht. Stein hat vor seinem Tode, aicli «»^te xoiTÄÄfv^^«^ ^ss>&. ^äI5sä 



218 Ö6. Droysen 1852. 

dem erklärt, wozu er in Memel und Königsberg verleitet sey: Seine 
Bildung hatte kein Fundament. Die Notizen-Massen, ja! Notizen- 
Berge, welche er in sich aufgehäuft hatte, waren mehr geeignet, 
seinen brillanten Oeist zu dämpfen, als ihn zu beleben. Auf der 
anderen Seite, hatte er als reicher und unmittelbarer Reichsfrey- 
herr immer entfernt vom Volke und vom Volksleben gelebt. Ihm 
fehlte daher auch das zweite Requisit eines Staats-Künstlers, nehmlich 
die Kenntniss des Materials, aus welchem das Kunstwerk zu bilden 
war. Dies zeigte er noch zuletzt, als Landtags -Marschall in 
Münster, wo er seine Unkenntniss des Volkslebens und seine Nicht- 
Achtung des Volks grell zu Tage stellte. Aber bey alle dem, war 
er seinem Geiste nach, wie dieser ihm bey der Geburt mitgegeben 
war, und weil er einer Idee, nehmlich der des Vaterlandes, und 
ganz und unbedingt lebte, ein Grosser Mann, dem jede Gemeinheit 
ein Gräuel war. 

Um das Packet für die Güter-Post schwer genug zu machen, 
lege ich noch ein achtes Exemplar meines Woher und Wohin ^) 
und eines Aufsatzes gegen die Polen,') als Ballast bey. 

Schön. 

96. Droysen an SchBn. 

Hochverehrter Herr Staatsminister I 

Ew. Excellenz wollen mich entschuldigen, dass ich für zwei 
Briefe erst heut meinen Dank schreibe. Ich habe versucht, die 
kleine Schrift über Pozzo di Borge an einen Verleger zu bringen. 
Es hat sich aber ergeben, dass Uwarow's Aufsatz schon übersetzt 
existirt. Ich erlaube mir deshalb, das kleine Manuscript zu remit- 
tiren; den französischen Text habe ich Ihrer Weisung gemäss Tags 
nach dem Empfang an Simson geschickt. 

Ew. Excellenz Urtheil über die Fortsetzung des York hat 
mich, wenn ich so sagen darf, beruhigt. Aber ich glaube nicht, 
dass ich irgend eine recantation zu machen habe. Es stimmt die 
Darstellung des zweiten Theiles vollständig mit der des ersten, 
wenn man nicht übersieht, dass Naturen wie die Yorks nicht blei- 
ben wie sie sind, sondern, ohne höhere Ideen, denen ihr Leben ge- 
widmet und in denen es gleichmässig erhöht ist, mit dem zahlen. 



1) Vgl. „Aus den Papieren" III S. 230 ff. 

2) Staat oder Nationalität? Als Manuscript gedruckt. Berlin 1848. 
8 SS. 80, 



96. Droysen 1852. 219 

was sie thun, nicht mit dem, was sie sind. Ich habe von Anfang 
her die Absicht gehabt, das Werden einer so harten, bittren, ja 
dämonischen Natur darzustellen; und ich denke, es drängt sich auf. 
dass sie mehr und mehr Rinde wird. Ich werde aus der Zeit nach 
1815 — denn ich bemühe mich, statt abstract zu urtheilen, das, 
was ich meine, durch die Schilderung empfunden werden zu lassen 

— einen Brief York's anfuhren: „ , . fem sei von mir der egoistische 
Gedanke, dass das, was das Schicksal unter meiner Firma ge- 
schehen liess, lediglich mein Werk gewesen sei; nur wenigen 
ausserordentlichen Menschen wurde dieser Götterfunken zu Theil 
u. s. w.** 

Pur Ew. Excellenz gutige Sendungen meinen verbindlichsten 
Dank; besonders grosse Freude macht mir das Concept des sog. 
politischen Testamentes, unter anderm auch darum, weil man in 
den Gorrecturen noch genauer den Gedankenzusammenhang des 
Ganzen erkennt. 

Die Denkwürdigkeiten von Marwitz sind fort und fort mein 
Studium. Ich erwarte nur die Fortsetzung, um mich einmal mit 
rechter Herzenslust gegen diese Dinge zu expectoriren. Und doch 

— man kann Gott danken, wenn die jetzigen preussischen Junker 
noch so viel Adel, Patriotismus und Wahrhaftigkeit besässen als 
diese Marwitz, Alexander wie Friedrich. Fast möchte ich glauben, 
dass in der vorliegenden Denkschrift bedeutend hineingefälscht ist, 
in majorem Dei gloriam. 

Die Aussicht Ew. Excellenz vielleicht im May, wenn Sie Ihre 
Beisepläne ausfuhren, zu sehen, macht mich sehr glücklich. Kämen 
Sie nach Jena, so müssten Sie sich schon entschliessen, es sich in 
meinem Hause gefallen zu lassen. Ich hatte vor dieser Ihrer gütigen 
Nachricht schon her und hin Pläne gemacht, noch einmal nach 
Ostpreussen zu gehen. Es sind gewisse Dinge, namentlich in den 
beginnenden zwanziger Jahren, über die ich gern durch Ew. Excel- 
lenz genauer orientirt würde. Ich kann nicht läugnen, dass, zumal 
nach Ew. Excellenz mündlichen Erzählungen, meine Aufmerksamkeit 
immer wieder auf die Persönlichkeit des jetzigen Königs und seinen 
merkwürdigen Entwickelungsgang zurückkehrt. Ich glaube, es wird 
zum Yerständniss der Zeit kein Punkt wichtiger sein als die mög- 
lichst scharfe Auffassung dieser Persönlichkeit, in der keine der 
schönsten und edelsten Eigenschaften, die einen Menschen zieren, 
fehlt ausser der des starken und bewussten Willens. Ich besorge, 
dass die historische Erinnerung sehr bald öää "StJA ^<köää» ^^^^- 



220 97. Schön 1852. 

* 

archen entstellen wird und dass diejenigen am meisten dazu thun 
werden, von denen er jetzt man darf wohl sagen besiegt und be- 
herrscht ist. Ich sehe den Moment kommen, wo ihn der Ekel an 
dem, was jetzt unter seiner Firma gesündigt wird, von denen hin- 
wegführt, welche ihn umgarnt hatten. Als er jüngst zur Vermäh- 
lungsfeier in Altenburg war, ist die tiefveränderte Stellung Preussens 
in Deutschland auch sehr eigenthümlicher Weise merkbar geworden ; 
es müsste doch seltsam zugehn, wenn die Art, wie das Königreich 
Sachsen sich verhält nnd die ausgesprochene Tendenz, dasselbe 
in den Besitz seiner alten Grenzen herzustellen, nicht endlich Galle 
erregen sollte. So gewiss die Existenz der kleinen Staaten, in 
denen ich jetzt zu leben das Unglück habe, auf die Dauer nicht 
zu halten, eben so gewiss ist es, dass ihr Elend noch grösser würde, 
wenn sie dem Königreich Sachsen zugeschlagen würden, ein Plan, 
der mit noch grösserer Intensität als jener von Dresden aus ver- 
folgt wird. Die Infamie der östreichischen Politik nährt und reizt 
jedes derartige Gelüste. 

Der ich in wahrhafter Verehrung verharre Ew. Excellenz ganz 

ergebener 

Joh. Gust. Droysen. 

Jena, 2. März 1852. 

97. SchBn an Droysen. 

Pr. Arn au, den 9. März 52. 

Seit 3 Wochen leide ich an der Grippe und dies mag mich 
entschuldigen, wenn ich das Nachstehende einem vertrauten Manne 
diktire. 

Ew.*) Wohlgeboren gefällige Zuschrift vom 2^*'* d. M. habe 
ich vor einigen Tagen erhalten, und ich erlaube mir die ergebenste 
Bitte um Nachricht, Wann und Wo die üwarow'sche Schrift Stein 
et Pozzo di Borgo übersetzt schon im Druck erschienen ist. In 
Königsberg und in Berlin wusste Niemand etwas davon. Eine 
Herausgabe der neuen üebersetzung wäre dann allerdings nicht 
nöthig, aber bei der Art der Biographien, wie sie jetzt in Masse 
erscheinen, dürfte es rathsam seyn, das Publikum auf die philoso- 
phische, also allein richtige Behandlung einer Biographie, wie diese 
Uwarow geleistet hat, besonders aufmerksam zu machen. Sobald 
ich die schon im Druck erschienene Üebersetzung kenne, werde 
ich dies zu veranlassen bemüht seyn. 

1) Von hier ab dictirt. 



97. Schön 1852. 221 

Was den Oaiig betriflffc, welchen Ew. Wohlgeboren der York- 
schen Lebensbeschreibung geben wollen, so gestehe ich, wie Sie 
ihn mir mittheilen, nicht begreifen zu können. Soll die Sache 
chronologisch gehalten werden, und nur Notizen -Aufspeicherung 
seyn, aus welcher sich der Leser selbst das Bild machen möge, 
dann gehört allerdings die Lüge von der Englischen Abstammung, 
das schändliche Auftreten im J. 1808 und 9 gegen alles Grosse, 
Edle und Gute, und die planmässige Täuschung, dass die Conven- 
tion mit den Eussen, York auf seine Gefahr geschlossen habe, in 
das Werk; aber dann würde auch zur Vollendung des Bildes die 
spätere Zeit darin aufgenommen werden müssen, in welcher es klar 
dasteht, dass die Genealogie eine Lüge, dass die Opposition im 
Jahre 1808 und 9 eine Bosheit wegen gekränkten Ehrgeizes ist, 
und dass York bei der Convention mit den Russen volle Deckung 
hatte. Das Werk würde dann aufhören eine Biographie zu seyn, 
und weil man im Voraus wüsste, dass das Ende den Anfang auf- 
hebt, wohl nur von Wenigen gelesen werden. Und sollte Jemand 
wirklich die Geduld haben, diesen Berg von drei Viertel Lüge und 
Bosheit und von ein Viertel Wahrheit durchzulesen, dann würde noch 
Anstrengung nothwendig sein, um sich ein Bild des politischen Glücks- 
ritters bilden zu können. — Ew. Wohlgeboren stehen in meiner 
Meinung zu hoch, als dass ich annehmen könnte, es komme Ihnen 
nur, wie bei Pertz der Fall ist, auf eine französische Eloge an, 
welche Sie unter der Firma: „York's Leben" in die Welt schick- 
ten. Nach meinem Bilde von Ihnen, dürfen Sie sich dem gemeinen 
Haufen der jetzigen Biographen nicht beygesellen. Die Welt hat 
ein Recht, von Ihnen eine Biographie und nicht einen biographi- 
schen Wechselbalg zu fordern. Pertz, ohne philosophische Bildung, 
mag man deshalb seine Sünden zu gute halten, und über die Selbst- 
lober, MüflFling, Knesebeck, Marwitz etc. hat das Sprichwort über 
das Selbstlob schon gerichtet. Ferne von Allen diesen bleibe Ihre 
Gemeinschaft! 

Recensiren Sie nicht selbst Ihren ersten Theil in Zeiten, so 
wird das Publikum diese Recension in bitterer Form übernehmen. 
So äusserte der Graf LehndorflF, welcher die interessante York'sche 
Zeit genau kennt, als Jemand in einem Königsberger Buchladen 
York's Leben forderte, vor aller Welt: „Zu lesen wäre das Buch 
allerdings, aber es wäre kein wahres Wort darin." Da nun Jeder- 
mann hier weiss, dass der Graf LehndorflF mit dem Gange der 
Dinge der York'schen Zeit genau bekaimt \ä^, ^o ^'ÖöX» ^^'sä ks^^^- 



222 ^7. Schön 1852. 

rung von Mund zu Mund und wird auch mit Recht nach Berlin, 
Leipzig und auch nach Jena kommen. 

ich glaube, es ist durchaus nothwendig, und es ist hohe Zeit, 
dass Ew. Wohlgeboren im 2*«^ Bande als Heros in der Geschichte, 
selbst die Initiative ergreifen, und nicht erst abwarten, bis das 
Publikum Sie in eine Defensions-Position gesetzt hat. 

ich sage, es ist hohe Zeit, denn wie mir der General v. Be- 
low mit Bedauern und Leidwesen mittheilt, haben Sie noch jetzt 
den ersten Band unverändert aufs neue abdrucken lassen, also zu 
einer Zeit, wo die Lüge von der Genealogie als solche schon klar 
stand, und wo eine Masse von Thatsachen die York'sche Opposition 
im Jahre 1808 — 9 als boshaft darstellt. 

Mein Bild von Ihnen als Mann und als Geschichtsschreiber 
steht hoch und dies ist Fundament und Basis dessen, was hier 
geschrieben steht. 

Sie meinen, York bezahle nicht mit Meinungen, sondern mit 
Thaten, aber wie? wenn die letzten Folgen der ersten und diese 
an sich Gräuel sind. Wenn Jemand mit falschen Geldstücken seine 
Schuld bezahlt, so hat er sie zwar bezahlt, aber für den Histori- 
ker ist der Zahler ein Spitzbube. 

Den Gemeinplatz, den Ew. Wohlgeboren zuletzt von York 
anführen, dass Alles, was unter seiner Firma geschehen, nicht sein 
Werk wäre, traue ich ihm vollständig zu, um so mehr, da er eben 
die Erfahrung gemacht hatte, dass L'Estocq die Schlacht bei Eylau 
zum Stehen gebracht haben sollte, obgleich L'Estocq bewusstlos 
dalag und nicht wusste, dass eine Schlacht stattfand. Ebenso hatte 
Bennigsen das Schlachtfeld verlassen, weil er schon alles für ver- 
loren hielt, und doch wurden er und L'Estocq als Sieger ausge- 
zeichnet. In diesem Satze finde ich daher nur eine in die Augen 
springende Wahrheit, welche ebenso wenig neu, oder bemerkens- 
werth ist, als wenn Jemand den Satz mit besonderer Wichtigkeit 
hinstellt: 2 X 2 ist 4. — 

Doch Genug! 

ich kann Ihnen keinen bessern Beweis meiner Hochachtung 
geben, als dass ich Ihnen das mittheile, was hier geschrieben steht. 



98. Droysen 1852. 223 

Für Ihre gütige Einladang, in Jena bei Ihnen zu wohnen, 
danke ich auf das verbindlichste. Ist es irgend möglich, so führe 
ich meinen Beiseplan in diesem Frühjahr oder Sommer aus. 

Ew. Wohlgeboren würden mich sehr verbinden, wenn Sie über 
die Zusammenkunft in Altenburg mir einige Specialien mitzutheilen 
die Güte haben wollten. 



Unsere Kammern gehen nicht allein, sondern galloppiren 
vehement rückwärts, und stellen die Zeit vom Herbst 1807/14 als 
einen unnützen, ja gotteslästerlichen Buben dar. Geht die Sache 
so fort, dann sehe ich es kommen, dass man mich des politischen 
Testaments vom Jahre 1808 wegen, wie York schon damals nicht 
üble Lust hatte, zur Untersuchung zieht. Obgleich ich auf dem 
Lande ganz einsam und zurückgezogen lebe, sucht die Beaction. 
wie ich noch vorgestern erfahren habe, Veranlassung hervor, um 
ihren Unwillen gegen mich zu äussern. Ja, Nachkommen werden 
sogar dabei nicht verschont.^) Aberl diese Zeit kann nicht lange 
mehr dauern; ich nehme an, dass im nächsten Herbst die Krisis 
eintreten wird. 

Erhalten Ew. Wohlgeboren mir Ihr freundliches Andenken. 

Schön.«) 

98. Droysen an Schttn.^) 

Hochverehrter Herr Staatsminister. 

Ew. Excellenz sehr geehrtes Schreiben vom 9^^ März beeile 
ich mich um so mehr zu beantworten, als es einige Punkte ent* 
hält, die mich persönlich angehen. 

Nichts wäre leichter, als das Bild York's auf eine solche 
Weise darzustellen, dass eine augenblicklich dominirende und über- 
müthige Parthei mit demselben an den Pranger gestellt würde. 
Man braucht nur ein wenig übertreiben, combiniren, unwahr wer- 
den und das scandalum wäre fertig, wenigstens momentan könnte 
man mit solchem Luftbilde die einen ärgern und den andern eine 
schadenfrohe Genugthuung schaffen. Am wenigsten Ew. Excellenz 



1) Dies bezieht sich wohl auf die Yerfolgungen, denen Curt von 
Bardeleben ausgesetzt war. 

2) Die letzte Zeile und die Unterschrift eigenhändig. 

3) Am oberen Eande dieses Briefes hat Schön geschrieben : ,,Hieran£ bal<L 
nach dem Empfange geantwortet. Das gute Bil^NOuT^xo^^^xiV^ii^'^^R^'^^'^'^'"-^ 



224 98. Droysen 1852. 

würden mit einem solchen Missbrauch der historischen Wissenschaft 
zufrieden sein, wie ich denn meinerseits, so lebhaft ich die Parthei- 
stellungen der Gegenwart mit,empfinde, als erste und höchste Pflicht 
in meinem Verhalten, dem wissenschaftlichen wie politischen die 
Grewissenhaftigkeit auch im Urtheil über meine Gegner und deren 
Verhalten erachte. 

Es ist mir nicht eingefallen, York's Charakter als liebens- 
würdig, als innerlich schlicht und fromm, als in der Kraft höchster 
Ideen mächtig zu schildern, ich wüsste auch nicht, dass das bisher 
Veröffentlichte als eine französische doge aufgefasst worden wäre. 
Ich bekenne, nicht dem Bild, das Ew. Excellenz anwenden: „York's 
Thaten seien wie wenn jemand mit falscher Münze seine Schulden 
bezahle^' übereinstimmen zu können. Man muss diesen alten Sol- 
daten in seinem Element bei dem blutigen Möckern, dem erschüt- 
ternden Wartenburg, dem Bückzuge von Montmirail sehen, um die 
Münze, in der er zahlt, doch für gut in Schrot und Korn anzuer- 
kennen. Ich kann wenigstens als gewissenhafter Historiker die 
Analogie jenes alten Flacianischen Zomsatzes,^) dass die grössten 
Tugenden ohne Glauben nur doppelt Sünde seien, nicht anwenden. 

In Betreff York's ist mein Bemühen gewesen und wird es bis 
zum Abschluss des Werkes bleiben, diesen complicirten Charakter 
aus seiner Lebensgeschichte zu erläutern und die Momente, in 
denen seine eigenthümliche Stärke erwächst, hervortreten zu lassen. 
Dass diese seine Stärke mit den dunklen und dunkelsten Parthien 
seines Wesens eng verwachsen ist, habe ich keinen Anlass zu ver- 
bergen und mit nichten verborgen. 

Ich habe eine Menge von Mittheilungen über York von ver- 
schiedensten Seiten und Ansichtsweisen her, Briefe von und an ihn. 
Diejenigen, welche sich von Ew. Excellenz an ihn aus dem Juni 1813 
und in der Marienburger Sache vorfinden, sind unter denjenigen 
Documenten, welche mir verbieten, York als ein Ideal von Bos- 
heit, Lüge und Niederträchtigkeit darzustellen. 

Ew. Excellenz haben eine zu gute Meinung von mir, als dass 
Sie nicht voraussetzen sollten, dass ich mit grosser Buhe erwarte, 
in was für bittren Formen die Recension des Publikums erscheinen, 
welcherlei Urtheil sich nach Berlin, Leipzig und Jena verbreiten 
wird. Wenn Graf Lehndorff die sehr schmeichelhafte Äusserung 

1) Flacius Illyricus, geboren 1520 zu Albona, gestorben 1575 zu Frank- 
fart, die Seele der Magdeburger Centurien, einer der eifrigsten Vorkämpfer 
des strengen Lufcherthums. 



98. Droysen 1852. 225 

gemacht hat; dass sich das Buch lesen lasse^ dass aber kein wahres 
Wort darin sei, so werde ich glauben müssen, dass er auch dies 
in der Zerstreuung gesagt hat, welche ihm während des Feldzuges 
Ton York und Andern manche scharfe Bemerkung zuzog, wennschon 
ich nicht gewillt bin, durch ein solches hinc illae lacrimae öffent- 
lich meine Vertheidigung zu machen. Schicklicher wäre es jeden- 
falls gewesen, wenn Graf Lehndorff mir direct seine Bemerkungen 
hätte zukommen lassen, da ich ihn in bescheidenster Form brieflich 
um gewisse Aufklärungen gebeten hatte. ^) 

Was mir seit dem Erscheinen des ersten Theiles an zuver- 
lässigen Berichtigungen zugekommen, habe ich vorgezogen, dem 
zweiten Theile beizufügen, damit es in die Hände derer komme, 
die den ersten in erster Ausgabe haben. Es ist mir nicht klar, 
wie der unveränderte Abdruck des ersten Theiles von General ße- 
low mit ^Bedauern und Leidwesen'^ hat bemerkt werden mögen. 
Mein sehr verehrter und gütiger General v. Below weiss, dass die 
Untersuchung über den Ursprung der Familie York noch bei Wei- 
tem nicht beendet ist, wie er denn selbst mir vor einiger Zeit 
noch sehr merkwürdige Mittheilungen von einer zweiten Familie 
Jork, die sich gleichfalls aus England datirt, gemacht hat.^) 

Meine hohe Verehrung für Ew. Excellenz hat mich verpflichtet, 
Ihnen eben so aufrichtig wie schlicht meine Auffassung der Punkte, 
die Ihr geehrtes Schreiben berührt, darzulegen. Hat, wie Ew. Ex- 
cellenz die Güte haben zu äussern, die Welt ein Recht, von mir 
eine Biographie und nicht einen biographischen Wechselbalg zu 
fordern — und ich würdige ganz die Schätzung meines Charakters 
und meiner Befähigungen, die Ew. Excellenz damit aussprechen — 
so bin ich gewiss meiner Seits in meinem Recht, wenn ich gebe, 
was ich nach gewissenhafter Prüfung und in alter begründeter 
Erkenntniss meines wissenschaftlichen Berufes geben zu müssen glaube. 

— In Betreff der deutschen Uebersetzung der Uwarow'schen 
Schrift sagt man mir auf weitere Nachfrage, dass dieselbe in dem 
Cottaischen Literaturblatt des Auslandes, das bis 1848 neben der 
allgemeinen Zeitung erschien, gedruckt sei; ich selbst kann nicht 
Auskunft geben, da hier an derartigen Zeitschriften ein grosser 
Mangel ist. 



1) Schön bemerkt am Bande: „Lehndorff würde gleich schreiben wie [?] 
er Wahrheit im ersten Theile gefunden hätte." Vgl. oben S. 201 f. 

2) Schön bemerkt am Rande: „Sage ich ii\c\i\Ä, ^^^^tö^^wsS&O^'^s^ ^saÄ. 
Militärattest/' 



226 ö9- Schön 1852. 

Von den Einzelheiten der Altenburger Zusammenkunft wird 
als die bemerkenswertheste das ZusammentrelTen des Königs mit 
Prinz Johann von Sachsen hervorgehoben. Die strenge und ge- 
hobene Haltung des Prinzen ist von dem König mit so viel Liebens- 
würdigkeit, Witz und leichter Eleganz aus dem Felde geschlagen 
worden, dass es allgemein aufgefallen ist; aber von mehr als con- 
ventioneller Ergebenheit der Masse anwesender Königl. Sächsi- 
scher Officiere keine Spur; sie sind durch und durch östreichisch. 
Mein Berichterstatter brauchte den* Ausdruck: Des Königs geist- 
reiches Benehmen habe die Niederlage, die Preussen in der öffent- 
lichen Meinung erlitten hat, verdeckt. Am Weimar'schen Hofe 
sah ich neulich Oestreicher. Ihr Uebermuth und ihre Missachtung 
Preussens ist unglaublich. Hier in Thüringen, wo sich Norden und 
Süden trifift, empfindet man, dass Preussen auf seine Grenzen redu- 
cirt ist. 

Wie freue ich mich der Aussicht, Ew. Excellenz hier be- 
grüssen zu können. Gebe Gott, dass Ihre Gesundheit recht bald 
wieder ins gleiche komme und Sie an dem Beiseplan nicht hindere. 

Der ich in aller Verehrung und wahrer Ergebenheit verharre 

Ew. Excellenz ganz gehorsamer 

Joh. Gust. Droysen. 
Jena, 19. März 1852. 

99. SchBn an Droysen. 

Preuss. Arnau den 26. März 52. 

Mein Bild von Ihnen als Historiker, im Gegensatz der Elogen- 
Schreiber und Phantasie-Bild-Maler, halte ich fest, und deshalb noch 
Folgendes : 

1. Mein verstorbener Freund Jork hat wohl niemals daran 
gedacht von Englischer Abstammung zu seyn. Jork, wie Jugend, 
Jedermann pp. ist rein Deutsch. Wenn die jetzige Generation von 
einem Herzoge von York abstammen will, dann bezeugt sie dadurch 
nur ihre Unwissenheit, denn Herzog von York ist nur ein Titel, 
dem, wenn er auf illegitime Weise forterben soll, der Fitz vorge- 
setzt wird, wie Fitz-Clarence, Fitz-James. Dagegen haben wir hier 
eine Familie, v. York, welche aber auf keine Verwandtschaft mit 
der unseres York Anspruch macht, und welche, wahrticheinlich wirk- 
lich aus England abstammt. 

Aber was interessieren Sagen, und alte Weiber-Mährchen den 
Historiker da, wo amtliche Documenta ^oünedKXax \aA ^Xiat Welt 



99. Schön 1852. 227 

verständlicil sprechen 1 Als: Geheime Kriegs-Kanzeley- Attest, dass 
York's Vater Jorck heisst, Tauf- Attest, Eben das, und uneheliche 
Geburt. 

Briefe von York's Vater an seinen Vetter, den Gastwirth pp. 

2. Bey der Convention mit den Russen, war York nur dem 
Schicksale ausgesetzt, welches Stein traf, als er im Herbst 1808 
aus unserem Lande musste. Er bekam von uns 4000 Thaler Pen- 
sion, in Prag ausgezahlt. Die erste Zahlung ging durch meine Hand. 

3. Für den Grafen Lehndorff darf ich wohl sagen, dass, wenn 
der Erste Theil von York's Leben ein treues Bild gegeben hätte, 
er Alles, was er von York weiss, bereitwillig mitgetheilt haben 
würde. Jetzt stellt er nach dem ersten Theile, die York'sche Bio- 
graphie in die Klasse der jetzt modernen Biographien, und mit 
diesen wollte er Nichts zu thun haben. 

4. Zu York's Heldenthaten im Kriege: 

Nach den Statuten des Maria-Theresia-Ordens, muss nachge- 
wiesen werden, dass der, der den Orden erhalten solle, mehr als 
seine Schuldigkeit gethan habe. Würde Gneisenau ein Attest dar- 
über ausstellen, dass York mehr als die Befehle des grossen Haupt- 
Quartiers auszuführen, gethan habe? Nach der sehr unglücklichen 
Affaire in Prankreich, erzählt mir ein damals York nahestehender 
Mann, dass York mit Zufriedenheit besonders herausgehoben habe, 
welchen dummen Streich das grosse Haupt-Quartier durch seine 
Befehle gemacht habe. An der Katzbach, trat das grosse Haupt- 
Quartier sogar öffentlich gegen York auf und doch! dass York per- 
sönlich tapfer war, wird und kann Niemand bezweifeln. Aber dies 
war Casanova auch. 

ich glaube York ist nur, als Casanova im Preussischen Sol- 
daten-Bock zu halten. 

5. Meine Briefe werden dies auch bestätigen, und wenn ich 
ihn darin hoch stelle, so wurde ich dies auch heute thun. Viele 
gemeine Soldaten sind zwar auch brav, vielleicht noch braver als 
York gewesen. Aber bey York kam noch geistige Begabung und 
geistige Entwickelung dazu, und dies macht ihn zur interessanten 
Erscheinung, mit der die grässlichste Selbstsucht, und Mangel an 
moraUscher Grösse noch immer verbunden seyn kann. In der 
grandiosen Lüge (Genealogie), in der Begeiferung alles Grossen und 
Edlen (Perponcher'scher Club), in dem vorzugsweise Herausheben der 
dummen Streiche des grossen Haupt-QuartietÄ yki "yks>ps^<5^^^ "^^ 
Tausende von Leichen herum liegen, m ^oti \.To\aA?y?Q. ^xk^^^^^hä^ 



228 100. Droysen 1852. 

über des Gewissens Gebot und die Weltordnung, (Fräulein v. L . . . .) 
pp. liegt auch etwas Interessantes, und hätte ich York's Biographie 
zu schreiben, ich würde Ihre Worte, in Arnau gesprochen als Motto 
hinsetzen: 

Würde York nicht Preussischer Militair geworden seyn, dann 
wäre er ein Strassen-Bäuber geworden, richtiger: 

Wäre York nicht pp. dann würde er pp. 



ich lasse mein Bild von Ihnen, als Historiker, nicht fahren I 

Schön. 

100. Droysen an SchBn. 

Hochverehrter Herr Staatsminister I 

Ew. Excellenz müssen einige Nachsicht mit mir haben, wenn 
ich Ihnen länger als sonst nicht geschrieben habe. Mancherlei 
ganz heterogene Beschäftigungen fesselten mich. 

Der Gang der öffentlichen Dinge in Preussen ist von der Art, 
dass man an der ^Vernunft in der Geschichte" irre werden könnte, 
wenn nicht tiefere Erfassungen * überzeugten, dass gerade dieses 
Wanken und Sinken nur ein weiteres Zeugniss für jene strenge 
Meisterin Idee ist, der man nicht ungestraft nur halb, nur zum 
Schein, nur in geistigem Epicureismus, nur nach der vis inertiae 
zu dienen fortgefahren. Ein glücklicher Zufall hat mir jüngst eine 
Fülle von Correspondenzen von Lombard, Beyme, MöUendorff, 
preussischen Gesandten aus den Jahren 1800 — 1806 zugeführt, in 
denen die intima der damaligen preussischen Politik in Betreff 
Hannovers und Englands erläutert sind. Es ist ein grausenhaft 
analoges Bild zu der Gegenwart, es ist viel toller als ich bisher 
irgend aus Büchern habe entnehmen können, selbst die härtesten 
und verächtlichsten Aeusserungen der französischen Scribenten über 
das damalige Preussen erreichen noch länge nicht die Feigheit, 
Ruchlosigkeit und Ehrlosigkeit, mit der damals dem Könige ge- 
rathen worden. Namentlich Lombard zeigt sich in einer Weise, 
dass Ew. Excellenz beiläufig gegen mich geäussertes Wort: ^ein 
rechter Bube" mir nun erst völlig klar ist. 

Ich glaube, es ist ein grosser Missstand, dass man nicht 
früher die Geschichte Preussens durchaus eingehend und einschnei- 
dend bearbeitet hat. Der ganzen Lage des Staates nach wäre von 
1815 ah nichts wesentlicher und dringender gewesen und es würden 
sich die Ansichten und Richtungen xm^'e^ido. raÄa.OKÄT xaA. «ßherer 



100. Droysen 1852. 229 

gestaltet haben, wenn man in der männlich-ruhigen Weise, die 
England auszeichnet, die jüngste Vergangenheit des Staates recapi- 
tulirt hätte. Statt dessen ist unter dem vorigen Könige eine Art 
Euphemismus über das lehrreich Durchlebte beliebt worden, aus 
der schliesslich nichts anders hat hervorgehen können, als dass 
sich wie das öffentliche Interesse lebhaft in den Vordergrund trat, 
ja gerufen wurde (1840) eine öffentliche Meinung ohne deutliche 
Kunde des schon Durchlebten gleichsam aus der flachen Hand bildete. 

Jetzt arbeitet alles dahin, das Versäumte fh möglichst falsch- 
gemeintester Weise nachzuholen. Der Marwitz ist ein derber An- 
fang; unter den Augen des Königs ist dieser Nachlass von Marcus 
Niebuhr bearbeitet worden, und man hat nicht einmal so viel An- 
standsgefühl, den masslosen Verunglimpfungen Hardenberges eine 
Rechtfertigung entgegen zu setzen, zu der die im Staatsarchiv be- 
findlichen Denkwürdigkeiten des Staatskanzlers das schon fertige 
Material darbieten würden. Auch in dieser Richtung hat die 
preussische Staatsehre die Segel vor derjenigen Parthei gestrichen, 
der sie wahrlich am wenigsten zu Dank verpflichtet ist. 

Ew. Excellenz haben namentlich von 1808 an eine Stellung 
gehabt, an die sich von den erhebenden Erinnerungen Preussens 
die meisten und grössten anknüpfen. Von Ihnen her muss nament- 
lich der noch völlig dunklen inneren Geschichte Preussens seit 1815 
die wesentliche Aufklärung kommen. 

In Betreff der York'schen Biographie werden zwischen Ew. Ex- 
cellenz und mir wohl einige Differenzen bleiben; Ew. Excellenz 
werden mit mir dann in so weit Nachsicht haben müssen, als mich 
anderweitige Mittheilungen und Materialien gehindert haben, mich 
Ihrer Auffassung dieses Charakters anzuschliessen. 

0. V. Keudell,^) der mich vor einiger Zeit hier in Jena be- 
suchte, erzählte mir, dass er nach dem Schluss der Kammern nach 
Arnau gehen werde. Ich hoffe, Ew. Excellenz haben den Reise- 
plan, der mir die frohe Aussicht gab, Sie hier zu begrüssen nicht 
aufgegeben. Der ich in wahrhafter Verehrung verharre 

Ew. Excellenz ganz ergebenster 

Joh. Gust. Droysen. 

Jena, d. 20. Mai 1852. 



1) Ein älterer Bruder des bekannten früheren Botschafters des deut- 
schen Reichs in Rom. Ursprünglich Officier, nahm er um das Jahr 1849 
seinen Abschied und starb zu Ende der sechziger Jahre. Er war Mitglied 
des Frankfurter Parlaments und der preussiscli^XL 7.'77^\V>^T^lLKcfiS£L^'t., 



230 101. Schön 1852. 

101. Schon an Droysen. 

Die Gedanken wollen fort und die alte Hand will Zeit haben. 
Die Ersten können auf das Verlangen ihres Knechts (der Hand) 
keine Rücksicht nehmen, und daher dictire ich das Nachstehende. 

Dies wird mich entschuldigen. „ 

id. 

Der^) Verleger des 2. Theils von York's Leben hat mir auf 
Ew. Wohlgeboren Auftrag ein Exemplar dieser Schrift zugeschickt; 
ich ermangele nicht, Ihnen meinen Dank dafür ganz ergebenst ab- 
zustatten. 

Ebenso bin ich Ew. Wohlgeboren dafür verbunden, dass Sie 
meine Bemerkungen zum Entwürfe der ersten Hälfte dieses Buches 
berücksichtigt haben. 

Dieser 2. Theil führt den Leser desselben schon bedeutend 
dahin, sich ein Bild von York machen zu können; das meiste zu 
einem vollständigen Gemälde erwarte ich aber vom 3. Theile, in 
welchem das, was Sie sich über Privatleben und Genealogie vor- 
behalten haben, dahin führen muss. 

Hier würde es wichtig sein, Hauptcharakterzüge, zu welchen 
der 1*® und 2^ Teil die Notizen geben, an sich darzustellen, z. B. wal- 
tete bei York Bravour (Nerven wie Bindfaden, sinnlicher Muth wie 
bei Blücher) oder Courage (Verfolgung der Idee der Pflicht und 
der Tapferkeit, du musst, was du sollst) vor? War die von York 
verbreitete Gefahr bei der Taurogger Konvention Spiegelfechterei, 
oder wirkliche Gefahr? Das Beispiel von Stein lässt vermuthen, 
dass das grosseste Unglück, welches York begegnen konnte, im 
Leben in England mit 4 oder 6000 Thaler Pension bestehen würde. 
Dies scheint auch nach der Thatsache, dass York nach dem Ge- 
zanke mit Stein nach England gehen wollte, bei ihm klar gewesen 
zu sein.^) Die Verzagtheit, welche Schulz,') bei York gleich nach 
Abschluss der Konvention schildert, lässt sich auch damit vereini- 
gen, denn weil unsere Generale nur und allein Militairs sein wol- 
len, so ist es für sie ein schweres Unglück, nicht mehr befehlender 
General zu sein. Weiter! Wie benahm sich York im Unglück? 
Hier würde es sehr wichtig sein, über die Haltung nach seiner 
Kassation Nachrichten zu haben. Die Thatsache ist hier wichtig, 



1) Von hier ab dictirt. 

2) Vgl. oben S. 203. 

3) Der Begierungsrath, den Schön zu York schickte. Vgl. Droysen, 
Leben York's H S. 19 ff. (1. Auü.) 



101. Schön 1852. 231 

dass York, nachdem die Zeitungen im Januar 13. seine Absetzung 
meldeten, bei der mit dem General v. Kleist und mit mir gleich 
darauf stattgefundenen Berathung, alle Haltung verlor. Er äusserte 
mehrmals, dass er diese Prostitution vor den Truppen, vom Könige 
nicht habe befürchten können, er sah seine Arretirung und seinen 
Tod vor sich, worauf ihm öeist den Vers zurief: 
Und wer nicht setzet sein Leben ein, 
Dem wird das Leben gewonnen nicht sein! 

York war so erschüttert, dass er, nachdem er unseren Vor- 
schlag wegen eines Widerrufs seiner Absetzung, durch die Zeitun- 
gen, angenommen hatte, mich bat, den Zeitungs-Artikel, welchen 
York später etwas verändert hat, an seinem Schreibtische aufzu- 
setzen. Ferner: Lebte York mehr einer Idee, oder Ideen, als 
seiner Selbstsucht? Während dem Waffenstillstände, als ich ihn 
sprach, dachte er wohl an eine Bildsäule auf dem Wilhelmsplatz, 
äusserte aber auch, dass man ihm zwar Bänder reichlich gegeben 
habe, aber nicht daran denke, ihn reich zu machen u. s. w. — 
Wenn Sie zum Schluss ein Bild von York geben, wie Uwarow es 
von Stein geliefert hat, so würde dies das ganze Werk zieren. 

Genug 1 von Yorkl 

Ihr Aufsatz über Legitimität,*) den mir der Professor Voigt 
sogleich mittheilte, erregt hier viel Kopfbrechen. Die Majorität, 
und darunter wohl lhi:e Freunde, halten ihn für Ironie, Andere 
äussern ihren Unwillen laut. 

Halten Sie es der Mühe werth, so würde eine Erklärung von 
Ihrer Seite hier am rechten Orte sein. 



Meine Reise nach Deutschland habe ich wegen Familien- Ver- 
hältnissen im Sommer nicht antreten können und nun ist es für 
mein Alter zu spät im Jahre, eine solche Reise zu unternehmen. 
Lebe ich im nächsten Jahre noch, dann soll diese Reise nur auf- 
geschoben sein. — 



1) Er erschien zuerst in der Allgemeinen Monatsschrift und ist in 
Droysens kleinen Schriften I S. 1 ff. wieder abgedruckt. Droysen bemerkt 
dort S. Illf.: „Der Aufsatz dankt seinen Ursprung einem Auftrage^ der mir 
in der Zeit zu Theil wurde, als die Verhandlungen noch schwebten, die zu 
dem Protokoll vom 8. Mai 1852 geführt haben; von Seiten des Adressaten 
wurde bald darauf der Abdruck des Aufsatzes in einer seitdem eingegange- 
nen Zeitschrift veranlasst." 



232 102. Droysen 1852. 

Nehmen Ew. Wolilgeboren die Versicherung meiner Achtung 
und die Bitte um J^ewahrung eines freundlichen Andenkens gü- 
tigst an. 

Schön. 

Pr. Arnau den 31^«» August 1852. 

102. Droysen an Schttn 

Hochgebietender Herr Staatsminister! 

Ew. Excellenz sage ich meinen verbindlichsten Dank für die 
freundlichen Zeilen, die Sie mir jüngst gesandt haben. Die trau- 
rigen Nachrichten über General Below haben mich auf das schmerz- 
lichste bewegt; sie sind ja der Art, dass kaum noch zu hoffen ist. 
Wie viel hätte ich noch auf dem Herzen gehabt, worüber ich des 
verehrten Mannes Meinung und Bath hätte hören mögen. Ich habe 
vorgezogen, mit meinen Sachen von seinem Schmerzenslager fern 
zu bleiben. 

Ew. Excellenz wissen, wie ich mit meinen Studien der preussi- 
schen Geschichte zugewandt bin. Zu meiner Freude kommen all- 
mählich immer mehr Aufklärungen über dieselbe zum Vorschein. 
Keine merkwürdiger als die, welche eine Masse Lucchesinischer 
und Lombard'scher Briefe über 1790 — 94 geben; sie werden in 
nicht langer Zeit veröffentlicht werden, und Tiofifentlich denen, welche 
sich geflissentlich über das Verhältniss Preussens zu Oestreich zu 
täuschen für Patriotismus halten, wieder einmal eine Lehre geben. 
Mir hat ein Freund diese Dinge mitgetheilt* und ich habe ihn in 
seiner Arbeit mit einigen Papieren des Herzogs von Braunschweig 
und Bischofswerders unterstützen können. — Wären wir nur erst 
so weit, wie Martineau für England gethan „Preussen während der 
dreissig Friedensjahre" ^) darstellen zu können. Wie vieles müsste 
der Gegenwart und ihrer praktischen Behandlung daraus zu gute 
kommen; wie würde sich auch denen, welche die Idee dieses 
preussischen Staates nicht zu fassen vermögen, wenigstens aus der 
Continuität praktischer Verhältnisse ein anderer Massstab ihres 
Thuns und Urtheilens ergeben, — während jetzt die niedrigste 
Auffassung am Ruder ist und die Handhabung insbesondere der 
äusseren Beziehungen so vor sich geht, als ob man mit jedem 
Schritt das Gehen erst von Neuem erfände. Es ist ein Jammer 
anzusehen. 



1) Harriet Martineau's ,,nistory of England during the thirty Years* 
Peace** war 1849/50 erschienen. 



103. Droysen 1852. 233 

Der ich in wahrhafter Verehrung und treuester Anhänglich- 
keit verharre 

Ew. Excellenz ganz gehorsamer 

Joh. GuBt. Droysen. 
Jena, 31. Okt. 1852. 

103. Droysen an General von Below.^) 

Hochverehrter Herr Generallieutenant I 

Ew, Excellenz habe ich für zwei Briefe zu danken, die frei- 
lich, da der nächstältere über Kiel kam, zu gleicher Zeit an mich 
gelangten. 

Ich bin Ew. Excellenz sehr dankbar für Ihre Mittheilungen 
über den prächtigen Alten in Arnau. Wie weit bin ich entfernt, 
ihm, wenn er über mich flammt und wettert, im geringsten weni- 
ger in Verehrung zugethan zu sein. Mir steht sein Bild und das 
seiner grossen Vergangenheit zu lebhaft vor Augen, als dass ich 
nicht, — eigentlich mit innigem Behagen — erkennen sollte, dass er so 
erst in Heftigkeit, Partheilichkeit, Zorn und Schärfe, sich selbst und 
auch dem Bilde, das ich von ihm habe, ähnlich ist. Solche Eraft- 
und Gewaltmenschen, die freilich für das Tagtägliche sehr unbequem 
und ärgerlich werden können, in denen aber doch die Macht höhe- 
rer Ideen jeden Augenblick wieder leuchtend durchschlägt und 
alles vergessen macht, solche Männer waren es, die Preussen einst 
aus tiefster Misere retteten. Weiss Gott, auch York und Stein 
und Gneisenau sind nicht sanfte und allezeit liebliche und säuber- 
lich schonende Charaktere gewesen; und solchem Zorn, wie unge- 
recht er losfahren, wie verkehrt er treffen mag, ist nach meiner 
Meinung eben nicht übel zu nehmen, wenn man sich auch persön- 
lich einen Augenblick bei Seite stellen und salviren muss. Ja 
wäre in den Manteuffels auch nur ein Fünkchen solchen stolzen 
Zornes — alles, alles stände anders. 

Nach diesem Bekenn tniss wollen Ew. Excellenz bemessen, 
dass Ihre gütigen Mittheilungen über Schön mich weder stutzig 
gemacht noch betrübt haben. Der Alte hatte nun einmal in Be- 
treff York's sich eingeredet, dass er gar nichts tauge; und weil 
ich nicht geneigt war, die Biographie auf seine Mahnung hin so 
zu färben, so tauge ich natürlich auch nichts. In der Schleswig- 



1) lieber diesem Brief, der sich in Schönes Papieren fand, steht von 
fremder Hand ,,pr. d. 29. Juni 52/* Was diese augenscheinlich falsche No- 
tiz besagen soll, ist unklar. 



234 1Ö3. Droysen 1852. 

Holstein'schen Frage hält er die „hohe Idee des Staates" allein 
fest, und dieser Staat soll nach seiner Ansicht der dänische Ge- 
sammtstaat sein. Alle Mühe, die ich mir gegeben, ihm darzuthun, 
dass sich weder im holsteinischen noch deutschen, noch gar im 
preussischen Interesse diese Gestaltung rechtfertigen lasse, ist ver- 
gebens gewesen. Und wenn ich daher in jenem Aufsatz über die 
Legitimität in Dänemark noch den letzten Punkt, an dem sich die 
wichtigsten Interessen Preussens festankern konnten, geltend ge- 
macht habe, so muss Schön das natürlich als einen „Abfall von 
der hohen Idee eines Staates" ansehen. 

Ew. Excellenz werden gewiss Recht haben, dass mit diesen 
Differenzen Schön's Absicht, mir seine Papiere dereinst zukommen 
zu lassen, ein Ende haben wird. Auch ich bedauere dies — wenn 
ich es sagen darf um der Sache Willen. Ich für mein Theil würde 
gern ein paar Jahre daran gewandt haben, eine Arbeit zu machen, 
die nach meiner Meinung so gefasst werden könnte, dass sie für 
Preussen wichtig wurde. So ganz und völlig hänge ich an 
Preussen, dass ich, was ich mit meinen geringen Kräften irgend 
kann, für diesen Staat schaffen und wirken möchte; dies Interesse 
für Preussen veranlasste mich, Schön's Antrag in Betreff seiner 
Papiere anzunehmen. Entschliesst er sich nun anders, so will ich 
wünschen, dass die Sache in die Hände eines eben so patriotischen 
und auf seinen Charakter und seine Idee eben so eingehenden 
Schriftstellers komme; ich für mein Theil gewinne, dieser über- 
nommenen Verpflichtung erledigt, Zeit, mich andern Arbeiten zuzu- 
wenden, die vielleicht unmittelbarer noch in die preussischen Inter- 
essen einschlagen. 

Ich muss mir die Freiheit nehmen, Ew. Excellenz darüber zu 
sprechen, weil ich allerdings auf Ihre Hülfe rechne. Schon lange 
beschäftigt mich der Gedanke einer histoire de la diplomatie 
Prussienne. Nichts scheint mir beklagenswerther, als der Mangel 
an Einsicht und Contiouität der Einsicht in die durch die Natur 
und Geschichte dieses Staates bedingten auswärtigen Verhältnisse. 
Passt man die Aufgabe hoch genug, so ist die Geschichte der aus- 
wärtigen Beziehungen Preussens die einzige, aber auch beste In- 
struktion für den praktischen Gebrauch. Für die frühere Zeit bis 
1786 ist Material genug vorhanden und aus den mir zugänglichen 
ausser-preussischen Archiven — denn die preussischen wird man 
mir nicht gestatten, ist leicht zu ergänzen. Für die Zeit seit 1786 
habe ich manches, Briefe von Lombard^ Kaikreuth, Haugwitz u. s. w., 



103. Droysen 1852. 235 

die bis 1806 reichen; diese und die Zeit bis 1813 wird sich na- 
mentlich in Paris und London, wohin ich später reisen werde, leicht 
vervollständigen lassen. Dann kommt die Periode, wo ich auch Ew. 
Excellenz um Beistand bitten möchte, wie mir solcher schon von 
andern Seiten her zugesagt ist. Die Misshandlungen, die von der 
jetzt herrschenden Parthey das Gedächtnis Hardenberg's, Hum- 
boldt's u. s. w. erleidet, wird mir manches zufuhren; es wenigstens 
für die Schattenseiten der preussischen Politik das Ihrige beizu- 
tragen sind einzelne deutsche Gouvernements jetzt nur zu geneigt. 
Ja das östreichische verfährt darin mit einer Indiscretion, fast 
möchte ich sagen Zudringlichkeit, welche die masslose Wuth und 
Niederträchtigkeit des dortigen Wesens lebhaft veranschaulicht. 

Es freut mich, dass auch Bülow's Nachlass bearbeitet werden 
soll. Aber dass der völlig roth gewordene V[arnhagen] v. E[nse] 
diesen scharf preussischen und scharf adligen Peldherm schildern 
soll, ist doch gar wunderlich. Er wird sich wie immer mit Leise- 
treterei und Parfüm durchlügen. 

Ew. Excellenz Ansicht über die Unterzeichnung des Londoner 
Protocolls*) theile ich vollkommen. Es ist mir nicht klar, wie man 
die Allerhöchste Beistimmung zu dieser Sache und gar zu dem 
Verfahren gegen den Herzog von Augustenburg gewonnen hat. Es 
ist zum Erröthen, wie Herr v. **, der die Handlungen mit ihm 
führt, mit ihm verhandelt; „er brauche ja, was er jetzt zugebe, 
nicht zu halten, da es als ihm abgezwungen ihn nicht verpflichte^^ 
das ist eine der gebrauchten Wendungen! Die schlimmsten Dinge 
die Lucchesini^ in Warschau, Lombard*) in der hannoverschen Sache 
gemacht hat, sind nicht so arg, wie dieser Handel. ** erhält einst- 
weilen den Danebrog, und er und Thümen*) und Manteuflfel tragen 
diese dänischen Dekorationen, während der Graf Moltke,^) wie eres 



1) Dieses Protokoll vom 8. Mai 1852 setzte die XJntrennbarkeit 
des Gesammtstaats Dänemark und die Thronfolge des jetzigen Königs 
Christian IX. fest. 

2) Girolamo Lucchesini, geboren 1751 zu Lucca, seit 1780 in preussi- 
schen Diensten, bis 1807, gestorben 1825. Seine Thätigkeit in Warschau 
fällt in die Jahre 1788—1792 und 1794. 

3) Johann Wilhelm Lombard, geboren 1767 zu Berlin, 1800 geheimer 
Cabinetsrath, 1807—1809 Secretär der Akademie der Wissenschaften, ge- 
storben 1812 zu Nizza. 

4) Preussischer Commissarbei derlTeberlieferung Holsteins an Dänemark. 

5) Graf Karl von Moltke, geboren 1800, gestorben 1866, ward am 
18. Januar 1848 Präsident der schleswig-holsteinscl^^^ii "KäsoJäK.^ ^Ä**^ ^ässs.- 



236 103. Droysen 1852. 

selbst gegen Adolf Blome^) ausdrückt, die Herzogthümer seine Rache 
empfinden lässt. Wie weit istPreussen seit jenem ersten Schritt, den 
der Starke zurückwich, gekommen; man sieht wohl, wenn eine 
Schlacht verloren ist, so bringt erst der Bückzug die ungeheuren 
moralischen und materiellen Verluste, nach denen der Feind die 
Bedeutung seines Sieges misst. Aus meinem Fenster sehe ich die 
Höhen, wo 1806 der Rückzug anfing, der erst hinter der Weichsel 
zum Stehen kam. — Ich weiss nicht, ob man in Berlin keine 
Empfindung von der fürchterlichen Zersetzung hat, die seit dem 
Tage von OUmütz in stetem Wachsen ist. Wie mit Schadenfreude 
wirft man den Brand in die Versöhnung, die Friedrich Wilhelm III. 
mit der Union^) gründete; man lässt sich in den Zollvereins-Sachen 
förmlich hänseln von Kleinen und Kleinsten; man zerrüttet das 
geistige und wissenschaftliche Leben, indem man die kläglichste 
Sorte von ,, Gesinnung", nemlich die jedesmal correcte, als wesent- 
lichstes Requisit aufstellt. Die Geister wenden sich ab von Preussen; 
München überflügelt bereits die Berliner Universität durch Berufun- 
gen auch von Ketzern, wenn sie nur ausgezeichnet sind. Während 
sonst die besten Kräfte und die stolzesten Geister nach Preussen 
zu kommen beflissen waren, geht jetzt einer nach dem andern; in 
Berlin, der „Metropole der Intelligenz'' hat man ausser den grossen 
Namen der alten guten Zeit — sie werden aUe schon durch Alter 
mürbe — nur einen dürftigen, geistesarmen, aber „gesinnungsvollen" 
Nachwuchs, und gar die Ministerien! gar das auswärtige Amt! 
Ach ertönte doch endlich von höchster Stelle her ein gesundes und 
festes: „Kreuzdonnerwetter", damit alle diese Spukhaftigkeit und 
Dunstbilder in ihr Nichts vergingen und das einfach helle und 
wahre Wesen Preussens wieder hervortrete. Noch ist ja vieles 
und das meiste unterwärts gesund oder leicht zu gesunden: Frei- 
lich wie lange es sich der Fäulniss erwehren wird, wer kann es sagen? 
Verzeihen Ew. Excellenz die Exclamationen; aber wir hier 
drauBsen fühlen am schmerzlichsten, wie alles wankt und sinkt. 
Auch die Jugend, sonst zu Hoffnung und Begeisterung stets bereit, 
wird matt, ekel, greisenhaft. Ich predige und wettere hinein, so 



6cher Gesandter in E.assland, war vom Juli bis November 1851 Minister ohne 
Portefeuille, vom 27. Januar 1852 bis 18. Dezember Minister für Schleswig, 
in welcher Stellung er die drückendsten Massregeln gegen die Herzog- 
thümer verfugte. 

1) Damals Präsident der dänischen Statthalterei in Holstein. 
S) Der lutherischßn und reformirteu KiTche. 



104. Droysen 1856. 237 

viel ich kaiiD. Es ist doch wenigstens etwas, täglich ein Hundert 
solcher jungen Menschen vor sich zu haben und sie zu schütteln 
und wach zu rütteln. Im Winter will ich so preussische Geschichte 
vortragen, — ich muss es darauf ankommen .lassen, ob man von 
Berlin aus Gelegenheit nimmt, meinen zu lebhaften Eifer als be- 
denklich zu denuncieren, vielleicht beim Bundestage ! Gott helfe weiter. 
In wahrhafter Verehrung und treuester Ergebenheit 
Ew. Excellenz ganz gehorsamster 

Joh. Gust. Droysen. 
Jena, d. 25. August 52. 

104. Droysen an Magnus v. Brllnneck. 

Hochverehrter Herr OberburggrafI 

Ew. Excellenz wollen mir erlauben, Ihnen bei dem Tode 
eines ältesten Freundes meine tiefe Theilnahme auszusprechen. Ich 
habe nur einige Tage das Glück genossen, mit dem herrlichen 
Schön persönlich und unmittelbar zu verkehren, aber diese weni- 
gen Tage in Pr. Arnau werden mir unvergesslich sein! Sie sind 
selten, die so gross angelegten, so mächtig ausgeprägten, so in 
langer Thätigkeit fest gewordenen Naturen; und auch ihre Härten 
und Einseitigkeiten haben etwas Gewaltiges und mächtig Ergrei- 
fendes. So steht mir sein Bild lebendig und scharf ausgeprägt vor 
Augen und so prägt es sich auch in den oft leidenschaftlichen Brie- 
fen aus, die ich von ihm empfangen. 

Ich weiss nicht, ob der unvergessliche Mann bei dem Gedan- 
ken geblieben ist, mit dem er mir, bevor ich ihn in Arnau be- 
duchte, entgegenkam, und den wir dann in persönlicher Besprechung 
Mreiter verfolgt haben, dem, dass ich seine Papiere zur Veröffent- 
lichung bekommen und bearbeiten sollte. Es versteht sich, dass 
ich gern meinem Versprechen, das ich damals geben musste, treu 
bleiben und es zu erfüllen als eine heilige Pflicht ansehen würde. 

Ich weiss, dass diese Papiere zum grössten Theil bei Ew. Ex- 
cellenz Herrn Sohn sind, und Sie würden mich verpflichten, wenn 
Sie diesem, sowie den übrigen Gliedern der Familie, mit meiner 
tief aufrichtigen Condolenz diese meine Bereitwilligkeit, falls sie 
nach dem Willen des Verstorbenen noch in Anspruch zu nehmen 
ist, mittheilen wollten. Ich würde, wenn es nothwendig wäre, gern 
die beginnenden Ferien benutzen, um mich persönlich zu Ihrem 
Herrn Sohn und nach Pr. Arnau zu verfugen, um das WeltÄ^<^ 12^ 
besprechen. 



238 105. Schön über York. 

Ew. Excellenz wollen mir gestatten, meine tiefe und aufrich- 
tige Verehrung Ihnen auszusprechen, mit der ich die Ehre habe, 
au verharren 

Ew. Excellenz ganz gehorsamer 

Joh. Gust. Droysen. 
Jena, d. 6. Augast 1856. 

105. Ueber York.') 
Von Theodor von Schön. 

Und welches für Mit- und Nachwelt hoch interessante Bild 
konnte Droysen geben, wenn er York darstellte, wie dieser wirk- 
lich gewesen istl Statt York als Werkzeug des Schicksals darzu- 
stellen, will er den Massstab moralischer Grösse an ihn legen, auf 
welchen York selbst niemals Anspruch gemacht hat. Als unehe- 
liches Eind, das von seiner Mutter nichts wusste, kam er schon 
mit einem conventioneilen Vorurtheil gegen sich zur Welt. Darauf 
unter einem falschen Namen in ein neu errichtetes Infanterie-Regi- 
ment als Edelmann eingeschwärzt, ward er von Friedrich 11. wegen 
einer Handlung, welche von einem Kriegsrechte als ehrenwerth an- 
erkannt war, vom Regiment weggejagt. Verlassen und erbittert, 
wie mir York selbst erzählt hat, verkaufte er sich an die ostindi- 
schen Seelenhändler in Amsterdam. Er glaubte sein Glück in 
Ceylon zu finden und fand, dass er nur zu gemeinen Diensten dahin 
geschickt war. Nach Holland zurückgekehrt, ward er allenthalben 
zurückgewiesen, bis endlich Friedrich Wilhelm II. auf Bitten der 
Erbstatthalterin ihm eine Anstellung gab. Nach der beinahe er- 
folgten Auflösung unseres Staats im Jahre 1807 trat York, darüber 
entrüstet, dass man ihn bei den neuen Einrichtungen nicht zuzog 
und überhaupt nicht in angemessene Thätigkeit setzte, als Advocat 
des Teufels mit Wuth gegen die neuen Civil- und Militair-Einrich- 
tungen in unserem Staate auf. Seine und seiner Genossen blinde 
Opposition blieb aber unbeachtet, und als York sah, dass der 
Zweck der Opposition verfehlt war, näherte er sich Schamhorst, 
ging Anfangs des Jahres 9 in unsere Eriegspläne mit Oesterreich 
ein, trat aber, als der entscheidende Moment für ihn eintrat, durch 
Intrigue des General v. Koeckritz mit der heftigsten, schändlichsten 
Denunciation gegen Scharnhorst vor den König. Er brachte da- 



1) Den Anfang dieses Aufsatzes hat Schön eigenhändig niederge- 
scbrieben, der grösste Theil aber ist dictiit, ^^doch von Schön eigenhändig 
anterzeiohnet. 



105, Schön über York. 239 

durch Scharnhorst dem Tode nahe, obgleich dieser gerechtfertigt 
dastehen blieb. Darauf kam das Jahr 1811; Scharnhorst und 
Gneisenau und alle die, welche im Jahre 1807 und 8 ein neues 
Leben in unserem Staate stifteten, wurden entfernt. York bekam 
freies Feld, und nun trat er im Widerspruch mit dem, was er bis 
jetzt gehalten hatte, mit kriegerischer Gesinnung gegen Napoleon 
auf. Darauf gestützt, bekam er im Jahre 1811 das Kommando 
gegen den französischen General Grandjean in Danzig, welcher, 
wie wir wussten, den Befehl hatte, auf den ersten Wink, die in 
Preussen stehenden Truppen zu entwaffnen und das Land zwischen 
der Weichsel und der russischen Grenze zu besetzen. In den ersten 
Tagen des Jahres 12 wollte Napoleon noch nichts von einer Allianz 
mit Preussen wissen, weil er mit dem Könige von Preussen als 
seinem Unterthan keine Allianz zu schliessen nöthig habe. In 
Berlin war der Entschluss gefasst, bis auf den letzten Mann die 
Selbständigkeit Preussens zu vertheidigen; zwei Divisionen Russen 
standen an unserer Grenze, um uns, wenn Grandjean siegen sollte, 
aufzunehmen. 

Da damals, es war im Januar oder Februar, Napoleon noch 
nicht bis zum Rheine gekommen war, so konnten wir, mit den 
Russen vereint, das Kriegs-Theater bis an die Elbe verlegen. York 
sollte den Anmassungen des General Grandjean in Danzig mit 
Ernst begegnen und man erwartete in Breslau mit jedem Tage die 
Nachricht, dass unsere Truppen vor Danzig mit den französischen 
Truppen aus Danzig feindlich zusammen gekommen wären. Da 
zeigte sich York gegen Erwarten aber wieder nachgebend und 
mehr bemüht, jede Kollision mit den Franzosen zu vermeiden, als 
sie, wie man in Breslau erwartete, herbeizuführen. Dieses Schwan» 
ken York's, bald für, bald gegen Napoleon, je nachdem sein augen- 
blickliches Interesse ihn bestimmte, machte ihn geeignet, ihm im 
Jahre 1812 das Commando über die Hülfs-Truppen zu geben, welche 
wir für Napoleon gegen Russland stellten. Ehre und Ruhm war 
bey dieser Stellung wenig zu erwerben und deshalb wählte Scharn- 
horst, durch Boyen, York zum Commando. 

York glaubte von den Franzosen mit Auszeichnung behandelt 
zu werden. Als dies aber nicht der Fall, als man ihn im Gegen- 
theil, als Gommandeur eines Hülfs-Corps, ohne irgend eine beson- . 
dere Aufmerksamkeit behandelte, da ging sein Widerwille gegen 
die Fi*anzosen so weit, dass er, wie er mir seibat etiÄks!^ \a^^ 
schon gleich nachdem unser Corps vot "BLi^^. ^et^OsX» -^^ajt^ '^^as^ ^sa. 



240 105. Schön über York. 

AnfaDge des Krieges, mit dem ihm gegenüberstehenden russischen 
General von Essen über den Uebertritt verhandelte, und diesem 
sagte, wie York mir in Tilsit später mittheilte: dazu müsse erst 
eine nachtheilige AfiFaire für unsere Truppen vorher gegangen sein. 

Das nächste wichtige Ereigniss im Leben York's war die 
Kapitulation von Tauroggen. York wusste, wie er mir selbst ge- 
sagt hat, dass den König die französische Allianz sehr drückte und 
dass, wenn die Trennung unserer Truppen von den französischen 
irgend militairisch zu entschuldigen wäre, der König diese gerne 
sehen würde. York wusste dies nicht etwa indirecte, sondern es 
war ihm directe eröffnet, und York, indem er mir dies in Tilsit 
mittheilte, sagte damals: Er hätte die russischen Forderungen so 
lange zurückweisen müssen, so lange die Trennung von den Fran- 
zosen nicht militairisch zu ejitschuldigen gewesen wäre. Das, was 
Droysen über die Versuche der Russen, York herüberzuziehen, an- 
führt, wird erst erklärlich, wenn man weiss, dass von unserer Seite 
politisch man keinen Bruch wagen wollte, dass aber, wenn dieser 
militairisch herhei geführt werden könne, man dies gerne sehen 
würde. Der König hatte in der letzten Sendung von Seydlitz an 
York ausdrücklich York verpflichten lassen, dass seine (des Königs) 
Person bei dem, was York thäte, aus dem Spiel bleiben müsse. 
York sagte mir selbst in Tilsit: Er habe erst durch die Ordre: die 
Arriere-Garde von Macdonald zu machen, bestimmte Aussicht er- 
halten, seinen üebergang zu den Bussen militairisch rechtfertigen 
zu können, und habe deshalb beim Empfang dieser Ordre frohlockend 
ausgerufen: Bon voyage! Du Macdonald siehst mich nicht wieder 1 

Hiernach löste sich die anscheinend für York so gefahrvolle 
That der Capitulation dahin auf, dass die allerunglücklichste Folge 
derselben für York nur die sein konnte, dass er mit dem Beifall 
des Königs und des ganzen Volks eine Zeit lang mit einer Pension 
von 4 — 6,000 Rthr. von uns in London hätte leben müssen, wie 
Stein in den Jahren 9, 10 und 11 von einer Preussischen Pension 
in Prag lebte. Bald nach der Capitulation fand York, dass er 
von den Russen getäuscht sei. . Man hatte ihm zugesagt, dass Mac- 
donald in Tilsit so umstellt sei, dass dieser mit seinem Corps das 
Gewehr würde strecken müssen ; man hatte das Russische Wittgen- 
stein'sche Korps ihm sehr stark geschildert, und als er nun erfuhr, 
dass die Russen Macdonald ruhig hatten abmarschieren lassen, und 
dass die Regimenter im Wittgenstein'schen Corps (wie Schamhorst 
nach der Schlacht von Görschen m\T m "ÖT^^Äi^Ti ^w^^^ \i\Qht Regi- 



105. Schön über York. 241 

menter, sondern nur Stammmannschaften von Regimentern wären, 
da sah er seine Sache für verloren an, und in dem Briefe von 
Schulz an mich im Droysen'schen ßuche,^) ist sein Gemüths-Zustand 
richtig geschildert. 

Als ich in Tilsit zu ihm kam, wurden wir beide bald darüber 
einig, dass nur mit einem Aufgebot des ganzen Landes seine Ka- 
pitulation einen angemessenen Erfolg haben könne und dies rich- 
tete York wieder so auf, dass er wieder Zuversicht gewann. 

Er las zwar noch Jedem, der ihm nahe kam, seinen Bericht 
an den König über die Capitulation, obgleich dieser Bericht nur 
ein vollendetes Phantasiestück, mit einer überschwenglichen Tirade 
am Ende des Berichts war, mit einer Dreistigkeit vor, welche mit 
seinem Innern gerade im Wiederspruch stand. 

Diese Zuversicht dauerte aber nur bis dahin, dass, wie in 
Droysen geschildert ist, ihm durch die Berliner Zeitung das Kom- 
mando genommen war. York, Kleist und ich, wir verhandelten 
darüber. York hatte wieder alle Haltung verloren, er äusserte 
mehrmals: Er sehe seinen Tod vor sich, u. s. w. Da nahm der 
hochehrenwerthe Kleist das Wort und sagte zu York, er müsse sein 
Leben einsetzen, und er (Kleist) würde das Kommando nicht über- 
nehmen. Wir kamen überein, dass York eine Gegenerklärung in 
der Königsberger Zeitung geben müsse. York wollte diese nieder- 
schreiben, er war aber zu erschüttert, um dies thun zu können. 
Kleist und ich, wir entwarfen sie. Nun war York wieder auf die 
Beine gebracht, und wie im Unglück verzagt, stand er wieder als 
commandirender General da. Dies dauerte aber wieder nur so 
lange, bis die Scene mit Stein vor dem Tage der Eröffnung des 
Landtages, welche in Droysen richtig geschildert ist, stattfand. 
York wollte sofort nach England davongehen. In Besorgniss und 
Verzagtheit sah er dem Beschlüsse des Landtages am anderen Tage ent- 
gegen. Da gab der grosse, grosse, grosse Beschluss unseres Land- 
tages zur Landesbewaflfnung, diese wahrhaft rettende That unseres 
Königl. Hauses, nun derYorkschen Kapitulation Sinn, Grund undBasis, 
York erwartete nun, dass wenn er nicht an die Spitze unse- 
rer Armee gestellt werden sollte, doch wenigstens ein unabhängiges 
Corps bekommen sollte. Ich fand ihn daher während dem Waffen- 
stillstände (1813) in sehr übler Laune. Er sagte: Bänder habe er 
genug; aber an wirkliche Auszeichnung vor Anderen und an Geld 



1) Leben York's II S. 19 ff. (1. Awfl.^ 



242 105. Schön über York. 

denke Niemand. Dass er eigentlich unter Gneisenau stand, denn 
Blücher war ihm Null, war ihm das Empfindlichste. Er wusste, dass 
Gneisenau ihn 

1. wegen seines Benehmens im Jahre 1808 in Königsberg, wo 

er gegen alles Neue, mit seinen Gefährten der alten Zeit, 
wüthete, 

2. wegen seines Kriechens gegen Scharnhorst, als er sah, dass 

der Seinigen und sein Toben keinen Erfolg hatte, 

3. wegen der, sobald er ein Oommando hatte, gleich darauf fol- 

genden scheusslichen Denunciation gegen Schamhorst, wo- 
durch der König in seinem Gedanken, die Oestreicher 1809 
zu verlassen, bestärkt wurde, ^) 

4. wegen seines miserablen, vielleicht malitiösen nachgebenden 

Benehmens gegen die Garnison von Danzig im Jahre 1811 
verachtete, und der gegenseitige Hass wurzelte sich so fest, dass 
dadurch 

a) die Klage Gneisenau's über York's Benehmen in der Schlacht 

an der Katzbach (Armee-Bulletin) und 

b) der Theater-Coup, welchen York nach der Schlacht von Laon 

machte, wo er durch sein Davongehen glaubte Gneisenau 

lahmlegen zu können, 
sich erklären. 

Es ist kein Fall bekannt, wo York als Held das Schicksal 
bestimmt hätte. Er war immer nur Werkzeug des Schicksals und 
war, wie bei der Capitulation von Tauroggen noch dazu ein unge- 
schicktes Werkzeug. Er wurde vom Schicksal gewaltsam getrieben. 
Statt den Moment gross zu nehmen und mit voller Kraft zu er- 
fassen, war er bei dem Ersten Hindemisse kleinmüthig, verzagt.^) 

1) Bandbemerhmg von Seköni ad3 (Droysen [Leben York*s I S. 219. U S. 
264]). Sobald wir ein bewafihetes Schiff in Pillau hineinliessen, wurde Pillau 
von Engländern und Schweden, mit denen wir noch in Frieden waren, bom- 
bardirt. Der Commandant von Pillau sollte dies nicht dulden. York stellte 
dies dem Könige als Kriegs-Erklärung gegen Napoleon vor, während (vor 
der Schlacht von Aspern und Wagram) Scharnhorst und Consorten dies 
wünschten, und die österreichische Aufstellung schon auf unseren Beistand 
berechnet war, schilderten York und sein Protector KÖckritz den Zorn 
Napoleons dem Könige so grässlich, dass der König von der österreichi- 
schen Allianz plötzlich absprang und Schamhorst so rauh behandelte, dass 
dieser in ein Nervenfieber verfiel und dem Tode nahe war. 

2) Randbemerkung von Schön: Der Brief von Schulz an mich in 
Droyaen, Seine Absicht, nach dem Gezanke mit Stein, von Königsberg da- 

ronznlaufen. 



106. Notizen aus den £riegsjaliren 1812—1813. 243 

Von einem Helden war in York keine Spur, und als Werk- 
zeug des Schicksals bildete er sein Yerhältniss als militärischer 
Aventurier aus. Droysen's letzte Worte in Arnau waren: „Wenn 
York nicht Militair geworden wäre, dann würde er Strassenräuber 
geworden sein." Dies wahre Wort hat Droysen in seinem Buche 
verlassen, und daher ist das Buch als Biographie Nichts werth. 
Es ist ein schlechter Roman, ohne Construction und Oonsequenz. 

Dass York im öffentlichen Leben so war, wie er war und 
nicht anders sein konnte, bestätigt sein Bild als Mensch. Mit Gott 
nnd der Welt zerfallen, in sich moralisch zerrissen, waren ihm, 
wie Weyrach*) weiss, Wahrheit und Recht und Gewissen nur Phan- 
tome, welche man aufstelle, um dumme miserable Menschen zu 
ködern. 

Man könnte meinen, Casanova wäre ein Vorbild für York 
gewesen, Casanova stand aber als Glücksritter ungleich höher, und 
doch hätte Droysen ein sehr interessantes Bild von York liefern 
können, wenn er treu, wie York war, von einem militärischen 
Aventurier ausgegangen wäre. 

106. Notizen aus den Kriegs-Jahren 1812—1813. 
Von Theodor von Schön. 

1, General York kannte aus der Vollmacht, welche Er und 
ich im Jahre 1811, als Statthalter in Preussen, für den Fall 
hatten, dass Preussen von den Franzosen feindlich besetzt wurde, 
dass die Allianz mit Prankreich Last, und der Krieg gegen Russ- 
land Noth-Massregel sey. York sollte in diesem Sinne handeln. 
Dies war dem Russischen General Essen, gegen welchen York vor 
Riga stand, bekannt, und York erzählte mir im Januar 1813, in 
Tilsit, dass er, gleich nachdem er vor Riga gerückt wäre, von 
Essen aufgefordert sei, zu ihm überzugehen, und er ihm geantwortet 
habe, dass dies ohne Verletzung der Ehre noch nicht möglich sey.*) 

2. Seydlitz, Adjutant von York (nachher General), erzählte mir, 
bei der Ersten Nachricht von der traurigen Lage der Franzosen, 
bey dem Rückmarsch von Moskau, sey er von York zu unserem 
Könige mit der Erklärung geschickt: Jetzt scheine es Zeit zu wer- 



1) Karl von Weyrach war Adjuta nt bei York gewesen und nahm als 
prenssischer commandirender General des 3. Corps (Brandenburg) 1849 
oder 1850 seinen Abschied. 

2) Vgl. auch den Brief York's an Schön vom 6. ^Q^<sa>5ö^-^ ^»Ä .,>:^^ 
den Papieren" I S. 137 ff. der Anlagen. 



244 Notizen ans den Kriegsjahren 1812 — 1813. 

den. Und hieranf habe der König York zurücksagen lassen, er 
möge dabey vor Allem des Königs Persönlichkeit schonen. 

3. Die Absetzung Yorks vom Commando, nach der Capitulation, 
war ein Possenspiel. Der damalige Flügel- Adjutant Natzmer sollte 
die Absetzungs-Ordre nach Königsberg bringen, nahm aber seinen 
Weg durch die gegen die Weichsel marschirenden Bussischen Truppen, 
und sagte dem Russischen commandirenden General Wittgenstein, 
dass er mit der Absetzungs-Ordre zu York solle. Dieser hielt 
Natzmer natürlich fest, und als ihm dieser erklärte, dass er eigent- 
lich einen Brief unseres Königs an den Russischen Kaiser bringen 
solle, liess ihn Wittgenstein statt nach Königsberg zum Kaiser reisen.^) 

E^ernach 
ist York's Bericht über seine Capitulation, in welchem er sich acht 
theatralisch auf dem Sandhügel kniend darstellt. Nichts als Spiegel- 
fechterey, zu der York überhaupt viel Anlage hatte. 

Alles 
dies erklärt auch, wie ich als Präsident von Gumbinnen, so getrost 
mit Förderung der Volkserhebung gegen Napoleon vorgehn konnte. 
Namentlich machte ich dies in den folgenden beiden Fällen geltend. 

1. York erwartete eine Absetzungs-Ordre, aber in der Art, 
dass die wirkliche Niederlage des Gommandos von ihm abhängig 
sey. Die Entsetzung durch die Zeitungen nahm ihm, weil er Wider- 
stand der Truppen fürchtete, alle Haltung. Da vereinigte ich mich 
mit dem General Kleist dahin, dass York das Commando behalten 
müsse, komme was da wolle. 

2. Vor EröfiFnung des Landtages im Februar 1813, auf wel- 
chem die Erklärung gegen Frankreich und die Volksbewaffnung 
ausgesprochen werden sollte, besuchte mich der Graf Schlieben von 
Gerdauen und Sanditten als Abgesandter mehrerer Landstände, und 
erklärte mir: Man habe volles Vertrauen zu meiner Anhänglichkeit 
an König und Vaterland, man wolle auch diese bewahren, ich möge 
sagen: Ob das, was man vorhabe, mit der Treue gegen den König 
vereinbar sey? ich fragte ihn: Ob er meinen Worten auch ohne 
weitere Demonstration vertraue? Und als Er Ja! sagte, forderte 
ich ihn auf, für Volksbewaffnung zu stimmen. Und Schlieben und 
dessen ganzer Anhang thaten es. S. 



1) Vgl- »Aus dem Leben des Generals Oldwig von Natzmer" S.91ff. 94 £P. 



H tm m ^1 « 



Beriohtigmigen und Zusätze. 



Infolge eines Augenleidens hat der Herausgeber die Abschriften nur 
zum Theil persönlich mit den zuweilen schwer lesbaren Originalen ver- 
gleichen können. Während des Drucks waren diese nicht zugänglich, und 
so hat eine in letzter Stunde ermöglichte Nachvergleichung eine Anzahl 
von Berichtigungen ergeben, die hier neben einigen Druckfehlem und Zu- 
sätzen zu den Noten ihre Stelle finden müssen. 

S. 7, Z. 4 V. 0. lies erwiedern. 

S. 8, Z. 6. Y. 0. lies Mann statt nun. 

S. 9, Z. 7 der Noten streiche mit; Z. 12 lies U statt 43; Z. 14 lies 

chronologische. 

S. 14, Z. 12 Y. 0. lies Memeler Aufenthalt. Z. 8 v. u. lies dar- 
zubringen. 

S. 20, Note 7. Vgl. S. 122, N. 1. 

S. 27, Z. 19 V. 0. Das fragliche Wort heisst gebraakter. Der Aus- 
druck ist von der Flachsbereitung entnommen. 

S. 30, Z. 13 Y. u. lies mir statt mich. 

S, 31, Z. 11 Y. o. lies ihn statt so. 

S. 34, Z. 6 Y. u. ist aktenmässig unterstrichen. 

S. 42, Z. 16 Y. n. lies angeflogen. 

S. 45, Z. 7 Y. o. lies an sich statt und. 

S. 50, N. 2. Es handelt sich um Stem's Schrift „Stein und sein Zeit- 
alter**, Leipzig 1855. Vgl. „Zu Schutz und Trutz** 
S. 728 ff. 

S. 51, Z. 4 Y. 0. lies ihm. 

S. 75, Z. 13 Y. u. lies Kutscher statt Burschen. 

S. 76, Z. 17 Y. 0. lies als bey mir; Z. 6 y. u. lies dass man an die. 

S. 88, Z. 6 Y. o. lies blieben. 

S. 117, Z. 14 lies der befreundeten der Leslie's. 

S. 147, Z. 4 Y. u. lies Kraft statt Kunst. 

S. 149, Z. 2 der Noten Ues 1812 statt 1872. 

S. 151, Z. 15 Y. 0. lies platte statt glatte. 

S. 175, Z. 9 Y. u. lies die gewöhnliche Welt. 

S. 187, Z. 11. 10 Y. u. lies Yerrottete statt Yeraltete. 

S. 194, Z. 5 Y. u. lies zerrüttete statt gerettete. 

S. 201, Z. 18 Y. u., S. 202, Z. 7 y. o. lies AYenturier. 

S. 204, Z. 8 Y. u. lies bliebe. 

S. 216, Z. 7 Y. o. lies Yer stehe. 



Register. 



Die Stellen, an denen in den Noten biographische Notizen über die be- 
treffenden Personen gegeben werden, sind durch * bezeichnet. 



Abegg, B. E. 82. *83. 85. 

Adel, preussischer, Pläne zn seiner 
Reform 15. 23 f. 42. 80. 176; Ver- 
last desselben 72; englischer 88. 

Alexander I. von Russland 75.164. 
174. 192. 194. 196. 

Alopaeus 30. 

Altenstein, K. Frh. von Stein zum 
17. 40. 90. 217. 

Aristides 37. 214. 

Arndt, E. M. 24. 30. 115. 198. 

Aster, E. L. v. *35. *84. 

Auerswald, H. J. v. *143. 163. 188; 
sein Tagebuch 161. 163. 186. 188. 
192. 

Augustenburg, Herzog von 235. 

Barclay de Tolly 192. 194. 
Bardeleben, Curt v. *148. 208. 
Bardeleben, K A. v. *197. 
Bauernbefreiung, s. Erbunter- 

thänigkeit. 
Bauernregulirung 45. 
Beer, W. *65. 
Beguelin, H. v. *16. 40. 
Behördenschematismus 17. 40. 
Below, G. V. n44. 194. 211. 213. 

221. 225. 232. 
Bennigsen,L.A.Th. Graf 107.222. 
Berlin, Universität 193. 236. 
Bernadotte 154. 

Bernsiorff, Chr. G. Graf v. n71. 
Beasel, F. W. *59. 66. 78; seine 



politischen Anschauungen 73. 78. 

85; Krankheit und Tod 82 f. 85. 
Besserer 203. 

Beyme, K F. *144. 147. 228. 
Bignon 41. 42. 
Blome, A. (Graf) v. *236. 
Blücher, G. L. v. 107. 137. 209. 230. 
Bodelschwingh, K. v. *216. 
Bötticher, Oberpräsident 65. 86. 
Boyen, H. v. 70. 107. 132. 143. 189. 
Brandenburg, Graf 164. 183. 199. 
Brandes 71. 
Brück, K. L. (v.) *159. 
Brüggemaun, K. H. *77f. 
Buhl, V. 47. 
Bühler 62. 
Bülow V. Dennewitz, F. W. Graf 

189. 190 f. 235. 
Bunsen, Gh. K. J. (v.) 38. 96; sein 

Sendschreiben über Niebuhr 90. 

96 ff.; Briefe Niebuhrs an ihn 91. 95. 
Burdach, K. F. *86f. 

Camphausen, L. 27. 169. 
Canorin, F. L. *194. 
— G. (Graf v.) *194. 
Canning 571. 
Casanova, G. 243. 
Chatam, Lord 173. 
Chevalier prussien 155. 
Christian VIU. von Dänemark 127. 
Clausewitz, K. v. 127. 198. 



CoDstantin, GtosBförst von Buss- 

land 164. 
Cornetiaa, A. 60. 6L. 62. 67. 71. 
Cornelius Nepos 211. 

Dach, Simon 115.117. 

Dambachl78. 

Dänemark 118. 150f. 152f. 154. 
165£jl60f. 

Danner, L. Gh., Gräfin »150. 

Darn, P. A. B., Graf 41. 

DaTonst 155. 

Diebitaeli, H. K. F. A. v. löl. 194. 

Dirichlet, G. L. *74- 

DirkBen, H. E. *69. 72. 

Dohna, Graf Alesander v. U 173; 
auf dem Landtag 1813 106. 198. 
202; StifterderLandwehr 107. 132; 
angefeindet 200. 202. 

~ Graf Friedrich v. +86- 164. 166. 

Dohna-Wundlacken, GrafHein- 
rioh T. «D. 68. 76. 217. 

Dohna, Graf Ludwig v. 166. 167. 

Dolgorncki 197. 

Dorow, W. +7 f. 53. 

Droyaen, J. G., aeine Jugend 137; 
politische Thätigkeit 127. 129. 142. 
153. 231; politische Anschaaungen 
137 £ 144. 153 f. 1^. 204 f 211 f. 
220. 226. 227 f. 232. 235; über die 
Entwicklung der deutschen Wissen- 
schaft 211 f.; soll Scbön's Leben 
beschreiben 133 f. 136. 234. 237; 
seine Vorlesnngen 184 f. 236 f ; von 
Schön eingeladen 148 ff. ; in Aman 
184; sein Leben Yorks 98 f. 114. 
171. 175. 188. 191. 201. 204. 207. 211. 
213. 218f. 221 f. 223 f. 228. 230. 243; 
2. Auö. 222. 225; mündlich über 
York 195. 226. 243; seine Rand- 
glossen zu Feitz 197. 201. 204; über 
Legitimität 231. 234; seine Ge- 
schichte der prenssischen Politik 
234 f.; über Schön 183 f. 229. 233 f. 
237. 

Dnnckor 71. 



Bter 247 

Egloffstein, Graf 78. 81. 
Eichendorff, J. v. »66. 116. 135. 

137. 203. 204 f. 
Eilers, G. 71. 
England, Nationalschuld 87 f.; 

Berliner Meinungen Aber England 

88; Kirche. 89. 
Erbnnterthänigkeit 40. 63. 
Esebeck, Anna t., s. Schön. 
Essen, v. 163. 180. 194. 340. 243. 
Efssenhardt 137. 

Fenerbaoh, L, ♦SW. 

Fichte, J. G. *148. 

Plottwell, V., Minister 83. 

Porster, G. 133f. 141. 

Förster, F. 54. 

Frese 43. 80. 

F r i c c i n 9 , K. P. 63 ; seine Geschichte 
des Krieg« 1813/14 105fi. 112f. 

Friedrich II. von Prenasen 96 £ 
209; sein Verhalten gegen York 
119. 120; aber Dänemark 155. 

Friedrich VU. von Dänemark 127. 
150. 

Friedrich Wilhelm m., sein 
Charakter 162; sein Yerhaltniss 
zu Stein 16. 53; zu Hardenberg 
162; Beine Verhandlungen mit Russ- 
land 1812 170; sein Verhalten bei 
Yorks Capitulation 183. 240. 243 f ; 
gegen die Landwehr 167; sein Ver- 
halten 1815 165; seine Heiraths- 
projeote 162; seine Statae in 
Königsberg 200 f. 

Friedrich Wilhelm IV. 187£ 
204 Bonaen über ihn 91; Droyaen 
über ihn 219 f. ; sein Verhältniaa 
in Schön 58 £ 64. 83. 95. 187, 203; 
für Beasel gemalt 86; in Königs- 
berg 1851 200. 208; in Altenbnig 
220.226. 

Froriep 16. 

Fürstenband 257. 

Clallerie der Zeitgenossen, b. Stein- 



248 



Register. 



Gensd'armerie-Gesetzl98f. 202, 

Gerlach, E. L. v. *216. 

Gernhart 193. 

Gersdorff *11. 

GervinuB, G. G. 20. 50. 141. 

Gerwien 115. 132. 

Geschworene 27. 

Gewerbepolitik 27 f. 

Gibsone, A. 57f. 

Giech, Gräfin H. 34. 

Gnei8enau,A. (Graf) Neidhardt v., 
seine Persönlichkeit und seine 
Thätigkeit bis 1813 54 ff. 209; in 
Collberg 58 ; in einem Geheimbnnd 
20. 54; bei Laon 189; sein Ver- 
halten 1815 165 f.; in der Friedens- 
Yollzngscommission 56 ; in der De- 
magogenzeit 183; gegenüber der 
polnischen Revolution 56; sein 
Yerhältniss zu Münster 55; zu 
Stein 57; zu York 55.193.203.242. 

Goltz, A. F. F. Graf v. d. 19. 75. 
*158. 159. 161. 168. 

Göttingen 100. 

Gottschalk, Rector 132. 

Götzky, Gh. v. 124. 

Graff, E. G. *31. 

Grandjean 130. 145. 239. 

Groben, V. d., General 194. 

Grolmann, K. W. G. v. 127. 

Haake, s. Hacke. 

Hacke, y., Landrath 60. 

Hake, K. G. E. V. *143. 171. 

Hardenberg, K A. Fürst v. 29.30. 
32. 139. 161 f. ; seine Persönlichkeit 
100 f. 166. 168. 169 f. 172 f. 175; in Ans- 
bach 169 ; im Conflict mit Voss 41 f. ; 
in Bartenstein 42; beim Tilsiter 
Frieden 158 f. 168; zu Ende 1808 
75 f.; seine Finanzpläne 1810 101 f.; 
seine Bauemregulirung 45; seine 
äussere Politik 1811/13 110. 113. 
162. 164 f. 167 f.; gegenüber dem 
Landtag von 1813 203; in Kaiisch 
159. 162. 165. 170. 174; gibt Ost- 
friesland auf. 153. 157. 161 f.; bei 
den Verhandlungen in Gent 162. 



165. 170. 174; verabscheut die 
Bourbons 174; sein Verhalten nach 
dem Kriege 170f.; sein Verhält- 
niss zum Bundestage 159. 168; 
sein Verhältniss zu Friedrich Wil- 
helm IIL 162; zu York 203. 

Hasenkamp, v. 187. 

Hassenpflug, H. D. F. L. *59. 

Haynau, J. J. v. *172. 

Hedemann, v. 199. 

Hegel, G. W. 212. 

Henkel, Graf 183. 191. 

Hertzberg, E. F. Graf v. *138. 

Hessenstein, Gräfin 99. 

Hippel, G. Th. 69. 

Hirsch, Professor 149. 

Hoffmann, J. G. *17. 40. 

Hogendorp, v. 119. 

Hüllmann 12. 

Humboldt, A. v. 86. 

Humboldt, W. v. 31. 56. 159. 165f. 
168. 

Jacobi, K. G. *66. 83. 85. 87. 

Jacoby, J. 70. *73. 

Janke 10. 13. 14. 15ff. 

Jarke 83. 

Jaski, General 193. 

Immediatcommission 24. 

Johann, Prinz (König) von 

Sachsen 226. 
Jorek-Gusewski 120. 176. 
Ju s t i z V e r f a s s u n g, preussische 27. 
d'Ivernois, Sir F. n57. 

Kaikreuth, F. A. Graf v. *56. 58. 
158. 

Kant, J. 25. 100. 

Katharina, Grossfürstin von Buss- 
land 162. 

Katzbach, Schlacht 55. 227. 242. 

Keith 121. 127. 

Keudell, 0. v. *229. 

Kielmansegge, Graf L. *1. 

— Gräfin Therese 34. 48. 

Kleist von Nollendorf, E. F. 
Graf 183. 189. 190. 193. 195. 231. 241. 



Register. 



249 



Klewitz, W. A. (v.) *23. 47. 

Klose, L. 90. 

Knesebeck, K. F. v. d. 143. *165. 
170. 174. 183. 189; sein russischer 
Feldzugsplan 178 f. 189. 191 f.; seine 
Memoiren 189. 191. 194. 

Köckritz, K L. v. 55. *177. 238. 

Kosch, R. J. *82. 85. 

Kotzebue, v., Capitain 143. 145. 

Krabbe 60 f. 

Krefft, L. 183. 

Kunth, G. J. Cb. *51. 53. 

liamartine, A. de 129. 
Landtag, preussiscber, von 1813 

106. 140. 167. 181. 188. 196. 198. 

199. 202 f. 241. 244; von 1843 72. 

74. 78. 81; brandenburgiscber von 

1843 72. 
Landwehr, Entstehung 69 f. 107. 

115. 122. 132. 141; Erhaltung 107; 

Reformpläne 124. 
Laon, Schlacht 189. 190 f. 193. 199. 

202. 242. 
Lehndorf f- Steinort, Graf Carl v. 

*180. 183. 192. 196. 197. 225; über 

York 201; über Droysens Leben 

Yorks 221 f. 224 f. 227. 
L^Estocq 222. 
Linker, v., Landrath. 109. 
Literarische Zeitung 67. 70ff. 
Lob eck, Chr. A. 82. *8G. 
Lombard, W. 228. 232. *235. 
Lorck 86. 

Lucchesini, G. 232. *235. 
Luden, H. *134. 
Luise, Königin von Preussen 16 f. 

Macaulay, Th. B. 25. 
Macdonald 108 f. 181. 240. 
Manteuffel, 0. v. 235. 
Marienburg 11 f. 224. 
Martineau, H. 232. 
Marwitz, Alexander v. d. 219. 
— F. A. L. V. d. 211. 215. 219. 229. 
Massenbach, v., General 180. 
Mecklenburg-Schwerin 30f. 
Metternioh, C. W., Fürst v. 110. 



Minuth 143. 145. 
Möllendorff, v. 228. 
Moltke, Graf Karl v. 235 f. 
Monatsschrift, Allgemeine 190. 

193. 
Montgelas, Graf 52. 
Moser, L. 65 f. *66. 86. 133. 134. 
Müffling, F. F. K. V. 189. 190f.; 

seine Memoiren 35 188 f. 190 f.; 

als Militärschriftsteller 127. 
München, Universität 236. 
Münster, E.F.H. Graf v. *55. 157. 
Murat 63. 166. 

Hagler, K. F. F. (v.) *158f. 

Napoleon L, Attentat auf ihn 35; 
in Gumbinnen 63. 155 ; gegen Stein 
74 f, 

Napoleon IIL 204f. 

Nationalversammlungen von 
1811—14 198 208. 

Natzmer, 0. v. 161. 197. 244. 

Nicolovius, G. H. L. *9. 17. 20. 
68. 76. 217. 

Niebuhr, B. G. 87. 95; sein Cha- 
rakter 99 ff.; gegen Hardenbergs 
Finanzpläne 101 f. ; in Conflict mit 
Stein 32. 42. 104; „Leben und 
Briefe^* 89 f.; Briefe an Bunsen 
91 ff. 95. 

Niebuhr, M. (v.) *187f. 229. 

Nitsch 193. 

O'Connell, D. *88f. 
Olmütz, Punktationen 153. 205. 
Ostfriesland 153. 157. 161 f. 

Palmerston, Lord 204. 
Papiergeld 26. 43 f. 103 106. 
Parlament, Frankfurter 137. 139 f. 
Patrimonialgerichtsbarkeit 

40. 
Paulucci 21f- 37f. 166f. 194. 
Peel, R. 73. 77. 173. 
Perponcherscher Club 42. 205. 

217; 
Pertz, G. H., knüpft mit Schön an 

74; im Verkehr mit Schwinok 79; 



250 



Begister. 



sein späteres Yerhältniss zu Schön 

147; sein Leben Steins 4. 23. 29. 

34 f. 36. 79. 98. 116. 118 144. 147. 

186. 191 f. 201. 207. 209 f. 214; Leben 

Oneisenau's 54; ,,Aiis Steins Leben'* 

212 f. 
Pfuel, E. H. A. V. *178. 189. 
Phull, K L. A. V. *178.189. 192. 
Pinder *6. 74. 
Pitt, W. 173. 
Plotho, V., Major 21. 37. 
Polen, Stein und Pozzo di Borgo 

darüber 18 f. ; Oneisenan darüber 56. 
Pozzo di Borgo *19. 
Preussen 116; seine Kriegsleistnn- 

gen 142 145. 
Pütter, J S. *100. 166. 

Radowitz, J. M. v. *177f. 
Ranudcben, s. Danner. 
Rasmnssen, s. Danner. 
Beichsstände, Pläne darüber 15. 

17. 23. 42. 80. 
Reisacb, Graf 8. 52f. 
Rendsburg 160. 
Repnin, Fürst 33. 
Repräsentation, s. Heichsstände. 
Hey her, General 208. 210. 
Itbediger, v. 17. 42. 43. 68.80.217. 
Itochow, G. A. R. V. *60. 64. 
Röckner *20. 
Rosner 72. 
Roth er, Chr. (v.) *203. 
Rupp, J. *83 

Sachsen, Königreich 220. 

Sack, J. A. *41. 

Saemann, Landrath 63. 

Salzmann 8. 215f. 

Schack, Hauptmann 161. 163. 

Scharnhorst, G. D. v. 167. 202. 
209. 240; in einem Geheimbund 20; 
Voss gegen ihn 42 ; Verhältniss zu 
York 140 f. 203; von ihm denuncirt 
55. 179. 238 f. 242; Correspondenz 
mit ihm 129; seine Thätigkeit 1811 
129. 130. 136 f, 140. 143. 145 f. 173; 

über Volkabew&miVLBg 130f. 145 i.-, \ 



sein Conscriptionsgesetz 146 ; nicht 
Stifter der Landwehr 69 f: 115; in 
Kaiisch 165. 

Scharnhorst, W. v. *34, 

Scheffner, J. G. *17. 40. 79. 

Schenk, v., Lieutenant 108. 

Sohenkendorff, M. v. 31. 

Schimmelpfennig, v. 109f. 

Schleswig-Holstein 147f. 150f. 
152 ff. 156. 160 f. 184 f. 190. 235. 

Schlieben-Sanditten, Graf 244. 

Schlosser, F. Gh. 24f. 26. 134. 196. 

Schmalz, Th. A. H. 16. *17. 40. 

Schön, Anna v. 65. 

Schön, Auguste Amali& Henriette y. 
32. 59. 64. 65. *172. 

Schön, Hermann v. 59. 

Schön, Malwina v. *208. 

Schön, Th. v., seine Biographen 
60 f.; Pläne zur Abfassung seiner 
Biographie 133 ff. 136. 234. 237; 
über Biographien 98 f.; seine Me- 
moiren 134 f. 155; Sendschreiben 
an Schlosser 24 f. 196. 201; „Wo- 
her undWohin?" 62. 218; „Staat oder 
Nationalität?** 218 ; Denkschrift über 
York 238 ff. ; Kriegsnachrichten von 
1812/13 243 f.; unter Stein 17f; in 
einem Geheimbund ^0; unter Har- 
denberg 42; Voss gegen ihn 42; 
lehnt das Finanzministerium ab 
102; seine Vollmacht 1811/12 110. 
129. 130 f. 140 145 f. 202; Gespräch 
mit Napoleon 63. 155; rettet Gum- 
binnen 63; bereitet die Volkser- 
hebung vor 165. 244; verhandelt 
mit York in Tilsit und Königsberg 
192. 194f.231.241; gegen Paulucci 
21 f. 37 f.; verhandelt mit Stein in 
Gumbinnen 63; auf dem Landtag 
1813 140. 196. 199. 202 f. 244; über 
die Stiftung der Landwehr 122. 
131 ff. 141; über Volksbewaffnung 
130 f. 140. 148; im Verwaltungsräth 
30 ff. 157; soll württembergischer 
Minister werden 47 f. ; über deutsche 
"Vetia-Ä^vwi^^^l^ \^^i. Verhältniss 



Register. 



251 



zu Stein 26. 43 f.; zu York 141; 
Memoire für diesen 142. 145. 
Correspondenz mit ihm 154. 155. 
208. 210. 224. 227; Verhältniss zu 
Friedrich Wilhelm IV. 58 f. 64. 83. 
95. 187. 203 f.; in Berlin 1841 60 f. ; 
Empfang in Königsberg 1841 61 f. 
im Moming Herald 70. 73; auf 
dem Landtage von 1843 81; sein 
Jubiläum 81 f.; lädt Droysen ein 
148 ff.; zürnt auf ihn 233; über 
Droysen 222 ; geplante Reise nach 
Sachsen 215. 219. 223. 229. 231; 
verfolgt 223; über Schleswig-Hol- 
stein 130. 147 f. 150 f 163. 187. 193; 
über Bundesstaat 134. 148. 159; 
über deutsche Politik 134 f. 139. 
148; über die preussische Politik 
der fünfziger Jahre 27 £ 187. 209. 
215 f. 223; Droysen über ihn 183 f. 
229. 233 f. 237; Porträt 64. 

SchrötterF.L.v.26. 29.41.143. 147. 

Schubert, F. W. ni; seine Zei- 
tung 73. 

Schuckmann, K F. (v.) 52. *202. 

Schulz, Professor 149. 

Schulz, Eegierungsrath 21. 192. 230. 
241. 

Schulze, Consul 87. 

Schwinck,G., verhandelt mit Perfcz 
6. 74. 79; mit ComeUus 62. 64; 
wegen der Literarischen Zeitung 
70ff. ;mitThile und Röchow 64 ; seine 
Sternkarte 65. 73. 78. 81; seine 
Elrankheit 84. 

Seydlitz, A. v. *164. 178. 183.240. 
243 f. 

Shakespeare, W. 25. 

Simson, E. (v.) *23. 24. 86. 215. 

Soult 56. 

Spiegel zum Desenberg, F. A. 
Graf *52. 

Städteordnung 41. 63. 97. 

Stägemann, F. A. *17. 42. 50. 75. 

S t e i n , K. Frhr. vom u. zum,Charakter 
und Persönlichkeit 3. 7. 8. 18 ff. 29 ff. 
36 ff. 51 f. 106. 111. 116 f. 168. 214; 
Bildung 18. 76. 101. Ulf. 217; an- 



gebliches Antrittscircular 10. 11; 
seine Reformthätigkeit 14. 15. 17 £ 
40. 51; sein Verhältniss zu König 
und Königin 16 f. 53; in einem 
Geheimbund 20; Beziehungen zu 
Voss 41 £; sein Sturz 42 £ 68. 74 £ 
.217; politisches Testament 6. 8£ 
18. 22. 43. 68 £ 75 £ 79. 80. 216 £ 
219; die Literarische Zeitung dar- 
über 67.69.71.73 ; seinVerhaltenEnd© 
1808 54 ; erhält preussische Pension 
227; Correspondenz mit Schön 6. 
7; für Papiergeld 26. 43. 103. 106; 
schlägt Schön zum preussischen 
Minister vor 48; über Preussen 1810 
103; in Russland 192; in Preussen 
1813 19. 21. 44. 63. 104. 106 £ 197. 
241; im Verwaltungsrath 30 ff.; 
will angeblich katholisch werden 
32. 111. 168;" im Conflict mit Nie- 
buhr 32; bei den Verhandlungen 
mit England 157; über Polen 18 £; 
über deutsche Verfassung 44. 112. 
157 f.; über Bauemregulirung 45; 
in Württemberg 47 f. ; schlägt Schön 
zum württembergischen Minister 
vor 47 f.; bei der Herstellung der 
Marienburg 11 f.; seine spätere po- 
litische Stellung 38 ff. 51.68. 103 £ 
106. 209. 212. 218; kathoHsirt 51 £; 
Verhältniss zu Schrötter 26; zu 
Schön 26; zu Gneisenau 57; zu 
Reisach 8. 52 f.; zu Spiegel und 
Gagem 52; zu Niebuhr 32. 104; 
zu Beyme 147 ; über seinen Bruder 
10. 14; über Knesebeck 174; über 
Russland 192. 

S t e i n , L. V. , Bruder des Ministers 10. 
14. 

Steinmann, seine „Gallone der 
Zeitgenossen'* 11. 13. 

Stern, S. 50. 

Stewart, Sir Gh. *157. 

Struensee, K. A. (v.) *168. 

Stuhr, P. F. *20. 

Stülpnagel 62. 

Stutterheim, L. A. ^.*Vä. 



252 



Eegister. 



Süvern, J.W. *20. 40. 217. 

Swift 216. 

Tempolhoff, G. F. v. *84f. 

Thüm.en, v. *235. 

Tieck, L. 65. 

Thiers, L. A. 129. 

Thile, L. G. V. *64. 161. 164. 197. 

Tr esorscheine, b. Papiergeld. 

Tachitschagoff 109. 

Tugendbund 20. 

Union, kirclilicbe 236. 
Union, preussisclie 138. 
Uwarow, „Stein u. Pozzo di Borgo** 
34. 98. 214 f. 218. 220. 225, 

TarnliagenvonEnse, K. A. 132. 

134. 235. 
Ter waltungsrath, deutscher 30flf. 
Vincke, F L. W. v. 45 f. 47. 53 f. 74. 
Vincke-Oibendorf, K. v. *144. 
Yoigt, J. *6. 8. 32. 69 f. 115. 141. 145. 

210. 231. 
Voss, 0. K. F. V. »41 f. 

— Sophie Marie, Gräfin v. 74. 

— Gräfin v., geb. v. Berg 46 

Wach 64. 
Wallenstein 209. 
Wellington 56 f. 
Weyrach, K. v. *243. 
Wilberforce, W. *151. 
Wilhelm L von Württemberg 47. 
Wilhelm I., Kurfürst von Hessen.99. 
Wilhelm, Prinz von Preussen 35. 

199. 
Willisen, W. v. »151. 152. 
Winkworth, S. 89. 98. 
Wittgenstein, Fürst^ russischer 

GeneraL 109. 195. 197. 240. 244. 
Wittgenstein-Hohenstein, 

Fürst V.* 202; 
Witzleben, J. v. *56. 
Woher und Wohin? 62. 218. 
Wolchonski, Fürst. 33. 
Wolzogen, L. v. 35. 192. 



York-von Wartenburg, H. D. L. 
Graf, Charakter und Persönlichkeit 
34. 117 f. 128. 175. 181 f. 182. 183. 

193. 195. 204. 209. 213. 218 f. 221. 
224. 227. 230. 238 ff. ; Herkunft 115. 
117. 119 f. 121 f. 123 f. 125 f. 127 f. 

176. 182 f. 221. 225. 226 f. 239; cas- 
sirt 119 ff.; in Holland 117. 238; 
als Soldat 224. 227; politische 
Stellung 1771 193.238; bei Steins 
Sturz 42. 221. 223; lehnt ab, Gou- 
verneur des Kronprinzen zu werden 

177. 183; seine Affaire mit dem 
französischen Kaper 179. 238 f.; 
denuncirt Scharnhorst 55. 179. 203. 
238 f. 242 ; seine Vollmacht von 1811 
110. 129. 130 f. 140. 143. 145 f. 239; 
Plan eines Yolksaufgebots 138. 
140; Bewaffhungsplan 197 f. 202. 
zu Anfang 1812 143. 145 f. 239; 
im russischen Feldzug 38. 163 £ 

194. 239 f. 243 ; seine Capitulation. 
141 f. 179 f. 183 f. 194 f. 201 f. 221. 
227. 230. 240. 243 f. ; verhandelt mit 
Schön in Tüsit 183. 192. 194 £; auf 
dem preussischen Landtag 33 f. 
106 f. 140. 167. 181.203. 241; abge- 
setzt 230 fl 238. 241.244; während 
des Waffenstillstandes 231. 242. 
bei Laon 189. 190 £ 193 ; von den 
preussischen Ständen geehrt 208. 
210; Verhältniss zu Gneisenau 55. 
179. 193. 263. 242; zu Schamhorst 
140 f. ; Correspondenz mit ihm 129 ; 
Verhältniss zu Schön 140; Corre- 
spondenz mit ihm 154. 155. 208. 
210. 224. 227 : Verhältniss zu Muff- 
ling 190 £ 193 ; zu Hardenberg 203 ; 
über Graf Lehndorff 225; übersieh 
selbst 219. 222 ; Wappen 176. 

— Graf Ludwig 116. 117. 
Yorke 120. 
York-Strasse 210. 

Zastrow, v. 55. 



Königsberg, Uartung»cbie^^|aAYi^ucau(t«\.. 



DATC DUE 1 



































































































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